Mit einem kräftigen Schnitt teilt Lorelai Gilmore das Stück Lammfleisch auf ihrem Teller, wirft ihrer Schwiegertochter einen missbilligenden Blick zu, legt das Besteck zur Seite und mustert ihre Enkeltochter, die etwas unbeholfen versucht die Kartoffel vor sich klein zu bekommen, sich schlieÃlich ein viel zu groÃes Stück in den Mund schiebt.
âNun, Lorelaiâ, sie greift nach ihrer Serviette, tupft sich die Mundwinkel, nimmt einen Schluck Wein. âWie ich höre, gehst du seit einigen Wochen in den Kindergarten.â
âMmpfâ, erwidert Lorelai mit vollem Mund, weià nicht welche der Regeln Vorrang hat: die auf die Fragen von Erwachsenen stets höflich zu antworten, oder die nicht mit vollem Mund zu sprechen. SchlieÃlich entscheidet sie sich für den Mittelweg und befördert das halb zerkaute Kartoffelstück so elegant wie möglich zurück auf ihren Teller. Ob eines entsetzten Aufschreis ihrer GroÃmutter und einer Strafpredigt ihrer Mutter, kommt sie jedoch erst gar nicht zum antworten.
âAlso wirklichâ, zischt Lorelei leise. Ein weiterer Beweis, sie hat es immer geahnt, war sich sicher, dass Emily ungeeignet ist. Aber Richard wollte ja nicht auf sie hören, nicht einmal ihr Brief hatte seine Wirkung gezeigt. Sie verstand ja, dass er das Bedürfnis hatte seinen Fehler wieder auszubügeln, aus Emily eine ehrbare Frau zu machen. Aber die wäre sie auch geworden, wenn sie diesen Farnsworth geheiratet hätte. Verflucht, weshalb hatte sie es Richard auch vor der Hochzeit erzählen müssen!? Jetzt war Emily tatsächlich ein offizielles Mitglied der Familie. Eine Frau die weder Moral noch Anstand kannte. Es in ihrem ungeheuer arroganten Tonfall selbst zugegeben hatte, dabei sogar noch die Unverfrorenheit gehabt hatte, das Andenken an Richard zu beschmutzen, ihn praktisch mit dem Pöbel gleichgestellt hatte, das seine Abende in den Bordellen der Stadt verbrachte. Nein, Emily würde niemals lernen, was Sitte und Anstand waren, niemals konnte diese Frau ihren Sohn glücklich machen, zumindest nicht auf eine ehrbare Art und Weise. âNun Richardâ, sie ringt sich ein Lächeln ab. âHabt ihr euch schon Gedanken über die Schulbildung der Kleinen gemacht?â
âIn der Tat, Trixâ, ein zufriedenes Grinsen zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. âEmily hat sich über die verschiedenen Privatschulen hier in Hartford kundig gemacht, es wird wohl Kingswood werden.â
âKingswoodâ, etwas irritiert blickt sie von ihm zu Emily. âWenn ich mich richtig erinnere, dann werden dort sowohl Mädchen, als auch Jungen aufgenommen.â
âSie ist auch auf einem gemischten Kindergarten, Mutterâ, erwidert ihre Schwiegertochter, fragt sich, wo ihr nächster Fehler liegt, was ihr noch vorgeworfen werden wird. Der Besuch ihrer Schwiegermutter hat sich bislang als ein einziges Desaster gestaltet. Das Haus zu klein, die Möbel zu gewöhnlich, die Betten zu hart, das Essen zu scharf, ihre Kleidung zu geschmacklos, Lorelai zu aufmüpfig, sie selbst zu â was auch immer. Sie hat diese Tiraden satt, zumal sie nicht weiÃ, was sie darauf erwidern soll, nichts darauf erwidern darf, wenn sie die Beziehung zu ihrer Schwiegermutter jemals wieder ins rechte Lot rücken will. Alles was sie braucht ist etwas Geduld, Lorelai wird eines Tages einsehen, dass sie nur das Beste für Richard will, ihn liebt. Bis dahin muss sie eben die Zähne zusammenbeiÃen, tut es auch jetzt, ignoriert die nächste Spitze, lächelt.
