So, ich bin jetzt endlich wieder zurück und kann daher auch posten.
Ein leises Rauschen nur, alles was sie hört. Ein leises Rauschen, Blätter im
Wind. Ein leises Rauschen und sein Atem. Sein Herzschlag, den sie spürt, ein
sanftes Pochen auf ihrer Haut. Der Geruch, der ihn umgibt. So vertraut und
doch so neu. Neu und aufregend. So als würde man in dem Haus, in dem man
Jahre gelebt hat, als würde man dort plötzlich, hinter einem alten
Wandteppich vielleicht, als würde man dort plötzlich eine verborgene Tür
entdecken. Eine alte Tür, die sich mit einem lauten Knarren öffnet,
schlieÃlich war sie vergessen, ungeölt seit Ewigkeiten. Ein kleiner Spalt
ist es zunächst, ein Augenblick der Erregung und der Angst, ein Augenblick
des Zögerns, da man nicht weiÃ, was einen erwartet. Letztendlich siegt die
Neugier - tut sie es nicht immer? - ein wohliger Schauer auf dem Rücken, als
man die Tür vollends aufstöÃt. Sie öffnet sich und gibt den Blick frei, den
Blick auf ein bislang unbekanntes Zimmer. Das Schönste im ganzen Haus und
dennoch hat man es all die Jahre nie betreten, wusste ja nicht einmal, dass
es existiert. Doch kaum hat man es zum ersten Mal betreten, da weià man,
nein, es ist noch kein Wissen, eine leise Ahnung nur, man ahnt also, dass
man zukünftig viel Zeit dort verbringen wird. Es eigentlich nie mehr
verlassen will.
Sie löst sich von ihm, langsam, annähernd unwillig, kann sich ein Grinsen
nicht verkneifen, weicht trotzdem nahezu schüchtern seinem Blick aus, als
sie sich räuspert und zu sprechen beginnt. "Kommst du noch mit rein?", wie
unbeholfen es klingt, wie banal. Gibt es keine romantischere Wortwahl? Eine
weniger plumpe? Vermutlich gibt es sie, aber sie will ihr nicht einfallen.
Sowieso ist es schon zu spät sich zu verbessern. Sowieso ist alles was zählt
seine Antwort.
"Ich, ähm, ich will Rory nicht wecken", entgegnet er und sie schluckt, weiÃ
nicht, wie sie diese Antwort deuten soll. BeschlieÃt die Unsicherheit zu
überspielen.
"Rory ist in Europa."
"Oh", er klingt verblüfft, er klingt tatsächlich verblüfft, dabei wusste er
es doch, sie hat es ihm erzählt. "Also dann."
"Also dann", etwas umständlich öffnet sie die Tür, nimmt ihn bei der Hand
und zieht ihn in die Eingangshalle. Mit einem Fuà stöÃt sie die Tür wieder
zu, während sie sich ihm entgegenlehnt, seine Lippen sucht. Sie sucht und
findet, ein erneuter Kuss. So wie die zuvor und dennoch anders, ein
Versprechen nach mehr.
Diesmal ist er es, der sich zuerst von ihr löst, sich erneut bereitwillig
bei der Hand nehmen lässt, ihr durch das schwach erleuchtete Wohnzimmer nach
oben folgt.
Angekommen schlüpft sie aus ihrer Jacke, sucht seinen Blick, sieht ihn
lächelnd an.
Er lächelt zurück und verschränkt die Arme, sieht sich mit gerunzelter Stirn
in ihrem Schlafzimmer um. "Hübsch hier", tut er mit Kennermine kund.
Schwachsinn, schieÃt es ihm durch den Kopf, du redest Schwachsinn.
Sie gibt ein leises Lachen von sich, wirft dabei ihre Jacke auf einen freien
Stuhl. "Das ist nicht das erste Mal, das du in meinem Schlafzimmer bist."
