19.02.2005, 22:21
Teil 16
âWo warst du?â, zögernd unterbricht sie das Schweigen. Es hat lange gedauert, sie hat die Stille genossen, hat aber auch gemerkt, dass diese Unterhaltung nicht ohne Worte geführt werden kann. Sie sieht ihn an. Er wirkt enttäuscht dass sie die viel sagende Stille unterbrochen hat, erleichtert, dass er es nicht tun musste.
Unsicherheit kommt in ihm auf. Schon tausende Male hat er sich diese Unterhaltung vorgestellt, sie genau durchdacht, geplant. Wollte für jedes Wort den perfekten Platz finden, so dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Wieder und wieder ist er seine Erklärung in Gedanken durchgegangen, hat Argumente gesucht sein Verhalten zu rechtfertigen. Hat welche gefunden, dieselben, überholten Floskeln, die ihm seine Eltern eingetrichtert haben. Dieselben, die in Wirklichkeit nichts taugen, nichts kann es rechtfertigen, ein zweijähriges Kind im Stich zu lassen. Ja, es war ihm bewusst, dass sie in guten Händen war, bei ihren GroÃeltern behütet wurde, aber doch, doch wusste er dass er fehlte. Nacht für Nacht hat er sich durch seine Alpträume gequält, die Schuldgefühle haben ihn zerfressen. Doch wie ein feiger Hund hat er immer wieder den Schwanz eingezogen und sich abgewendet. Zwei Jahre, 730 Tage, unendlich viele Stunden, Minuten, Sekunden in denen er in Gedanken bei ihr war, sich nach ihr sehnte, und es doch nie geschafft hat, ihr auch körperlich gegenüberzustehen. Und nun, nun ist der Augenblick gekommen. Der Moment, in dem er endlich seine Rede halten kann, muss. Und nun â da er die Chance hat, ihr alles zu erklären, da bleiben ihm die Worte im Hals stecken. Wie Blei liegt seine Zunge in seinem Mund, weigert sich strikt seinen Befehlen zu gehorchen. Er kann seinen Blick nicht von dem zarten Wesen abwenden, sieht vor seinem geistigen Auge, wie sie innerlich zerbricht, wenn er seine Chance nicht nutzt. Da kommt endlich Leben in ihn. Er räuspert sich, ein altes Zeichen um seine Angst zu überspielen, seine Unsicherheit zu verbergen.
âRory, esâ, er bricht ab, überdenkt noch einmal seine Worte. âRory, es tut mir Leid. Ich weiÃ, mit einer Entschuldigung kann ich nicht gutmachen was âââ, sie unterbricht ihn. Nimmt ihm die Chance endlich zu sagen, was schon so lange in seiner Seele brennt.
âNein, Dad. So meinte ich das nicht. Ich will wissen wo du warst, was du getan hast. Ich will mehr über Christopher, den Menschen wissenâ und vor allem was so viel wichtiger war als die eigene Tochter, würde sie am liebsten hinzufügen. Doch sie lässt es, weiÃ, dass es nicht richtig wäre, dass ihre Anschuldigung egoistisch ist.
Er ist verwirrt, fühlt sich vor dem Kopf gestoÃen. Sie will keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung, wenn auch nur vorgetäuscht. Sie will Informationen, Auszüge aus seinem Leben, Fakten, Daten. Er ist nicht vorbereitet, fühlt sich wie vor einer unangekündigten Prüfung. Er will ihr nichts über sein Leben erzählen, will nicht dass sie von den Jahren erfährt, in denen er sich Tag für Tag durch das Leben gequält hat. Jeden Morgen wieder die Gewissheit hatte, dass sich seine Alpträume erfüllt hatten, sein Leben zu seinen Alpträumen geworden ist. Von der Zeit, in der er seine Identität verbarg, sich ein anderes Leben kreierte, ein vollkommenes glückliches Leben. Ein Leben, in dem er die Oberhand hatte, in dem er selbst bestimmen konnte, was mit ihm geschieht. Ein Leben, das nur in seiner AuÃenwelt existierte, über dem der Schatten der Realität wie ein Trauerschleier hing. Er will nicht, dass sie von den Nächten erfährt, in denen seine einzige Zuflucht der Alkohol und der Schoà fremder Frauen war. Und von den Morgen danach, an denen er aufgewacht ist und immer wieder aufs Neue feststellen musste, dass das Mädchen neben ihm nicht sie ist, sondern ein fremdes. Dass ihm keine blauen Augen entgegen strahlten, sondern fahle, abgemagerte, fast noch Kinder neben ihm in den Kissen lagen, die Augen kalt und leer, befreit von jeglichem Gefühl. Mehr als einmal hat er die leicht geröteten Einstiche an den Armen der Mädchen, die StecknadelgroÃen Pupillen inmitten der eingefallenen Gesichter ignoriert, verleugnet. Hat es darauf ankommen lassen, wusste nicht, was er zu verlieren hatte. Brauchte jedoch nicht lange, bis es ihm wieder bewusst wurde. Sie â seine Tochter, ihre Tochter. Die Tochter, die sie mit ihm alleine gelassen hat. Er wurde wütend, wütend auf sie, wütend auf das Mädchen, das nicht sie war. Lieà die Fremde neben ihm seine Wut spüren, wurde beinahe blind vor Wut. Alkohol und Nikotin brachten ihre Wirkung, lieÃen ihn alles um sich herum vergessen, lieÃen ihn sich ganz auf seinen zusammengestauchten Zorn konzentrieren. Wurde erst wieder durch die erschrockenen, vor Angst weit aufgerissenen Augen ernüchtert.
