Blut. Blut. Schwindel. Blut.
Die Klinge fiel mit einem leisen Geräusch zu Boden, so leise, das sie selbst es kaum hören konnte.
Sie wollte es nicht tun. Sie wollte es nie. Jedes mal musste sie sich selbstüberwinden. Aber welche andere Möglichkeit hatte sie?
Weiterleben wie bisher? Wie sollte sie das durchstehen? So weiterzuleben, würde bedeuten über kurz oder lang doch zu sterben.
Aber bevor er sie tötete, tat sie es lieber selbst.
Sie schwebte, schwamm, segelte.
Sie kannte kein vergleichbares Gefühl.
Alles war blendend hell und gleichzeitig so kalt, so düster, so unwürdig.
Sie war unwürdig.
Wie durch dichten, undurchdringbaren Nebel hörte sie die Stimmen um sich herum. Sie waren es die alles frieren lieÃen.
Dann kamen die Sirenen.
Sie wusste, dass es auch dieses Mal keine Erlösung geben würde.
Sie würde leben.
Sie wollte leben, nur nicht so.
Vielleicht würde dieses Mal jemand in der Lage sein zu erkennen, warum sie es immer wieder tat.
Vielleicht.
Detroit - No Giving Up
Es war nur ein kleiner Laden, fast wie der in New York, der in dem er immer Zigaretten gekauft hatte als er noch jünger war, ein gutes Stück jünger.
Dreizehn, vielleicht auch schon Vierzehn.
âFür meine Ma!â Mehr musste er nie sagen.
Er ging durch den schmalen, vollgestellten Gang.
Links von ihm Auslagen mit Zeitschriften und billigen vergilbten Taschenbüchern, rechts Regale zum erbrechen gefüllt mit Konservendosen. Nur wenig Licht drang durch die staubüberzogenen Fenster. Es war Nachmittag und so wie die Sonne stand, hätte der Laden eigentlich hell erleuchtet sein müssen, aber stattdessen wirkte er eher dunstig. Wie eine kleine Kneipe, in der den ganzen Tag über geraucht wurde. Nur hier war es Staub. Kleine Staubfasern, zu klein, um sie wirklich zu sehen, die dem Laden etwas heruntergekommenes gaben.
Ohne das er es merkte schweifte sein Blick über die Einbände der vergilbten Taschenbücher, Schundromane, übertriebene Liebesgeschichten, Erotiksammelbände für Frauen, nichts brauchbares, bevor er sich den Konserven zuwandte.
Ravioli mit TomatensoÃe, Spaghetti, FleischklöÃe in dunkler SoÃe und eine Dose mit eingelegten Birnen. Wenigstens ein paar Vitamine sollten schon dabei sein.
Er packte alles in den Metallkorb, den er sich am Eingang gegriffen hatte. Seltsamerweise, schien sogar das Metall vergilbt zu sein, nur am Griff waren vier hellere Flecken, die wohl der letzte Kunde darauf hinterlassen hatte.
Im Vorbeigehen zog er noch eine Flasche Coke aus dem Kühlfach, das sich anhörte als würde es jeden Moment in die Luft gehen, es rumpelte und brummte, hätte er es nicht besser gewusst, hätte er behauptet, das Kühlfach würde vor Kälte zittern.
Die Kassiererin, eine runzlige, vom Leben gezeichnete Frau, lächelte ihn freundlich an, als er schlieÃlich an der Kasse angelangte.
Ãber die Ränder ihrer dicken Nickelbrille studierte sie die Preise der Dosen.
âDas wären... Sechs Dollar und... dreiundvierzig Cent.â
Während er das Geld passend aus seinen Geldbeutel fischte, konnte er nicht anders als sich immer wieder in dem Tante Emma Laden umzusehen.
Zögernd legte er das Geld auf den Klapptisch, der als Kassentresen erhalten musste.
Nach diesem Einkauf blieben ihm weniger als vier Dollar und Arbeit war nicht in Sicht.
Aber schlecht geschätzt hatte er nicht. Eine Woche hatte es gereicht, wenn er sein Restgeld dazu nahm, wurde es wohl sogar noch länger reichen.
Vielleicht...
