13.04.2005, 11:36
Da ist nichts mehr. Nichts, als Begehren. Begehren, keine Liebe. Rory und er haben keine Zukunft. So sehr er sich auch bemüht, einen Platz in ihrem Leben zu finden, es gelingt ihm einfach nicht. Sie leben in zwei verschiedenen Welten, und er, er wird niemals ein Teil der ihren werden können. Er hat weder das Geld, noch das Interesse oder Bestreben dazu. Er mag es einfach, die Pompösität, die Selbstdarstellung erschrecken ihn, ekeln ihn an. Das Schlimmste daran ist, dass sie es nicht einmal bemerkt. Sie hat keinen blassen Schimmer davon, wie sehr sie sich verändert hat. Bemerkt nicht, dass sie ihn ständig zu belehren versucht, zu verändern, zu Recht zu biegen. Vorbei, denkt er, ich muss es beenden. Schluss, denkt er, während er sie küsst, ihre warmen Lippen mit den seinen bedeckt, ihren Pullover beinahe linkisch nach oben schiebt, seine Hände unter die dünne Wolle wandern lässt. Er presst ihren schlanken Körper gegen den seinen, intensiviert den Kuss, ihr Atem brennt auf seiner Haut. Ein einzelner Funke auf trockenem Laub, gellende Flammen, wild und ungezügelt. Er schält sie aus ihren Klamotten, sich aus den seinen, vergisst, was er sagen wollte, ein feiner SchweiÃfilm ersetzt schon bald die Bekleidung. Betörende Düfte, gemurmelte Schwüre, geflüsterte Beteuerungen, Keuchen und Anstrengung, ein letztes Aufbäumen.
Ihr Kopf fällt zurück in die Laken. Das braune Haar, ein gelockter Kranz um ihr Gesicht. Schwer atmend lässt er sich neben sie fallen. Starrt an die Decke, sucht die Antwort dort. Den Mut. Die Worte. "Es ist aus", sagt er in den plötzlich so stillen Raum hinein. Sagt es, und sie erstarrt.
"Tut mir leid", er steht auf, sammelt seine Boxershorts vom Boden auf, schlüpft hinein, ebenso wie in die Jeans, das vergilbte Polo-Shirt. Zieht sich an, während sie auf dem Bett liegt, es nicht einmal schafft die Decke über ihren nackten Körper zu ziehen. Der Schweià ist getrocknet, ihre Augen glitzern dafür umso feuchter. Er sieht sie an, folgt mit den Augen den perfekt geschwungenen Rundungen ihres Körpers, seine Vorsätze beginnen sich zu verflüchtigen, während sein Blut in schnellen StöÃen zirkuliert, sich anzustauen beginnt. Er will sie, will sie besitzen. Doch nicht so. Nicht nur. Gänzlich. Er will, dass sie ihn liebt, zu ihm aufsieht, ihn bewundert. So wie Lindsay es tat. Aber sie wird es nicht tun, niemals. Sie sind zu verschieden, alles was sie verbindet sind die kurzen Momente der Exaltation, sinnlich und durchdringend. Aber nicht genug. Früher oder später wird sie einen anderen finden, jemanden der ihr mehr genügt. Eine Demütigung, die er nicht hinnehmen kann, nicht hinnehmen will. Nicht noch einmal. Nie mehr. Er muss es beenden, ehe sie es tut. Und sie wird. Heute, Morgen, in einer Woche, einem Jahr. Wird sich in einen anderen verlieben. Wieder. Wieder wird er der Verlierer sein.
Er schluckt, nimmt seine Jacke, geht zur Tür des Motelzimmers. "Tut mir leid", murmelt er erneut, meint es ernst.
Die Tür fällt ins Schloss, Tränen über ihre Wangen. Sie dreht sich zur Seite, vergräbt ihr Gesicht in den Kissen. Das Kleenex eines Pubertierenden, benützt, zerknüllt und in die Ecke geworfen. *
***
Sie wird die schemenhafte Erinnerung nicht mehr los. Der lange Saal, die Ruhe, die Gerüche. Das Paar darin. Er nimmt ihre Hand, zieht sie an sich, küsst sie. Der kalte Schauer auf ihrem Rücken, zusammengeballte, schweiÃnasse Fäuste. Eine unendliche Traurigkeit.
