09.05.2005, 16:08
Es war als hätt' der Himmel
die Erde still geküsst,
daà sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müÃt'.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ãhren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus
Flog durch die stillen Lande
als flöge sie nach Haus.
Josef von Eichendorff
NEUN
Falls man es tatsächlich sein kann, falls man Besoffen vor Glück sein kann, so ist sie es. Schon als sie aufwachte, hat sie sich herrlich albern gefühlt, kribbelig und beschwingt. Und je mehr der Tag voranrückt, umso stärker wird dieses Gefühl. Ein Lächeln, als hätte sie Drogen genommen, breit und unauslöschlich, selbst wenn sie wollte, sie könnte nicht damit aufhören. Niemals hätte sie geglaubt, dass es tatsächlich so sein könnte, hat es für die romantische Lüge von Autoren und Regisseuren gehalten, die süÃe Verklärung von Musikern und Dichtern. Aber es ist wirklich so, jeder Teil von ihr ist zufrieden und satt. Und alles nur, denkt sie sich, während sie ihren Blick im Raum herumschweifen lässt, alles nur wegen einer dummen Formalität. Denn entbehrt es nicht jeder Logik sich wegen einer winzigen Unterschrift plötzlich so anders zu fühlen? Entbehrt es nicht jeder Logik, dass du all die Jahre davor weggelaufen bist?, hört sie eine Stimme. Sie klingt nicht böse, es ist kein Vorwurf, neckt sie mehr und ihr Lächeln wird ein Stück gröÃer, sie schüttelt den Kopf dabei. Halt die Klappe, Lorelai, mahnt sie sich selbst, lehnt sich behaglich in ihrem Stuhl zurück und ergreift seine Hand, drückt sie sachte.
"Schön", ist alles was sie seufzt, erwidert seinen Blick, versucht sich das Gefühl genau einzuprägen, das sanfte Prickeln als er ihre Wange küsst.
"Allerdings", antwortet er. "Schön und teuer."
"Luke", ruft sie aus und er spürt ihren Ellenbogen in seinen Rippen. "Das hier ist der Tag. Dieser eine besondere Tag und du denkst an Geld? Da komme ich mir doch gleich so unglaublich geschmeichelt und geliebt vor."
"Das darfst du auch", er nimmt auch ihre andere Hand beugt sich zu ihr. "Denn du sieht einfach unglaublich schmeichelhaft und liebenswert aus."
"Das will ich doch hoffen", ein Kuss, kurz nur. Er wird schnell unterbrochen von allgemeinem Rufen und Applaus. Luke zupft verlegen an seiner Hose, Lorelai schüttelt lachend den Kopf. "Ich denke ich werde Mal die Runde machen", kündigt sie an, während sie aufsteht, den schlichten Rock ihres Kleides glatt streicht, keine Spitze, keine Stickereien, seidenes Elfenbein, das sanft ausladend zu Boden strömt. Das einzige Schmuckstück sind die Knöpfe an den engen Ãrmeln, genügsam platziert reichen sie bis zum Ellenbogen, wo der Stoff, anschmiegsam wie eine Katze, beginnt sich seinen Weg ohne sie zu den Schultern zu bahnen, knapp unter dem Schlüsselbein in einem sanft geschwungenen Dekolletee endet. Keine Kette ziert es, kein Kollier, sparsam ist sie umgegangen mit Gold und glitzernden Steinen. Natürlich, der Verlobungsring, er funkelt verheiÃungsvoll an ihrem Finger, versteckt beinahe den schlichten Ehering, ein Band aus Platin, frei von jeder Zierde. Doch das Diadem, es überstrahlt alles, ihr Vater hat es ihr geschenkt, sonst hätte sie sich diese Extravaganz niemals leisten können. Ein schmaler Reif besetzt mit Diamantenstaub und kunstvoll geschliffenen Steinen, ein Erbstück, schon ihre UrgroÃmutter trug es bei ihrer Hochzeit, ebenso wie deren Mutter, so wie sie es jetzt tut. (Die logische Reihe, sie hat sie nicht vollendet, ahnt nichts von den Tränen die heimlich darauf vergossen wurden, schwer und salzig. Will es gar nicht wissen. Wozu sich den Tag mit unangenehmen Details verderben?) So ist alles wie in ihren Träumen, selbst die Schuhe, sie hat sie gefunden, elfenbeinfarben und elegant.