"Nein", er zuckt entschuldigend mit den Achseln. "Aber bisher war ich immer
nur hier, um die zerbrochene Fensterscheibe zu kitten oder die kaputte
Sockenschublade zu reparieren, und nicht um -", er stockt und fährt sich
über das Kinn. "Um Zeit mit dir zu verbringen."
Sie setzt sich auf den Bettrand und klopft auf die freie Stelle neben sich,
doch er macht keinerlei Anstalten sich zu rühren. Im Gegenteil, geht sogar
verlegen einen Schritt zurück.
"Setz dich", fordert sie ihn mit sanfter Stimme auf, hat dabei das Gefühl,
wie ein kleines Mädchen zu klingen, das man völlig unvorbereitet vor einem
riesigen Publikum auf die Bühne geschupst hat. "Es sei denn", fährt sie
fort, will der Situation die unbehagliche Spannung nehmen. "Es sei denn, du
willst vorher noch schnell den tropfenden Wasserhahn im Badezimmer
reparieren."
Er zieht die Augenbrauen nach oben, verengt nachdenklich die Augen zu einem
Schlitz. "Welcher ist es denn?", erkundigt er sich nach einer kurzen Pause,
erkundigt er sich schnell, die Worte sprudeln nur so aus ihm hervor. "Der
über der Badewanne, oder der über dem Waschbecken?"
"Der über der Wanne", antwortet sie kopfschüttelnd, grinst dabei.
"Dann werde ich mich gleich darum kümmern."
Ehe sie etwas erwidern kann, ist er schon verschwunden. Sie lauscht seinen
Schritten, zieht eine verwunderte Schnute, als sie geschäftige Geräusche aus
dem Badezimmer vernimmt. Ãberlegt kurz, springt schlieÃlich auf und folgt
ihm.
Er blickt vom Wasserhahn auf, hat bereits das Ventil abgeschraubt, wischt
sich nun die Hände an seiner, für seine Verhältnisse eleganten, schwarzen
Hose ab. Ãberhaupt wirkt er elegant, nicht nur die Hose, auch das Hemd,
trägt sogar eine Krawatte, hat sich alle Mühe gegeben, wie ein Gentleman zu
wirken, wollte sie beeindrucken. Sie würde es vielleicht nie zugeben, aber
er kennt sie gut genug, weiÃ, dass sie sich trotz ihrer Flucht vor der High
Society eine gewisse Affinität für alles Vornehme, Stilvolle bewahrt hat.
"Ohne meinen Werkzeugkasten werde ich das nicht reparieren können."
"Du sollst es auch nicht reparieren."
Er steht vom Badewannenrand auf. "Ich werde ihn schnell holen gehen."
"Dann ziehst du Bird also mir vor?", sie wirft die Hände in die Höhe,
gleicht so ein wenig Justitia. "Ich meine, er hat vermutlich seine Reize,
aber ich habe mir wirklich Mühe gegeben heute Abend gut auszusehen", drei
Stunden, mein Lieber, Millionen verschiedener Hosen-, Rock- und
Blusenkombinationen, vier Mal habe ich mich umgeschminkt, sieben Mal meine
Haare umfrisiert. "Und ich denke doch, dass ich selbst einer Werkzeugkiste
wie Bird das Wasser reichen kann", ich hoffe es zumindest.
"Aber dich kann ich schlecht verwenden, um die Abdichtung aufzubekommen", er
vergräbt seine Hände in den Hosentaschen, starrt auf den blauen
Badezimmerteppich. "Sie klemmt", fügt er erklärend hinzu. Nicht nur sie.
Sie stutzt, beiÃt sich nervös auf die Unterlippe. "Dafür kannst du ganz
andere Sachen mit mir machen", sagt sie lächelnd, hebt dabei vielsagend die
Augenbrauen. "Es sei denn, das Reparieren von Wasserhähnen hat eine
aphrodisische Wirkung auf dich, von der ich nichts weiÃ", sie atmet tief
durch, schiebt sich nervös die Haare hinters Ohr, stellt mit leichter
Verärgerung fest, dass sie wieder einmal redet, um zu reden, wieder einmal
um den heiÃen Brei herumredet. "Oder du stehst auf seltsame Rollenspiele.
