GG_Addict
29.01.2005, 23:59
Teil 14
Stille. Niemand rührt sich. Alle starren gebannt auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden ist. Dann, plötzlich, Schritte, die Tür, ein Knall. Leben kehrt wieder in die drei starren Personen. Erbost springt er auf, will ihr hinterher laufen. Doch Emily hält ihn zurück. Empört dreht er sich um, versteht nicht wieso sie ihn aufhält.
âEmily, sie ist gegangen!â, wild fuchtelt er in Richtung Ausgang.
Sie nickt. Nickt einfach, ist ruhig, als wäre nichts geschehen. âJa, das ist sie.â
âAber sie hat âââ
âRecht. Christopher, sie hat Recht. Mit allem was sie sagt.â
Er wird ruhiger, hört auf zu schreien. Langsam lockert sie ihren Griff. Spürt, dass er verstanden hat.
âAber, wir können sie doch nicht einfach gehen lassen!â, Besorgnis und Verzweiflung spiegeln sich in seinen Augen wieder.
âDoch, Christopher. Wir können und wir müssen.â, behutsam sagt sie es. Will ihm nicht wehtun. Doch ihre Enkelin hat Recht. Er hätte nicht weggehen dürfen. Hätte sie nicht alleine lassen dürfen. Wäre er nicht der Vater des Menschen, den sie am meisten liebt, würde sie ihn hinauswerfen. Wäre er nicht der Freund, Liebhaber, Mann, was auch immer ihrer eigenen Tochter gewesen, so würde sie ihn hassen. Würde ihn nie mehr wieder sehen wollen. Doch er war es, war alles davon. Er war der Grund.
Und sie verbindet etwas. Die gemeinsame Liebe. Die abgöttische Liebe zu ihrer Tochter. Zu ihrer Enkelin, seiner Tochter.
âChristopher, ich denke es wäre besser wenn du jetzt auch gehst.â, ihre Stimme klingt stark, bestimmt. Sicherer, als sie sich fühlt.
Bestimmt wendet er sich zur Tür. âIch werde sie suchen!â
Schwach schüttelt sie den Kopf, âDas brauchst du nicht.â, ich weià wo sie ist, fügt sie in Gedanken hinzu. Ja, sie weià es genau. Weià auch, dass ihre Enkelin dort sicher ist. Sie selbst möchte dort sein, bei ihr, ihr beistehen. Möchte ihre Sorgen und Schmerzen wieder für einen kurzen Moment von sich schieben. Doch nun liegt es an ihrer Enkelin, diesen Ort als Sprungbrett für ein paar wenige sorgenfreie Stunden zu nutzen. Sie hat ihr Geheimnis weiter gegeben.
Noch einmal dreht er sich zu ihr um. WeiÃ, dass es sinnlos wäre, nach ihr zu suchen. Will etwas sagen, doch die Worte bleiben in seinem Hals stecken. Mehrere Male setzt er an, bricht wieder ab. Traut sich nicht auszusprechen was in ihm vorgeht. SchlieÃlich gibt er sich einen Ruck, weiÃ, dass er es sowieso hätte sagen müssen. Er räuspert sich, versucht seine Stimmt stark klingen zu lassen, âWerde ich sie wieder sehen?â, seine Stimme ist leise, ängstlich und unsicher. Doch er weiÃ, dass sie ihn verstehen, kann es in ihren Augen sehen. Gespannt wartet er auf die Antwort. Fürchtet sie, erwartet sie jedoch voller Anspannung.
Sie sieht ihn an, weià nicht was sie sagen soll, will nicht das Falsche von sich geben. Hilfe suchend wendet sie sich ihrem Mann zu. Auch in seinen Augen spiegelt sich die Ahnungslosigkeit wider. Er will ihn ihr nicht vorenthalten. Will nicht, dass seine Enkelin noch weniger von ihrem Vater hat, als sie sowieso schon hat.
Minutenlang steht die Frage unbeantwortet im Raum. Alle empfinden sie dasselbe. Unsicherheit. Unsicherheit betreffend die Antwort. Sie zu erhalten, sie zu geben.
