22.10.2016, 00:57
Ein „so“ mit neun „o“
1.
Für Luke war der Anblick durchaus ungewohnt, der sich ihm im Diner bot. Rory und Kirk saßen einträchtig am Tisch, hatten Blätter vor sich ausgebreitet und ihre Notebooks aufgeklappt. Luke überlegte, ob die beiden wohl Hausaufgaben zusammen machten. Aber, so wurde ihm klar, Kirk ging nicht auf die Chilton, deshalb war es unwahrscheinlich, dass die beiden gemeinsam Hausaufgaben machten. Und Rory würde auch in ein paar Monaten ihren Abschluss an der vornehmen Privatschule machen, schoss es Luke durch den Kopf, als er wieder einmal an den Tisch getreten war und die Kaffeebecher auffüllte. Rory lächelte zu ihm auf und bedankte sich, wohlerzogen wie sie war. Kirk saß nur da und dachte angestrengt nach, dann faselte er etwas von „Pizza-Lieferservice“. Luke hörte dem Gespräch nicht weiter zu, sondern ging zum Tresen zurück. „Wenn Kirk jetzt anfängt, sich Pizza in meinen Laden liefern zu lassen, dann bekommt er endgültig Hausverbot!“, dachte er nur.
2.
„Natürlich, Süße! Das mache ich sehr gerne!“ Sookie strahlte, als Lorelai in die Küche des Independence Inn kam. „Ihr werdet die besten und originellsten Kanapees aller Zeiten bekommen.“ Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, wandte sie sich Lorelai zu. „Rory macht sich ganz schön viel Arbeit mit dem Revival-Fantreffen.“ Lorelai lächelte, während sie zur Kaffeemaschine ging: „Ja, das stimmt. Aber ich freue mich auch darauf. Wir haben die Show immer zusammen geschaut, als Rory noch auf die Stars Hollow High ging.“ Sie füllte ihren Kaffeebecher auf. „Wenn ich sie jetzt unterstützen kann, dann mache ich das gerne.“ Sookie strahlte, während sie ihre Schürze glattstrich: „Ich find’s toll, dass du ihnen Zimmer im Hotel zur Verfügung stellst. Und ich werde mir die größte Mühe geben, dass das Essen für alle unvergesslich wird.“
3.
Das Feuer im Kamin knackte gemütlich, und Richard genoss den Abend mit Tochter und Enkeltochter, während Emily leicht genervt wirkte: „Ich habe noch nie von einer Vaterklappe gehört.“ Lorelai blieb hartnäckig: „Ich stelle mir eine Vaterklappe wie eine Babyklappe vor. Nur eben größer. Der Vater… also der Mann wird dort reingelegt, und dann holt man ihn heraus und teilt ihn einem Kind zu.“ Rory nickte beifällig, während Emily verständnislos das Gesicht verzog: „Ich verstehe kein Wort. Wer sollte ihn denn da hineinlegen?“ Rory half ihrer Mutter: „Eine Frau, die keine Kinder möchte.“ Lorelai fuhr fort: „Genau, während er welche haben will. Dann ist sie ihn los und kann ihr kinderloses Leben genießen, und er bekommt ein Kind.“
Emily ging das Gespräch merklich gegen den Strich: „Jede Frau möchte Kinder. Und einen erwachsenen Mann in eine Babyklappe legen…? Das soll eine Fernsehserie sein?“ – „Nein, Mom, so eine Vaterklappe haben wir in Stars Hollow. Und gerade neulich hat jemand unseren Stadtverordneten dort hineingeworfen, und hinterher wollte er Rory… nein.“ Lorelai holte Luft: „Mom, in der Serie ist es so, dass ein kleiner Junge, also eigentlich noch ein Baby, in der Klappe abgelegt wurde, und dann hat der Mann ihn adoptiert. Der Junge ist dann bei ihm aufgewachsen.“ Rory nickte eifrig, während Emily nachhakte: „Und so etwas schaut ihr euch an? Das muss ja furchtbar gewesen sein für den Jungen, ohne Mutter aufzuwachsen.“ Rory widersprach: „Nein, John war ein toller Vater. Seinem Sohn ging es sehr gut bei ihm.“ Emily war nicht einverstanden: „Rory, ein kleiner Junge braucht nicht nur einen Vater, sondern auch eine Mutter.“
Lorelai schnaubte leise. „Mom, Oliver hatte eine wunderschöne Kindheit und eine friedliche Jugend. John ist ihm wirklich der bestmögliche Vater gewesen. Auch mit einem kompletten, leiblichen Elternpaar hätte es Oliver nicht besser gehen können.“ – „Friedlich?“, warf Rory grinsend ein. „Na ja, friedlich war Olivers Jugend nicht gerade. Aber ich denke, er würde sich nicht beklagen.“
Emily löffelte ihre Suppe, während sie leise grübelte. „Und diese Serie heißt ‚British‘… wie?“ – „Britless Boys!“, korrigierte Lorelai. „Oliver heißt der Sohn, und John ist der Vater.“ Nun mischte sich Lorelais Vater ein: „Man sollte sich von einer Fernsehserie nicht so vereinnahmen lassen. Das ist nicht gut. Und du, Lorelai, solltest deiner Tochter diesbezüglich Vorbild sein.“