So sehr sie versucht sich zu erinnern, es ist alles, das Bild eines Kusses. So wenig und doch genug, um Gewissheit zu haben. Es ist keine Lüge, sie hat es selbst gesehen. War unfreiwillige Zeugin dieser Abtrünnigkeit. Ihre Mutter eine Defraudantin. Desperate Housewives. Der Klempner, der Gärtner, der erfolgreiche Lebensmittelmogul. Nur einer? Ein Einziger? Nur er?
Sand, es ist alles aus Sand, Moral und Glaube, ein WindstoÃ, der alles verstreut. Tanzende Sandkörner auf wellenartigen Windböen. Kleine, salzige Körner in einer blutenden Wunde. Frisch ist sie nicht, lediglich neu aufgebrochen. Tiefer als jemals zuvor, eiternd und schmerzhaft.
Also distanziert sie sich, kann nicht anders. Sie will ihre Mutter nicht sehen, cancelt die Freitagabend Dinner, sie hat schlieÃlich keinerlei Verpflichtung mehr dazu. Den Grund für die erneute Distanz behält sie für sich, redet mit niemandem darüber. Nicht mit Luke, nicht mit Rory. Will überhaupt nicht mehr daran denken, ebenso wenig, wie sie sich jemals wieder an die verkorkste Beziehung zu ihrer Mutter erinnern will. Vergangenheit, sagt sie sich, eine Frau, die so etwas von dir denken kann, kennt dich nicht. Eine Frau, die ihren Mann schamlos hintergeht. Ihren Mann - ihren Vater. Dad. Daddy. Ihn betrogen hat. Betrügt? (Weshalb haben sie sich wirklich getrennt?) Mit ihr will sie nichts zu tun haben.
Emily sieht es anders. Selbstverständlich, sie hat schon lange aufgehört, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Sitzt in ihrem Luftschloss, zerfetzte Wolken, wartet. Hat geahnt, dass Lorelai ihren Besuch nicht so einfach wegstecken wird. Es war zuviel, sie hat ihr zuviel zugemutet. Aber für sie selbst war es notwendig gewesen.
Doch irgendwann wird ihr das Warten zu lange, Ungeduld macht sich breit. Sie ruft ihre Tochter an, wird eisig abgewiesen. Sucht sie letztendlich auf, weià sich nicht mehr anders zu helfen. Stolz hin, Trotz her.
Wieder dasselbe Büro, wieder die kalte Schulter. Eisiges Schweigen, zusammengebissene Zähne. "Was willst du hier?", erkundigt sich Lorelai. Eine erwachsene Frau, kein kleines Kind mehr.
"Mit dir reden", erstaunt klingt es, unschuldig.
"Nach allem, was passiert ist?", entgegnet sie ungehalten.
"Was ist denn passiert?", noch verblüffter klingt es, als hätte sie alles vergessen. Jedes noch so kleine Detail ihres Lebens.
"Du hast Dad betrogen!" zischt sie. "Daddy!"
Ein kleiner Satz zurück. Sie weiÃ. Von wem? "Das habe ich", lautet die Antwort, kühl und distanziert, als ginge es sie nichts an Als würde eine andere Frau dieses Geständnis ablegen. Eine andere Frau, eine andere Tochter. Eine Tochter, die vielleicht verstehen könnte.
"Und du gibst es zu? Einfach so?", ein kurzes Aufkeuchen, welches wohl ein Lachen sein soll. "Meine Mutter betrügt meinen Vater. Und gibt es zu. Als wäre nichts gewesenâ¦.", der Satz klingt ohne Interpunktion aus, pures Erstaunen. *
"Nicht deine Mutter", erwidert Emily mit plötzlicher Wut, weià selbst nicht woher sie kommt oder auf wen sie sich eigentlich bezieht. "Die Frau, die es ist."
"Die Ehefrau meines Vaters", schleudert sie zurück, nicht minder wütend, nicht minder aufgebracht.
"Nicht nur, Lorelai", ein Aufschrei, dieses Mal tatsächlich an ihre Tochter gerichtet. "Nicht nur. Ich bin nicht nur deine Mutter. Ich bin nicht nur seine Ehefrau!"
Sie keucht verständnislos, in ihren Augen spiegeln sich Unverständnis und Missachtung. "Und?"
