09.08.2016, 19:26
Der Sommer ist nicht so mein Thema. Im Grunde konnte ich dazu erst schreiben, als er Pause machte. Hier nun, was mir in der Pause einfiel, recht belanglos, aber vielleicht eine Einstimmung auf das Revival? Das Schöne an einem Märchen ist ja, dass es nicht logisch sein muss.
Ein Sommermärchen
Für die frühe Stunde, es war erst kurz vor Neun am Sonntagmorgen, war es widerwärtig heiß. Der Asphalt auf dem kurzen Straßenabschnitt zwischen Pavillon und Luke's Diner fühlte sich unter den Schuhen der Passanten weich an, als wäre er geschmolzen, und die Vögel, die vor einigen Stunden mit heftigem Zwitschern den Morgen begrüßt hatten, waren schon lange wieder verstummt, hatten sich an schattige Plätze oder an den Baggersee zurückgezogen.
Lane stand an der Haltestelle und beobachtete die anderen Teilnehmer. Die meisten waren in ihrem Alter, es waren kaum Erwachsene zu sehen. Sie seufzte; Lane hatte so gar keine Lust auf diesen Tag. Bestimmt waren die meisten in der Gruppe um sie herum Idioten. Dass sie niemanden kannte, machte die Sache auch nicht besser. Fünfzehn war wirklich ein elendes Alter, man durfte viel zu oft noch nicht selber entscheiden, wie man den Sonntag verbrachte, sondern musste machen, was die Mutter entschied.
Lane sah traurig hinüber zu Luke's. Sie dachte an ihren Vater. Der hätte sie bestimmt machen lassen, was sie wollte. Aber Nordkorea war weit, und ihre Mutter hatte sich auf keine Diskussion eingelassen. Jetzt stand sie an der Haltestelle und wartete auf Rory, eine Jutetasche mit grässlichem Tofu als Wegzehrung in der Hand.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Luke's Diner. Rory trat auf die Straße und schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab. In der Hand hatte sie einen Picknickkorb. Sie verabschiedete sich von Luke, der sie zur Tür begleitet hatte, und ging auf die Gruppe an der Haltestelle zu. "Hey!", rief Lane erfreut, und "Hey!" antwortete Rory, als sie bei der Freundin ankam.
"Wie geht's? Und was ist da drinnen?", wollte Lane gleich wissen, der man ansah, dass sich ihre Stimmung schlagartig gebessert hatte. "Jeeede Menge Essen, und alles garantiert vitaminfrei. Außerdem Cola, und eine Thermoskanne mit Kaffee." Rory grinste. "Wir müssen nur darauf achten, dass deine Mutter uns nicht begegnet." Lane nickt zustimmend: "Hast recht. Und mein Essen bekommen die Pferde."
Rory sah sich um. "Was sind denn das für Leute? Ich glaube, ich kenne hier niemanden." Lane nickte: "Alles Touristen. Seitdem Taylor diese Website eingerichtet hat, auf der er für Stars Hollow und die Heuwagenfahrt wirbt, kommen die Leute von überall. Nur mein Arzt, der kommt nicht!" - "Wie, er kommt nicht?" Rory war irritiert. "Was meinst Du damit?" Lane erklärte: "Er hat gestern angerufen, dass er allergisch gegen Heu ist. Mit dieser Begründung hat er abgesagt. Und ich hab's meiner Mutter nicht gesagt, deshalb denkt sie, er ist heute dabei. So haben wir beiden einen Tag für uns. Den da kenne ich übrigens doch. Dreh dich nicht um!"
Rory sah Lane unverwandt an, als sie fragte: "Wen kennst du?" - "Da vorne der Typ, ich werde ihn dir später zeigen. Der ist bei uns auf der Schule. So ein großer, und mit schönen Haaren. Er glotzt dich die ganze Zeit an." - "Das bildest du dir nur ein", antwortete Rory, bevor sie ins Plaudern kam. "Ja, unsere Schule. Manchmal denke ich, sie wird mir fehlen, wenn das mit der anderen Schule klappt." - "Na ja", beruhigte Lane sie. "Das sind ja wohl noch einige Monate, bis du von denen hörst. Und vielleicht nehmen sie dich ja gar nicht."
