Obwohl aller Grund zum Feiern bestünde, herrscht eine seltsam gezwungene Atmosphäre am Tisch, eine erzwungene Fröhlichkeit hervorgerufen durch bemüht angeregtes Geplauder. Selbst der Champagner schafft es nicht die Gemüter aufzuheitern, selbst die zarten Rindermedaillons schmecken seltsam fade, während sich die Kartoffel unangenehm langsam ihren Weg durch die Speiseröhren bahnen. Woher die Beklommenheit kommt - keiner weià es so Recht, Vermutungen stellt zwar jeder an, doch still, leise und alleine für sich selbst.
âNunâ, sagt sie, legt ihr Besteck zur Seite, hofft mit ihm auch endlich den Anflug des schlechten Gewissens loszuwerden. âFindet ihr nicht es wäre langsam an der Zeit für die Geschenke?â
âMmhâ, nickt Rory, lächelt ein unglückliches Lächeln dabei.
âSehr schönâ, sie klatscht in die Hände und rappelt sich etwas mühselig auf. Hätte man noch vor wenigen Wochen lediglich annehmen können, sie hätte etwas zugenommen, so ist mittlerweile offensichtlich, dass die Rundungen auf eine Schwangerschaft zurückzuführen sind. âDann sollten wir vielleicht ins Wohnzimmer gehen, dort ist es gemütlicher.â
âEine hervorragende Ideeâ, stimmt Richard seiner Tochter zu und folgt ihrem Beispiel, legt seine Serviette zur Seite, steht auf.
Rory und Luke werfen sich einen Blick zu, folgen Lorelai und Richard jedoch ins Wohnzimmer. Man setzt sich, Lorelai klopft behutsam auf eines der Geschenke. âNa los, Schätzchen, mach es auf!â
âOkayâ, sie greift nach dem Päckchen, löst die Schleife und schiebt das Geschenkpapier zur Seite. âWowhâ, lächelt sie ihr erstes ehrliches Lachen an diesem Abend. âDas ist einfach toll. Danke Mom!â, beinahe ehrfürchtig streicht sie über den Einband einer alten Ausgabe von Yeats
The Wind Among the Reeds. Legt es schlieÃlich vorsichtig zur Seite, packt auch die anderen Geschenke aus, Bücher, CDâs, Karten für ein Konzert. Zuletzt reicht ihr Richard ein Päckchen aus dem eine blaue Samtschatulle zum Vorschein kommt.
âWasâ¦â, murmelt sie und öffnet das Behältnis, ihre Lippen formen ein lautloses Gosh als sie den Inhalt erblickt. âDie ist wunderschön, Grandpa.â Sie streicht über die schwarze Perle, die an einem schmalen Platinband befestigt ist. âDas ist wirklichâ¦â, sie sieht ihn strahlend an. âDanke.â
âNunâ, nickt er ihr zu. âDanke nicht nur mir, sondern auch deiner GroÃmutter. Sie hat geholfen sie auszusuchen.â
âGrandma?â, fragt sie verwundert und Lorelai beginnt mit fahrigen Händen das Geschenkpapier zusammenzuklauben.
âEs ist schlieÃlich dein 21. Geburtstagâ, erklärt er, schielt dabei zu Lorelai. âUnd Emily und ich waren uns einig, dass so ein besonderer Tag ein besonderes Geschenk erfordert.â
âDann habt ihr sie zusammen gekauft?â, erkundigt Rory sich vorsichtig.
âIn einem kleinen Laden in Paris. Der Verkäufer hat behauptet Kaiserin Josephine hätte die Kette von einem heimlichen Liebhaber zum Geschenk erhalten.â
âKaiserin Josephineâ, grinst Rory. âDas ist absolut cool. Findest du nicht auch, Mom?â
âWurde die nicht geköpft?â, lautet die knappe Antwort.
âDas war Marie-Antoinetteâ, erinnert ihr Vater sie verwundert, eigentlich ist es keine Verwunderung, er ahnt woher ihre Patzigkeit stammt.
âUnd wenn schonâ, sie presst den Verpackungsmüll fest an sich und geht, nein, marschiert sollte man es eher nennen, in die Küche.
âIch denke-â, setzt Luke an, will sich schon erheben, doch sein Schwiegervater hält ihn auf.
âIch mache das schon.â
Langsam geht er ihr hinterher, beobachtet eine Weile schweigend, wie sie in der Küche herumfuhrwerkelt, räuspert sich schlieÃlich. âLorelai?â
âNein, Dadâ, hebt sie abwehrend die Hände.