Nein. Niemals soll seine Tochter erfahren, was für ein Versager ihr Vater ist. Niemals wieder will er sie enttäuschen, kann nicht ertragen sie noch einmal zu verletzen. Sein Leben lang hat er eine Lüge gelebt. Von Kindesbeinen an wuchs er in eine perfekte, glänzende Lügenwelt. Mit ihm seine Freundin, seine bessere Hälfte, das Mädchen, dass ihn von Anfang an faszinierte. Doch dann, die Schwangerschaft. Mit einem Schlag brach das sorgfältig aufgebaute Lügengerüst zusammen. Und sie hielt es noch nicht einmal für nötig, es mit ihm wieder aufzubauen.
Er ist ein Mann der höheren Gesellschaft, dem Lügenverein schlecht hin â wieso soll er nicht auch jetzt seiner Tochter ein Leben voller netter Lügen schenken?
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*ausmeinemversteckherauskriech* Sorry, sorry, sorry, dass ihr so lange warten musstet... Und der neue Teil... urteilt nicht voreilig, wartet ab...
FB wäre trotzdem ganz nett...
Marie
âWo warst du?â, zögernd unterbricht sie das Schweigen. Es hat lange gedauert, sie hat die Stille genossen, hat aber auch gemerkt, dass diese Unterhaltung nicht ohne Worte geführt werden kann. Sie sieht ihn an. Er wirkt enttäuscht dass sie die viel sagende Stille unterbrochen hat, erleichtert, dass er es nicht tun musste.
Unsicherheit kommt in ihm auf. Schon tausende Male hat er sich diese Unterhaltung vorgestellt, sie genau durchdacht, geplant. Wollte für jedes Wort den perfekten Platz finden, so dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Wieder und wieder ist er seine Erklärung in Gedanken durchgegangen, hat Argumente gesucht sein Verhalten zu rechtfertigen. Hat welche gefunden, dieselben, überholten Floskeln, die ihm seine Eltern eingetrichtert haben. Dieselben, die in Wirklichkeit nichts taugen, nichts kann es rechtfertigen, ein zweijähriges Kind im Stich zu lassen. Ja, es war ihm bewusst, dass sie in guten Händen war, bei ihren GroÃeltern behütet wurde, aber doch, doch wusste er dass er fehlte. Nacht für Nacht hat er sich durch seine Alpträume gequält, die Schuldgefühle haben ihn zerfressen. Doch wie ein feiger Hund hat er immer wieder den Schwanz eingezogen und sich abgewendet. Zwei Jahre, 730 Tage, unendlich viele Stunden, Minuten, Sekunden in denen er in Gedanken bei ihr war, sich nach ihr sehnte, und es doch nie geschafft hat, ihr auch körperlich gegenüberzustehen. Und nun, nun ist der Augenblick gekommen. Der Moment, in dem er endlich seine Rede halten kann, muss. Und nun â da er die Chance hat, ihr alles zu erklären, da bleiben ihm die Worte im Hals stecken. Wie Blei liegt seine Zunge in seinem Mund, weigert sich strikt seinen Befehlen zu gehorchen. Er kann seinen Blick nicht von dem zarten Wesen abwenden, sieht vor seinem geistigen Auge, wie sie innerlich zerbricht, wenn er seine Chance nicht nutzt. Da kommt endlich Leben in ihn. Er räuspert sich, ein altes Zeichen um seine Angst zu überspielen, seine Unsicherheit zu verbergen.