Ein Sportwagen näherte sich. Er umrundete erst den Platz mit dem Pavillon und parkte dann schief vor Luke's Diner. Dass er die Aufmerksamkeit aller hatte, lag an den heruntergelassenen Fenstern und der herausdröhnenden Musik. Vier Jungs stiegen aus, unterhielten sich laut miteinander und kamen dann breitbeinig zur Haltestelle herüber. In diesem Moment hört man aus einer Seitenstraße das Trappeln von Hufen näher kommen, und die Aufmerksamkeit der kleinen Menschenmenge an der Haltestelle wurde von der neuen Gruppe abgelenkt.
Schon bog der lange Heuwagen, gezogen von einem Vierergespann kräftiger Pferde und beladen nur mit einigen Heuballen als Sitzgelegenheiten, um die Ecke, rollte die kurze Straße entlang und kam, auf ein Signal des Kutschers hin, direkt an der Haltestelle zum Stehen. "Mensch, Kirk weiß ja wirklich, wie man mit Pferden umgeht!", staunte Lane. "Und Taylor ist für die Menschen da!", grinste Rory, während Taylor, der auf die Sitzbank des Kutschbocks geklettert war, die wartende Menschenmenge zu dirigieren versuchte: "Immer einer nach dem anderen! Nicht drängeln! Und keine Zigaretten, kein offenes Feuer, keine Feuerwerkskörper und keine Wasserpistolen."
Lane kletterte hinter Rory auf den Wagen. "Lass uns hinten sitzen, weit weg von den läppischen doofen Bubis." - "Was?", lachte Rory, war aber einverstanden: "Aber gerne, vor den zwei Mädchen ist noch Platz." Die beiden setzten sich auf einen Heuballen, direkt vor zwei etwas exzentrisch gekleideten Mädchen. "Was meintest du eben?", fragte Rory ihre Freundin leise. "Ach, ich wollte nicht in der Nähe von den arroganten Typen sitzen.", erklärte Lane. Rory wirkte verwirrt: "Okay, verstehe. Oder auch nicht. Läppische, doofe… wie bitte?" Lane erklärte: "Sieh dir das Nummernschild an - NH-LDB 1. Bubis aus New Haven!"
Das größere der beiden Mädchen hinter Rory und Lane hatte die letzten Worte gehört. "Bubis!" Sie prustete los. "Hast du gehört, Olivia?" Ihre Freundin, die wie Lane einen leicht asiatischen Einschlag hatte, blieb cool: "War ja klar, dass die Typen sich die vorderen Plätze sichern. Die sitzen alle in der ersten Reihe."
Inzwischen hatten alle Teilnehmer Plätze auf dem Heuwagen gefunden. Taylor stand immer noch auf der Sitzbank am Kopfende des Wagens. Er kraulte seinen Bart und überlegte, wie er in der Enge des Wagens, der mit den vielen Fahrgästen leicht schaukelte, von der Bank heruntersteigen könnte. Einer der vier Jungen in der ersten Reihe sprang auf und reichte ihm die Hand: "Darf ich Ihnen helfen, guter Mann? Dass sie unbeschadet heruntersteigen zu uns ins Heu?", fragte er theatralisch. "Ja, Robert, sei ein Gentleman!", bemerkte sein Nachbar, aber Taylor hatte schon die Hand genommen und war von der Bank gestiegen. Er setzte sich neben Kirk und rief über die Schulter: "Festhalten, bitte!"
Kirk bewegte die Zügel. "Los, ihr vier. Hüah, Calimero!" Die Pferde setzten sich langsam in Bewegung, und mit ihnen der Heuwagen. Es ging gleich um die Ecke, an der Scheune vorbei, deren Tor weit offen stand und in dem Miss Patty inmitten einer Gruppe Ballerinas stand, die allesamt dem Heuwagen wild zuwinkten. Nur eines der Mädchen drehte sich demonstrativ desinteressiert weg und blickte genervt auf ihre Uhr. "Ist das nichts für dich, Sasha?" - "Kindergartenkinder auf der Kutsche? Nein, Ginny, aus dem Alter bin ich raus. Können wir bitte weitermachen?"
