16. Run away, Little Girl
âBye Babette, auf Wiedersehen Morey!â, rief Rory den Beiden strahlend hinterher du schlug dann die Tür zu. Immernoch über ganze Gesicht strahlend ging sie in die Küche und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Lorelai, die gerade aus dem Wohnzimmer kam sagte nur, âDu hast vergessen dein Lächeln abzuschrauben.â
âOh, danke, ich dachte schon ich dürfte nie wieder normal gucken!â, meinte Rory genervt, während sie ihr Gesicht verzog.
âDanke, dass du wenigstens so getan hast als hättest du SpaÃ.â, meinte Lorelai trocken.
âAch Mum, ich hatte SpaÃ, wirklich! Allerdings ist im Moment alles nicht so einfach wie ich es gerne hätte. Es geht mir zwar schon besser, aber...â
âIst schon ok SüÃe!â, sagte Lorelai, legte den Kopf schief, und sah Rory grinsend an. Dann streckte sie die Arme aus. âLos komm her!â
Rory ging auf Lorelai zu und lieà in ihre Arme fallen. Sie war froh, dass sie noch Menschen hatte, vor denen sie keine Maske aufsetzen musste, vor denen sie ihre Stimmung zeigen konnte, egal wie sie gerade war. Rory wusste, dass Lorelai immer für sie da sein würde. Als Mutter, als beste Freundin, als Seelenverwandte. Und das machte sie unbeschreiblich glücklich.
Nachdem Sie sich wieder voneinander gelöst hatten sah Lorelai ihrer Tochter in die Augen und sagte âDu schaffst es. Du kannst alles schaffen, was du willst! Du bist doch mein kleines Wunderkind!â
âJa, aber leider hat Jess zu vergessen nichts mit Algebra oder unregelmäÃige Verben konjugieren zu tun. Ich wünschte es wäre so.â
âIch werde jetzt so langsam ins Bett gehen, es war ein langer Tag.â Lorelai sah Rory noch einmal mitfühlend an, drehte sich um und ging Richtung Treppe.
âJa, ich werde auch nicht mehr so lange aufbleiben. Ich bringe noch schnell den Müll raus, und lege mich dann hin.â
âSchlaf gut SüÃe!â
âDu auch Mum!â
Lorelai ging die Treppe hinauf und Rory schnappte sich die riesige Mülltüte, die mit Plastikbechern, Papptellern und Plastikbesteck bis zu Rand gefüllt war.
Nachdem sie die Tüte endlich in der Mülltonne verstaut hatte, klopfte sie sich ihre Hände an der Hose ab und wollte sich gerade wieder auf den Weg ins Haus machen, als sie jemanden die StraÃe entlang kommen sah. Rory blieb zögernd stehen um zu schauen, wer sich so spät noch drauÃen herumtrieb, und als sie ich endlich erkannte, fing sie an zu zittern, ihr Atem ging immer schneller und ihre Knie wurden weich.
Langsam ging Jess auf Rory zu. Immernoch wusste er nicht, was er sagen oder tun sollte. Zu viel Zeit war vergangen, zu viele Tränen waren geflossen, selbst wenn er sich etwas überlegt hätte, wäre es in diesem Moment wieder vergessen gewesen. Dort stand sie, im dämmrigen Licht der StraÃenlaterne und starrte ihn einfach nur an. Jess bemerkte zwar, dass sie abgenommen hatte, und auch dass sie aussah als hätte sie die letzten Tage nicht viel geschlafen, aber das änderte nichts daran, dass sie wunderschön aussah. Er ging weiter, nur noch ein paar Meter trennten die beiden voneinander. Da war sie, seine Rory, seine groÃe Liebe, eine der wenigen Menschen, die je an ihn geglaubt und ihm eine Chance gegeben hatten. Zögerlich ging er immer weiter auf sie zu.
Jess kam immer näher. Erst war er nur schemenhaft zu erkennen gewesen, doch bald darauf war alles ganz klar gewesen. Er war wieder da. Und dieses mal war es keine Einbildung, das wusste Rory sofort. Etwa einen Meter von ihr entfernt blieb er stehen und sah sie einfach nur an. Das gleiche tat Rory. Niemand war fähig auch nur ein Wort zu sagen. Doch schlussendlich war es Jess, der das Schweigen brach.
âHi!â, war das einzige was er herausbekam.