Er erwiderte das Lächeln der Alten Dame âBrauchen sie vielleicht Hilfe?â
Sein Gegenüber zog misstrauisch die Augenbraun zusammen, das von Locken umrandete Gesicht leicht nach links geneigt. Hatte sie seine Frage vielleicht nicht verstanden? âWieso?â
Ihre Stimme zitterte leicht. Sie hatte Angst.
Er konnte es ihr ansehen und eigentlich war es auch kein Wunder. Hier in dieser Gegend, waren Ãberfällen keine Seltenheit, zumindest vermutete er das.
Die StraÃen waren trübe, als läge auf allem eine dicke Staubschicht, wie in diesem Laden.
Das ganze Viertel sah aus wie dieser Laden, dieser Laden wie das ganze Viertel. Die Fenster in den unteren Stockwerken vieler Häuser waren mit Brettern vernagelt, obwohl es den Anschein hatte als wären sie bewohnt.
Er hätte zu gern gewusst wie vielen Ãberfällen sie schon zum Opfer gefallen ist.
âKeine Angstâ, antwortete er mit seinem typisch schiefen Grinsen âIch will mir nur ein paar Dollar verdienen, wobei die Betonung auf verdienen liegt. Fegen, Dosen sortieren... was sie wollen...â
âWie heiÃt du, Junge?â Die Alte hatte sich wieder beruhigt.
Er überlegte Kurz â Sal oder Jess? Sal oder Jess?
Jess, wenn er sich wohlfühlen wollte, Sal, wenn es nur eine weitere Unterbrechung seiner Reise werden würde. Nicht selten, hatte er das Gefühl als wäre er keiner der Beiden, als bräuchte er eine dritte Identität.
âJess, also... ?â Er schaute sie fragend an. Jess. Ja, erwollte ich wohlfühlen. Einmal, eine kurze Zeit lang, wollte er, er sein. Ohne jemandem etwas vorzuspielen.
Er war kein schlechter Mensch, er war nur nicht einfach. Vielleicht war es das was er wollte, was er brauchte, einen anderen Menschen, der diese kleine Wahrheit begriff.
Er war nicht schlecht, nur schwierig.
âAlso, mein Name ist Dotty. Deine Einkäufe stellen wir hier unter den Tisch und du kannst gleich anfangen die Dosen dahinten nach ihrem Verfallsdatum zu ordnen. Die, die am ehesten ablaufen nach vorne!â
Jess nickte, drehte sich um, ging zu den Regalen, aus denen er eben die Konserven genommen hatte und fing mit seiner Arbeit an.
Er wusste das die Arbeit eintönig werden würde, er wusste das er keinen Spaà daran haben würde, aber er tat es so, wie er alles tat, wenn es darum ging Geld zu verdienen. Fast alles. Er hatte noch nie, und würde auch nie...aber das war ein völlig anderes Thema.
Er war niemand von dem man behaupten konnte, er wäre sich für irgendetwas zuschade, aber DAS würde dann doch zu weit gehen. Selbst für ihn.
Dotty, die alte Lady beobachtete ihn für eine Weile, ohne das Misstrauen, das nach wie vor in ihr schlummerte zu verbergen.
Nach einer Weile, schien sie sich merklich zu entspannen, ihre Schultern sackten nach unten und ein lächeln spielte um ihre Mundwinkel, das sich schnell zu einem herzhaften Lachen entwickelte âDu bist so wild aufâs Arbeiten, das es dich gar nicht zu jucken scheint was du dafür kriegst!â
***
Für Mitch Goldblum war es ein Tag wie jeder andere.
Um sieben Uhr morgens war er aufgestanden, hatte geduscht und danach mit seiner Frau und seinen zwei Kindern gefrühstückt.
Danach hatte er mit dem drei Jahre alten Goldenredriever der Familie eine kleine Runde um den Block gedreht.
Um acht hatte er Sahra und Marty zur Schule gefahren und hatte sich, wie jeden Morgen, beeilen müssen, um nicht zu spät zur Arbeit zukommen.
Jetzt, nach acht Stunden, in seinem kleinen stickigen Büro war er wieder zu Hause.
Er stieg wie jeden Abend aus seinem Wagen, ging zum Briefkasten, nahm die Post, die vermutlich wie immer gröÃtenteils aus Rechnungen und Werbung bestand, heraus und machte sich auf den Weg zur Haustür.