Taylor saß aufgeregt auf dem Bock des Heuwagens und hatte sich zu seinen Gästen umgedreht. "Seht, hier links haben wir Lukes Diner! Hier gibt es den besten Kaffee von Connecticut!" Ein dunkelhaariges Mädchen in einer der mittleren Reihen beugte sich zur Seite vor und stützte sich auf der Schulter ihrer blonden Freundin ab: "Steht da etwa jemand drinnen? Ja, da steht ein Mann und hantiert an der Theke. Mit einem Basecap! Seht ihr?" Ihre Freundin lehnte sich leicht pikiert zurück. "Basecaps sind sowas von Siebziger. Sowas trägt man auch nur noch hier auf dem Dorf." Ihre Freundin war verwirrt: "Wirklich? Basecaps sind out? Mein Onkel trägt auch oft eines. Der Bruder meiner Mutter." Nach einer Pause sah sie noch verwirrter aus: "Na ja, er ist alt. Älter als meine Mutter. Bestimmt war er in den Siebzigern schon alt!" Das dritte Mädchen in der Reihe war merklich genervt. "Wir haben verstanden, Madeline. Dein Onkel ist alt. Ich fasse es nicht, dass wir jetzt hier auf diesen kleintierverseuchten Heuballen sitzen und uns dieses Kaff ansehen." - "Kleintierverseucht? Was für Kleintiere? Wie meinst du das, Paris?" - "Sie meint, dass hier im Heu bestimmt Spinnen sind, und womöglich auch Ameisen und Würmer und Ratten." Dem genervten Mädchen gelang es, noch genervter dreinzuschauen: "Ja, Louise, und Löwen und bestimmt auch Tiger."
Louise blickte nach vorne: "Oh ja, Löwen schon." Sie sah dabei den vor ihnen sitzenden Jungen an, der einen Kopfhörer aufhatte und nichts mitbekam. Madeline nickte lächelnd: "Das stimmt." Sie sah kurz zu ihrer genervten Freundin, tippte dann dem Jungen auf die Schulter und fragte, als er sich umdrehte und den Kopfhörer zur Seite schob: "Was hörst du denn?" Er sah die drei Mädchen der Reihe nach kurz an, mit einem prüfenden Blick aus leicht zusammengekniffenen Augen, und antwortete dann einsilbig: "Gavin DeGraw." Louise sah ihn herausfordernd an und meinte dann zu Madeline: "Oh, exotische Musik. Etwas ganz Besonderes…" Madeline lächelte nur, während von dem dritten Mädchen ein verächtliches Schnauben zu hören war. Bevor der Junge den Kopfhörer wieder über seine Ohren schob, sagte er nur: "Solide Rockmusik. Vielleicht jetzt noch nicht bekannt, aber ihr werdet noch von ihm hören."
Sein Nachbar sah von seinem Buch hoch. Er war in einer Schülergruppe aus New York gekommen und hatte die ganze Zeit keinen Blick für die Häuser mit dem Eisladen, dem Supermarkt und der Kirche, an denen sie vorbeigekommen waren. Nun musterte er den Jungen mit dem Kopfhörer zu seiner linken kurz, irgendwie neugierig, bevor er offenbar zu einem Ergebnis kam, das ihn sich wieder über sein Buch beugen ließ. Er schien auch nicht daran interessiert, sich mit seinen Mitschülern zu unterhalten. Von hinten hatte Rory die Szene beobachtet, bevor sie weiter mit Lane quatschte. Sie hatte nicht gemerkt, dass der große Junge, der sie vor Fahrtantritt beobachtete, wieder zu ihr sah. Er saß rechts neben der Leseratte, hatte ihren Blick zu dieser bemerkt, und warf nun seinem Nachbarn einen bösen Blick zu. Gerade als er an seiner Cola nippte, bog der Heuwagen um die nächste Ecke des Platzes.
Vielleicht wurde es dadurch verursacht, dass ein Spritzer aus der Coladose auf dem Buch seines Nachbarn landete. "Alter, was soll das?", fauchte dieser zu ihm herauf. "Pass doch auf!" - "Entschuldige, ich wollte deinen Comic nicht ruinieren. Du ahnst gar nicht, wie sehr mir das leidtut." Auf dem engen Heuwagen entstand Unruhe. Die Umsitzenden befürchteten, dass sich die beiden Jungen, der große schmale und der kleine mit den breiten Schultern, bald prügeln würden.