Sie steht also auf und bahnt sich ihren Weg durch den Saal, tänzelt beinahe durch die Reihen der Tische, der Blumenarrangements, Lilien und Orchideen. Bleibt hier und dort stehen, nimmt die Glückwünsche und Komplimente entgegen, während sie selbst das Gefühl hat platzen zu müssen, falls man es denn tatsächlich kann, platzen vor Glück.
Was ihr entgeht, ist der Blick. Das Augenpaar, das auf ihr liegt, es schon den ganzen Tag tut. Stolz ruht darin, jeder kann es sagen, doch was keiner sieht, an so einem Tag auch niemand darin vermuten würde, an so einem Tag auch niemand darin suchen würde, es ist Melancholie. Eine gewisse Schwermut gepaart mit Unverständnis und Zorn. Er weià selbst nicht weshalb er so empfindet, weshalb er dieses Ereignis nicht einfach genieÃen kann, so wie jeder andere. Weshalb er sich nicht einfach an ihrem Anblick erfreuen kann, weshalb er das nagende Gefühl in seiner Magengegend nicht abschalten kann. Ebenso wenig wie er begreift, wie sie so gelöst sein kann. Natürlich, es ist ihr Hochzeitstag, an keinem anderen Tag hätte sie mehr Recht dazu. Aber hätte nicht auch Emily das Recht gehabt, sie so zu sehen? Trotz allem was war, sie sollte hier sein. Vielleicht hättest du etwas sagen sollen, schilt er sich selbst. Aber woher hätte er denn ahnen sollen, dass Lorelais Groll so weit geht? Bis vor wenigen Stunden war er der festen Ãberzeugung gewesen, sie würde kommen, würde hier sein. Doch sie ist es nicht. Und ein flüchtiger Blick auf die Gästeliste hat ihm die Gewissheit verschafft, dass es so sein sollte. Sie war nicht hier, weil Lorelai es nicht wollte. Aber wie, fragt er sich, fragt er seine Tochter stumm, wie kann es dir so gleichgültig sein? Sieh in den Spiegel, Lorelai, ein kurzer Blick nur und auch du müsstest es sehen, müsstest sehen, dass du gerade heute nicht verleugnen kannst, wie ähnlich du ihr doch bist. Und nicht nur sie, nicht nur Lorelai, das Ganze hier, das gesamte Szenario, es erscheint ihm wie die gelungene Premiere einer völlig missglückten, Jahrzehnte zurückliegenden Generalprobe.
Er nimmt seinen Whiskey und steht auf, schleicht sich nach drauÃen, geht auf die Veranda des Dragon Fly. Das aufgeregte Gemurmel, die beschwingte Musik, all die Geräusche, sie werden unwillkürlich leiser, als sich die Tür hinter ihm schlieÃt. Er geht zur Brüstung und stellt sein Glas darauf ab, stützt sich mit beiden Händen auf das hölzerne Geländer, atmet die milde Sommerluft tief ein. Selbst das Wetter scheint sich zu erinnern, denkt er, selbst die Blumen verströmen denselben Duft.