âMeiner Meinung nach, sollte man Mädchen und Jungen niemals gemeinsam auf eine Schule schicken, das fördert nur diese ââ, sie erinnert sich, dass ihr Enkelin im Raum ist, das Gespräch neugierig verfolgt, sucht eine neue Formulierung. âDas bringt sie nur frühzeitig auf dumme Gedanken.â
âAch was, Mutterâ, wirft ihr Sohn ein, beinahe fröhlich, die angespannte Stimmung zwischen seiner Mutter und seiner Frau ist ihm bislang nicht aufgefallen. Im Gegenteil, zwei derart intelligente und wundervolle Frauen, so denkt er, müssen sich blendend verstehen. âDas fördert lediglich den gepflegten Umgang miteinanderâ, er zwinkert Trix zu. âManche Dinge kann man nie früh genug lernen, das sagst du doch selbst immer.â
Sie rümpft leicht die Nase, manche Dinge, nun, das gilt für Höflichkeit, Manieren, nicht für den Umgang mit dem anderen Geschlecht. âNun, da muss ich dir widersprechen. Lorelai wird noch genügend Zeit haben derlei zu lernen - wenn sie im richtigen Alter dafür ist. Wozu gibt es Debütantinnenbälle?â
âUm den passenden Ehemann zu findenâ, wirft Emily ein, schilt sich selbst für ihren unbedachten Kommentar, sie sollte endlich lernen mehr Beherrschung zu zeigen, nicht immer gleich das zu sagen, was sie tatsächlich dachte.
âWenn ich mich recht entsinne, Emily, dann hast du dir deine Männer nicht auf Bällen, sondern an den gemischten Bildungsinstitutionen dieses Landes geangelt.â
Sie beiÃt sich auf die Unterlippe, sieht Richard mit einem schwachen Lächeln an, wendet sich wieder ihrem Lamm zu. Natürlich stimmt es, sie hat Richard in Yale kennengelernt. Aber die Art und Weise in der ihre Schwiegermutter es immer wieder schafft diese Tatsachen in einer derart brüskierenden Form gegen sie zu verwenden, dann noch in der Gegenwart Lorelais, macht ihr zu schaffen, sie kommt sich wieder wie die Studentin vor, deren Professor ständig versuchte, sie vor der Klasse bloà zu stellen. Aber hat sie ihm nicht die Stirn geboten? Es nicht zugelassen, dass er seine Meinung über Frauen bestätigt sieht? Wo liegt jetzt der Unterschied? Sie beiÃt sich auch die Zunge, der Unterschied, lacht in sich hinein. Der Professor hat Recht behalten, sie hat nie einen Abschluà gemacht, ist tatsächlich Hausfrau und Mutter, auch wenn andere ihr die Arbeit abnehmen. Aber Lorelai, Lorelai wird nicht Recht behalten, sie wird es schaffen in der Achtung der alten Dame zu steigen.
