Danke für das liebe FB, und es tut mir unendlich Leid, dass der neue Teil erst so spät kommt... aber wie ihr ja alle wisst, Schule...
Danke an *Jessy* fürs Beta Lesen!!!
Teil13
Konzentriert sitzt sie über ihren Büchern. Schon seit Stunden verharrt sie in dieser Haltung. Die Stirn in Falten gelegt, den Stift schnell über ihr Papier führend, den Ring umklammernd. Sie hält sich beinahe an ihm fest. Er gibt ihr Halt, beschützt sie. Den Ring ihrer Mutter so nahe am Herzen zu tragen gibt ihr Kraft und Sicherheit.
Ein Klopfen an der Tür lässt sie aufsehen. Ihre GroÃmutter steht in der Tür.
âLorelaiâ, sie räuspert sich. âDu hast Besuch.â
âAber du weit doch, dass du Paris nicht anmelden musst, Grandma!â, lächelnd wendet sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
âEs ist nicht Paris.â
Nicht Paris? Wer sollte sie sonst besuchen? Und warum war ihre GroÃmutter so ernst? Ist etwas passiert? Verwirrt schlieÃt sie ihre Bücher und steht auf. âOkay, ich kommeâ
Neugierig und unsicher geht sie ins Wohnzimmer. Wer wohl der ominöse Besucher ist? Doch als sie den Grund ihrer Neugier sieht, bleibt sie stehen. Ihr Mund wird trocken und ihr wird kalt. Wie lange hat sie ihn schon nicht mehr gesehen, wie lange hat sie auf ihn gewartet? Zwei, fünf, zehn Jahre â sie weià es nicht genau, hat aufgehört zu zählen. Aber es ist auch nicht von Bedeutung. Lange, er war lange nicht mehr hier. Wie soll sie reagieren? Soll sie sich freuen, dass er da ist, auch wenn sie weiÃ, dass er es schon spätestens morgen nicht mehr sein wird? Nein. Sie will dass er es fühlt. Dass auch er sich einmal schlecht fühlt, dass auch er einmal von ihr verletzt ist. Nein. Sie will ihn nicht verletzen, sie will ihn nur spüren lassen, spüren lassen, was schon so lange an ihr frisst. Wenn sie ihm schon nicht sagen kann, dass das was er tut sie verletzt, dann will sie es ihm wenigstens zeigen.
âAch, du bist es.â, sagt sie trocken, selbst überrascht über ihren gleichgültigen Ton.
âRory! Ich freu mich so, dich endlich wieder zu sehen!â
Endlich. Das ist das Stichwort. Wäre er öfter hier, müsste er nicht Endlich sagen.
Freudig springt er auf und schlieÃt seine Tochter in die Arme. âDu bist gewachsen!â
Sie nickt. Diese Standart-Kommentare, wie sehr sie ihr auf die Nerven gehen. Hat er ihr nichts Besseres zu sagen, als dass der stetige Prozess des Wachstums auch bei ihr vorhanden ist?
âIst wohl so.â, wo nimmt sie bloà diese Gleichgültigkeit her? Ist er ihr wirklich so egal? Eigentlich sollte sie sich freuen, dass er hier ist. Sie sollte vor Freude Luftsprünge machen, ihm um in den Hals fallen, auch wenn sie weiÃ, dass er bald wieder weg sein wird.
âWann fährst du wieder?â
âLorelai!â Emily wirft ihrer Enkelin einen bösen Blick zu. Natürlich, was sonst. Ein braves Mädchen sagt so etwas nicht. Ein braves Mädchen würde jetzt lächeln, nett und höflich sein. Aber sie verspürt keinen Anlass mehr dazu sich zu verstellen. Früher dachte sie, wenn sie ihm gegenüber nett und freundlich ist, dann würde er sie vermissen, bald wieder kommen. Und er hat es auch immer versprochen, hat ihr Hoffnungen gemacht, doch gekommen ist er nieâ¦
Nein, so viel hat sich in der letzten Zeit geändert. Sie hat sich geändert. Warum nicht auch das?