Kaum im Haus, stürmte Spark, der Hund, auf ihn ein, sprang an ihm hoch, knappte in sein Jaket, lieà wieder los, rollte sich auf dem Boden und sprang erneut. Jeden Abend das gleiche Ritual, jeden Abend wiederholte Spark es, bis er schlieÃlich genug Aufmerksamkeit bekommen hatte.
Als Mitch sich endlich bis zur Küche vorgekämpft hatte und der Hund bereits wieder in seiner Ecke auf der Couch im Wohnzimmer lag, legte er die Briefe auf groÃe Kücheninsel mitten im Raum. Seine Frau war gerade dabei die letzten Reste des Abendessens, der Kinder in den Müllzerkleinerer zu schütten, als er sie zärtlich unterbrach, indem er sie kurzer Hand an den Schultern griff, sie zu sich umdrehte und sie mit einem kurzen Kuss begrüÃte.
***
âHey Kleiner!â
Jess musste bei diesem Rufnamen grinsen, es war Jahre her, seit ihn jemand Kleiner genannt hatte. Eigentlich hatte ihn nie jemand so genannt, zumindest niemand den er mochte.
Die Raufbolde an der StraÃenecke, die, ja, die hatten ihn so genannt, aber nie in einem so freundlichen, schelmischen Ton, bei ihnen war es immer herablassend, bedrohlich, gewesen.
Jeden Morgen, als er in einem Alter war, in dem die Schule ihm noch nicht wie eine einzige Folter erschienen war, hatten sie ihn gerufen, ihn bedroht und ihm sein Pausengeld abgenommen. Heute konnte er selbst kaum glauben, wie viel Angst diese Jungs ihm damals eingejagt hatten, mehr als die ständig wechselnden Freunde seiner Mutter.
Soweit er wusste waren sie alle ein paar Jahre später bei einem Einbruch erwischt worden und ins Gefängnis gewandert, wie auch viele Ex-Freunde seiner Mutter.
Warum wunderte sie sich überhaupt darüber, was aus ihm geworden war? Sie hatte einen GroÃteil dazu beigetragen. Seit er zwölf gewesen ist, hatte er nie mehr als ein, vielleicht auch zwei Stunden Zuhause verbracht, und das nicht ohne Grund.
Warum wunderte sie sich, dass er wusste wie man Schlösser aufbrach? Oder ein Auto kurzschloss?
Er wusste aber auch, das er einfach nur Glück gehabt hat, dass er nie im Gefängnis oder auch nur auf der Polizeiwache gelandet war. Glück. Glück war es auch gewesen, das dazu geführt hatte, dass er New York verlassen musste.
Langsam richtete er sich auf.
Dotty saà auf dem Klappstuhl direkt hinter dem Tisch, unter dem seit drei Stunden seine Einkäufe standen und darauf warteten mit ihm auf Wanderschaft zu gehen.
âJa?â
âWeiÃt du schon wo du heute Nacht bleibst?â
Jess zuckte mit den Schultern âDie Rückbank in meinem Auto ist ganz bequem.â Er hatte mit dieser Antwort auf nichts abgezielt, keinen Hintergedanken gehabt, trotzdem merkte er, das sie in Dotty etwas auslöste. Die Frau schnaubte verächtlich âVergiss es!â Sie schaute ihm direkt in die Augen âIm Hinterzimmer steht ne Couch, ziemlich durchgelegen aber bequem und warm.â
Jess zögerte. Konnte er dieses Angebot tatsächlich annehmen? SchlieÃlich, nach kurzem Ãberlegen, nickte er.
Was konnte es schon schaden?
Die letzten sieben Tage hatte er im Auto verbracht. Ohne viele Pausen die länger dauerten als fünfzehn Minuten, und noch weniger in denen er das Auto tatsächlich für längere Zeit verlassen hatte, um genau zu sein war es nur eine gewesen, etwas auÃerhalb von Des Moines, Iowa, an einer Highway Raststätte.
Er hatte wieder geschrieben, diesmal ging der Brief nach Indianola.
Eine Adresse aus dem Telefonbuch. Er hatte die Augen geschlossen, das Buch aufgeschlagen und mit einem Finger darauf getippt. Irgendein Name, irgendeine Adresse und der Brief hatte ein Ziel.
âIch bleibe gernâ, fügte er seinem Nicken nach kurzem hinzu.