Erschöpft von dem Essen, dem ganzen Tag, der Anwesenheit ihrer Schwiegermutter wirft Emily ihre Schuhe achtlos in eine Ecke des Schlafzimmers, betrachtet seufzend ihr Spiegelbild. Sie ist alt geworden, nicht zu sehr, aber man sieht ihr an, dass sie keine Zwanzig mehr ist. Kein junges Ding mehr, dessen gröÃtes Problem es ist, sich zwischen einem Kurs für Wirtschaftskunde oder einer Vorlesung in Versicherungsrecht zu entschieden. Wenigstens hat sie damals die richtige Wahl getroffen, sonst hätte sie Richard vielleicht nie kennengelernt, wäre jetzt nicht seine Frau. Du solltest einfach nicht soviel nachdenken, mahnt sie sich also, das läÃt dich gleich viel älter aussehen. Nicht nachdenken, sie seufzt, in letzter Zeit spukt ihr einfach zu vieles im Kopf herum, läÃt ihr keine Ruhe. Die UngewiÃheit allem voran, nicht zu wissen wie es weitergeht, nein, nicht mit Richard, sondern mit ihr selbst. Jetzt, da die konkreten Probleme gelöst sind, ertappt sie sich immer öfter dabei, wie sie sich verloren fühlt. Sich ein neues Loch auftut, obwohl das eine eben erst geschlossen wurde. Es ist die Zeit, unermeÃlich viel Zeit, die sich zwischen dem Morgen und dem Abend erstreckt, Richard im Büro, Lorelai im Kindergarten und sie, sie Zuhause. Einem Haus, das sie fertig eingerichtet hat, in dem es nicht mehr zu tun gibt, als dem Dienstmädchen Befehle zu erteilen. Sie kommt sich nutzlos vor, etwas das sie sich nie hätte vorstellen können, einfach nur so in den Tag hinein zu leben.
Sie öffnet ihr Haar, legt die Haarklammer sorgfältig an ihren Platz, lächelt, als Richard ins Zimmer kommt. âIst die Kleine im Bett?â, erkundigt er sich.
âSchon seit einer ganzen Weileâ, sie dreht ihm den Rücken zu, schiebt ihr Haar zur Seite. âWürdest du?â, er hilft ihr den Verschluà ihrer Kette zu öffnen, küsst dabei ihren Nacken, beobachtet wie sie sich auch ihres restlichen Schmuckes entledigt, fragt sich, womit er sie verdient hat.
âWas ist?â, sie sieht ihn mit funkelnden Augen an, er liebt ihre Augen, sie erinnern ihn an die eines Rehs, so sanft und gleichzeitig voller Energie. âWeshalb starrst du mich so an?â
Er zuckt mit den Schultern, grinst. âWir waren schon ewig nicht mehr tanzenâ, er legt einen Arm um ihre Hüfte, nimmt ihr Hand und beginnt leise die ersten Takte von Sinatras Strangers in the night zu summen. âErinnerst du dich?â
Sie lacht, schmiegt ihre Wange an die seine und sie beginnen sich Rhythmus der Melodie zu bewegen. âNatürlichâ, ein wenig melancholisch klingt sie, es war der letzte Abend, bevor er ins Ausbildungscamp musste. Ausbildungscamp, das Wort versetzt ihr einen kleinen Stich. Sie schiebt den Gedanken zur Seite, konzentriert sich ganz auf die positiven Seiten dieses Abends. Das phantastische Dinner, die Bar in der sie anschlieÃend waren, die Jukebox, sie haben zu diesem Lied getanzt, beinahe die ganze Nacht. Richard hatte es (den lautstarken Protesten der anderer Gäste zum Trotz) immer und immer wieder laufen lassen. Und später, sie lächelt bei der Erinnerung, küsst ihren Mann sanft, später in jener Nacht war Lorelai gezeugt worden, ihr Grund zu überleben.
âRichardâ, murmelt sie mit leichtem Tadel, als seine Hand ihren Rücken hinauf wandert und langsam den ReiÃverschluà ihres Kleides öffnet.
âWas?â, er küsst ihre Schulter, schiebt die schmalen Träger zur Seite und das Kleid fällt lautlos zu Boden, bildet eine hellrosa Wolke aus Stoff auf dem weiÃen Teppichboden.
âDeine Mutterâ, halbherzig schiebt sie ihn zur Seite, er blickt auf, lacht.
âWas soll mit ihr sein?â
Sie zieht die Augenbrauen nach oben, deutet mit dem Kopf in Richtung Tür, will etwas sagen, doch er legt ihr den Finger auf die Lippen, bedeckt ihren Hals mit kleinen Küssen, läÃt auch ihren Unterrock zu Boden gleiten, schiebt sie zum Bett, öffnet geschickt den Verschluss ihres BHâs.