Hallo, ich bin der Klempner und habe hier ein Rohr zu verlegen", Gott, halt
den Mund, nur einmal in deinem Leben, halt deine groÃe Klappe!
"Nein", ruft er mit merklichem Entsetzen aus, überlegt krampfhaft, was er
nur tun kann, um dieses verdammte Gefühl der Beklommenheit endlich
loszuwerden. Wasserhähne reparieren, sehr romantisch, darauf steht jede
Frau, sinnlicher geht es gar nicht mehr.
"Gut", lautet die knappe Antwort und sie geht einen Schritt auf ihn zu.
"Gut", sagt auch er und atmet scharf ein. "Offen gestanden bin ich auch
nicht wirklich in der Stimmung, mich mit widerspenstigen Wasserhähnen
herumzuschlagen."
"Noch besser", wispert sie, legt eine Hand auf seine Schulter und lässt die
langsam seinen Arm hinab gleiten.
"Um ganz ehrlich zu sein: ich habe noch nie gerne Wasserhähne repariert", er
küsst sich sachte, öffnet vorsichtig den ersten Knopf ihrer Bluse, lächelt,
küsst sie lange und intensiv.
"Luke", ruft sie mit gespielter Empörung aus, als seine Hände sich auch am
Verschluss ihres Rockes zu schaffen machen.
"Was?", er löst sich von ihr und sieht sie fragend an, ist erleichtert, als
er das amüsierte Glitzern in ihren Augen sieht, schiebt in diesem Moment
alles andere von sich, verbannt jeden Gedanken, jede Unsicherheit, jeden
Zweifel. "Ich versuche doch nur, dich zu verführen."
"Das hast du doch schon" flüstert sie, löst sich von ihm und geht zwei
Schritte zurück, beginnt die restlichen Knöpfe ihre Bluse zu öffnen, lässt
ihn dabei nicht aus den Augen. Dreht sich letztendlich um, geht betont
langsam aus dem Badezimmer, streift ihre hochhakigen Schuhe auf dem Weg in
ihr Schlafzimmer ab, versichert sich mit einem verstohlenen Blick, dass er
ihr folgt. Angekommen wartet sie einen Augenblick, ehe sie auch den
ReiÃverschluss ihres Rockes öffnet und er lautlos zu Boden fällt. Sie geht
langsam rückwärts zum Bett, er folgt ihr. Rührt sich nicht, als sie seine
Krawatte aufbindet, beginnt auch sein Hemd aufzuknöpfen, die Schnalle seines
Gürtels öffnet. Ihre Hand fährt durch sein Haar, bleibt in seinem Nacken
ruhen, zieht ihn zu sich, zieht ihn aufs Bett, sie beugt sich über ihn. Er
hungert nach ihren Küssen, doch sie entzieht ihm ihre Lippen, lässt sie
stattdessen über seinen Brustkorb wandern, ihre Wimpern kitzeln angenehm auf
seiner nackten Haut. Er versucht den Träger ihres Unterhemdes zur Seite zu
schieben, doch sie drückt seine Hände mit sanfter Gewalt gegen die Matratze,
macht weiter, jede ihrer Berührungen lässt ihn vor Lust aufkeuchen. Sie
lässt sich Zeit, zuviel Zeit, er glaubt vor Erregung den Verstand verlieren
zu müssen, hält es schlieÃlich nicht mehr aus, keine Sekunde mehr, wirft sie
beinahe unsanft zur Seite. Er murmelt ihren Namen, küsst sie gierig, während
er sich beeilt, sie auch ihrer restlichen Kleidungsstücke zu entledigen, es
ihm dennoch wie eine quälend lange Ewigkeit vorkommt, bis er endlich in sie
eindringt, sich zurückhalten muss, nicht zu ungestüm zu werden, dennoch
nahezu grob ist, nicht anders kann. Sie schlieÃt ihre Beine um seinen
Körper, passt sich seinen harten, fordernden Bewegungen an, stöhnt laut auf,
als sich das warme Prickeln wie ein wildes Feuer bis in ihre Fingerspitzen
ausbreitet, jede noch so winzige Faser in ihr erfüllt und sie eins werden.