âDann bist du jetzt also auch wütend auf mich?â
âJaâ, zischt sie, schiebt jedoch umgehend ein âNeinâ hinterher. âIch begreife nur nicht, wie und wieso du wieder Kontakt mit ihr hast.â
âWir sind uns vor einigen Wochen zufällig begegnetâ, setzt er zu einer Erklärung an. âUnd wir haben uns unterhalten, sehr nett sogar.â
âNettâ, murmelt sie verächtlich.
âAllerdingsâ, bestätigt er. âUnd wir haben festgestellt, dass wir einander nach wie vor sehr schätzen. Es wäre also durchweg albern, wenn wir uns nicht Sehen würden, wenn ich ohnehin geschäftlich in Paris zu tun habe.â
âTu doch was du willstâ, mit einem Knall schlieÃt sie eine der Schranktüren, lehnt sich gegen die Arbeitsplatte und sieht ihn trotzig an.
âDas werde ichâ, er seufzt. âUnd du, Lorelai, du solltest ihr erzählen, dass du schwanger bist, denn es ist nicht sonderlich angenehm für mich, ihr das verschweigen zu müssen.â
âDas werde ich ganz bestimmt nicht tunâ, schnaubt sie. âDenn es geht sie nichts an!â
âSie ist deine Mutter.â
âTolle Mutter, die mir jahrelang unterstellt hat eine Affäre mit einem Mann zu haben, der nicht nur mein Vater sein könnte, sondern auch noch gleichzeitig ihr Liebhaber war.â
âDu sieht das alles völlig falsch, Lorelai.â
âAch ja? Tue ich das?â, sie stemmt die Arme in die Hüften. âUnd wie sieht es Richtig aus? Nur zu, Dad. Erklär es mir.â
Ein Seufzen. âDas kann ich nicht. Es obliegt Emily das zu tun.â
âWie kannst du sie nur verteidigen?â, ruft sie verständnislos aus, wirft die Hände in die Höhe.
âIch verteidige sie nicht. Ich möchte nur, das du sie darüber informierst, das sie GroÃmutter wird.â
âWeswegen?â
âWeil sie es nicht, wie im Falle deiner Hochzeit, von flüchtigen Bekannten erfahren soll. Ist das nicht Grund genug?â
âDann sag du es ihr doch!â
âLorelai, ich habe dich nicht oft um etwas gebeten. Also tu mir bitte diesen einen Gefallen.â
âDu hast Recht. Du hast mich wirklich nicht oft um etwas gebeten. Und wenn du es getan hast, dann hatte es immer etwas mit Emily zu tun. Kommt dir das nicht seltsam vor?â
âGanz und gar nichtâ, verneint er erstaunt. âWürdest du denn nicht dasselbe für Luke tun?â
âLuke und ich â wir sind verheiratet. Was man von ihr und dir nicht gerade behaupten kann.â
âAber wir waren esâ, er atmet scharf aus, ein leises Zischen. âHör zu, Lorelai. Ich erwarte ja nicht von dir, dass du es ihr persönlich sagst. Du musst sie meinetwegen nicht einmal anrufen. Aber schreib es ihr wenigstens. Ein Brief, ein Telegramm. Schick ihr von mir aus einen Boten. Irgendetwas, dass darauf schlieÃen lässt, dass du der Absender bist.â
âIn Ordnungâ, sie presst missmutig ihre Zähne aufeinander. âDann erkläre ich dich hiermit zu meinem âBotenâ, Dad. Die freundlichen GrüÃe kannst du allerdings getrost weglassen.â
âLore ââ
âEntweder du sagst es ihrâ, unterbricht sie ihn bestimmt. âOder sie wird es eben wieder durch einen Zufall erfahren. Vielleicht auch niemals. Denn mir, mir ist es völlig gleichgültig was sie tut oder denkt oder fühlt.â
âDann wirst du es also Rory weiterhin untersagen, von dir zu sprechen?â
âGenau das werde ich tun.â
âUnd du hältst es Rory gegenüber für fair, sich zwischen deiner und der Gunst ihrer GroÃmutter entscheiden zu müssen?â
âSie muss sich nicht entscheiden, Dad. Alles was sie tun muss, ist mich und mein Leben, fern, weit weit weg von Emily Gilmore zu halten.â
âWie etwa sie nicht zu ihrem 21. Geburtstag einzuladen dürfen, weil du sonst den Festlichkeiten ferngeblieben wärst?â
âDas stimmt doch nicht, Dad!â
âLorelai, wir wissen beide sehr genau, dass es stimmt. Was ich allerdings nicht weiÃ, ist weswegen du nicht endlich Vernunft annimmst und dich wie ein erwachsener Mensch aufführst!â
âWeil Mom mich verletzt hat, sehr sogar.â
âHat sie das?â, entgegnet er mit plötzlicher Eiseskälte in der Stimme und macht kehrt, verlässt ihr Haus, ohne sie weiter zu beachten.