âBitteâ, keucht sie, vergräbt ihr Gesicht an seiner Schulter, verliert unter seinen Berührungen langsam die Kontrolle über sich. âMir ist einfach nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie hier ist, während wir....â, setzt sie ein zweites Mal an.
âSie ist doch nicht hier in unserem Schlafzimmerâ, entgegnet er grinsend, küsst sie, genieÃt ihre Nähe, seine Reaktion auf sie, liebkost ihren enthüllten Körper, einen Körper der nur für ihn geschaffen zu sein scheint, nur darauf zu warten scheint, ihn in sich aufzunehmen
âWir sollten wenigstens abschlieÃenâ, bittet sie ihn, lässt sich dennoch widerstandslos auf das Bett drücken, stöhnt leise auf, als seine Lippen sich um ihre Brustwarze schlieÃen. Er hält kurz inne, blickt auf. âHast du...?â
Sie nickt, zieht ihn näher an sich heran und er küsst sie erneut, lässt seine Zunge fordernd um die ihre kreisen. Vorsichtig spreizt er ihre Beine, seine Hände gleiten die Innenseite ihrer Schenkel hinab. Er wiederholt die sanfte Bewegung, wagt sich ein Stück weiter, bedeckt sie mit zärtlichen Küssen, wartet bis sie bereit ist, ihm drängend ihren Unterkörper entgegen schiebt, ihre Hüfte anhebt, um es ihm zu ermöglichen auch ihren Slip zur Seite zu schieben.
Lorelai liegt in ihrem Bett, es ist dunkel, nicht ganz, von drauÃen kommt ein wenig Licht, wirft unheimliche Schatten an die Decke. Schatten die aussehen wie gemeine Monster, dürre Gestalten mit gefährlichen Krallen. Sie hält den Atem an und lauscht, es ist still, alles was sie hört ist das Pochen ihres eigenen Herzens. Obwohl sie müde ist, kann sie nicht einschlafen, hat Angst, die Schatten würden sich dann von der Wand lösen, lebendig werden. Christopher hat ihr erst heute erzählt, dass sie nur darauf warten, bis man eingeschlafen ist. Dann nehmen sie einen mit, zu einen Ort an dem es fürchterlich furchtbar ist, an dem es kalt ist und nichts zu Essen gibt, an dem man nicht spielen darf und immer nur dasitzen muss. Ihre Mom hat ihr zwar erklärt, dass das nicht passieren kann, aber trotzdem, man weià ja nie, auch Erwachsene wissen nicht immer alles. Aber sie sind groÃ, sie passen auf einen auf.
Vorsichtig steht sie auf, sie will nicht riskieren, dass sie es merken, geht auf Zehenspitzen durch das Zimmer, hält manchmal an, überprüft, ob die Monster noch an der Decke sind oder schon begonnen haben ihr zu folgenâ und da, sie bewegen sich. Lorelai stöÃt einen spitzen Schrei aus, reiÃt die Tür auf, rennt durch den Flur, stolpert, weil sie sich immer wieder umdreht, flüchtet ins Schlafzimmer ihrer Eltern.
âMomâ, schreit sie in blinder Panik, Tränen in den Augen und ihre Eltern fahren auseinander.
Emily rafft eine Decke um sich, springt auf. âLorelaiâ, sie schiebt sie aus dem Zimmer, schlieÃt die Tür hinter sich. âWas hast du denn, Schätzchen, mmh?â, sie geht auf die Knie, streicht eine Locke aus dem Gesicht ihrer Tochter.
âDie Monsterâ, flüstert sie in das Ohr ihrer Mutter und spürt wie sie hochgehoben wird.
âLorelai, ich hab die doch gesagt es gibt keine Monsterâ, erinnert sie ihre Tochter, trägt sie zurück in ihr Zimmer, legt sie behutsam zurück ins Bett, deckt sie zu.