***
Etwas Gutes hat es an sich, wenigstens etwas, sie weià jetzt ganz genau, wie
Napoleon sich im Exil gefühlt haben muss, gelebte Geschichte. Nicht, dass
sie Europa nicht genieÃt, aber es hat etwas Merkwürdiges hier zu sein. An
Orten, die sie, vor nicht einmal einem Jahr noch, mit ihrer Mutter besucht
hat. Der Frau, die sie jetzt geradezu gedrängt hat, mit ihrer GroÃmutter
hierher zu fahren. Ihrer GroÃmutter, die sich äuÃerst fragwürdig benimmt.
Die sich unter äuÃerst fragwürdigen Umständen von ihrem GroÃvater getrennt
hat.
Eigentlich hat es auch etwas Ironisches an sich. Sie hat eingewilligt
mitzufahren, weil sie der Sache mit Dean ausweichen wollte, weil sie der
eisigen Stimmung zu Lorelai ausweichen wollte, und ihre GroÃmutter ist im
Grunde genommen aus demselben Grund gefahren. Gründe über die sie natürlich
nicht sprechen, wie sollte es auch anders sein. Zumal sie Emily Gilmore ganz
bestimmt nichts von der Sache mit Dean erzählen kann, erzählen will -
überhaupt niemandem.
Also versucht sie es einfach nur zu genieÃen. Die vornehmen Hotels, die
erlesenen Restaurants, es ist ein ganz anderes Europa, das sie jetzt kennen
lernt, und es gefällt ihr. Trotzdem liegt sie beinahe jede Nacht wach, hat
Probleme zu schlafen, es ist zu vieles, was ihr im Kopf herumschwirrt, sie
daran hindert einzuschlafen.
Sie hat ein furchtbar schlechtes Gewissen. Nicht unbedingt, weil sie mit
Dean geschlafen hat, weil er verheiratet ist, sondern weil sie dabei
erwischt worden sind. Das entsetzte Flackern in den Augen ihrer Mutter, eine
schlimmere Strafe gibt es nicht.
Strafe. Was muss überhaupt bestraft werden? Was ist so falsch daran, mit dem
Mann zu schlafen, den man liebt?
Es ist falsch, weil er verheiratet ist. Es ist falsch, weil du ihn nicht
wirklich liebst. Du wolltest nur deine Grenzen ausloten, wissen wie weit du
gehen kannst, wie weit du ihn bringen kannst. Dir so beweisen, dass du etwas
wert bist. Es nicht an dir lag, dass Jess dich verlassen hat, sondern an
ihm. Das es nicht deine Schuld war, sondern seine.
Und du hast Dean dazu benützt, ihn benützt, um diesen Beweis zu erbringen.
Du magst ihn, ja. Aber Liebe? Nein. Früher einmal, früher hast du ihn
geliebt. In gewisser Hinsicht liebst du ihn immer noch. Als Freund. Deinen
ersten Freund. Aber nicht als den, der er jetzt ist. Du liebst ein Phantom,
Rory, sieh es endlich ein. Die schöne Vorstellung der Perfektion. Der
perfekten Liebe. Einer perfekten Liebe, die dich erstickt hat. Erstickt hat,
weil er mehr für dich empfunden hat, als du für ihn.
Und was ist jetzt? Jetzt. Jetzt. Was willst du tun? Du kannst ihn jetzt
nicht so einfach fallen lassen. Es wäre gemein, gemein und niederträchtig.