Noch immer blickt er abwechselnd von einem zum anderen. Nervös spannt er seine Finger an. Krallt sich fest in seiner Jacke, die er noch immer in der Hand hält. Verträgt die Ungewissheit nicht mehr. Muss es wissen, jetzt und hier. Will sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen, ein Leben in dem er sie gar nicht mehr sehen darf. âNun?â, fragt er mit schriller Stimme. Er legt es nicht mehr darauf an, stark zu wirken, würde es ja doch nicht schaffen.
Emily lächelt in sich hinein. Die Unsicherheit die in seiner Stimme liegt, gibt ihr ein gutes Gefühl. Sie kann ihm also nicht absolut egal sein. Mit einem Mal fühlt sie sich stark, weiÃ, dass ihr Gegenüber in dem Moment der Schwächere ist. Gekonnt lässt sie ihn warten, will sicher gehen, dass es ihm tatsächlich ernst ist. Mit jeder SchweiÃperle, die über seine Stirn rinnt, mit jedem Brocken, der von seiner Fassade fällt wächst ihre Sicherheit. Lässt Teile ihrer Träume wahr werden. Träume in denen sie alle beisammen sind. In denen auch Christopher ein fester Bestandteil in dem Leben ihrer Enkelin ist.
Unsicher steigt sie aus dem Bus. Panik überkommt sie. Was tut sie eigentlich? Weglaufen? Weglaufen ohne Grund? Nein, sie hat einen Grund. Er ist der Grund. Der Schmerz, den er ihr zufügt mit jedem seiner Besuche. Sie sind kurz und selten, doch schmerzvoll. Sie hasst es sich in seiner Gegenwart zu verlieren. Hasst es, dass sie sich so geborgen fühlt, kaum taucht er auf. Aber am meisten hasst sie den Tag danach. Den Tag an dem sie feststellen muss, dass er wieder weg ist. Auf unbestimmte Zeit wie vom Erdboden verschluckt bleiben wird, bis er wieder vor ihrer Tür steht. Jedes Mal erliegt sie ihm gnadenlos. Jedes Mal wieder keimt die Hoffnung in ihr. Treibt zarte Blüten, die schon am nächsten Tag wieder verblühen. Es ist immer dasselbe. Er kommt, steht vor ihrer Tür, in seiner ganzen Pracht. Sie wird wieder zum Kind, möchte ihn am liebsten den ganzen Tag ansehen, nicht von seiner Seite weichen. Er nimmt sie in die Arme und sie blüht auf. Lebt für ein paar Stunden das Leben, dass sie sich so sehr wünscht, das so vielen vergönnt ist, doch nicht ihr. In seiner Gegenwart ist sie wie verzaubert, kann nicht mehr klar denken. Akzeptiert jedes Mal wieder die Opfer, den Schmerz, nur um für ein paar Stunden in ein anderes Leben einzutauchen. Ein Leben mit ihm, mit ihr. Es ist, als würde sie mit ihm komplett werden. Als würden seine Erinnerungen an ihre Mutter und ihre Vorstellungen zusammen schmelzen und eine Person bilden. Eine Person, die beiden zur Seite steht. Sie sieht ihn an und erkennt sich in ihm. Hat jede kleinste Gemeinsamkeit mit ihm analysiert, herausgepickt, aus der Menge der Eigenschaften, die von ihrer Mutter stammen.
Doch nicht dieses Mal. Sie hat so vieles in der letzten Zeit aufgearbeitet, so viel Unklares endlich geklärt. Sie will ihm nicht wieder verfallen. Schützt sich selbst, indem sie einen Kokon um sich bildet, gerade erst ist sie aus ihrem alten heraus gekrochen, da muss sie sich auf ein Neues verpuppen. Doch sie weigert sich, will gleich als Schmetterling in die Welt treten.