âHi!â, sagte auch Rory. Was sollte sie sonst sagen? Jess stand vor ihr, der Jess mit dem sie so glücklich gewesen war, wie noch mit keinem anderen zuvor. Jess, der sie immer wieder zum Lachen gebracht hatte. Jess, mit dem sie so viel gemeinsam hatte. Jess, dessen Küsse sie immer fast wahnsinnig gemacht hatten.
Und plötzlich ging Rory auf ihn zu, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren. Rory wusste nicht mehr was sie denken oder tun sollte. Sie wusste nur, dass sie Jess spüren wollte, sie wollte sich sicher sein, dass alles hier nicht nur ein verrückter Traum war.
Langsam hob Rory die Hand, und berührte Jess vorsichtig an der Wange. Als sie bemerkte, dass er es wirklich war, zuckte sie zurück.
Ein Gefühl von Erleichterung durchflutete sie. Er war zurück gekommen, zurück zu ihr. Ihr Jess war wieder da. Das erste ehrliche Lächeln seit langem huschte über ihr Gesicht.
Doch von der einen auf die andere Sekunde, versteinerte sich Rorys Gesicht.
Jess stand vor ihr. Der Jess, der sie immer wieder versetzt hatte. Der Jess, der einfach abgehauen war. Der Jess, wegen dem sie so viele Tränen vergossen hatte.
Jess hatte Rory die ganze Zeit nur beobachtet. Selbst als sie ihm auf einmal so nahe gekommen war, hatte er nichts gesagt. Und als Rory dann auf einmal gelächelt hatte, war er einfach nur glücklich gewesen. Dieses Lächeln hatte er so sehr vermisst, am liebsten wollte er Rory in dem Arm nehmen, und nie wieder loslassen. Doch plötzlich bemerkte er, wie ihr Lächeln erstarb und ihre Augen sich mit Tränen füllten. Nein!, war das einzige was er denken konnte. Nein, bitte nicht!. Doch es war zu spät.
Rory stieà Jess von sich weg, und lief schluchzend die StraÃe hinunter.
âRory!â, rief er ihr hinterher, doch sie blieb nicht stehen. Sie lief immer weiter und war schon fast in der Dunkelheit verschwunden.
Doch dieses Mal gab Jess nicht auf. Er würde um sie kämpfen! Und so lief er ihr hinterher.
Als er sie endlich eingeholt hatte, waren sie am Steg angekommen. Dies war ihr gemeinsamer Lieblingsplatz. Jess fragte sich, warum Rory ausgerechnet dort hin gelaufen war, wo sie doch vor ihm weglaufen wollte.
Vorsichtig, aber doch bestimmt, hielt Jess Rory am Arm fest, damit die endlich stehen blieb. Als sie sich herum drehte, und er ihren Gesichtsausdruck sah, erschrak er. Keine Spur mehr von Tränen, alles was dieser Blick aussagte waren Hass und Wut.
Rory bemerkte, wie Jess zurückzuckte und wie seine Augen sich vor Schreck weiteten.
âLass mich los!â, schrie sie. âNimm deine Finger weg! Du hast schon genug angerichtet!â
Jess Griff wurde lockerer, aber er lieà nicht los. Der schlimmste Fall war eingetreten. Sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte, dass er verschwand.
âWas denkst du warum ich hier bin?!â, schrie auch nun er. Aber in seiner Stimme klang noch etwas anderes mit, und das war tiefe Traurigkeit.
Doch Rory bemerkte nichts davon. âEs ist mir verdammt noch mal egal warum du hier bist. hauptsache du verschwindest so schnell wieder, wie du hergekommen bist!â Während sie schrie, versuchte sie sich aus Jess Griff zu wehren, und endlich lieà er sie los. Rory drehte sich um, und ging schnellen Schrittes weiter, doch Jess hechtete vor sie und hielt sie auf.
âNun hör mir doch wenigstens mal zu!â, flehte er.
Rory reagierte nicht darauf, und wollte einfach an Jess vorbeigehen, doch wieder hielt er sie fest.
Das war zuviel für Rory, sie fing an auf Jess einzuschlagen, doch dieser steckte die Schläge ein, ohne mit der Wimper zu zucken.
Rory merkte, dass sie kaum Kraft hatte, und doch schlug sie immer weiter, sie boxte und schrie, doch Jess hielt sie fest.
âLass mich endlich los! Lass mich los! Lass mich.â, Rory Schreie verwandelten sich in lautes Schluchzen und die Schläge wurden immer weniger.
Jess hielt Rory immer fester, damit sie ihm nicht entwischen konnte.
