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[Bild: callbnner.jpg]
3.Kapitel
Call my name and save me from the dark
“Guten Morgen Miss Gilmore, sind Sie bereit für den groÃen Tag?” fragte die Schwester, als sie das Zimmer betrat. Sie bekam keine Antwort.
Lorelai starrte zum Fenster hinaus, mit dem gleichen leeren Ausdruck wie in den vergangenen Monaten, die sie in diesem Zimmer verbracht hatte. Sie konnte nicht wirklich etwas erkennen, denn das Plastikzelt, das ihr Bett umgab machte alles verschwommen.
“Miss Gilmore, sind sie wach?” fragte die Schwester besorgt und lief zur Ãffnung des Zeltes. Lorelai schaute sie nicht an. Normalerweise gab sie wenigstens einen Laut von sich, aber heute schwieg sie. Die Schwester hatte noch nie eine so mutlose und einsame Patientin erlebt, wie diese Frau. Sie bekam keinen Besuch und keine Anrufe. Obwohl sie, anders als viele ältere Patienten, noch Familie zu haben schien. Die Bilder auf ihrem Nachttisch bestätigten das. Sie hatte nie gefragt wer diese Personen waren, aber da Lorelai sich jede Nacht in den Schlaf weinte, während sie die Bilder anstarrte, musste sie sie sehr lieben.
Eine ihrer Kolleginnen hatte einmal gefragt, ob die beiden tot seien. Lorelai hatte sie angebrüllt, dass Rory nicht tot wäre. Sie hatte sich so sehr aufgeregt, dass sie ihr etwas zur Beruhigung hatten geben müssen, denn sonst hätte das so kurz nach der Operation furchtbare Folgen haben könne.
“Guten Morgen Miss Gilmore!” begrüÃte der Arzt sie als er einige Zeit später den Raum betrat. Er trug Spezialkleidung, so dass er das Zelt betreten konnte.
“Es sieht alles gut aus, wir können Ihnen heute das Knochenmark transplantieren. Gott sei Dank haben wir einen Spender gefunden. Sie hatten wirklich Glück, wissen Sie das? Ich werde Ihnen das jetzt anschlieÃen und den Rest der Arbeit müssen Sie dann machen, okay?” versuchte er eine Reaktion von ihr zu bekommen, allerdings ohne Erfolg. Mit seinen, in Gummihandschuhe gehüllten, Händen strich er ihr über die Wange und sie zuckte zusammen als würde es ihr Schmerzen bereiten. Er wusste, dass es das nicht tat. Er tat was er tun musste, verlieà das Zelt und gab der Schwester noch ein Zeichen ihm zu folgen.
“Ich habe gerade noch einmal mit dem Psychologen gesprochen und er sagt es handelt sich um völlige Selbstaufgabe.”
“Das haben wir Ihnen bereits gesagt”
“Aber es wäre so wichtig in dieser Phase, dass sie leben will! Wenn sie nicht mehr will, können wir nichts tun. Es liegt jetzt alleine an ihr.”
“Wir haben alles versucht, nichts half. Als sie am Anfang hierher kam war sie so voller Hoffnung und jetzt ist sie nur noch traurig und depressiv.”
“Hat sie irgendwann einmal jemanden erwähnt den wir anrufen könnten?” fragte der Arzt.
“Nein, sie blockt alle Fragen ab, die ihre Familie betreffen. Eine der Personen auf den Bildern muss aber wohl “Rory” heiÃen, jedenfalls hat sie das geschrien, als Eva kurz nach der Operation fragte, ob die Zwei tot seien.”
“Wir müssen etwas tun, sie ist zu jung um so zu sterben. Versuchen sie alles um irgendetwas heraus zu finden. Vielleicht weià die Versicherung ja etwas. Ich werde versuchen irgendwie ihren Hausarzt zu finden, vielleicht kann der uns ja wenigstens sagen wo sie herkommt.”
“Ich werde alles versuchen, aber versprechen kann ich nichts” sagte die Schwester und drehte sich noch einmal zu Lorelai um, die immer noch in der gleichen Position verharrte, während das Mark des Spenders in ihre Adern floss.
“
Miss Gilmore der Plan sieht folgendermaÃen aus: Wir werden sie so schnell wie möglich operieren, bevor der Tumor anfängt zu streuen. Er sitzt im linken Lungenflügel und wir werden ihn hoffentlich ganz entfernen können. Durch die Chemotherapie und die Bestrahlung ist er schon deutlich kleiner geworden, aber leider nicht zerstört. Wir können nicht länger warten. Um sicher zu sein, dass alles weg ist werden Sie danach noch einmal Chemotherapie bekommen und es könnte sein, dass wir einen Knochenmarkspender finden müssen, damit wir ihr Immunsystem wieder aufbauen können. Haben Sie noch Fragen?”
“
Sie haben mir das alles schon tausend Mal erzählt, wieso sollte ich noch Fragen haben?”
“
Vielleicht haben Sie ja noch etwas gefunden, was sie wissen möchten?”
“
Nein, mir ist es egal. Fangen sie einfach an, dass es bald vorbei ist!” sagte sie und dem Arzt war durch den Ausdruck in ihren Augen klar, dass sie nicht von ihrer Zeit im Krankenhaus sprach.
Es war gegen Mittag, als der letzte Tropfen des Spendermarks in ihren Körper geflossen war. Sie hätte hoffnungsvoll sein sollen, dass ihr Körper von selbst wieder anfangen würde Antikörper zu bilden, aber es war ihr egal.
Seit sie das letzte Mal in den Spiegel geschaut hatte, war es ihr egal.
Als sie nach einer Woche LA in San Francisco angekommen war und die ersten par Tage im Krankenhaus verbracht hatte, hatte sie noch immer die Hoffnung gehabt, dass sie eines Tages in der Lage sein würde zurück nach Hause zu gehen und alles zu erklären. Luke würde ihr vergeben, Rory wäre glücklich und alles wäre wieder perfekt. Aber je länger die Therapie dauerte umso schmaler wurde ihre Hoffnung.
Und dann hatte sie nach der Operation und dem Beginn der erneuten Chemotherapie in den Spiegel geschaut. Sie war so dünn, richtig abgemagert. Sie war blass, fast durchsichtig und grau. Ihre Augen waren dumpf. Ihre Wangenknochen noch deutlicher sichtbar. Und ihre Haare, ihre wunderschönen dunklen Locken, waren weg. Sie hatte nicht einmal mehr Augenbrauen. Nicht ein einziges Haar. Sie wusste, dass sie einmal schön gewesen war, aber das war weg. Sie war nicht mehr ein Schatten ihrer selbst und es hatte gedauert bis sie sich erkannt und verstanden hatte, dass das wirklich sie war, die ihr da aus dem Spiegel entgegen blickte.
Wie konnte sie das Rory und Luke antun? Wie konnte sie ihnen zumuten sie anzuschauen, wenn sie so aussah? Da hatte sie beschlossen, dass sie sie so in Erinnerung behalte sollten wie sie gewesen war und wie sie ausgesehen hatte. Sie hatte beschlossen, dass sie nie zurück gehen würde. Und wenn sie nie zurückgehen würde, warum sollte sie dann leben? Für was? Und für wen?
TBC