Lorelai lächelte zu Rory hinüber: „Zu spät!“ Dann erklärte sie Richard: „Rory ist praktisch mit der Serie aufgewachsen. Wir haben das früher jede Woche geschaut. Nachdem die Serie zu Ende war, nicht mehr so oft, aber Rory sieht sich noch heute oft mit ihren Freundinnen alte Folgen an.“ Emily mischte sich ein: „Was, das ist eine alte Serie? Gar nichts Aktuelles? Also das überrascht mich jetzt…“ Richard richtete sich auf und unterbrach Emily mit mildem Lächeln: „Emily, eine Serie muss nicht aktuell sein und noch mit neuen Folgen. Auch etwas Altes kann hipp sein!“ Rory lächelte zustimmend: „Genau, Grandpa. Und das Beste ist, dass bald neue Folgen kommen.“
Emily sah nicht so aus, als wäre sie mit dem Medienkonsum ihrer Enkelin zufrieden. „Du solltest Rory lieber dazu anhalten, echte Kultur zu genießen. Hier in Hartford haben wir ein großes Opernhaus und mehrere bekannte Theater. Was sollen die in Harvard denken, wenn sie dort erfahren, dass Rory so eine alberne Fernsehserie schaut?“ Lorelai widersprach: „Mom, diese Serie ist alles andere als albern.“
Rory unterbrach ihre Mutter: „Oh, sie ist schon ziemlich lustig. Weißt du noch, wie John die Klassenlehrerin seines Sohnes als ‚Margaret Thatcher für das 21. Jahrtausend‘ bezeichnet hat?“ Lorelai war in Fahrt: „Ja, genau, die Show ist teilweise auch sehr politisch. Vor allem aber erzählt sie davon, wie ein Vater seinen Sohn großzieht, wie er das mit viel Weisheit und Wärme macht, und wie es für seinen Sohn ist, ohne eine Frau im Haus, egal ob Mutter, Schwester oder Großmutter, aufzuwachsen.“
Rory fügte hinzu, was ihr besonders wichtig war: „Und Oliver ist schon ziemlich süß. Als er dann später eine Freundin hat, ab der vierten Staffel, da sind die beiden unzertrennlich. Sie wohnt fast bei John und Oliver, also ist da schon ein weibliches Wesen im Haus.“ Lorelai sah zwischen Richard und Emily hin und her: „Das Spannende ist, wie die beiden Jungs immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert werden. Dass ein solcher Männerhaushalt nicht funktionieren kann. Dass der kleine Oliver Schaden nimmt. Dass so etwas nicht sein darf!“
Rory war inzwischen ganz aufgeregt. „Mom, können die beiden nicht mitgucken?“ Sie wippte auf dem Stuhl auf und ab. Lorelai sah sie überrascht an. „Du glaubst wirklich, deine Großeltern sollten sich die neuen Folgen mit uns ansehen?“ Rory erzählte an Richard und Emily gewandt: „Ja, diese neuen Folgen, die bald kommen, die sehen wir uns gemeinsam mit allen unseren Freunden im Independence Inn an. Wir haben in Stars Hollow einen Mann, der unter anderem als Eventmanager arbeitet. Er hilft mir, das zu organisieren. So eine richtige Vorführung.“
Lorelai war anzusehen, dass sie die Idee sonderbar fand, dass ihre Eltern bei einem solchen Event dabei sein sollten. Vor allem aber passte ihr der Gedanke nicht, dass Richard und Emily sich im Hotel aufhalten sollten. „Schatz, das werden langsam zu viele Teilnehmer. So viel Platz haben wir im Hotel nicht. Ich glaube, dann müsst ihr einen anderen Ort suchen.“ Rory ist nicht zu bremsen: „Das macht doch nichts. Dann machen wir es in Luke’s Diner, da haben wir genug Stühle. Ich glaube nur, dass es nicht so gut wäre, wenn Kirk ihn deswegen fragt. Könntest du das nicht machen, Mom?“ Die neue Entwicklung kam für Lorelai zwar überraschend, aber sie war damit einverstanden: „Natürlich, Rory, das werde ich machen. Und ich sage auch Sookie, dass sie die Kanapees dorthin liefern soll.“ Sie überlegte: „Ob Luke die ‚Britless Boys‘ wohl kennt? Ob er überhaupt irgendwelche Serien kennt? Er ist doch manchmal etwas hinter dem Mond.“ Rory lachte: „Keine Ahnung. Aber er wird die Show genauso lieben wie wir, wetten?“
Emily wirkte noch etwas überfahren. Sie löffelte weiter, sah kurz zu Richard, dann zu Lorelai und dann wieder zu Rory. „Na gut, dann werden wir uns das mal anschauen.“ Richard blickte hingegen sehr zufrieden drein. „Wir kommen gerne, Rory. Wenn dir diese Serie so viel bedeutet!?“ – „Oh, ja!“, rief Rory. „Und wie!“, fügte Lorelai hinzu.