So vieles ist ihr neu, hat sich gebessert. Immer öfter spricht sie über ihre Mutter, die Tränen werden immer seltener. Nicht so selten wie früher, und â vor allem â nicht geheim gehalten. Doch er, wie er dasteht und alles erneut in ihr hochkommt. Sie hat Angst. Angst vor ihm, Angst davor, dass sie wieder zurück fällt. Sich wieder in ihrem Turm versteckt. Sie möchte nicht, dass es so wird wie früher. Gerade ist sie in ihrem Selbstheilungsprozess. Sie musste sich von Grund auf neu finden. Entdeckte Eigenschaften, die ihr bislang verborgen waren. Entdeckt die Eigenschaft zu Scherzen, zu lachen. Eigenschaften, die sie nicht mehr verlieren will. Eigenschaften, die sie aber verlieren könnte. Wegen ihm. Darum. Darum läuft sie davon, läuft vor ihrem Vater davon.
Aber wohin soll sie gehen. Seit dem letzten Besuch mit ihrer GroÃmutter hat sie jede Nacht geträumt wieder hier her zu kommen. Doch nun steht sie hier und weià nicht wohin sie gehen soll. War es nicht eine wahnwitzige Idee gewesen, einfach hier her zu fahren? An einem Ort Zuflucht zu suchen, in dem sie praktisch niemanden kennt?
Suchend blickt sie sich um. Sucht einen Ort, an dem sie sich ihren Gedanken hingeben kann, an dem sie abgelenkt wird. Sie sieht Kinder fröhlich in eine Halle laufen. Hört sie lachen, hört unschuldige Kinder, die ihre Kindheit in vollen Zügen genieÃen. Sie dreht sich weg. Kann diesen fröhlichen Stimmen im Moment nicht zuhören, muss sich einen ruhigeren Platz suchen.
Sie geht die StraÃe entlang. Wirkt wie ein Besucher, der befreit von allen Sorgen die StraÃen Stars Hollows entlang schlendert.
Noch immer ist sie ganz in ihren Gedanken versunken, als sie plötzlich ihren Namen hört. Verstört dreht sie sich um. Wer kennt ihren Namen? Wer kennt sie?
âRory! Warte, warte! Du bist doch Rory?â, gehetzt bleibt die kleine Koreanerin vor ihr stehen. Lachend ringt sie um Atem. âIch hätte echt nicht gedacht, dass ich dich hier noch mal sehen werde!â
Verlegen blickt sie zu Boden, âJa, ich habe nicht angerufen, es tut mir Leidâ¦â
Lächelnd winkt Lane ihre Entschuldigung ab. âVergiss es, jetzt bist du ja hier! Und? Was hast du noch vor?â
Was soll sie bloà antworten? Sie kann ihr ja wohl schlecht mitteilen, dass sie vor ihrem Vater weggelaufen ist. Verzweifelt versucht sie sich eine passende Ausrede einfallen zu lassen. âIch, ähm, ich⦠Eigentlich habe ich gar nichts vorâ¦â, stammelt sie unsicher. Am liebsten hätte sie sich gegen die Stirn geschlagen. Natürlich, sie fährt eineinhalb Stunden nach Stars Hollow und hat nichts vor. Gott, warum hilft ihr gesamtes Schulwissen ihr jetzt nicht weiter?! Sie sagen einem Jahre hindurch, man würde sie für den Alltag vorbereiten. Unsinn, alles Unsinn. Täte man das tatsächlich, dann würde sie jetzt nicht hier stehen und unsinnige Notlügen von sich zu geben. Unsicher wirft sie der Koreanerin einen Blick zu, doch diese scheint nichts von ihrer Lüge bemerkt zu haben.
âToll! Dann können wir unseren Spaziergang nachholen!â, freudestrahlend hakt sich Lane bei ihr unter und schiebt sie sachte nach vorne.
âWeiÃt du, ich denke wir werden uns richtig gut verstehen!â, sie lächelt sie mit ihren dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen an. So viel Freude und Lebenslust hat sie noch nie in den Augen eines Menschen gesehen, schon gar nicht in ihren eigenenâ¦
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Sooo, der Teil sagt nicht viel aus, aber ich brauche ihn praktisch als Verbindungsstück...