Er erhofft sich von dieser Nacht mehr als du. Tut er das wirklich? Würde er
Lindsay für dich verlassen? Würde er es tun? Für dich? Was wenn er es tut?
Es würde beweisen, dass er dich wirklich liebt. Bedingungslos liebt, wenn es
so etwas wie bedingungslose Liebe überhaupt gibt.
Aber wenn nicht ein Mal die einzigen beiden Menschen, deren Beziehung ihr
als Beispiel diente, deren Beziehung sie sich für sich selbst erhofft hat,
wen nicht ein Mal diese Beziehung von Dauer war, ewig, bedingungslos. Wie
soll es da so etwas dann überhaupt geben?
p.s.: muss es in 2 Teilen machen...blödes Forum.
Teil 2...
Sie wirft ihre Decke zur Seite, steht auf, ertastet sich im Dunkeln den Weg
in das Wohnzimmer der Suite, folgt zielsicher dem schwachen Licht, das von
der groÃen Glasfront herein dringt. Sie wundert sich ein wenig, die Tür zum
Balkon steht offen, steht offen, obwohl sie sich sicher ist, sie geschlossen
zu haben, ehe sie ins Bett ging.
Vorsichtig geht sie auf die Tür zu und späht hinaus, will sich gerade leise
wieder auf den Rückweg machen, als sie aufgehalten wird.
"Rory", sie klingt überrascht, "Was suchst du denn um diese Zeit noch hier
drauÃen?"
Verlegen streicht sie sich ihr Haar hinters Ohr. "Ich konnte nicht schlafen.
Es, es ist so heià in meinen Zimmer."
"Dann wird wohl die Klimaanlage defekt sein. Ich werde sofort jemanden
heraufschicken lassen, der das in Ordnung bringt."
"Nein, das musst du nicht", wirft sie schnell ein. "AuÃerdem geht es jetzt
schon wieder."
"Ganz sicher?"
"Nenn mich Miss Satisfaktion"
"Aber falls dich irgendetwas stören sollte, dann -"
"Dann werde ich sofort wie eine formvollendete Dame zum Telefon greifen und
meine Kritikpunkte bei der Rezeption anmelden."
"Sehr schön", sie lächelt zufrieden. "Dieser Urlaub soll dir nämlich als
etwas Besonderes in Erinnerung bleiben und nicht als Odyssee durch
zweitklassige Hotelzimmer."
"Oder Jugendherbergen", murmelt sie leise ins sich hinein.
"Was?"
"Das wird er auf jeden Fall", erklärt sie mit einem zuckersüÃen Lächeln. "Es
ist einfach toll."
"Es freut mich, das zu hören", sie wirft einen letzten Blick auf die
Silhouetten des nächtlichen Roms. "Wir sollten jetzt zu Bett gehen.
SchlieÃlich haben wir Morgen einiges vor."
"Vatikanstadt", bestätigt Rory zufrieden. "Der kleinste Staat der Welt.
Meinst du, wir werden den Papst sehen?"
"Möchtest du ihn denn sehen?"
"Wenn ich jetzt ja sage, würdest du dann dort anrufen und uns eine Audienz
besorgen? Tee trinken mit dem Papst", Mrs. Kim würde mich zukünftig voller
Ehrerbietung behandeln. Sie kichert leise in sich hinein, ein tolles Bild,
ein roter Teppich, den Lanes Mutter für sie ausrollt.
"Ich fürchte, dafür sind selbst meine Kontakte nicht gut genug."
"Schade", seufzt sie, drückt ihrer GroÃmutter einen Kuss auf die Wange "Gute
Nacht, Grandma."
"Gute Nacht", sie wartet bis Rory in ihrem Zimmer verschwunden ist, bleibt
unschlüssig stehen, geht letztendlich doch auch in ihres und legt sich ins
Bett. Starrt dort Ewigkeiten an die Decke, bis sie endlich in einen
unruhigen Schlaf fällt.