4.
Mittwochnachmittag an der Chilton. Rory blieb neben Paris‘ Tisch stehen. „Hey. Wir müssen umdisponieren.“ Paris schreckte aus ihren Gedanken auf: „Was? Wie meinst du das? Ich bin nicht ganz mitgekommen. Mr. Medina versucht immer, mich durch seine großen Hundeaugen von seinem Unterricht abzuhalten. Man sollte denken, dass so etwas gar nicht geht und dass man durch solche Augen dazu gebracht wird, erst recht auf den Lehrer zu achten, aber er sieht mich immer so an, dass ich mich nur noch auf seine Augen konzentrieren kann und den Inhalt gar nicht mehr aufnehme. Hillary würde nie Präsidentin, wenn ihr Gegenkandidat solche Augen hätte.“ Rory musste grinsen. „Du stehst auf Mr. Medina, richtig? Frag doch Madeline und Louise, ob sie dir helfen, mit ihm zu flirten.“ Paris verstand keinen Spaß: „Rory, was redest du da für einen Unsinn. Mr. Medina ist viel zu alt. Er könnte mein Großvater sein, mindestens mein Vater. Ich bin nicht Anna Nicole Smith!“ – „Schon gut,“ beruhigte Rory. „Das war jetzt nicht ernst gemeint. Aber wir müssen trotzdem umdisponieren. Unser Revival. Es wird nicht in Moms Hotel stattfinden, sondern in einem Diner in der Stadt. Luke’s, erinnerst du dich?“
Paris sah unerfreut auf: „Nicht im Hotel? In irgendeinem Diner? Was soll das denn?“ – „Meine Großeltern kommen auch. Und Mom möchte sie nicht im Hotel haben, deswegen müssen wir das Treffen verlegen.“ Rory fiel etwas ein: „Du kennst das Diner. Als wir in Stars Hollow waren, weil du auf der Suche nach den dunklen Seiten der Stadt waren, sind wir da drinnen gewesen.“
„Dunkle Seiten? Was haben denn dunkle Seiten mit etwas zu tun, mit dem Paris etwas zu tun hat?“ Louise war am Tisch erschienen und sah neugierig gespannt zwischen Rory und Paris hin und her. „Genau, Paris, du bist doch sonst so ein Sonnenschein?!“, fragte Madeline, die neben ihr auftauchte. Paris wehrte ab: „Ach, es geht nur um ein Revivaltreffen für eine Fernsehshow.“
Louise sah Paris groß an: „Ein Revival? Meinst du etwa die ‚Britless Boys’?“ – „Genau die. Kennt ihr die Serie?“, fragte Rory erfreut. „Klar, wir stehen drauf!“, erklärte Madeline. Louise grinste anzüglich: „Ich stehe vor allem auf John. Der sieht wirklich heiß aus, da bin ich gleich im Fangirlmode.“ Madeline strahlte, während sie verkündete: Ich bin Team Oliver.“
Rory sah Paris an: „Was meinst du? Wenn wir hier noch zwei Fans haben, sollten wir sie nicht auch einladen?“ Paris blickte für einen Moment nachdenklich auf ihre Schulhefte und gab sich dann einen Ruck: „Einverstanden. Ich werde mir noch überlegen, was ihr zwei Grazien an Esssachen mitbringen müsst.“
5.