âRory, esâ, er bricht ab, überdenkt noch einmal seine Worte. âRory, es tut mir Leid. Ich weiÃ, mit einer Entschuldigung kann ich nicht gutmachen was âââ, sie unterbricht ihn. Nimmt ihm die Chance endlich zu sagen, was schon so lange in seiner Seele brennt.
âNein, Dad. So meinte ich das nicht. Ich will wissen wo du warst, was du getan hast. Ich will mehr über Christopher, den Menschen wissenâ und vor allem was so viel wichtiger war als die eigene Tochter, würde sie am liebsten hinzufügen. Doch sie lässt es, weiÃ, dass es nicht richtig wäre, dass ihre Anschuldigung egoistisch ist.
Er ist verwirrt, fühlt sich vor dem Kopf gestoÃen. Sie will keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung, wenn auch nur vorgetäuscht. Sie will Informationen, Auszüge aus seinem Leben, Fakten, Daten. Er ist nicht vorbereitet, fühlt sich wie vor einer unangekündigten Prüfung. Er will ihr nichts über sein Leben erzählen, will nicht dass sie von den Jahren erfährt, in denen er sich Tag für Tag durch das Leben gequält hat. Jeden Morgen wieder die Gewissheit hatte, dass sich seine Alpträume erfüllt hatten, sein Leben zu seinen Alpträumen geworden ist. Von der Zeit, in der er seine Identität verbarg, sich ein anderes Leben kreierte, ein vollkommenes glückliches Leben. Ein Leben, in dem er die Oberhand hatte, in dem er selbst bestimmen konnte, was mit ihm geschieht. Ein Leben, das nur in seiner AuÃenwelt existierte, über dem der Schatten der Realität wie ein Trauerschleier hing. Er will nicht, dass sie von den Nächten erfährt, in denen seine einzige Zuflucht der Alkohol und der Schoà fremder Frauen war. Und von den Morgen danach, an denen er aufgewacht ist und immer wieder aufs Neue feststellen musste, dass das Mädchen neben ihm nicht sie ist, sondern ein fremdes. Dass ihm keine blauen Augen entgegen strahlten, sondern fahle, abgemagerte, fast noch Kinder neben ihm in den Kissen lagen, die Augen kalt und leer, befreit von jeglichem Gefühl. Mehr als einmal hat er die leicht geröteten Einstiche an den Armen der Mädchen, die StecknadelgroÃen Pupillen inmitten der eingefallenen Gesichter ignoriert, verleugnet. Hat es darauf ankommen lassen, wusste nicht, was er zu verlieren hatte. Brauchte jedoch nicht lange, bis es ihm wieder bewusst wurde. Sie â seine Tochter, ihre Tochter. Die Tochter, die sie mit ihm alleine gelassen hat. Er wurde wütend, wütend auf sie, wütend auf das Mädchen, das nicht sie war. Lieà die Fremde neben ihm seine Wut spüren, wurde beinahe blind vor Wut. Alkohol und Nikotin brachten ihre Wirkung, lieÃen ihn alles um sich herum vergessen, lieÃen ihn sich ganz auf seinen zusammengestauchten Zorn konzentrieren. Wurde erst wieder durch die erschrockenen, vor Angst weit aufgerissenen Augen ernüchtert.
Nein. Niemals soll seine Tochter erfahren, was für ein Versager ihr Vater ist. Niemals wieder will er sie enttäuschen, kann nicht ertragen sie noch einmal zu verletzen. Sein Leben lang hat er eine Lüge gelebt. Von Kindesbeinen an wuchs er in eine perfekte, glänzende Lügenwelt. Mit ihm seine Freundin, seine bessere Hälfte, das Mädchen, dass ihn von Anfang an faszinierte. Doch dann, die Schwangerschaft. Mit einem Schlag brach das sorgfältig aufgebaute Lügengerüst zusammen. Und sie hielt es noch nicht einmal für nötig, es mit ihm wieder aufzubauen.
Er ist ein Mann der höheren Gesellschaft, dem Lügenverein schlecht hin â wieso soll er nicht auch jetzt seiner Tochter ein Leben voller netter Lügen schenken?
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*ausmeinemversteckherauskriech* Sorry, sorry, sorry, dass ihr so lange warten musstet... Und der neue Teil... urteilt nicht voreilig, wartet ab...
FB wäre trotzdem ganz nett...
Marie