Bald hatte sie aufgehört zu schlagen und sich einfach in Jessâ Arme fallen lassen. Sie schlug ihre Arme um ihn, und gab sich einfach nur ihren Tränen hin.
Als sie an seine guten Seiten gedacht hatte, wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen, doch dann musste sie an sein schlechten Seiten denken, und plötzlich waren all ihre Sicherungen durchgebrannt. Alles was sie in diesem Moment gewollt hatte war weg. Weg von ihm, der ihr so viel Schmerz bereitet hatte.
Doch jetzt wollte sie ihn nicht mehr anschreien, sie wollte ihm nicht mehr entkommen.
Alles was sie in diesem Moment wollte war, dass Jess sie nie wieder loslieÃ.
Eine halbe Stunde später saÃen sie beide auf dem Steg und lieÃen die FüÃe über dem Wasser baumeln.
Keiner hatte ein Wort gesagt, doch es war ihnen klar, dass sie früher oder später reden mussten.
Zögerlich und mit zitternder Stimme, war es diesmal Rory, die das Schweigen brach.
âEntschuldige, wenn ich so mit der Tür ins Haus falle, aber warum bist du hier?â, fragte sie.
Jess antwortete nicht gleich, sondern zog eine Zigarettenschachtel und ein Feuerzeug aus der Jackentasche. Er sah kurz zu Rory rüber, aber diese nickte nur, und so fummelte er eine Zigarette aus der Schachtel, und zündete sie an. Nachdem er den Rauch tief inhaliert hatte, setzte er zu einer Antwort an.
âIch war bei meinem Dad in Californien. Ich bin einfach zu ihm gefahren und er hat mich bei sich aufgenommen. Ich habe in seinem Imbiss gearbeitet um ein bisschen Geld zu verdienen.
Eines Morgens klopfte es dann an meiner Tür. Ich mache auf und Dean steht vor mir. Er erzählt mir wie schlecht es dir geht, und dass das alles meine Schuld ist. Er hat mir gesagt ich solle selbst entscheiden, was das Richtige ist.â Die ganze Zeit über hatte er auf Wasser gestarrt, doch jetzt sah er Rory direkt ins Gesicht. âUnd, na ja, hier bin ich.â Er wusste nicht, warum er kein Wort über Celia verloren hatte. Vielleicht wusste er einfach, dass dies nicht der Richtige Zeitpunkt war. Er wusste, dass sie es zu jedem Zeitpunkt verstehen, aber in dieser Nacht noch nicht verkraften würde.
âWow!â, war das einzige was Rory sagen konnte. âIch meine, wow!â
âIst das alles?â
âIch weià nicht was ich dazu sagen soll. Auf der einen Seite Dean, der nach Californien fliegt, damit ich wieder glücklich bin, und auf der anderen Seiten du, wie du zurückkommst, damit ich wieder glücklich werde. Ich weià nicht was mich im Moment mehr erstaunt.â, sie sah Jess mit einem leicht überforderten Blick an.
âDu findest es so erstaunlich, dass ich zurückkomme?â
âIch weià gar nicht was ich überhaupt denken soll. Das ist alles so, so unwirklich! Im dem einen Moment versuche ich noch zwanghaft über dich hinwegzukommen, und nächsten Moment sitzt du hier neben mir.â
âEs tut mir leid!â
Rory wusste, dass er es ernst meinte. Es waren keine weiteren Worte nötig, sie wusste genau, dass er es aus tiefstem Herzen bereute sie so verletzt zu haben. Und sie hatte Recht. Jess hoffte, das Rory seine Entschuldigung annahm, auch wenn es nur eine winzig kleine war.
Sie sah ihm in die Augen, und sah tiefe Reue, doch nicht nur das, jetzt bemerkte sie auch die tiefe Traurigkeit.
âOk.â Dieses kleine Wörtchen reichte aus. Es war ok. Rory wusste noch nicht, ob sie Jess schon verziehen hatte, aber sie wusste jetzt, dass es ihm leid tat, dass sie ihm nicht egal war, und dass er sie anscheinend auch vermisst hatte, und das reichte.
âDanke!â Keiner von dem Beiden war gerade in der Lage mehr zu sagen, doch es war auch gar nicht nötig. Nun war es ein einvernehmliches Schweigen, in dem jeder seinen Gedanken nachging. Doch nach einer Weile stand Jess auf.
âWo gehst du hin?, fragte Rory.