"Dein Vater hatte schon lange aufgehört mich als Person zu sehen, aber irgendwann hat er mich nicht einmal mehr als Frau wahrgenommen. William hat es getan", ihre Stimme ist noch immer laut, doch nicht mehr Zorn schwingt darin mit, sondern unausgesprochenes Bitten um Verständnis. "Er hat mich wie eine Frau behandelt. Er hat mich nicht wie die beinahe Vierzigjährige angesehen, sondern wie die Zwanzigjährige, die ich war, bevor ich Richards Ehefrau oder deine Mutter wurde!"
Sie hört nicht, ihre Wut steigt, Wut und Abscheu. Das Bild, dieses elende Bild, es stimmt nicht mit den Worten ihrer Mutter überein. Zudem - so wenig sie jemals mit ihrem Vater auskam, so sehr hat sie jetzt das Bedürfnis ihm Gerechtigkeit zugute kommen zu lassen. "Und diese Illusion war es dir wert, Dad zu hintergehen?", zischt sie daher, ihr Atem geht schwer, ihr Gehirn versucht ihre Gefühle zu ordnen. Gefühle, für die es keine Worte gibt.
"Wenn du schon lange keine Träume mehr für dich selbst hast, dann kann so eine Illusion, wie du es nennst, sehr viel wert sein."
Es klingt erschreckend ehrlich, dennoch dringt es nicht ganz bis zu ihr durch. "Du hast ihn betrogen, dafür gibt es keine Entschuldigung!", ein unfreiwilliger Ausruf, bitter und verständnislos.
"Lorelai", setzt sie hilflos an, will erklären, kann es nicht, es gibt keine plausible Erklärung, sie weià es selbst.
"War er der Einzige?" Der Satz hat die Wirkung eines Peitschenhiebes auf Emily, sie zuckt zusammen, japst nach Luft, doch Lorelai lässt diese Reaktion nicht als Antwort gelten, im Gegenteil, hakt weiter nach. "War er der Einzige, Mom? Oder gab es noch andere mit denen du ihn betrogen hast?"
Ihre Unterlippe bebt gefährlich, während sie krampfhaft versucht die Fassung zu bewahren, ihr Entsetzen über diese Unterstellung nicht offen zur Schau tragen will. "Ich erlaube nicht, dass du so mit mir sprichst, Lorelai!", würgt sie hervor, ein letztes Aufbäumen zu ihrer Verteidigung, obwohl sie die Diskussion schon verloren hat.
"Du hast es nicht anders verdient", schnaubt sie und geht, geht aus ihrem eigenen Büro. Kann nicht fassen, dass es tatsächlich wahr ist. Ihre Mutter hat ihren Vater betrogen. Gibt es einfach so zu, als wäre nichts gewesne. Als hätte sie sich ein weiteres Paar Schuhe gekauft. Sie hat zwar keine explizite Antwort erhalten, aber was sie gehört hat genügt. Gleich wie viele Männer es tatsächlich waren, William Farnsworth alleine genügt.
Emily schaut ihr hinterher. Erst jetzt gibt sie sich zu erkennen. Ein einsamer Mensch in einer bunten Welt, mit vielen unsichtbaren Träumen. Doch Lorelai sieht es nicht mehr.
Ihr Kopf fällt zurück in die Laken. Das braune Haar, ein gelockter Kranz um ihr Gesicht. Schwer atmend lässt er sich neben sie fallen. Starrt an die Decke, sucht die Antwort dort. Den Mut. Die Worte. "Es ist aus", sagt er in den plötzlich so stillen Raum hinein. Sagt es, und sie erstarrt.
"Tut mir leid", er steht auf, sammelt seine Boxershorts vom Boden auf, schlüpft hinein, ebenso wie in die Jeans, das vergilbte Polo-Shirt. Zieht sich an, während sie auf dem Bett liegt, es nicht einmal schafft die Decke über ihren nackten Körper zu ziehen. Der Schweià ist getrocknet, ihre Augen glitzern dafür umso feuchter. Er sieht sie an, folgt mit den Augen den perfekt geschwungenen Rundungen ihres Körpers, seine Vorsätze beginnen sich zu verflüchtigen, während sein Blut in schnellen StöÃen zirkuliert, sich anzustauen beginnt. Er will sie, will sie besitzen. Doch nicht so. Nicht nur. Gänzlich. Er will, dass sie ihn liebt, zu ihm aufsieht, ihn bewundert. So wie Lindsay es tat. Aber sie wird es nicht tun, niemals. Sie sind zu verschieden, alles was sie verbindet sind die kurzen Momente der Exaltation, sinnlich und durchdringend. Aber nicht genug. Früher oder später wird sie einen anderen finden, jemanden der ihr mehr genügt. Eine Demütigung, die er nicht hinnehmen kann, nicht hinnehmen will. Nicht noch einmal. Nie mehr. Er muss es beenden, ehe sie es tut. Und sie wird. Heute, Morgen, in einer Woche, einem Jahr. Wird sich in einen anderen verlieben. Wieder. Wieder wird er der Verlierer sein.