***
Genüsslich schiebt sie sich einen von Sookies Erdnuss-Schokoladen-Biskuits
in den Mund und beginnt geräuschvoll darauf herumzukauen, während ihre FüÃe
von der Küchenplatte baumeln, im Takt zu Peter Gabriels In your eyes
baumeln, das leise aus dem Radio erklingt.
"WeiÃt du", murmelt sie zwischen zwei Schlucken. "Diese Kekse machen diesen
Morgen einfach perfekt."
"Sie sind toll, was?", erwidert Sookie strahlend und schiebt ein neues Blech
in den Ofen, hält auf halbem Weg inne und schielt zu Lorelai. "Diesen
Morgen?"
"Diesen Morgen, jeden Morgen", grinst sie und nippt an ihrem Kaffee.
"Nein, nein. Diesen. Diesen, Lorel - verdammt!", schreit sie
auf und zieht ihre Hand von den glühenden Heizspulen zurück, hechtet zum
Waschbecken und dreht das Wasser auf. "Dieser blöde Ofen", das Gesicht
unglücklich verzogen schwenkt sie ihre Hand unter dem kühlen Wasserstrahl.
"Aua."
"Ja, dieses blöde, hinterhältige Ding. Wie sollte man auch auf die völlig
abwegige Idee kommen, dass ein Ofen so etwas wie heiÃe Hitze produziert?",
mit einem Satz springt sie von der Anrichte.
"HeiÃe Hitze", der Schmerz ist vergessen, macht Neugier platz. "Wie heiÃ?"
"Das musst du wissen, schlieÃlich hast du dich verbrannt."
"Nicht diese Hitze. Die Hitze der Nacht."
"Oh, diese Hitze", ihr Grinsen wird noch breiter, während sie einen
Verbandskasten hervorkramt und Sookie an den Küchentisch winkt. "Die war
wirklich sehr heiÃ", sie hält eine Rolle Mull in die Höhe, nimmt die Hand
ihrer Freundin und beginnt vorsichtig, den Verband umzulegen. "Verdammt
heiÃ."
"Nicht doch", ein fröhliches Quicken und ihre Hände schieÃen in die Höhe,
sie klatscht sie ineinander, gibt erneut ein schmerzerfülltes Zischen von
sich.
"Nicht bewegen", wird sie gemahnt und beide lächeln schweigend in sich
hinein, während Lorelai ihr den Verband anlegt. "Fertig", sie tätschelt
vorsichtig Sookies Hand und lässt das restliche Verbandszeug zurück in den
Kasten wandern. "Du solltest in Zukunft wirklich vorsichtiger sein. Ich
brauch dich schlieÃlich noch."
"Ich werde mein Bestes geben", ein Zupfen am Verband, ein zweideutiges
Grinsen. "Und jetzt erzähl."
Lorelai zuckt betont gleichgültig mit den Schultern, auch ihr Blick könnte
unschuldiger nicht wirken. "Da gibt es nichts zu erzählen."
"Natürlich tut es das", sie steht auf, geht zurück zum Backofen. "Was habt
ihr jetzt vor? Ist es was Ernstes? Natürlich ist es das, bei Luke ist es
immer was Ernstes."
"Wie meinst du das?", hakt Lorelai vorsichtig nach.
Schwungvoll lässt sie das Blech im Ofen verschwinden und schlieÃt die Tür.
"Na ja, wir wissen von zwei Frauen in Lukes Leben. Rachel. Die Frau mit der
er Jahre zusammen war."
"Jahre mit vielen Unterbrechungen", wird sie korrigiert.
"Jedenfalls verdammt lange", lautet das halbe Zugeständnis Sookies. "Und
nach Rachel kam Nicole. Seine Ex-Frau Nicole."
Lorelai verdreht die Augen und steht auf, bahnt sich ihren Weg zurück zu den
Biskuits. "Er war angesäuselt, eine Dummheit auf hoher See."