Taylor hatte die Fahrt damit verbracht, auf die Sehenswürdigkeiten hinzuweisen, die Kirche, die jeweilige Seite des Pavillons, die Sonderangebote des Supermarktes und den gepflegten Zustand des Rasens auf dem Platz im Zentrum der Stadt. Nun wurde er aufmerksam, reckte den Hals und fragte wichtig: "Was ist da hinten los?" Damit lenkte er den Bücherwurm ab. Dieser drehte sich zu ihm und rief: "Nichts, was sie etwas angeht!" Nur die in der Nähe sitzenden konnten noch verstehen, wie er etwas von "Blockwart des Heuwagens" murmelte, aber weil fünfzehnjährige Jungen gegenüber Autoritäten zusammenhalten, mussten sie lachen, sogar der hochgewachsene Colatrinker mit dem verwegenen Haar, und so entspannte sich die Situation schnell wieder.
Die Gruppe in der ersten Reihe hatte eifrig die Stadt fotografiert, den Pavillon, das Portal der Stars-Hollow-High, den Bürgermeister, der eifrig erläutert hatte, und natürlich auch Kutscher Kirk. Der stille, gutaussehende Junge hinter ihnen hatte sie dabei beobachtet, besonders die teuren Kameras. Einer der so professionell ausgerüsteten Jungs aus der ersten Reihe, ein schmaler blonder Kerl mit einer Markensonnenbrille, merkte das, und sprach ihn an: "Interessierst du dich für Fotoapparate?"
"Ja, ein wenig. Ich habe auch eine Kamera, nur nicht so eine." Der Sonnenbrillenträger grinste: "Wenn man eine bessere Ausrüstung hat, werden die Bilder schon auch besser. Das lohnt sich, das kannst du mir glauben." - "Ja, glaube ich gerne!", antwortete der Junge hinter ihm, schränkte aber ein: "Nur muss man sich das leisten können." - "Klar!", bestätigte Sonnenbrille. Und großzügig fügte er hinzu: "Wenn man arbeitet, kann man sich das leisten." Er sah seinen direkten Nachbarn an: "Siehst du auch so, Colin, oder?" Er lachte.
Colin sah pikiert aus: "Arbeiten? Meine Großeltern haben gearbeitet. Reicht das nicht?" Die letzte Frage hatte er an das gerade mal zehnjährige Mädchen gerichtet, das zu der kleinen Grundschulgruppe gehörte, die sich auf den Heuwagen verirrt hatte. Obwohl die Frage wohl nur rhetorisch gemeint war, piepste sie verschüchtert: "Ich weiß nicht, ich kenne meine Großeltern nicht. Ich bin adoptiert." Im allgemeinen Gelächter ging unter, wie der Junge mit der teuren Sonnenbrille seinem Hintermann anbot: "Vielleicht kannst du mal auf einer unserer Partys arbeiten, Getränke eingießen oder so."
Ein älteres Mädchen mit kurzen, roten Haaren mischte sich ein, legte seinen Arm auf die Schulter der verängstigten Grundschülerin und fuhr die Jungen in der ersten Reihe an: "Jetzt lasst sie ihn Ruhe!" Ihre Familie saß seit Generationen einer Studentenverbindung vor, die sogar an einigen Schulen aktiv war, und so gehorchten die vier ihr.
Inzwischen hatte der Heuwagen im Schneckentempo den Stadtplatz umrundet. Knarrend bremste das Gefährt am Ausgangspunkt der Reise ab. Alle Passagiere kletterten, sprangen, kraxelten und stiegen vom Heuwagen herab und verteilten sich auf ihre Autos, gingen in Richtung Bushaltestelle oder verschwanden in den Seitenstraßen. Gleichzeitig gab Kirk auch dem Pferdegespann ein Startzeichen. Der leere Heuwagen setzte sich rumpelnd wieder in Bewegung und verschwand in der Seitenstraße zwischen Diner und Supermarkt.
Rory und Lane waren stehengeblieben und beobachteten das kurzzeitige Verkehrschaos. Nachdem die Fußgänger verschwunden und die Autos weggefahren waren, lag der Stadtplatz wieder menschenleer da. Rory und Lane sahen sich an, und Rory sprach zuerst: "Das war's?" - "Das war's. Bis morgen, Rory!" - "Bye, Lane." Nachdem auch die beiden Mädchen gegangen waren, konnte sich die Stadt von ihren vielen Besuchern erholen. Die Besucher, nun wieder in alle Winde zerstreut, konnten allerorts vom Charme von Stars Hollow erzählen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie sich vielleicht irgendwann noch einmal begegnet, ohne sich zu erkennen.