***
Ihr ohnehin schon unruhiger Schlaf wird durch das klackernde Geräusch gestört, das Kiesel beim Aufprall gegen Glas erzeugen. Zunächst ignoriert sie es, hält es für Einbildung und wälzt sich auf die andere Seite, doch dem einen Pling folgt bald ein Zweites und Drittes. Verwundert schlägt sie die Decke zur Seite und geht zu ihrem Fenster, registriert verwundert den vierten Zusammenprall von Glas und Stein. Also öffnet sie das Fenster, kühle Luft strömt ihr entgegen, während sie in die Dunkelheit blinzelt, abwartet was passiert.
âIch dachte schon, du erhörst meine Rufe gar nicht mehrâ, vernimmt sie ein Flüstern, gefolgt von einem Rascheln, Schritte auf Gras.
Die Silhouette nimmt nur langsam erkennbare Gestalt an. âLoganâ, ruft sie schlieÃlich verwundert aus, man kann ihr deutlich anhören, dass sie nicht weiÃ, was sie von diesem nächtlichen Besucher halten soll.
âHappy Birthdayâ, grinst er, streckt ihr eine Flasche Champagner entgegen.
âWas willst du hier?â, ignoriert sie den Glückwunsch. âWoher weiÃt du überhaupt, wo ich wohne?â
âDas stand alles in deiner Akteâ, ein Knall als sich die Flasche öffnet, der Inhalt über den Flaschenhals strömt, weiÃer Schaum auf goldener Folie.
âSchschâ, mahnt sie ihn, lauscht angestrengt, ob das Geräusch jemanden geweckt hat, doch es herrscht Stille im Haus.
âAlso was ist?â, erkundigt er sich, hält ihr den Champagner erneut entgegen. âLust auf eine kleine, private Geburtstagsfeier?â
âWoher weiÃt du überhaupt, dass ich Geburtstag habe?â, bleibt sie ihm die Antwort schuldig.
âIch sagte dochâ, er nimmt selbst einen tiefen Schluck, wischt anschlieÃend den Flaschenhals ab. âDas steht alles in deiner Akte.â
âUnd wie bist du an meine Akte gekommen?â
âIch bin in die Verwaltung eingebrochen, habe die Aktenschublade mit dem fetten G darauf geöffnet und die Akte mit dem Namen Gilmore herausgezogenâ, erklärt er Achselzuckend, geradeso als wäre es eine Alltäglichkeit.
âDu bist eingebrochen?â, zischt sie. âIn Yale?â
âMir war langweiligâ, kontert er gelassen. âWas ist jetzt? Feiern wir oder nicht?â
âWeshalb sollte ich ausgerechnet mit dir feiern wollen?â
âWeil ich ein gutsituierter, gutaussehender junger Mann aus gutem Hause bin.â
âDer in Yale einbricht, nur um sich meine Akte anzusehen!?!â
âOh, deine war nicht die Einzige.â
âSondern?â
âDie am Vielversprechenste.â
Gegen ihren Willen spürt sie gekränkte Eitelkeit in sich aufsteigen âWie schmeichelhaftâ, erwidert sie dementsprechend patzig.
âDas sollte es auch sein, denn da waren viele Aktenâ, wieder nippt er am Champagner, wieder hält er ihr die Flasche entgegen. âKomm schon, lass uns ein wenig Spaà haben.â
âDas letzte Mal als ich ein wenig Spaà haben wollte, habe ich mich knutschend auf einer Parkbank wieder gefunden.â
âDas klingt doch nach sehr viel SpaÃ.â
âWie kann man nur so von sich selbst überzeugt sein?â
âIch weià eben was gut ist.â
âOhâ, stöÃt sie hervor, setzt zu einem Konter an, doch er ist schneller.
âDeswegen bin ich auch hier und nicht bei Gladis, Rosemarie oder Ruth.â
âChicago.â
âSiehst du, dass mag ich so an dir. Du bist nicht nur hübsch, sondern auch intelligent.â
âFür dich ist es ein Zeichen von Intelligenz, wenn man eine Liedzeile aus einem Musicalsong erkennt?â
âFür mich ist es ein Zeichen von Intelligenz, wenn jemand als Jahrgangsbeste an einer der besten Schulen Amerikas abgeschlossen hat.â
âOkayâ, seufzt sie. âHör zu. Egal was du sagst oder tust, ich werde deine Einladung jetzt höflich ablehnen und wieder ins Bett gehen.â
âAuch dann, wenn ich vor lauter Gram, wie ein Hund zu jaulen beginne?â
âDas würdest du nicht wagen.â
âHast du Angst ich könnte Mommy und Daddy wecken?â, sein Grinsen wird noch breiter und er gibt ein leises Knurren von sich.