Mein Dank gilt wiedereinmal Kerstin fürs Beta-Lesen, und dafür, dass sie mir sagt, wo meine Gedanken für mich sprechen *gg* :knuddel:
Marie
Stille. Niemand rührt sich. Alle starren gebannt auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden ist. Dann, plötzlich, Schritte, die Tür, ein Knall. Leben kehrt wieder in die drei starren Personen. Erbost springt er auf, will ihr hinterher laufen. Doch Emily hält ihn zurück. Empört dreht er sich um, versteht nicht wieso sie ihn aufhält.
âEmily, sie ist gegangen!â, wild fuchtelt er in Richtung Ausgang.
Sie nickt. Nickt einfach, ist ruhig, als wäre nichts geschehen. âJa, das ist sie.â
âAber sie hat âââ
âRecht. Christopher, sie hat Recht. Mit allem was sie sagt.â
Er wird ruhiger, hört auf zu schreien. Langsam lockert sie ihren Griff. Spürt, dass er verstanden hat.
âAber, wir können sie doch nicht einfach gehen lassen!â, Besorgnis und Verzweiflung spiegeln sich in seinen Augen wieder.
âDoch, Christopher. Wir können und wir müssen.â, behutsam sagt sie es. Will ihm nicht wehtun. Doch ihre Enkelin hat Recht. Er hätte nicht weggehen dürfen. Hätte sie nicht alleine lassen dürfen. Wäre er nicht der Vater des Menschen, den sie am meisten liebt, würde sie ihn hinauswerfen. Wäre er nicht der Freund, Liebhaber, Mann, was auch immer ihrer eigenen Tochter gewesen, so würde sie ihn hassen. Würde ihn nie mehr wieder sehen wollen. Doch er war es, war alles davon. Er war der Grund.
Und sie verbindet etwas. Die gemeinsame Liebe. Die abgöttische Liebe zu ihrer Tochter. Zu ihrer Enkelin, seiner Tochter.
âChristopher, ich denke es wäre besser wenn du jetzt auch gehst.â, ihre Stimme klingt stark, bestimmt. Sicherer, als sie sich fühlt.
Bestimmt wendet er sich zur Tür. âIch werde sie suchen!â
Schwach schüttelt sie den Kopf, âDas brauchst du nicht.â, ich weià wo sie ist, fügt sie in Gedanken hinzu. Ja, sie weià es genau. Weià auch, dass ihre Enkelin dort sicher ist. Sie selbst möchte dort sein, bei ihr, ihr beistehen. Möchte ihre Sorgen und Schmerzen wieder für einen kurzen Moment von sich schieben. Doch nun liegt es an ihrer Enkelin, diesen Ort als Sprungbrett für ein paar wenige sorgenfreie Stunden zu nutzen. Sie hat ihr Geheimnis weiter gegeben.
Noch einmal dreht er sich zu ihr um. WeiÃ, dass es sinnlos wäre, nach ihr zu suchen. Will etwas sagen, doch die Worte bleiben in seinem Hals stecken. Mehrere Male setzt er an, bricht wieder ab. Traut sich nicht auszusprechen was in ihm vorgeht. SchlieÃlich gibt er sich einen Ruck, weiÃ, dass er es sowieso hätte sagen müssen. Er räuspert sich, versucht seine Stimmt stark klingen zu lassen, âWerde ich sie wieder sehen?â, seine Stimme ist leise, ängstlich und unsicher. Doch er weiÃ, dass sie ihn verstehen, kann es in ihren Augen sehen. Gespannt wartet er auf die Antwort. Fürchtet sie, erwartet sie jedoch voller Anspannung.
Sie sieht ihn an, weià nicht was sie sagen soll, will nicht das Falsche von sich geben. Hilfe suchend wendet sie sich ihrem Mann zu. Auch in seinen Augen spiegelt sich die Ahnungslosigkeit wider. Er will ihn ihr nicht vorenthalten. Will nicht, dass seine Enkelin noch weniger von ihrem Vater hat, als sie sowieso schon hat.
Minutenlang steht die Frage unbeantwortet im Raum. Alle empfinden sie dasselbe. Unsicherheit. Unsicherheit betreffend die Antwort. Sie zu erhalten, sie zu geben.