Lorelai war gleich zum Tresen gegangen, nachdem sie das Diner betreten hatte. „Hey Luke.“, begrüßte sie den Inhaber. „Lorelai, hallo, einen Kaffee?“, fragte er, während er die Theke polierte. „Einen Kaffee und ein Anliegen.“, legte Lorelai los. Luke stoppte seine Wischbewegungen. „Ein Anliegen? Was kann das sein? Hier, dein Kaffee.“ Lorelai nahm einen Schluck. “Nichts Schlimmes! Nein, etwas Schönes. Luke, du hast doch ein Diner, oder?“ – „Ein Diner? Ja…“ Luke sah sich kurz um: „Es sieht so aus, als hätte ich eins. Sagen wir, dir zuliebe habe ich ein Diner. Und was folgt daraus?“
Lorelai erzählte von dem Revival ihrer und Rorys und Sookies und Paris und Lanes und eigentlich jedes Menschen Lieblingsfernsehserie. „Sogar Kirk steht auf die ‚Britless Boys‘. Er hilft Rory bei der Organisation. Er hat ihr eine lange Liste mit von ihm organisierten Revival-Fantreffen vorgelegt, als er ihr seine Hilfe angeboten hat.“ Luke stütze sich auf die Theke und sah Lorelai einen Moment nachdenklich an: „Kirk hilft ihr…? Ach so, deswegen saßen die beiden neulich hier so lange zusammen.“ – „Deswegen, ganz genau, Luke. Es war rein professionell, kein Date.“ Luke fragte verwirrt: „Aber was ist jetzt dein Anliegen? Kirk hilft doch schon?!“
„Ja, Kirk hilft, das Fantreffen im Hotel zu veranstalten. Und weißt du, welche Superfans noch kommen?“ Lorelai breitete theatralisch die Arme aus: „Ich wollte mich dazwischenwerfen, aber Rory hat Richard und Emily eingeladen. Rory ist schuld!“ Luke sah Lorelai mit zusammengekniffenen Augen an: „Deine Eltern? Wegen so etwas?“ Dann begriff er erst richtig: „Ins Hotel? Das kann dir nicht recht sein, dass sie ins Independence Inn kommen!“ Luke richtete sich auf: „Hier! Du willst das hierhin verlegen. In mein Restaurant!“ Lorelai legte ihren Kopf schräg, als sie fragte: „Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass ich so berechenbar bin. Aber das ist in etwa der Plan. Luke, Hilfe!“ Luke musste grinsen, als er fortfuhr, den Tresen zu polieren. Er wirkte, als gefiele ihm der Gedanke, Lorelai in der Not helfen zu können, während er antwortete: „Klar doch, das geht in Ordnung. Sagt allen, dass das Revival-Fantreffen hier drinnen stattfindet.“
6.
Ungefähr fünfzehn Personen hatten sich im Diner versammelt. In der Mitte saßen Lorelai und Rory und hatten ihren Tisch bis in alle Ecken mit Pizzaschachteln, Pappboxen mit asiatischem Fast Food, Schüsseln mit Süßigkeiten und Tellern mit Hamburgern vollgestellt. Aber auch die Tische der anderen Gäste waren schwer beladen. Lane saß bei Paris, Madeline und Louise. Einen Tisch weiter waren Sookie, Miss Patty, Babette und ihrem Mann die freudigen Erwartungen anzumerken. Fast die ganze Stadt war versammelt, entweder, weil die Serie so populär war, oder weil sich Stadtbewohner von Rory oder Lorelai hatten überreden lassen, mit dem Revival ihren Einstieg in die TV-Serie zu erleben. So wie Richard und Emily, die etwas am Rand an einem eher leeren Tisch saßen, das von Sookie extra für sie beide zubereitete Essen aßen und die fröhlich-gespannte Stimmung etwas skeptisch beobachteten.
Auf einem Tisch am Fenster stand ein großes Fernsehgerät. Kirk hockte davor und stellte noch etwas ein. Die anfänglichen Unterhaltungen waren verstummt. Dann trat Kirk vom Fernsehgerät zurück. Für einen Augenblick blieb der Bildschirm schwarz, dann hellte er sich immer weite auf und zeigte ein allseits vertrautes Bild. Rory fühlte sich leicht schwindlig, bis sie merkte, dass sie zu atmen aufgehört hatte. Schnell holte sie wieder Luft. Lorelai, die sich neben sie gesetzt hatte, sah sie lächelnd von der Seite an und flüsterte: „Jetzt gleich!“ Der Fernseher zeigte ein urvertrautes Bild, und die Melodie von „Handy Man“ erklang. Rory stieß hervor: „Darauf habe ich schon sooooooooo lange gewartet!“
1.