âAber Christopher hat gesagt, es gibt sie dochâ, protestiert sie, er ist schlieÃlich ihr bester Freund und würde sie nicht anlügen, niemals. âEr hat gesagt, sie warten bloà bis man schläft. Und dann nehmen sie einen mit.â
âNiemand wird dich irgendwohin mitnehmenâ, versucht sie Lorelai zu beruhigen, ist in Gedanken woanders, fragt sich was sie gesehen hat, wie viel. Emily mustert sie sorgfältig, stellt erleichtert fest, dass ihre Tochter vor lauter Aufregung über imaginäre Schreckgestalten scheinbar nichts mitbekommen hat. âDas verspreche ich dir.â
âUnd wenn doch?â, wieso will ihre Mom denn nicht begreifen, dass es die Monster eben doch gibt, ganz sicher, sie haben sich schlieÃlich bewegt, sie hat es selbst gesehen.
âVertrau mir, Engelchen, hier in deinem Bett bist du absolut sicher. Und jetzt solltest du wirklich schlafen, es ist schon spätâ, sie steckt die Decke fest, doch Lorelai strampelt sich frei, fällt ihrer Mutter um den Hals.
âIch will dass du hier bleibst, Mom.â
Emily seufzt, drückt sie zurück ins Bett. âDu brauchst doch keine Angst vor ein paar Schatten zu haben, du bist doch schon ein groÃes Mädchen, oder?â Lorelai sieht sie mit groÃen Augen an, nickt schlieÃlich tapfer. âSiehst duâ, sie lächelt, schiebt das schlechte Gewissen zur Seite, gibt ihrer Tochter einen Kuss. âGute Nacht, Lorelai.â
âGute Nachtâ, murmelt sie, schlieÃt die Augen, tut als würde sie einschlafen, wartet bis ihre Mutter weg ist, sieht wieder auf die Zimmerdecke, an der die Schatten leise und unheimlich tanzen. Früher wäre ihre Mom dageblieben, hätte sie in den Arm genommen und ihr eine Geschichte erzählt, früher war überhaupt alles anders, bis ihr Dad zurückgekommen ist. Sie sagen zumindest er wäre ihr Dad, aber sie findet ihn komisch. Nicht mehr so komisch wie am Anfang, da hat er nie was gesagt und sie immer bloà seltsam angesehen, gleich wieder weg geschaut, wenn sie es bemerkt hat. Jetzt redet er sogar manchmal mit ihr, fragt sie wie es im Kindergarten war. Aber er bringt ihr nie Geschenke mit, so wie William es gemacht hat. AuÃerdem sollte der doch ihr neuer Daddy werden, zumindest bis ihr alter Daddy auf einmal da war, ein groÃer Mann, den sie überhaupt nicht kennt. Na ja, mittlerweile ein bisschen besser. Sie mag ihn auch mehr, weil er manchmal ganz lustig ist, er bringt ihre Mom zu lachen. Ãberhaupt mag ihre Mom ihn scheinbar sehr, er darf bei ihr im Bett schlafen, dabei ist er schon viel gröÃer als sie und sie kann sich nicht vorstellen, dass er sich vor irgendwas fürchtet. Aber scheinbar machen das Erwachsene so, wenn sie verheiratet sind, hat zumindest Christopher ihr erzählt. Er weià unglaublich viele Dinge, obwohl sie sich jetzt nicht mehr sicher ist, ob er sie mit den Monstern vielleicht nicht doch beschwindelt hat. Sie wird ihm einfach erzählen, dass sie sich mit ihnen angefreundet hat, genau, noch besser sie befreundet sich tatsächlich mit ihnen.
âHallo ihrâ, wispert sie deshalb, die Schatten fangen wieder an zu wackeln, sie tun mir nicht, sie tun mir nichts, denkt sie, glaubt aber nicht wirklich daran. Gar nichts, wiederholt sie deshalb, ich brauche keine Angst vor ihnen zu haben. Sie macht die Augen wieder zu, auf und zu, Schatten da, Schatten weg, Schatten da, Schatten weg. Sie will nicht hier bleiben, überlegt, ob sie vielleicht zu ihrer GroÃmutter ins Gästezimmer soll, befindet jedoch, dass es wohl keine sonderlich gute Idee ist und beschlieÃt zu Loretta, dem Kindermädchen zu gehen, die hat keinen Mann, die wird sie nicht wegschicken.