âAber es stimmt doch! Ich möchte nur morgen nicht enttäuscht sein, wenn ich aus meinem Zimmer komme und ihn nicht mehr finde!â
âRory, was redest du da?â
âIch rede von der Wahrheit, Dad!â Dad. Lachhaft die Bezeichnung.
âIch denke ein wenig Respekt wäre angebracht, ich bin dein Vater!â
âMein Vater, ja? WeiÃt du, nur weil es auf einem Dokument festgehalten ist, dass du dich als mein Erzeuger ausweisen kannst, heiÃt das noch lange nicht, dass du mein Vater bist!â Es tut so gut das endlich gesagt zu haben. Sie fürchtet sich vor den Reaktionen, weià dass es nicht ârichtigâ war, es so hart zu formulieren. Doch in dem Moment will sie sich einfach nur im Glanz ihrer Stärke sonnen, will die Befreitheit spüren, dass ihr endlich der Satz über die Lippen kommt, der schon so oft kurz davor war.
âRory, das, ich âââ
âWas Du? WeiÃt du, ein Vater verschwindet nicht einfach! Ein Vater lässt seine zweijährige Tochter nicht einfach im Stich. Läuft nicht davon, ohne dass irgendjemand weià wohin!â, sie bricht ab. Blickt in die entsetzten Gesichter um sie. Sie hat geschrieen, ist immer lauter geworden. Sie atmet tief durch, beruhigt sich wieder. Schreien hat keinen Sinn. Schreien macht es noch schlimmer. In gemäÃigten Tonfall fährt sie fort.
âWeiÃt du, ich hab mir immer gedacht, du bräuchtest Zeit. Wärst härter getroffen. Immer wenn du gekommen bist, habe ich gedacht âJa, das ist es, dieses Mal wird er bleibenâ. Ich wollte über so vieles mit dir reden. Dir Fragen stellen, doch ich habe es nie getan. Ich habe dir nie diese Fragen gestellt, weil ich Angst vor den Antworten hatte. Ich hatte Angst, dass dir die Antworten wehtun. Ich wollte nicht, dass du sie wieder mehr vermisst, wenn du dir wegen mir Gedanken über sie machen musst. Ich wollte dir nicht wehtun, immer wenn es dir gerade gut ging. Immer habe ich mich auf später vertröstet. Immer dachte ich, die Zeit wäre noch nicht reif, sie würde noch kommen. Aber heute, heute stehst du vor mir, und ich will mich nicht länger zurückhalten müssen. Ich will mich nicht mehr verstellen müssen. Nicht länger die Fröhliche spielen.â, wieder bricht sie ab. Wartet auf seine Reaktion. Stille. Sie wird unruhig, in ihr brodelt es. Angst und Wut vermischen sich. Sie möchte ihn anschreien, möchte ihn schütteln. Warum reagiert er nicht? Ist das, was sie ihm sagen möchte so schwer zu verstehen. Ist ihm nicht klar, dass sie ihn braucht? Versteht er nicht, dass sie nicht wie ein Waisenkind leben möchte, dass ihre Eltern für sie kein Geheimnis sein sollen? Ist es so schwer zu verstehen, dass sie ihn kennen lernen möchte? Sie wird immer wütender. Kann sich nicht mehr zurückhalten, spürt wie es in ihr hochkommt. Kann es nur mit Mühe zurückhalten. Noch immer sagt er nichts. Zeigt keine Reaktion, sieht sie entgeistert an, unfähig etwas zu sagen. So spricht sie weiter. Weià nicht was sie alles sagt. Tausende Gefühle durchströmen sie auf einmal. Unbewusst krallt sie ihre Finger in die Kette. Fest schlieÃen sich ihre Finger um den Ring, zerdrücken ihn beinahe. Tief schneidet sich der stumpfe Rand des mittlerweile heiÃen Metalls in ihre Finger. Schneiden sich tief hinein, ohne sie zu verletzten. âMein Gottâ, warum sagt er nichts? Gott. Wie Blei liegt dieses Wort auf ihrer Zunge. Gott. Verächtlich schnaubt sie. Gott hat sie schon lange aufgegeben. Warum sollte sie jemanden Achtung und Zuwendung schenken, wenn dieser Menschen sterben lässt. Was geht in unserem Heiland vor, wenn er junge Mütter tötet? Sieht er sie nicht? Kann er nicht sehen, wie sehr sie sich quält?