Für Luke war der Anblick durchaus ungewohnt, der sich ihm im Diner bot. Rory und Kirk saßen einträchtig am Tisch, hatten Blätter vor sich ausgebreitet und ihre Notebooks aufgeklappt. Luke überlegte, ob die beiden wohl Hausaufgaben zusammen machten. Aber, so wurde ihm klar, Kirk ging nicht auf die Chilton, deshalb war es unwahrscheinlich, dass die beiden gemeinsam Hausaufgaben machten. Und Rory würde auch in ein paar Monaten ihren Abschluss an der vornehmen Privatschule machen, schoss es Luke durch den Kopf, als er wieder einmal an den Tisch getreten war und die Kaffeebecher auffüllte. Rory lächelte zu ihm auf und bedankte sich, wohlerzogen wie sie war. Kirk saß nur da und dachte angestrengt nach, dann faselte er etwas von „Pizza-Lieferservice“. Luke hörte dem Gespräch nicht weiter zu, sondern ging zum Tresen zurück. „Wenn Kirk jetzt anfängt, sich Pizza in meinen Laden liefern zu lassen, dann bekommt er endgültig Hausverbot!“, dachte er nur.
2.
„Natürlich, Süße! Das mache ich sehr gerne!“ Sookie strahlte, als Lorelai in die Küche des Independence Inn kam. „Ihr werdet die besten und originellsten Kanapees aller Zeiten bekommen.“ Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, wandte sie sich Lorelai zu. „Rory macht sich ganz schön viel Arbeit mit dem Revival-Fantreffen.“ Lorelai lächelte, während sie zur Kaffeemaschine ging: „Ja, das stimmt. Aber ich freue mich auch darauf. Wir haben die Show immer zusammen geschaut, als Rory noch auf die Stars Hollow High ging.“ Sie füllte ihren Kaffeebecher auf. „Wenn ich sie jetzt unterstützen kann, dann mache ich das gerne.“ Sookie strahlte, während sie ihre Schürze glattstrich: „Ich find’s toll, dass du ihnen Zimmer im Hotel zur Verfügung stellst. Und ich werde mir die größte Mühe geben, dass das Essen für alle unvergesslich wird.“
3.
Das Feuer im Kamin knackte gemütlich, und Richard genoss den Abend mit Tochter und Enkeltochter, während Emily leicht genervt wirkte: „Ich habe noch nie von einer Vaterklappe gehört.“ Lorelai blieb hartnäckig: „Ich stelle mir eine Vaterklappe wie eine Babyklappe vor. Nur eben größer. Der Vater… also der Mann wird dort reingelegt, und dann holt man ihn heraus und teilt ihn einem Kind zu.“ Rory nickte beifällig, während Emily verständnislos das Gesicht verzog: „Ich verstehe kein Wort. Wer sollte ihn denn da hineinlegen?“ Rory half ihrer Mutter: „Eine Frau, die keine Kinder möchte.“ Lorelai fuhr fort: „Genau, während er welche haben will. Dann ist sie ihn los und kann ihr kinderloses Leben genießen, und er bekommt ein Kind.“
Emily ging das Gespräch merklich gegen den Strich: „Jede Frau möchte Kinder. Und einen erwachsenen Mann in eine Babyklappe legen…? Das soll eine Fernsehserie sein?“ – „Nein, Mom, so eine Vaterklappe haben wir in Stars Hollow. Und gerade neulich hat jemand unseren Stadtverordneten dort hineingeworfen, und hinterher wollte er Rory… nein.“ Lorelai holte Luft: „Mom, in der Serie ist es so, dass ein kleiner Junge, also eigentlich noch ein Baby, in der Klappe abgelegt wurde, und dann hat der Mann ihn adoptiert. Der Junge ist dann bei ihm aufgewachsen.“ Rory nickte eifrig, während Emily nachhakte: „Und so etwas schaut ihr euch an? Das muss ja furchtbar gewesen sein für den Jungen, ohne Mutter aufzuwachsen.“ Rory widersprach: „Nein, John war ein toller Vater. Seinem Sohn ging es sehr gut bei ihm.“ Emily war nicht einverstanden: „Rory, ein kleiner Junge braucht nicht nur einen Vater, sondern auch eine Mutter.“
Lorelai schnaubte leise. „Mom, Oliver hatte eine wunderschöne Kindheit und eine friedliche Jugend. John ist ihm wirklich der bestmögliche Vater gewesen. Auch mit einem kompletten, leiblichen Elternpaar hätte es Oliver nicht besser gehen können.“ – „Friedlich?“, warf Rory grinsend ein. „Na ja, friedlich war Olivers Jugend nicht gerade. Aber ich denke, er würde sich nicht beklagen.“
Emily löffelte ihre Suppe, während sie leise grübelte. „Und diese Serie heißt ‚British‘… wie?“ – „Britless Boys!“, korrigierte Lorelai. „Oliver heißt der Sohn, und John ist der Vater.“ Nun mischte sich Lorelais Vater ein: „Man sollte sich von einer Fernsehserie nicht so vereinnahmen lassen. Das ist nicht gut. Und du, Lorelai, solltest deiner Tochter diesbezüglich Vorbild sein.“