***
Sie klettert wieder zurück ins Bett, lehnt sich an Richard, der seine Arme um sie schlieÃt, küsst seinen nackten Oberarm. âTut mit leidâ, sie erwartet keine Antwort, lauscht ihren Atemzügen, fragt sich, wann endlich alles wieder vollkommen normal sein wird. Wieder? War es denn jemals vollkommen normal? Vielleicht, am Anfang, als sie sich in ihn verliebt hat. Als sie noch nicht wusste, was es bedeutet, es nur ein aufregendes Spiel war, bei dem niemand ernstlich verletzt werden konnte.
Er vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar, atmet den Duft tief ein, er liebt ihn, so wie er alles an ihr liebt, obwohl er nicht der Einzige ist, der sich verändert hat - auch sie ist anders geworden. Erwachsen, schieÃt es ihm durch den Kopf, wir haben selbst die letzten Reste unserer Kindheit hinter uns gelassen. Wir mussten beide lernen, dass das Leben kein Spiel ist, dass es ein Kampf ist, immerzu, ohne Ende. Nun, natürlich gibt es eines, aber bis dahin werden sie sich erst durchschlagen müssen und wofür? Für die wenigen Momente in denen alles abfällt, in denen man für kurze Augenblicke vergisst, dass man eigentlich nur ein Roboter ist, eine Maschine, die sich durch dieses Leben schlägt, letztendlich ganz verbeult sein wird von den vielen Schlägen die man einstecken musste. Selbst seine vierjährige Tochter kämpft mit Dämonen, für sie haben sie noch eine Gestalt, sind real, aber mit der Zeit wird auch sie erkennen, dass es die eigene Angst ist, vor der man sich wirklich fürchtet.
Er streichelt Emily sanft über den Arm, die feinen Härchen darauf richten sich unter seiner Berührung auf, sie kuschelt sich tiefer in seine Umarmung. Obwohl er ihr Gesicht nicht sehen kann, weià er, dass sie lächelt. Dasselbe Lächeln in das er sich vor über sechs Jahren verliebt hat, es hat nichts von seiner Wirkungskraft auf ihn eingebüÃt. Im Gegenteil, er hat es noch mehr zu schätzen gelernt, nicht nur weil er es in Vietnam so oft vor sich gesehen hat, sondern weil es seltener geworden ist, eine rare Kostbarkeit.
âVielleicht sollten wir ihr doch ein Kaninchen kaufenâ, ganz unvermittelt kommt ihm der Gedanke, ist eigentlich Naheliegend. Emily und er haben es geschafft, sie sind sich wieder Nahe gekommen, näher als jemals zuvor, aber Lorelai. Er findet keinen Zugang zu ihr, ertappt sich manchmal selbst dabei, wie er sie verblüfft ansieht, es nicht glauben kann, dass sie tatsächlich sein Kind ist, dass er ihr Vater ist. Nicht weià wie er das sein soll, ein Vater.
âWas?â, erstaunt dreht sie sich um, runzelt die Stirn.
âHat sie nicht gesagt, dass sie eines möchte?â, ja, das hat sie, hat es beim Abendessen mit feierlicher Miene verkündet. âWarum sollten wir ihr den Gefallen nicht tun?â
Sie schüttelt den Kopf, lacht dabei. âWeil sie glaubt, das Tier wird anfangen mit ihr zu sprechen, eine groÃe Uhr herausziehen und sie mit ins Wunderland nehmen.â
âWoher willst du wissen, dass es das nicht tun wird?â, grinsend sieht er sie an, genieÃt ihre Reaktion, dieses Gespräch über etwas so Alltägliches.