Ende.
Ein Sommermärchen
Für die frühe Stunde, es war erst kurz vor Neun am Sonntagmorgen, war es widerwärtig heiß. Der Asphalt auf dem kurzen Straßenabschnitt zwischen Pavillon und Luke's Diner fühlte sich unter den Schuhen der Passanten weich an, als wäre er geschmolzen, und die Vögel, die vor einigen Stunden mit heftigem Zwitschern den Morgen begrüßt hatten, waren schon lange wieder verstummt, hatten sich an schattige Plätze oder an den Baggersee zurückgezogen.
Lane stand an der Haltestelle und beobachtete die anderen Teilnehmer. Die meisten waren in ihrem Alter, es waren kaum Erwachsene zu sehen. Sie seufzte; Lane hatte so gar keine Lust auf diesen Tag. Bestimmt waren die meisten in der Gruppe um sie herum Idioten. Dass sie niemanden kannte, machte die Sache auch nicht besser. Fünfzehn war wirklich ein elendes Alter, man durfte viel zu oft noch nicht selber entscheiden, wie man den Sonntag verbrachte, sondern musste machen, was die Mutter entschied.
Lane sah traurig hinüber zu Luke's. Sie dachte an ihren Vater. Der hätte sie bestimmt machen lassen, was sie wollte. Aber Nordkorea war weit, und ihre Mutter hatte sich auf keine Diskussion eingelassen. Jetzt stand sie an der Haltestelle und wartete auf Rory, eine Jutetasche mit grässlichem Tofu als Wegzehrung in der Hand.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zu Luke's Diner. Rory trat auf die Straße und schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab. In der Hand hatte sie einen Picknickkorb. Sie verabschiedete sich von Luke, der sie zur Tür begleitet hatte, und ging auf die Gruppe an der Haltestelle zu. "Hey!", rief Lane erfreut, und "Hey!" antwortete Rory, als sie bei der Freundin ankam.
"Wie geht's? Und was ist da drinnen?", wollte Lane gleich wissen, der man ansah, dass sich ihre Stimmung schlagartig gebessert hatte. "Jeeede Menge Essen, und alles garantiert vitaminfrei. Außerdem Cola, und eine Thermoskanne mit Kaffee." Rory grinste. "Wir müssen nur darauf achten, dass deine Mutter uns nicht begegnet." Lane nickt zustimmend: "Hast recht. Und mein Essen bekommen die Pferde."
Rory sah sich um. "Was sind denn das für Leute? Ich glaube, ich kenne hier niemanden." Lane nickte: "Alles Touristen. Seitdem Taylor diese Website eingerichtet hat, auf der er für Stars Hollow und die Heuwagenfahrt wirbt, kommen die Leute von überall. Nur mein Arzt, der kommt nicht!" - "Wie, er kommt nicht?" Rory war irritiert. "Was meinst Du damit?" Lane erklärte: "Er hat gestern angerufen, dass er allergisch gegen Heu ist. Mit dieser Begründung hat er abgesagt. Und ich hab's meiner Mutter nicht gesagt, deshalb denkt sie, er ist heute dabei. So haben wir beiden einen Tag für uns. Den da kenne ich übrigens doch. Dreh dich nicht um!"
Rory sah Lane unverwandt an, als sie fragte: "Wen kennst du?" - "Da vorne der Typ, ich werde ihn dir später zeigen. Der ist bei uns auf der Schule. So ein großer, und mit schönen Haaren. Er glotzt dich die ganze Zeit an." - "Das bildest du dir nur ein", antwortete Rory, bevor sie ins Plaudern kam. "Ja, unsere Schule. Manchmal denke ich, sie wird mir fehlen, wenn das mit der anderen Schule klappt." - "Na ja", beruhigte Lane sie. "Das sind ja wohl noch einige Monate, bis du von denen hörst. Und vielleicht nehmen sie dich ja gar nicht."