Lorelai lächelte zu Rory hinüber: „Zu spät!“ Dann erklärte sie Richard: „Rory ist praktisch mit der Serie aufgewachsen. Wir haben das früher jede Woche geschaut. Nachdem die Serie zu Ende war, nicht mehr so oft, aber Rory sieht sich noch heute oft mit ihren Freundinnen alte Folgen an.“ Emily mischte sich ein: „Was, das ist eine alte Serie? Gar nichts Aktuelles? Also das überrascht mich jetzt…“ Richard richtete sich auf und unterbrach Emily mit mildem Lächeln: „Emily, eine Serie muss nicht aktuell sein und noch mit neuen Folgen. Auch etwas Altes kann hipp sein!“ Rory lächelte zustimmend: „Genau, Grandpa. Und das Beste ist, dass bald neue Folgen kommen.“
Emily sah nicht so aus, als wäre sie mit dem Medienkonsum ihrer Enkelin zufrieden. „Du solltest Rory lieber dazu anhalten, echte Kultur zu genießen. Hier in Hartford haben wir ein großes Opernhaus und mehrere bekannte Theater. Was sollen die in Harvard denken, wenn sie dort erfahren, dass Rory so eine alberne Fernsehserie schaut?“ Lorelai widersprach: „Mom, diese Serie ist alles andere als albern.“
Rory unterbrach ihre Mutter: „Oh, sie ist schon ziemlich lustig. Weißt du noch, wie John die Klassenlehrerin seines Sohnes als ‚Margaret Thatcher für das 21. Jahrtausend‘ bezeichnet hat?“ Lorelai war in Fahrt: „Ja, genau, die Show ist teilweise auch sehr politisch. Vor allem aber erzählt sie davon, wie ein Vater seinen Sohn großzieht, wie er das mit viel Weisheit und Wärme macht, und wie es für seinen Sohn ist, ohne eine Frau im Haus, egal ob Mutter, Schwester oder Großmutter, aufzuwachsen.“
Rory fügte hinzu, was ihr besonders wichtig war: „Und Oliver ist schon ziemlich süß. Als er dann später eine Freundin hat, ab der vierten Staffel, da sind die beiden unzertrennlich. Sie wohnt fast bei John und Oliver, also ist da schon ein weibliches Wesen im Haus.“ Lorelai sah zwischen Richard und Emily hin und her: „Das Spannende ist, wie die beiden Jungs immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert werden. Dass ein solcher Männerhaushalt nicht funktionieren kann. Dass der kleine Oliver Schaden nimmt. Dass so etwas nicht sein darf!“
Rory war inzwischen ganz aufgeregt. „Mom, können die beiden nicht mitgucken?“ Sie wippte auf dem Stuhl auf und ab. Lorelai sah sie überrascht an. „Du glaubst wirklich, deine Großeltern sollten sich die neuen Folgen mit uns ansehen?“ Rory erzählte an Richard und Emily gewandt: „Ja, diese neuen Folgen, die bald kommen, die sehen wir uns gemeinsam mit allen unseren Freunden im Independence Inn an. Wir haben in Stars Hollow einen Mann, der unter anderem als Eventmanager arbeitet. Er hilft mir, das zu organisieren. So eine richtige Vorführung.“
Lorelai war anzusehen, dass sie die Idee sonderbar fand, dass ihre Eltern bei einem solchen Event dabei sein sollten. Vor allem aber passte ihr der Gedanke nicht, dass Richard und Emily sich im Hotel aufhalten sollten. „Schatz, das werden langsam zu viele Teilnehmer. So viel Platz haben wir im Hotel nicht. Ich glaube, dann müsst ihr einen anderen Ort suchen.“ Rory ist nicht zu bremsen: „Das macht doch nichts. Dann machen wir es in Luke’s Diner, da haben wir genug Stühle. Ich glaube nur, dass es nicht so gut wäre, wenn Kirk ihn deswegen fragt. Könntest du das nicht machen, Mom?“ Die neue Entwicklung kam für Lorelai zwar überraschend, aber sie war damit einverstanden: „Natürlich, Rory, das werde ich machen. Und ich sage auch Sookie, dass sie die Kanapees dorthin liefern soll.“ Sie überlegte: „Ob Luke die ‚Britless Boys‘ wohl kennt? Ob er überhaupt irgendwelche Serien kennt? Er ist doch manchmal etwas hinter dem Mond.“ Rory lachte: „Keine Ahnung. Aber er wird die Show genauso lieben wie wir, wetten?“
Emily wirkte noch etwas überfahren. Sie löffelte weiter, sah kurz zu Richard, dann zu Lorelai und dann wieder zu Rory. „Na gut, dann werden wir uns das mal anschauen.“ Richard blickte hingegen sehr zufrieden drein. „Wir kommen gerne, Rory. Wenn dir diese Serie so viel bedeutet!?“ – „Oh, ja!“, rief Rory. „Und wie!“, fügte Lorelai hinzu.