Wie sehr sich alle Hinterlassenen quälen?
âRoryâ¦â, langsam geht er auf sie zu, legt seine Hand beschwichtigend auf ihre Schulter. Sie zuckt zurück, sieht ihm in die Augen. Wie Feuer brennt seine Hand auf ihrer Schulter, sie möchte sie abschütteln. Möchte sie anketten. Gespannt wartet sie auf seine Reaktion. Wartet darauf, dass er sie endlich ihn die Arme schlieÃt, ihr über das Haar streichelt und ihr verspricht, dass alles wieder gut werden wird. Doch nichts geschieht. Er ist unsicher, schwitzt, weià nicht was er sagen soll. Sie zählt die Sekunden. 40, 41, 42, 43,.. Gibt ihm Zeit. Schiebt das Ende ihrer Frist immer weiter hinaus. 57, 58, 59, 60â¦
Sie blickt zu ihm, sieht ihren GroÃeltern in die Augen. Alle Blicke sind fest auf sie geheftet, ihr wird heiÃ. Hat das Gefühl zu ersticken. Keine Sekunde länger hält sie es in dem grellen Raum aus. Muss weg, fort von hier. Sie nimmt seine Hand sanft in ihre, drückt sie an sich, schüttelt den Kopf. âWenn das alles ist, was du zu sagen hastâ¦â, bricht ab, überdenkt noch ein letztes Mal ihre Worte, strafft ihre Schultern, macht sich Mut. âWenn das wirklich alles ist, dann möchte ich, dass du gehst.â Starr sieht sie zu Boden. Kann ihm nicht in die Augen sehen. Er würde erkennen, dass es nicht ihr Ernst ist. Würde ihr nicht glauben. Augen können nicht lügen. Noch immer rührt er sich nicht, macht keine Anstalten zu gehen. So geht eben sie. Sie lässt seine Hand fallen, dreht sich um, geht. Wieder muss sie sich zu jedem Schritt zwingen. Möchte bei jedem Schritt stehen bleiben, sich umdrehen, in seine Arme fallen. Doch nicht dieses Mal. Sie will ihm nicht schon wieder vergeben. Sie muss nachdenken, allein. Gedankenverloren nimmt sie ihren Mantel, hängt ihn sich um, lässt die Tür hinter sich zufallen. Mit einem lauten Knall besiegelt sie ihre Worte. Schnellen Schrittes geht sie weiter. Fängt beinahe zu laufen an. Will nicht langsamer werden, aus Angst sie könnte schwach werden, sich umdrehen. Konzentriert folgt sie ihrem eigenen Schatten. Konzentriert sich fest darauf, wie selbstsicher er wirkt. Wie der einer jungen Frau, die sich voll über die Folgen, die ihr Opfer aufwerfen wird bewusst. Ein Schatten gibt nur das ÃuÃere eines Menschen wieder, verbirgt die Zweifel, die sie beinahe auffressen. Sie sieht sich nicht um, blickt starr gerade aus.
Unbewusst haben sie ihre FüÃe zum Busbahnhof getragen. Kurz sieht sie sich um, wird doch noch langsamer. Wägt noch einmal die Konsequenzen ihres Handelns ab. âSich zu verlieren, heiÃt sich zu befreienâ, murmelt sie sich selbst zu, schüttelt alle Sorgen und Bedenken ab, steigt in den Bus. Laut schlieÃen sich die Türen. Der Motor startet. Taucht immer mehr in die Dämmerigkeit ein und mit ihm, sie selbst.