âIch glaube es ist langsam Zeit schlafen zu gehen. Ich weià ja nicht wie es dir geht, aber ich bin wirklich müde.â
Auch Rory stand nun auf und stellte sich vor Jess. Wieder waren ihre Gesichter nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt, doch dieses mal war Rory sich sicher, dass ein guter Jess vor ihr stand. Ein Jess, der sie nicht einfach wieder verlassen würde.
âEs ist viel passiert heute.â, flüsterte sie schon fast.
âNicht nur heute.â, hauchte Jess zurück, doch als Rorys Gesicht seinem immer näher kam sagte er âZu viel!â
Rory zog ihr Gesicht wieder zurück.
âDu hast Recht, ich sollte es besser wissen.â Sie sah ein, dass es noch zu früh war, um überhaupt an so etwas zu denken, doch wer konnte Gedanken schon kontrollieren?
Jess ging einen Schritt zurück. Es war zu gefährlich so nah bei ihr zu sein.
âBye!â, sagte er nun leise, und sah Rory an.
âBye!â, flüsterte sie, drehte sich um und ging langsam den Steg entlang.
Jess sah ihr noch eine ganze Weile hinterher, bis auch er auch er sich auf den Weg nach hause machte.
Als Jess vorm Diner angekommen war bemerkte er, dass das Licht in der Wohnung noch brannte. Bei dem Gedanken, dass Luke auf ihn wartete, schüttelte er grinsend den Kopf.
Er schloss die Tür auf und ging die Treppe hinauf. Als er schlieÃlich die Wohnungstür aufmachte sah er, wie Luke auf dem Sofa eingeschlafen war. Jess schaltete den Fernseher aus, wovon Luke sofort hochschreckte.
âIch bin wach! Ich bin wach!â, beteuerte Luke, immer noch ganz verschlafen.
âJa, jetzt schon!â, lachte Jess.
âWerd nicht frech, sag mir lieber was passiert ist!â
âOk, wie du willst, erst hätte sie mich fast geküsst, dann ist sie vor mir weggelaufen, danach hat sie mich angeschrieen und verprügelt und nachdem wir eine Weile geredet hatten, hätte sie mich wieder beinahe geküsst.â
âWas?â, fragte Luke nur. Das waren zu viele Informationen auf einmal gewesen, dafür dass er bis eben noch geschlafen hatte.
âMorgen, ich bin müde!â, antwortete Jess nur, nahm sich eine Wolldecke aus dem Schrank und machte es sich auf dem Sofa gemütlich.
Luke schüttelte nur den Kopf und lieà sich dann in sein Bett fallen, wo er fast sofort einschlief.
Doch Jess konnte noch nicht einschlafen, egal wie müde er war.
Er lieà den ganzen Tag noch einmal Revue passieren, alles was passiert war.
Erst Celia, der wohl selbstloseste Mensch, dem er je begegnet war. Jess stellte schmerzlich fest, dass er sie vermisste. Er vermisste ihre direkte Art, ihre Ehrlichkeit und auf eine Weise auch den Blick, mit dem sie ihn immer angesehen hatte.
Dann dieser höllische Flug. Jess hatte sich schon jetzt vorgenommen nie wieder in seinem Leben ein Flugzeug zu betreten.
Das Unglaublichste des ganzen Tages war, dass er und Dean jetzt Freunde waren. Jess hätte sich nie im Leben träumen lassen, dass er mal auf diese Art und Weise einen Freund finden würde. Und doch war es passiert. Das kurioseste an der ganzen Sache war, dass Jess es gut fand, Dean nicht mehr als Feind zu haben.
Doch das allergröÃte Ereignis des ganzen Tages war, als er Rory zum ersten Mal gesehen hatte, lange bevor sie ihn bemerkt hatte.
Jess schloss die Augen und rief sich Rorys Gesicht wieder ins Gedächtnis, dass so nah vor seinem gewesen war. Jess war zurückgekommen, damit Rory wieder glücklich werden konnte. Und auch wenn sie es an diesem Abend noch nicht gewesen war, würde er alles tun, um sie glücklich zu machen.
Rory lag im Bett und sah verträumt an die Decke. Ein wenig wunderte sie sich über sich selbst. War sie dumm, weil sie Jess so schnell wieder verziehen hatte? Nein, er bereute es, das wusste sie ganz genau. Rory wollte einfach wieder glücklich sein, sie wollte wieder lachen und Spaà haben.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht drehte sie sich auf die Seite.
Dem Ziel, wieder glücklich zu sein, war sie heute Abend ein ganzes Stück näher gekommen.
The truth is... sometimes I miss you so much I can hardly stand it.
ava
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.09.2005, 18:58 von
MaryKris.)