Er schluckt, nimmt seine Jacke, geht zur Tür des Motelzimmers. "Tut mir leid", murmelt er erneut, meint es ernst.
Die Tür fällt ins Schloss, Tränen über ihre Wangen. Sie dreht sich zur Seite, vergräbt ihr Gesicht in den Kissen. Das Kleenex eines Pubertierenden, benützt, zerknüllt und in die Ecke geworfen. *
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Sie wird die schemenhafte Erinnerung nicht mehr los. Der lange Saal, die Ruhe, die Gerüche. Das Paar darin. Er nimmt ihre Hand, zieht sie an sich, küsst sie. Der kalte Schauer auf ihrem Rücken, zusammengeballte, schweiÃnasse Fäuste. Eine unendliche Traurigkeit.
So sehr sie versucht sich zu erinnern, es ist alles, das Bild eines Kusses. So wenig und doch genug, um Gewissheit zu haben. Es ist keine Lüge, sie hat es selbst gesehen. War unfreiwillige Zeugin dieser Abtrünnigkeit. Ihre Mutter eine Defraudantin. Desperate Housewives. Der Klempner, der Gärtner, der erfolgreiche Lebensmittelmogul. Nur einer? Ein Einziger? Nur er?
Sand, es ist alles aus Sand, Moral und Glaube, ein WindstoÃ, der alles verstreut. Tanzende Sandkörner auf wellenartigen Windböen. Kleine, salzige Körner in einer blutenden Wunde. Frisch ist sie nicht, lediglich neu aufgebrochen. Tiefer als jemals zuvor, eiternd und schmerzhaft.
Also distanziert sie sich, kann nicht anders. Sie will ihre Mutter nicht sehen, cancelt die Freitagabend Dinner, sie hat schlieÃlich keinerlei Verpflichtung mehr dazu. Den Grund für die erneute Distanz behält sie für sich, redet mit niemandem darüber. Nicht mit Luke, nicht mit Rory. Will überhaupt nicht mehr daran denken, ebenso wenig, wie sie sich jemals wieder an die verkorkste Beziehung zu ihrer Mutter erinnern will. Vergangenheit, sagt sie sich, eine Frau, die so etwas von dir denken kann, kennt dich nicht. Eine Frau, die ihren Mann schamlos hintergeht. Ihren Mann - ihren Vater. Dad. Daddy. Ihn betrogen hat. Betrügt? (Weshalb haben sie sich wirklich getrennt?) Mit ihr will sie nichts zu tun haben.
Emily sieht es anders. Selbstverständlich, sie hat schon lange aufgehört, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Sitzt in ihrem Luftschloss, zerfetzte Wolken, wartet. Hat geahnt, dass Lorelai ihren Besuch nicht so einfach wegstecken wird. Es war zuviel, sie hat ihr zuviel zugemutet. Aber für sie selbst war es notwendig gewesen.
Doch irgendwann wird ihr das Warten zu lange, Ungeduld macht sich breit. Sie ruft ihre Tochter an, wird eisig abgewiesen. Sucht sie letztendlich auf, weià sich nicht mehr anders zu helfen. Stolz hin, Trotz her.
Wieder dasselbe Büro, wieder die kalte Schulter. Eisiges Schweigen, zusammengebissene Zähne. "Was willst du hier?", erkundigt sich Lorelai. Eine erwachsene Frau, kein kleines Kind mehr.
"Mit dir reden", erstaunt klingt es, unschuldig.
"Nach allem, was passiert ist?", entgegnet sie ungehalten.
"Was ist denn passiert?", noch verblüffter klingt es, als hätte sie alles vergessen. Jedes noch so kleine Detail ihres Lebens.
"Du hast Dad betrogen!" zischt sie. "Daddy!"