Noch immer blickt er abwechselnd von einem zum anderen. Nervös spannt er seine Finger an. Krallt sich fest in seiner Jacke, die er noch immer in der Hand hält. Verträgt die Ungewissheit nicht mehr. Muss es wissen, jetzt und hier. Will sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen, ein Leben in dem er sie gar nicht mehr sehen darf. âNun?â, fragt er mit schriller Stimme. Er legt es nicht mehr darauf an, stark zu wirken, würde es ja doch nicht schaffen.
Emily lächelt in sich hinein. Die Unsicherheit die in seiner Stimme liegt, gibt ihr ein gutes Gefühl. Sie kann ihm also nicht absolut egal sein. Mit einem Mal fühlt sie sich stark, weiÃ, dass ihr Gegenüber in dem Moment der Schwächere ist. Gekonnt lässt sie ihn warten, will sicher gehen, dass es ihm tatsächlich ernst ist. Mit jeder SchweiÃperle, die über seine Stirn rinnt, mit jedem Brocken, der von seiner Fassade fällt wächst ihre Sicherheit. Lässt Teile ihrer Träume wahr werden. Träume in denen sie alle beisammen sind. In denen auch Christopher ein fester Bestandteil in dem Leben ihrer Enkelin ist.
Unsicher steigt sie aus dem Bus. Panik überkommt sie. Was tut sie eigentlich? Weglaufen? Weglaufen ohne Grund? Nein, sie hat einen Grund. Er ist der Grund. Der Schmerz, den er ihr zufügt mit jedem seiner Besuche. Sie sind kurz und selten, doch schmerzvoll. Sie hasst es sich in seiner Gegenwart zu verlieren. Hasst es, dass sie sich so geborgen fühlt, kaum taucht er auf. Aber am meisten hasst sie den Tag danach. Den Tag an dem sie feststellen muss, dass er wieder weg ist. Auf unbestimmte Zeit wie vom Erdboden verschluckt bleiben wird, bis er wieder vor ihrer Tür steht. Jedes Mal erliegt sie ihm gnadenlos. Jedes Mal wieder keimt die Hoffnung in ihr. Treibt zarte Blüten, die schon am nächsten Tag wieder verblühen. Es ist immer dasselbe. Er kommt, steht vor ihrer Tür, in seiner ganzen Pracht. Sie wird wieder zum Kind, möchte ihn am liebsten den ganzen Tag ansehen, nicht von seiner Seite weichen. Er nimmt sie in die Arme und sie blüht auf. Lebt für ein paar Stunden das Leben, dass sie sich so sehr wünscht, das so vielen vergönnt ist, doch nicht ihr. In seiner Gegenwart ist sie wie verzaubert, kann nicht mehr klar denken. Akzeptiert jedes Mal wieder die Opfer, den Schmerz, nur um für ein paar Stunden in ein anderes Leben einzutauchen. Ein Leben mit ihm, mit ihr. Es ist, als würde sie mit ihm komplett werden. Als würden seine Erinnerungen an ihre Mutter und ihre Vorstellungen zusammen schmelzen und eine Person bilden. Eine Person, die beiden zur Seite steht. Sie sieht ihn an und erkennt sich in ihm. Hat jede kleinste Gemeinsamkeit mit ihm analysiert, herausgepickt, aus der Menge der Eigenschaften, die von ihrer Mutter stammen.
Doch nicht dieses Mal. Sie hat so vieles in der letzten Zeit aufgearbeitet, so viel Unklares endlich geklärt. Sie will ihm nicht wieder verfallen. Schützt sich selbst, indem sie einen Kokon um sich bildet, gerade erst ist sie aus ihrem alten heraus gekrochen, da muss sie sich auf ein Neues verpuppen. Doch sie weigert sich, will gleich als Schmetterling in die Welt treten.