4.
Mittwochnachmittag an der Chilton. Rory blieb neben Paris‘ Tisch stehen. „Hey. Wir müssen umdisponieren.“ Paris schreckte aus ihren Gedanken auf: „Was? Wie meinst du das? Ich bin nicht ganz mitgekommen. Mr. Medina versucht immer, mich durch seine großen Hundeaugen von seinem Unterricht abzuhalten. Man sollte denken, dass so etwas gar nicht geht und dass man durch solche Augen dazu gebracht wird, erst recht auf den Lehrer zu achten, aber er sieht mich immer so an, dass ich mich nur noch auf seine Augen konzentrieren kann und den Inhalt gar nicht mehr aufnehme. Hillary würde nie Präsidentin, wenn ihr Gegenkandidat solche Augen hätte.“ Rory musste grinsen. „Du stehst auf Mr. Medina, richtig? Frag doch Madeline und Louise, ob sie dir helfen, mit ihm zu flirten.“ Paris verstand keinen Spaß: „Rory, was redest du da für einen Unsinn. Mr. Medina ist viel zu alt. Er könnte mein Großvater sein, mindestens mein Vater. Ich bin nicht Anna Nicole Smith!“ – „Schon gut,“ beruhigte Rory. „Das war jetzt nicht ernst gemeint. Aber wir müssen trotzdem umdisponieren. Unser Revival. Es wird nicht in Moms Hotel stattfinden, sondern in einem Diner in der Stadt. Luke’s, erinnerst du dich?“
Paris sah unerfreut auf: „Nicht im Hotel? In irgendeinem Diner? Was soll das denn?“ – „Meine Großeltern kommen auch. Und Mom möchte sie nicht im Hotel haben, deswegen müssen wir das Treffen verlegen.“ Rory fiel etwas ein: „Du kennst das Diner. Als wir in Stars Hollow waren, weil du auf der Suche nach den dunklen Seiten der Stadt waren, sind wir da drinnen gewesen.“
„Dunkle Seiten? Was haben denn dunkle Seiten mit etwas zu tun, mit dem Paris etwas zu tun hat?“ Louise war am Tisch erschienen und sah neugierig gespannt zwischen Rory und Paris hin und her. „Genau, Paris, du bist doch sonst so ein Sonnenschein?!“, fragte Madeline, die neben ihr auftauchte. Paris wehrte ab: „Ach, es geht nur um ein Revivaltreffen für eine Fernsehshow.“
Louise sah Paris groß an: „Ein Revival? Meinst du etwa die ‚Britless Boys’?“ – „Genau die. Kennt ihr die Serie?“, fragte Rory erfreut. „Klar, wir stehen drauf!“, erklärte Madeline. Louise grinste anzüglich: „Ich stehe vor allem auf John. Der sieht wirklich heiß aus, da bin ich gleich im Fangirlmode.“ Madeline strahlte, während sie verkündete: Ich bin Team Oliver.“
Rory sah Paris an: „Was meinst du? Wenn wir hier noch zwei Fans haben, sollten wir sie nicht auch einladen?“ Paris blickte für einen Moment nachdenklich auf ihre Schulhefte und gab sich dann einen Ruck: „Einverstanden. Ich werde mir noch überlegen, was ihr zwei Grazien an Esssachen mitbringen müsst.“
5.