Ein Sportwagen näherte sich. Er umrundete erst den Platz mit dem Pavillon und parkte dann schief vor Luke's Diner. Dass er die Aufmerksamkeit aller hatte, lag an den heruntergelassenen Fenstern und der herausdröhnenden Musik. Vier Jungs stiegen aus, unterhielten sich laut miteinander und kamen dann breitbeinig zur Haltestelle herüber. In diesem Moment hört man aus einer Seitenstraße das Trappeln von Hufen näher kommen, und die Aufmerksamkeit der kleinen Menschenmenge an der Haltestelle wurde von der neuen Gruppe abgelenkt.
Schon bog der lange Heuwagen, gezogen von einem Vierergespann kräftiger Pferde und beladen nur mit einigen Heuballen als Sitzgelegenheiten, um die Ecke, rollte die kurze Straße entlang und kam, auf ein Signal des Kutschers hin, direkt an der Haltestelle zum Stehen. "Mensch, Kirk weiß ja wirklich, wie man mit Pferden umgeht!", staunte Lane. "Und Taylor ist für die Menschen da!", grinste Rory, während Taylor, der auf die Sitzbank des Kutschbocks geklettert war, die wartende Menschenmenge zu dirigieren versuchte: "Immer einer nach dem anderen! Nicht drängeln! Und keine Zigaretten, kein offenes Feuer, keine Feuerwerkskörper und keine Wasserpistolen."
Lane kletterte hinter Rory auf den Wagen. "Lass uns hinten sitzen, weit weg von den läppischen doofen Bubis." - "Was?", lachte Rory, war aber einverstanden: "Aber gerne, vor den zwei Mädchen ist noch Platz." Die beiden setzten sich auf einen Heuballen, direkt vor zwei etwas exzentrisch gekleideten Mädchen. "Was meintest du eben?", fragte Rory ihre Freundin leise. "Ach, ich wollte nicht in der Nähe von den arroganten Typen sitzen.", erklärte Lane. Rory wirkte verwirrt: "Okay, verstehe. Oder auch nicht. Läppische, doofe… wie bitte?" Lane erklärte: "Sieh dir das Nummernschild an - NH-LDB 1. Bubis aus New Haven!"
Das größere der beiden Mädchen hinter Rory und Lane hatte die letzten Worte gehört. "Bubis!" Sie prustete los. "Hast du gehört, Olivia?" Ihre Freundin, die wie Lane einen leicht asiatischen Einschlag hatte, blieb cool: "War ja klar, dass die Typen sich die vorderen Plätze sichern. Die sitzen alle in der ersten Reihe."
Inzwischen hatten alle Teilnehmer Plätze auf dem Heuwagen gefunden. Taylor stand immer noch auf der Sitzbank am Kopfende des Wagens. Er kraulte seinen Bart und überlegte, wie er in der Enge des Wagens, der mit den vielen Fahrgästen leicht schaukelte, von der Bank heruntersteigen könnte. Einer der vier Jungen in der ersten Reihe sprang auf und reichte ihm die Hand: "Darf ich Ihnen helfen, guter Mann? Dass sie unbeschadet heruntersteigen zu uns ins Heu?", fragte er theatralisch. "Ja, Robert, sei ein Gentleman!", bemerkte sein Nachbar, aber Taylor hatte schon die Hand genommen und war von der Bank gestiegen. Er setzte sich neben Kirk und rief über die Schulter: "Festhalten, bitte!"
Kirk bewegte die Zügel. "Los, ihr vier. Hüah, Calimero!" Die Pferde setzten sich langsam in Bewegung, und mit ihnen der Heuwagen. Es ging gleich um die Ecke, an der Scheune vorbei, deren Tor weit offen stand und in dem Miss Patty inmitten einer Gruppe Ballerinas stand, die allesamt dem Heuwagen wild zuwinkten. Nur eines der Mädchen drehte sich demonstrativ desinteressiert weg und blickte genervt auf ihre Uhr. "Ist das nichts für dich, Sasha?" - "Kindergartenkinder auf der Kutsche? Nein, Ginny, aus dem Alter bin ich raus. Können wir bitte weitermachen?"