So vieles ist ihr neu, hat sich gebessert. Immer öfter spricht sie über ihre Mutter, die Tränen werden immer seltener. Nicht so selten wie früher, und â vor allem â nicht geheim gehalten. Doch er, wie er dasteht und alles erneut in ihr hochkommt. Sie hat Angst. Angst vor ihm, Angst davor, dass sie wieder zurück fällt. Sich wieder in ihrem Turm versteckt. Sie möchte nicht, dass es so wird wie früher. Gerade ist sie in ihrem Selbstheilungsprozess. Sie musste sich von Grund auf neu finden. Entdeckte Eigenschaften, die ihr bislang verborgen waren. Entdeckt die Eigenschaft zu Scherzen, zu lachen. Eigenschaften, die sie nicht mehr verlieren will. Eigenschaften, die sie aber verlieren könnte. Wegen ihm. Darum. Darum läuft sie davon, läuft vor ihrem Vater davon.
Aber wohin soll sie gehen. Seit dem letzten Besuch mit ihrer GroÃmutter hat sie jede Nacht geträumt wieder hier her zu kommen. Doch nun steht sie hier und weià nicht wohin sie gehen soll. War es nicht eine wahnwitzige Idee gewesen, einfach hier her zu fahren? An einem Ort Zuflucht zu suchen, in dem sie praktisch niemanden kennt?
Suchend blickt sie sich um. Sucht einen Ort, an dem sie sich ihren Gedanken hingeben kann, an dem sie abgelenkt wird. Sie sieht Kinder fröhlich in eine Halle laufen. Hört sie lachen, hört unschuldige Kinder, die ihre Kindheit in vollen Zügen genieÃen. Sie dreht sich weg. Kann diesen fröhlichen Stimmen im Moment nicht zuhören, muss sich einen ruhigeren Platz suchen.
Sie geht die StraÃe entlang. Wirkt wie ein Besucher, der befreit von allen Sorgen die StraÃen Stars Hollows entlang schlendert.
Noch immer ist sie ganz in ihren Gedanken versunken, als sie plötzlich ihren Namen hört. Verstört dreht sie sich um. Wer kennt ihren Namen? Wer kennt sie?
âRory! Warte, warte! Du bist doch Rory?â, gehetzt bleibt die kleine Koreanerin vor ihr stehen. Lachend ringt sie um Atem. âIch hätte echt nicht gedacht, dass ich dich hier noch mal sehen werde!â
Verlegen blickt sie zu Boden, âJa, ich habe nicht angerufen, es tut mir Leidâ¦â
Lächelnd winkt Lane ihre Entschuldigung ab. âVergiss es, jetzt bist du ja hier! Und? Was hast du noch vor?â
Was soll sie bloà antworten? Sie kann ihr ja wohl schlecht mitteilen, dass sie vor ihrem Vater weggelaufen ist. Verzweifelt versucht sie sich eine passende Ausrede einfallen zu lassen. âIch, ähm, ich⦠Eigentlich habe ich gar nichts vorâ¦â, stammelt sie unsicher. Am liebsten hätte sie sich gegen die Stirn geschlagen. Natürlich, sie fährt eineinhalb Stunden nach Stars Hollow und hat nichts vor. Gott, warum hilft ihr gesamtes Schulwissen ihr jetzt nicht weiter?! Sie sagen einem Jahre hindurch, man würde sie für den Alltag vorbereiten. Unsinn, alles Unsinn. Täte man das tatsächlich, dann würde sie jetzt nicht hier stehen und unsinnige Notlügen von sich zu geben. Unsicher wirft sie der Koreanerin einen Blick zu, doch diese scheint nichts von ihrer Lüge bemerkt zu haben.
âToll! Dann können wir unseren Spaziergang nachholen!â, freudestrahlend hakt sich Lane bei ihr unter und schiebt sie sachte nach vorne.
âWeiÃt du, ich denke wir werden uns richtig gut verstehen!â, sie lächelt sie mit ihren dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen an. So viel Freude und Lebenslust hat sie noch nie in den Augen eines Menschen gesehen, schon gar nicht in ihren eigenenâ¦
___________________________________________________-
Sooo, der Teil sagt nicht viel aus, aber ich brauche ihn praktisch als Verbindungsstück...
Mein Dank gilt wiedereinmal Kerstin fürs Beta-Lesen, und dafür, dass sie mir sagt, wo meine Gedanken für mich sprechen *gg* :knuddel:
Marie