Ihr geht es genauso, mehr noch, sie ist froh darüber, dass er ihr damit anbietet, die Bürde von Lorelais Erziehung zu teilen, so sehr sie ihre Tochter liebt, es ist schwer die Verantwortung alleine zu tragen. âFalls du tatsächlich ein Kaninchen mit derartigen Fähigkeiten findest, dann ist dir meine ewige Bewunderung sicher.â
âIch dachte die hätte ich schonâ, entgegnet er zwinkernd, zieht sie an sich heran, ihre Nasenspitzen berühren sich beinahe.
âFür andere Qualitäten, Richard Gilmoreâ, haucht sie mit einem vielsagenden Lächeln, küsst ihn, ihr Haar kitzelt auf seiner nackten Haut, jagt einen Schauer der Erregung durch ihn hindurch.
Später liegt sie noch lange wach, ihr Kopf ruht auf seiner Brust, bewegt sich im Takt seiner Atemzüge. Sie liegt wach und versucht an nichts zu denken, einfach nur seine Nähe zu genieÃen, in seinem Arm einzuschlafen, aber es gelingt ihr nicht.
âRichard?â, flüstert sie so leise wie möglich, will ihn nicht aufwecken, hofft er wird aufwachen.
âMmh?â, murmelt er verschlafen, legt einen Arm um sie, küsst ihr Haar.
Sie beiÃt sich auf die Unterlippe, sammelt sich und ihre Worte. âWas würdest du dazu sagen, wenn wir, wenn wir noch ein zweites Kind bekommen würden?â
Er schrickt auf, schiebt sie ein Stück zur Seite, setzt sich auf, hellwach, alarmiert, entsetzt. Er hat aufgepaÃt, nicht mit ihr geschlafen, wenn er sich nicht sicher sein konnte, dass sie ihr Diaphragma eingesetzt hatte. Dieser Fehler war ihm nur einmal unterlaufen, ein unbedachter Moment zwischen Tür und Angel, und dann - âDu bist doch nicht etwa....â, er sieht sie durchdringend an, sie schüttelt den Kopf, streicht sich das Haar hinter die Ohren.
âNein, natürlich nichtâ, sie mustert ihn, versucht zu ergründen, was sein Gesichtsausdruck zu bedeuten hat, versucht das seltsames Gefühl in ihrer Magengegend zu ignorieren. âIch weià auch nicht, vermutlich hätte ich nicht mit dem Thema anfangen sollenâ, sie lächelt, drückt seine Hand. âLass uns schlafen.â
âEmilyâ, er seufzt, hat geahnt, dass dieses Thema irgendwann zur Sprache kommen würde, will ehrlich sein. âIch halte ein weiteres Kind für keine gute Idee. Mehr noch, ich möchte offengestanden keine weiteren Kinder mehr. Ich hoffe du verstehst das.â
Sie versteht nicht, zu dem Unverständnis gesellt sich Wut. Sie haben nicht darüber geredet, nicht bis jetzt, was wenn sie tatsächlich schwanger wäre? Was hätte er dann gesagt, getan? âUnd was ist mit Lorelai? Denkst du über sie genau so?â, sie versucht ihre Stimme zu dämpfen, ihren Tonfall zu mäÃigen, es will ihr jedoch nicht gelingen. âDenkst du es war falsch sie zu bekommen?â
âGott, nein, natürlich nicht. Lorelai ist ein wunderbares Kind, du bist eine wunderbare Frau. Dennoch â nichtâ, er deutet beinahe hilflos in den Raum, ânicht hier. Ich hoffe du respektierst diesen Wunsch.â
Zornestränen glitzern in ihren Augen, sie rührt sich nicht, nickt irgendwann doch unsicher, legt sich wortlos zurück in die Kissen. Reagiert nicht darauf, als er seinen Arm um sie legt und weitere erklärende Worte flüstert, schläft irgendwann ein, erwacht am nächsten Morgen in einem leeren Bett.
ATN: ... Halleluja.....