Lorelai war gleich zum Tresen gegangen, nachdem sie das Diner betreten hatte. „Hey Luke.“, begrüßte sie den Inhaber. „Lorelai, hallo, einen Kaffee?“, fragte er, während er die Theke polierte. „Einen Kaffee und ein Anliegen.“, legte Lorelai los. Luke stoppte seine Wischbewegungen. „Ein Anliegen? Was kann das sein? Hier, dein Kaffee.“ Lorelai nahm einen Schluck. “Nichts Schlimmes! Nein, etwas Schönes. Luke, du hast doch ein Diner, oder?“ – „Ein Diner? Ja…“ Luke sah sich kurz um: „Es sieht so aus, als hätte ich eins. Sagen wir, dir zuliebe habe ich ein Diner. Und was folgt daraus?“
Lorelai erzählte von dem Revival ihrer und Rorys und Sookies und Paris und Lanes und eigentlich jedes Menschen Lieblingsfernsehserie. „Sogar Kirk steht auf die ‚Britless Boys‘. Er hilft Rory bei der Organisation. Er hat ihr eine lange Liste mit von ihm organisierten Revival-Fantreffen vorgelegt, als er ihr seine Hilfe angeboten hat.“ Luke stütze sich auf die Theke und sah Lorelai einen Moment nachdenklich an: „Kirk hilft ihr…? Ach so, deswegen saßen die beiden neulich hier so lange zusammen.“ – „Deswegen, ganz genau, Luke. Es war rein professionell, kein Date.“ Luke fragte verwirrt: „Aber was ist jetzt dein Anliegen? Kirk hilft doch schon?!“
„Ja, Kirk hilft, das Fantreffen im Hotel zu veranstalten. Und weißt du, welche Superfans noch kommen?“ Lorelai breitete theatralisch die Arme aus: „Ich wollte mich dazwischenwerfen, aber Rory hat Richard und Emily eingeladen. Rory ist schuld!“ Luke sah Lorelai mit zusammengekniffenen Augen an: „Deine Eltern? Wegen so etwas?“ Dann begriff er erst richtig: „Ins Hotel? Das kann dir nicht recht sein, dass sie ins Independence Inn kommen!“ Luke richtete sich auf: „Hier! Du willst das hierhin verlegen. In mein Restaurant!“ Lorelai legte ihren Kopf schräg, als sie fragte: „Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass ich so berechenbar bin. Aber das ist in etwa der Plan. Luke, Hilfe!“ Luke musste grinsen, als er fortfuhr, den Tresen zu polieren. Er wirkte, als gefiele ihm der Gedanke, Lorelai in der Not helfen zu können, während er antwortete: „Klar doch, das geht in Ordnung. Sagt allen, dass das Revival-Fantreffen hier drinnen stattfindet.“
6.
Ungefähr fünfzehn Personen hatten sich im Diner versammelt. In der Mitte saßen Lorelai und Rory und hatten ihren Tisch bis in alle Ecken mit Pizzaschachteln, Pappboxen mit asiatischem Fast Food, Schüsseln mit Süßigkeiten und Tellern mit Hamburgern vollgestellt. Aber auch die Tische der anderen Gäste waren schwer beladen. Lane saß bei Paris, Madeline und Louise. Einen Tisch weiter waren Sookie, Miss Patty, Babette und ihrem Mann die freudigen Erwartungen anzumerken. Fast die ganze Stadt war versammelt, entweder, weil die Serie so populär war, oder weil sich Stadtbewohner von Rory oder Lorelai hatten überreden lassen, mit dem Revival ihren Einstieg in die TV-Serie zu erleben. So wie Richard und Emily, die etwas am Rand an einem eher leeren Tisch saßen, das von Sookie extra für sie beide zubereitete Essen aßen und die fröhlich-gespannte Stimmung etwas skeptisch beobachteten.
Auf einem Tisch am Fenster stand ein großes Fernsehgerät. Kirk hockte davor und stellte noch etwas ein. Die anfänglichen Unterhaltungen waren verstummt. Dann trat Kirk vom Fernsehgerät zurück. Für einen Augenblick blieb der Bildschirm schwarz, dann hellte er sich immer weite auf und zeigte ein allseits vertrautes Bild. Rory fühlte sich leicht schwindlig, bis sie merkte, dass sie zu atmen aufgehört hatte. Schnell holte sie wieder Luft. Lorelai, die sich neben sie gesetzt hatte, sah sie lächelnd von der Seite an und flüsterte: „Jetzt gleich!“ Der Fernseher zeigte ein urvertrautes Bild, und die Melodie von „Handy Man“ erklang. Rory stieß hervor: „Darauf habe ich schon sooooooooo lange gewartet!“