Ein kleiner Satz zurück. Sie weiÃ. Von wem? "Das habe ich", lautet die Antwort, kühl und distanziert, als ginge es sie nichts an Als würde eine andere Frau dieses Geständnis ablegen. Eine andere Frau, eine andere Tochter. Eine Tochter, die vielleicht verstehen könnte.
"Und du gibst es zu? Einfach so?", ein kurzes Aufkeuchen, welches wohl ein Lachen sein soll. "Meine Mutter betrügt meinen Vater. Und gibt es zu. Als wäre nichts gewesenâ¦.", der Satz klingt ohne Interpunktion aus, pures Erstaunen. *
"Nicht deine Mutter", erwidert Emily mit plötzlicher Wut, weià selbst nicht woher sie kommt oder auf wen sie sich eigentlich bezieht. "Die Frau, die es ist."
"Die Ehefrau meines Vaters", schleudert sie zurück, nicht minder wütend, nicht minder aufgebracht.
"Nicht nur, Lorelai", ein Aufschrei, dieses Mal tatsächlich an ihre Tochter gerichtet. "Nicht nur. Ich bin nicht nur deine Mutter. Ich bin nicht nur seine Ehefrau!"
Sie keucht verständnislos, in ihren Augen spiegeln sich Unverständnis und Missachtung. "Und?"
"Dein Vater hatte schon lange aufgehört mich als Person zu sehen, aber irgendwann hat er mich nicht einmal mehr als Frau wahrgenommen. William hat es getan", ihre Stimme ist noch immer laut, doch nicht mehr Zorn schwingt darin mit, sondern unausgesprochenes Bitten um Verständnis. "Er hat mich wie eine Frau behandelt. Er hat mich nicht wie die beinahe Vierzigjährige angesehen, sondern wie die Zwanzigjährige, die ich war, bevor ich Richards Ehefrau oder deine Mutter wurde!"
Sie hört nicht, ihre Wut steigt, Wut und Abscheu. Das Bild, dieses elende Bild, es stimmt nicht mit den Worten ihrer Mutter überein. Zudem - so wenig sie jemals mit ihrem Vater auskam, so sehr hat sie jetzt das Bedürfnis ihm Gerechtigkeit zugute kommen zu lassen. "Und diese Illusion war es dir wert, Dad zu hintergehen?", zischt sie daher, ihr Atem geht schwer, ihr Gehirn versucht ihre Gefühle zu ordnen. Gefühle, für die es keine Worte gibt.
"Wenn du schon lange keine Träume mehr für dich selbst hast, dann kann so eine Illusion, wie du es nennst, sehr viel wert sein."
Es klingt erschreckend ehrlich, dennoch dringt es nicht ganz bis zu ihr durch. "Du hast ihn betrogen, dafür gibt es keine Entschuldigung!", ein unfreiwilliger Ausruf, bitter und verständnislos.
"Lorelai", setzt sie hilflos an, will erklären, kann es nicht, es gibt keine plausible Erklärung, sie weià es selbst.
"War er der Einzige?" Der Satz hat die Wirkung eines Peitschenhiebes auf Emily, sie zuckt zusammen, japst nach Luft, doch Lorelai lässt diese Reaktion nicht als Antwort gelten, im Gegenteil, hakt weiter nach. "War er der Einzige, Mom? Oder gab es noch andere mit denen du ihn betrogen hast?"
Ihre Unterlippe bebt gefährlich, während sie krampfhaft versucht die Fassung zu bewahren, ihr Entsetzen über diese Unterstellung nicht offen zur Schau tragen will. "Ich erlaube nicht, dass du so mit mir sprichst, Lorelai!", würgt sie hervor, ein letztes Aufbäumen zu ihrer Verteidigung, obwohl sie die Diskussion schon verloren hat.
"Du hast es nicht anders verdient", schnaubt sie und geht, geht aus ihrem eigenen Büro. Kann nicht fassen, dass es tatsächlich wahr ist. Ihre Mutter hat ihren Vater betrogen. Gibt es einfach so zu, als wäre nichts gewesne. Als hätte sie sich ein weiteres Paar Schuhe gekauft. Sie hat zwar keine explizite Antwort erhalten, aber was sie gehört hat genügt. Gleich wie viele Männer es tatsächlich waren, William Farnsworth alleine genügt.
Emily schaut ihr hinterher. Erst jetzt gibt sie sich zu erkennen. Ein einsamer Mensch in einer bunten Welt, mit vielen unsichtbaren Träumen. Doch Lorelai sieht es nicht mehr.