Auch Dotty nickte. Ihr Lächeln zog sich von einem Ohr zum andern.
âWillst du dein Geld Morgen oder jetzt?â
Erst jetzt fiel Jess auf das es dunkel geworden war und wie ihm ein Blick auf die, wie alles in diesem Laden, vergilbte Uhr verriet, waren, seit er den Laden betreten hatte über drei Stunden vergangen.
Drei Stunden in denen er sechs Dollar verdient hatte. Mit seinen drei Dollar, die er noch hatte, genug für vielleicht vier Tage.
âEgal, auÃer, wenn ihnen heute Nacht in den Sinn kommen würde mich abzuknallen.â
Dotty lachte aus vollem Hals, nicht zum ersten mal an diesem Tag. Sie fand ziemlich viele Dinge amüsant, etwas das der Sprecher im Radio sagte, etwas das eine Kundin über den unfreundlichen Nachbarn, von der andern StraÃenseite erzählte.
Jess hatte noch nie vorher ein solches Lachen gehört.
âDann wärâs genauso egal!â, presste Dotty zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor, bevor ein neuer Lachanfall sie übermannte.
***
Er hatte die ganze Post durch gesehen, nur ein Brief lag noch geschlossen vor ihm. Alle anderen waren ordentlich auf dem Wohnzimmertisch gestapelt, zwei Stapel, einer mir den Briefen und Werbungen, die in den Müll gehörten und einer mit wichtigen Rechnungen.
Nur diesen einen Brief hielt er noch in der Hand.
Es war, wie er ohne schlechtes Gewissen behaupten konnte, der seltsamste Brief, den er je bekommen hatte.
Er besaà keinen richtigen Absender, nur der Poststempel sagte wirklich etwas aus, wobei auch das nicht sehr viel war.
Er war vor drei Tagen in Des Moines abgestempelt worden, der Absender an sich bestand nur aus fünf Worten, die ihm so viel und so wenig sagten wie ein Roman von Jane Austin.
Vorsichtig schüttelte er den Brief. Es schien nichts weiter darin zu sein, als das Blatt Papier, das darin sein sollte. Trotzdem, irgendwie, aus irgendeinem Grund, hatte er ein merkwürdiges Gefühl, eine Mischung aus Misstrauen und Neugierde, während er ihn weiter betrachtete.
Nur ein Brief, ein ganz gewöhnlicher Brief, bis auf den Absender.
Er starrte noch eine Weile abwesend auf den weiÃen Umschlag in seiner Hand, wägte ab, ob er ihn nicht einfach auf den Müllstapel legen sollte, ihn einfach vergessen. Er warf einen kurz Blick auf seine Frau, deren Augen fest auf den Fersehergerichtet waren, gefangen in einer der neusten Beziehungsverwicklungen des Seattle Grace, bevor er ihn öffnete.
Das Leben geht weiter.
Eine seltsame BegrüÃung, wenn man so will.
Aber es ist die Wahrheit, eine der wenigen ultimativen Wahrheiten.
Ich, für meinen Teil, sitze hier in meinem Wagen.
Die Neonreklame einer Highway Raststätte im Nacken und weià nur das eine â Das Leben geht weiter!
Warum ich ihnen das erzähle?
Verdammt, ich weià es selbst nicht.
Vielleicht, weil ich in der Hoffnung lebe das es in diesem Gott verlassenem Land noch irgendwen gibt der sich für mich interessiert.
Wenn auch nur in den fünf Minuten in denen er diesen Brief liest.
Wer ich bin? Sal Paradise, zumindest in diesem Brief.
Männlich, 19 Jahre, geboren und aufgewachsen in New York City.
Das muss ihnen als Antwort reichen.
Vor drei Tagen bin ich in Boulder, Wyoming aufgebrochen ohne zuwissen wohin die Reise geht. Zur Zeit bewege ich mich nach Osten, wie lange noch weià ich nicht.
Und sie geht es mit Sicherheit nichts an und ob sie es überhaupt wissen wollen ist eine andre Sache.
Aber glauben sie mir was ich zu Anfang geschrieben habe â Das Leben geht weiter!
Wem sollten sie es glauben, wenn nicht mir?
Jeder Mensch auf diesem verdammten Planeten ist so glaubwürdig oder unglaubwürdig wie ich.