"Eine Heirat auf hoher See."
"Eine mittlerweile geschiedene Heirat auf hoher See."
"Eine mittlerweile geschiedene Heirat auf hoher See, die beweist, dass Luke
sich nur dann mit Frauen einlässt, wenn er der Beziehung eine Zukunft
verspricht."
"Die Brandwunde wirkt sich auf dein Kombinationsvermögen aus, Sookie."
"Die Verliebtheit auf deines."
"Das ist doch -", sie bricht ab, verzieht unglücklich das Gesicht. "Glaubst
du wirklich er sieht es so ernst?"
"Wie siehst du es denn?"
"Keine Ahnung", sie zerbröselt einen der Kekse, fährt sich mit der Zunge
über die Lippen. "Es ist schön. Aber ich, ich denke nicht - ich habe bisher
nicht an irgendeine Zukunft gedacht."
"Und jetzt tust du es?"
"Nein. Vielleicht", ein schwaches Lächeln, sie schiebt sich ein paar Brösel
in den Mund. Vielleicht. Ja. Es wäre schön. Vielleicht. "Es ist seltsam. Ich
kenne ihn schon so lange, Sookie. Seit 12 Jahren. 12 Jahre, das ist ein
Drittel meines Leben. Und nie ist etwas passiert, zumindest nicht bis vor
kurzem. Bis es plötzlich passiert ist, dass es passiert ist."
"Aber es ist doch schön, dass es passiert ist."
"Ja. Nein. Es ist verwirrend. Er ist toll. Umwerfend. Ich weiÃ, dass ich
mich auf ihn verlassen kann, egal was bisher passiert ist oder was passieren
wird, er wird mir immer helfen."
"Das ist doch toll."
"Eben nicht. Normalerweise verliebst du dich. Du verliebst dich und erst
dann lernst du die Person kennen, in die du dich verliebt hast. Du lernst
sie kennen und merkst, dass du dich auf ihn verlassen kannst. So rum läuft
es und nicht anders herum."
"Es ist doch egal in welcher Reihenfolge es passiert. Hauptsache es
passiert."
"Das sagst du."
"Genau", sie deutet mit beiden Zeigefingern auf sich. "Ich. Die Frau, die
sich Ewigkeiten mit ihrem Mann über die Verfassung seines Gemüses gestritten
hat, bevor sie sich endlich getraut hat, ihn um ein Date zu bitten."
"Aber ihr wart schon vorher verliebt."
"Ihr doch auch."
Nein. Ja. Vielleicht. Vermutlich schon, vermutlich war da etwas,
irgendetwas. Vielleicht. Aber seit wann? "Ich muss zurück an die Rezeption",
sie lächelt, dieses Mal ist es ein gezwungenes Lächeln. "Sonst vergrault uns
Michel noch die Gäste."
Sie schnappt sich noch einen der Biskuits, einen Biskuit und ihren Kaffee,
geht seufzend in die Lobby, den Mund skeptisch verzogen. Es geht alles so
schnell. So schnell und doch viel zu langsam. Bislang war sie sich noch nie
so schnell sicher gewesen, dass es stimmt. Das einfach alles stimmt. Und mit
Luke tut es das einfach.
Anfänglich hatte sie Angst, Angst, dass sie sich diese Verliebtheit nur
einbildet. Angst, abgesehen von ihrer Freundschaft könnte sie nichts
verbinden. Angst, der erste Kuss könnte zu einem mechanischen, emotionslosen
Vorgang werden. Sie würde feststellen, dass sie sich diese Spannung nur
eingebildet hat. Aber so war es nicht, es war perfekt. Ebenso, wie die
letzte Nacht. Sie passen zusammen. Sie passen wirklich zusammen, in allem.
Es ist einfach nur perfekt. Zu perfekt. Und das ruft erneut Angst bei ihr
hervor.