Taylor saß aufgeregt auf dem Bock des Heuwagens und hatte sich zu seinen Gästen umgedreht. "Seht, hier links haben wir Lukes Diner! Hier gibt es den besten Kaffee von Connecticut!" Ein dunkelhaariges Mädchen in einer der mittleren Reihen beugte sich zur Seite vor und stützte sich auf der Schulter ihrer blonden Freundin ab: "Steht da etwa jemand drinnen? Ja, da steht ein Mann und hantiert an der Theke. Mit einem Basecap! Seht ihr?" Ihre Freundin lehnte sich leicht pikiert zurück. "Basecaps sind sowas von Siebziger. Sowas trägt man auch nur noch hier auf dem Dorf." Ihre Freundin war verwirrt: "Wirklich? Basecaps sind out? Mein Onkel trägt auch oft eines. Der Bruder meiner Mutter." Nach einer Pause sah sie noch verwirrter aus: "Na ja, er ist alt. Älter als meine Mutter. Bestimmt war er in den Siebzigern schon alt!" Das dritte Mädchen in der Reihe war merklich genervt. "Wir haben verstanden, Madeline. Dein Onkel ist alt. Ich fasse es nicht, dass wir jetzt hier auf diesen kleintierverseuchten Heuballen sitzen und uns dieses Kaff ansehen." - "Kleintierverseucht? Was für Kleintiere? Wie meinst du das, Paris?" - "Sie meint, dass hier im Heu bestimmt Spinnen sind, und womöglich auch Ameisen und Würmer und Ratten." Dem genervten Mädchen gelang es, noch genervter dreinzuschauen: "Ja, Louise, und Löwen und bestimmt auch Tiger."
Louise blickte nach vorne: "Oh ja, Löwen schon." Sie sah dabei den vor ihnen sitzenden Jungen an, der einen Kopfhörer aufhatte und nichts mitbekam. Madeline nickte lächelnd: "Das stimmt." Sie sah kurz zu ihrer genervten Freundin, tippte dann dem Jungen auf die Schulter und fragte, als er sich umdrehte und den Kopfhörer zur Seite schob: "Was hörst du denn?" Er sah die drei Mädchen der Reihe nach kurz an, mit einem prüfenden Blick aus leicht zusammengekniffenen Augen, und antwortete dann einsilbig: "Gavin DeGraw." Louise sah ihn herausfordernd an und meinte dann zu Madeline: "Oh, exotische Musik. Etwas ganz Besonderes…" Madeline lächelte nur, während von dem dritten Mädchen ein verächtliches Schnauben zu hören war. Bevor der Junge den Kopfhörer wieder über seine Ohren schob, sagte er nur: "Solide Rockmusik. Vielleicht jetzt noch nicht bekannt, aber ihr werdet noch von ihm hören."
Sein Nachbar sah von seinem Buch hoch. Er war in einer Schülergruppe aus New York gekommen und hatte die ganze Zeit keinen Blick für die Häuser mit dem Eisladen, dem Supermarkt und der Kirche, an denen sie vorbeigekommen waren. Nun musterte er den Jungen mit dem Kopfhörer zu seiner linken kurz, irgendwie neugierig, bevor er offenbar zu einem Ergebnis kam, das ihn sich wieder über sein Buch beugen ließ. Er schien auch nicht daran interessiert, sich mit seinen Mitschülern zu unterhalten. Von hinten hatte Rory die Szene beobachtet, bevor sie weiter mit Lane quatschte. Sie hatte nicht gemerkt, dass der große Junge, der sie vor Fahrtantritt beobachtete, wieder zu ihr sah. Er saß rechts neben der Leseratte, hatte ihren Blick zu dieser bemerkt, und warf nun seinem Nachbarn einen bösen Blick zu. Gerade als er an seiner Cola nippte, bog der Heuwagen um die nächste Ecke des Platzes.
Vielleicht wurde es dadurch verursacht, dass ein Spritzer aus der Coladose auf dem Buch seines Nachbarn landete. "Alter, was soll das?", fauchte dieser zu ihm herauf. "Pass doch auf!" - "Entschuldige, ich wollte deinen Comic nicht ruinieren. Du ahnst gar nicht, wie sehr mir das leidtut." Auf dem engen Heuwagen entstand Unruhe. Die Umsitzenden befürchteten, dass sich die beiden Jungen, der große schmale und der kleine mit den breiten Schultern, bald prügeln würden.