Selbst ihre Familie und ihre Freunde, nicht zu vergessen sie selbst.
Das soll jetzt nicht demotivieren, eher das Gegenteil ist der Fall.
Alles was ich ihnen sagen will ist â Leben sie ihr Leben. Jeden Tag so als wäre es ihr erster, nicht letzter.
Rate sie mal was ich tue?
Haha, richtig ich machâs genau so., zumindest meistens.
Alles andere funktioniert bei mir eh nicht.
Wenn ich Pläne hatte wurden sie oft mit nur einem Wort zerstört, das letzte Mal durch ein einfaches â Nein-
Können sie sich das vorstellen? Ein â Nein- und das warâs... aber genug davon, das ist eine andere Geschichte, die sie nicht betrifft.
Sal Paradise
Mitch zwinkerte ein paar mal. Ihm kam es vor als hätte er ein Tagtraum gehabt.
Aber es war kein Traum. Er saà auf der Couch im Wohnzimmer, neben ihm lag seine Frau, ihre FüÃe ruhten auf seinem Schoà und in der Hand hielt er einen Brief geschrieben, von einem Jungen, nicht mal halb so alt wie er, der ihm sagte dass das Leben immer weiter geht. Aus einem nicht definierbaren Grund fühlte er sich durch diesen Brief bestätigt, bestätigt das er den Brief richtig eingeschätzt hatte, er war seltsam, bestätigt das sein Leben gut war. Sein Leben war gut.
Er hatte Kinder, eine Frau, einen Hund. Er hatte im Garten einen Baum gepflanzt und es gab sogar eine weiÃen Gartenzaun.
Sein Leben war gut.
âSally?â Vorsichtig tupste Mitch seine Frau an. âWas denn Schatz?â Sally hatte ihren Blick vom Fernsehgerät gelöst und schaute ihn auffordernd an. âSie mal hier, der Brief!â
***
Das Hinterzimmer entsprach eher einem Lagerraum, auch wenn die Regale, bis auf ein paar Kleinigkeiten so gut wie leer waren.
Dotty hatte ihm, während sie ihm eine Decke und ein Kissen brachte, erklärt, es lohne sich in dieser Gegend nicht viel auf Vorrat zu halten.
Sie hatte zu wenige Kunden, um alles vor Ablauf des Verfallsdatums zu verkaufen, daher kam nur einmal in der Woche eine Lieferung, nicht mehr als das, was sie im Laden tatsächlich brauchte.
Meistens seien es Konserven, Cola und Milch, hatte sie gesagt. Frisches Obst du Gemüse führten sie schon lange nicht mehr, es war ihren Kunden zu teuer.
Immer wieder dachte Jess über Dotty nach, über die Dinge, die sie ihm erzählt hatte, während er zu Abend aà und sie seinen Schlafplatz vorbereitete.
Er lag schon seit Stunden wach auf der Couch, obwohl es bereits Mitten in der Nacht war; das dünne Leintuch bis zur Brust hochgezogen.
Dotty hatte recht gehabt das Sofa war wirklich bequem, zumindest bequemer als der Rücksitz seines Wagens. Vor allem konnte er die Beine ausstrecken, ohne irgendwo anzustoÃen. Dotty war ein Mensch, den Jess schlecht einschätzen konnte. Sie war verschlossen, zum Teil, sie war zuvorkommend, sie stellte keine Fragen. Noch vor vierundzwanzig Stunden, hätte er nicht gedacht, jemals einem solchen Menschen zu begegnen.
Hätte ihn noch vor vier Wochen jemand gefragt, ob es jemals einen Menschen über sechzig geben würden, den er leiden kann, hätte er nur gelacht.
Aber jetzt...
Dotty war Stark. In jeder Hinsicht, seit ihr Mann verstorben war führte sie den Laden allein, sie hatte ihre Kinder ziehen lassen. Führte ihr eigenes Leben und das ohne Abstriche zu machen.
Die Couch knarrte leise als Jess sich auf die Seite drehte und die Augen schloss.
Er hatte Zeit, viel Zeit, mehr als sonst, und das Beste was er damit anfangen konnte war zu schlafen, einmal seit Ewigkeiten, richtig auszuschlafen.
Vielleicht zu Träumen. Er hatte solange nicht mehr geträumt.
***