Sie bleibt stehen, zieht die Augenbrauen zusammen, mustert den rosa Karton
auf dem verlassenen Empfangstisch. Ein rosa Pappkarton und ein Becher
daneben, braune Pappe, ein weiÃer Deckel, kaum merkliche Dampfwolken steigen
empor, verbreiten den Geruch frischen Kaffees. Luke, schieÃt es ihr durch
den Kopf und sie öffnet den Deckel der Schachtel. Ein Donut, der Inhalt,
weiÃer Zuckerguss und bunte Streusel. Das perfekte Frühstück.
***
Obwohl es erst früh am Mittag ist, ist der kleine Raum bereits von
Rauchschwaden erfüllt, Rauchschwaden und Gelächter. Auf dem Fernseher in der
Ecke läuft ein Basketballspiel. Eine Wiederholung, schieÃt es ihm durch den
Kopf, die Trikots der Spieler verraten es, alles was er auf dem
verschmierten Bildschirm sieht, verrät es. Ein Spiel, das Jahre zurückliegen
muss, weshalb sollte man seine Zeit damit verbringen, sich einen Kampf
anzusehen, dessen Ergebnis man bereits kennt?
"Die Bulls gegen die Soxs. 1987, ein echter Klassiker. Eines der besten
Spiele aller Zeiten."
Er zuckt überrascht zusammen, woher weià sie? Er schlendert zum Tresen,
lächelt verlegen. "Mein Wagen", setzt er an, zuckt entschuldigend mit den
Schultern.
Ihre Zunge schnalzt geräuschvoll, er hatte diese unangenehme Angewohnheit
ihrerseits vergessen, sie war ihm bei seinem letzten Besuch nicht
aufgefallen, er war zu schnell zu betrunken gewesen, um seine Umgebung noch
klar wahrnehmen zu können. Sie lässt also ihre Zunge gegen den Gaumen
knallen und kramt seinen Schlüssel hervor, schiebt ihn über den Tresen.
"Henker hat den Schlitten bei sich in die Garage gekarrt. DrauÃen aufm
Parkplatz, da hättst de Glück, wenn de jetzt noch ne halbe Radkappe finden
würdest. Hast dich schlieÃlich fast nen Monat nich blicken lassen."
Peinlich berührt greift er nach dem Schlüssel. "Henker?", erkundigt er sich
knapp, will so schnell wie möglich wieder weg von hier.
"Na Henker, der hat dich doch nach Hartford schauffieiert."
Er erinnert sich dunkel, sehr dunkel. "Und wo finde ich die Garage dieses
"Henkers"?"
"Drei StraÃen weiter. GroÃes Schild aufm Dach. Fahrt- und Transportdienst
George Miller."
Fahrt- und Transportdienst. Er fragt sich, unter welche Kategorie er wohl in
jener Nacht gefallen ist. "Vielen Dank", er befördert einen Umschlag aus
seinem Jackett hervor, reicht ihn Zitty. "Für alles. Auch dafür, dass
gewisse Dinge unter uns bleiben werden."
"Klar doch, Berufsethos", grinsend legt sie das Kuvert in eine der
zahlreichen Schubladen.
Berufsethos, sie spricht es korrekt aus, überrascht ihn so zum wiederholten
Male. Wie kommt es, schieÃt es ihm durch den Kopf, wie kommt es, dass sie
hier gelandet bist? "Auf Wiedersehen", er nickt ihr zu, verlässt das Lokal
so schnell, wie er gekommen ist.
Sie hingegen zieht bedächtig den Umschlag hervor und öffnet ihn, lässt das
dicke Bündel Scheine zufrieden durch ihre Finger gleiten. Tut mir leid, tut
mir wirklich leid. Sie steckt das Geld zurück in die Schublade und greift
zum Telefonhörer, drückt auf eine der Kurzwahltasten. "Er is eben weg", sagt
sie, es ist alles, was sie sagt, legt wieder auf und verschränkt die Arme,
pfeift fröhlich vor sich hin.
To be continued.