Taylor hatte die Fahrt damit verbracht, auf die Sehenswürdigkeiten hinzuweisen, die Kirche, die jeweilige Seite des Pavillons, die Sonderangebote des Supermarktes und den gepflegten Zustand des Rasens auf dem Platz im Zentrum der Stadt. Nun wurde er aufmerksam, reckte den Hals und fragte wichtig: "Was ist da hinten los?" Damit lenkte er den Bücherwurm ab. Dieser drehte sich zu ihm und rief: "Nichts, was sie etwas angeht!" Nur die in der Nähe sitzenden konnten noch verstehen, wie er etwas von "Blockwart des Heuwagens" murmelte, aber weil fünfzehnjährige Jungen gegenüber Autoritäten zusammenhalten, mussten sie lachen, sogar der hochgewachsene Colatrinker mit dem verwegenen Haar, und so entspannte sich die Situation schnell wieder.
Die Gruppe in der ersten Reihe hatte eifrig die Stadt fotografiert, den Pavillon, das Portal der Stars-Hollow-High, den Bürgermeister, der eifrig erläutert hatte, und natürlich auch Kutscher Kirk. Der stille, gutaussehende Junge hinter ihnen hatte sie dabei beobachtet, besonders die teuren Kameras. Einer der so professionell ausgerüsteten Jungs aus der ersten Reihe, ein schmaler blonder Kerl mit einer Markensonnenbrille, merkte das, und sprach ihn an: "Interessierst du dich für Fotoapparate?"
"Ja, ein wenig. Ich habe auch eine Kamera, nur nicht so eine." Der Sonnenbrillenträger grinste: "Wenn man eine bessere Ausrüstung hat, werden die Bilder schon auch besser. Das lohnt sich, das kannst du mir glauben." - "Ja, glaube ich gerne!", antwortete der Junge hinter ihm, schränkte aber ein: "Nur muss man sich das leisten können." - "Klar!", bestätigte Sonnenbrille. Und großzügig fügte er hinzu: "Wenn man arbeitet, kann man sich das leisten." Er sah seinen direkten Nachbarn an: "Siehst du auch so, Colin, oder?" Er lachte.
Colin sah pikiert aus: "Arbeiten? Meine Großeltern haben gearbeitet. Reicht das nicht?" Die letzte Frage hatte er an das gerade mal zehnjährige Mädchen gerichtet, das zu der kleinen Grundschulgruppe gehörte, die sich auf den Heuwagen verirrt hatte. Obwohl die Frage wohl nur rhetorisch gemeint war, piepste sie verschüchtert: "Ich weiß nicht, ich kenne meine Großeltern nicht. Ich bin adoptiert." Im allgemeinen Gelächter ging unter, wie der Junge mit der teuren Sonnenbrille seinem Hintermann anbot: "Vielleicht kannst du mal auf einer unserer Partys arbeiten, Getränke eingießen oder so."
Ein älteres Mädchen mit kurzen, roten Haaren mischte sich ein, legte seinen Arm auf die Schulter der verängstigten Grundschülerin und fuhr die Jungen in der ersten Reihe an: "Jetzt lasst sie ihn Ruhe!" Ihre Familie saß seit Generationen einer Studentenverbindung vor, die sogar an einigen Schulen aktiv war, und so gehorchten die vier ihr.
Inzwischen hatte der Heuwagen im Schneckentempo den Stadtplatz umrundet. Knarrend bremste das Gefährt am Ausgangspunkt der Reise ab. Alle Passagiere kletterten, sprangen, kraxelten und stiegen vom Heuwagen herab und verteilten sich auf ihre Autos, gingen in Richtung Bushaltestelle oder verschwanden in den Seitenstraßen. Gleichzeitig gab Kirk auch dem Pferdegespann ein Startzeichen. Der leere Heuwagen setzte sich rumpelnd wieder in Bewegung und verschwand in der Seitenstraße zwischen Diner und Supermarkt.
Rory und Lane waren stehengeblieben und beobachteten das kurzzeitige Verkehrschaos. Nachdem die Fußgänger verschwunden und die Autos weggefahren waren, lag der Stadtplatz wieder menschenleer da. Rory und Lane sahen sich an, und Rory sprach zuerst: "Das war's?" - "Das war's. Bis morgen, Rory!" - "Bye, Lane." Nachdem auch die beiden Mädchen gegangen waren, konnte sich die Stadt von ihren vielen Besuchern erholen. Die Besucher, nun wieder in alle Winde zerstreut, konnten allerorts vom Charme von Stars Hollow erzählen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie sich vielleicht irgendwann noch einmal begegnet, ohne sich zu erkennen.
Ende.