âWage esâ, warnt sie ihn, doch er überhört sie geflissentlich, geht ein paar Schritte zurück, lässt dem leisen Knurren ein hundeähnliches Bellen folgen.
âHör sofort auf damit!â, fleht sie ihn an.
âHindere mich doch daranâ, er schwenkt die Champagnerflasche wie eine Trophäe in die Höhe, stöÃt ein grauenvoll lautes Jaulen aus.
âLoganâ, jappst sie unglücklich, klettert beim zweiten Jaulen hastig aus dem Fenster und er unterbricht sein Konzert zufrieden. âZufrieden?â, erkundigt sie sich, schiebt dabei schmollend die Unterlippe nach vorne, legt ihre Stirn missmutig in Falten.
âErst wenn du ein anderes Gesicht machstâ, fordert er sie auf und sie ringt sich ein sichtlich falsches Lächeln ab.
âSehr schönâ, ein Nicken, er hakt sich bei ihr unter und beginnt sie in Richtung StraÃe zu ziehen.
âIch bin barfussâ, erklärt sie als der Kiesel in der Einfahrt sich in ihre FuÃsohlen bohrt und der kühle Herbstboden sein übriges tut, ihr Wohlbefinden in Grenzen zu halten.
âDann trage ich dich ebenâ, er drückt ihr die Flasche in die Hand, wendet ihr seinen Rücken zu. âNa los, spring auf.â
âIch werde ganz bestimmt nic ââ, er unterbricht sie mit einem leisen Jaulen und sie kommt seiner Aufforderung nach, springt auf seinen Rücken, schlingt ihre Beine widerwillig um seine Hüften. âDas ist so was von lächerlich. Lächerlich und kindisch und demütigendâ, stöÃt sie aus, genehmigt sich zum Trost einen kleinen Schluck aus der Champagnerflasche. âWieso um alles in der Welt mache ich das nur?â
Er antwortet nichts, lächelt in sich hinein, bahnt sich seinen Weg durch die menschenleeren StraÃen Stars Hollows.
âVerrätst du mir wenigsten wohin du mich⦠trägst?â, unternimmt sie nach einer Weile den verzweifelten Versuch ein Gespräch aufzubauen.
âZu der einzigen Parkbank, die ich auf dem Herweg in diese Stadt ausfindig machen konnte.â
Mit einem Satz stöÃt sie sich von ihm ab, landet unsanft auf dem Hintern und sieht ihn wütend an, während sie sich aufrappelt. âOkay, das reicht, Mr. Mrâ¦.â
âHutzenbergerâ, kommt er ihr zu Hilfe.
âHutzenbergerâ, äfft sie ihn nach. âJedenfalls ist jetzt Schluss. Ich meine, was mache ich hier? Ich muss völlig den Verstand verloren haben!â, sie stampft verärgert mit dem Fuà auf, ein kleines Kind dem man in der SüÃwarenabteilung den Schokoriegel verweigert.
âDu tust nur nie irgendwelche verrückten Dinge.â
âWoher willst du das denn bitteschön wissen?â
âIch hatte doch erwähnt, dass ich deine Akte gelesen habe, oder?â
âUnd?â, stemmt sie die Arme in die Hüften, sieht ihn herausfordernd an.
âKeine Eintragungen, kein Verweis, nichts. Du scheinst heiliger als der Papst zu sein.â
âDas bin ich ganz bestimmt nicht.â
âBeweis esâ, fordert er sie auf, teils aus Provokation, teils aus Neugier.
âBist du mit dem Wagen hier?â, entgegnet sie, er nickt bejahend.
Sie hält ihm ihre Handfläche unter die Nase. âGib mir die Schlüssel.â
âWeswegen?â, will er wissen, gibt ihr dennoch die Schlüssel.
âDas wirst DU schon noch sehenâ, ein kurzes Anheben der Augenbrauchen, ein nichtzudeutendes Lächeln. âWo steht er?â
âSollte ich dir das wirklich sagen?â
âWenn du wissen willst, was ich vorhabe, dann solltest du es tun.â
Er zögert einen Augenblick, schüttelt lachend den Kopf. âHinter der Kircheâ, erklärt er schlieÃlich, spürt wie sich ihre Hand um die seine schlieÃt und ihm zu dem weiÃgetünchten Gotteshaus zieht.
To be continued.
ATN: Happy Pfingsten everybody!!!! Hugs, Riska PS: Danke für das tolle FB