"Richard?", sie sagt es so leise, dass er es beinahe überhört, dreht sich dennoch um, ist ein ums andere Mal überrascht wie schön sie aussieht. Ist ein ums andere Mal überrascht, dass er diesen Anblick nicht erträgt. Also wendet er sich wieder dem Garten zu, sieht das kurze Aufblitzen von Enttäuschung in ihrem Gesicht, obwohl er das Gras anstarrt. Hört, wie sich ihm ihre Schritte nähern, zuckt zusammen als ihre Hand sachte auf seiner Schulter zum Ruhen kommt. BeiÃt sich auf die Zunge als auch ihre Hand zurück zuckt. Anstatt seiner Schulter umfasst sie jetzt das Geländer, starrt ebenso wie er auf das Gras, schlieÃt irgendwann die Augen und schluckt als er ohne ein Wort wieder im Haus verschwindet und sich heimlich in das Arbeitszimmer seines Vaters schleicht, dort den Rest des Abends im wohligen Delirium verbringt.
"Dad?", sie kommt schwungvoll neben ihm zum Stehen, sieht ihn strahlend an. "Ist alles in Ordnung?"
"Natürlich", er nimmt sein Glas, trinkt einen tiefen Schluck. "Ich wollte nur den Blick hier genieÃen."
"Mmh", nickt sie. "Der Garten ist wunderschön um diese Jahreszeit."
"Du stehst ihm in nichts nach."
"Dad", Blut schieÃt in ihre Wangen über dieses unerwartete Kompliment.
"Das ist mein Ernst, Lorelai", bekräftigt er.
"Danke", sie beiÃt sich auf die Unterlippe und sieht ihn an. "Du sieht aber auch nicht schlecht aus, Gilmore", übergeht sie den kurzen Augenblick der stummen Verlegenheit, der entstanden ist.
"Danke", bedankt sich auch er, kämpft gleichzeitig gegen den Drang an etwas zu sagen, die andere Wahrheit auszusprechen. Lässt es, er will ihr den Tag nicht verderben. Nicht auch noch ihr. "Gibt es noch diesen Brauch", sagt er stattdessen. "Dass der Vater mit der Braut tanzt?"
"Den gibt es noch", bestätigt sie grinsend, nimmt ihn bei der Hand und zieht ihn zurück ins Hotel. Die Erinnerungen, sie bleiben auf der Veranda, schwirren vorbei an den Fenstern, durch die man eine fröhlich Hochzeitsgesellschaft sieht. Ein Vater, der seine lachende Tochter über die Tanzfläche wirbelt, ein Bräutigam, der vehement die Aufforderungen der städtischen Tanzlehrerin abwehrt, die Tochter der Braut, die das Szenario mit wachsamem Auge betrachtet, sich fragt, ob sie auch so lange wird warten müssen bis sie den Richtigen findet.
***
Die gesamte Hütte ist in das warme Licht von Kerzen getaucht, flackernde Gelbtöne, die sich mit dem leuchtenden Rot tausender Blütenblätter vermischen. Sie bleibt in der Tür stehen, ein überraschter, freudiger Aufschrei. "Luke!", sie greift mit beiden Händen nach seiner rechten, drückt sie fest. "Das ist so was von süÃ!"
"Allerdings", murmelt er nicht weniger überraschter als sie.
"Allerdings?", hakt sie nach. "Dann warst das also nicht du?"
"So gerne ich den Ruhm dafür einstecken würde - Nein, bestimmt nicht."
Mit gespieltem Vorwurf zieht sie eine Schnute und löst sich von ihm, betritt den Raum, steuert zielsicher das Bett an. "Ha!", triumphierend hebt sie eine Karte vom Kopfkissen auf, löst geschickt das Stück Schokolade, das daran baumelt und schiebt es sich in den Mund. "Enjoy, Rory", liest sie vor, während sie genüsslich die Schokolade in ihrem Mund zergehen lässt. "Ich habe einfach eine tolle Tochter", seufzt sie zufrieden und lässt sich auf das Bett fallen, Rosenblüten die in die Höhe wirbeln, auf ihrem Kleid und der weiÃen Bettwäsche zum ruhen kommen, sich in ihr gelocktes Haar verirren.
"Allerdings", bestätigt Luke, löst seine Krawatte, ein Verlangen, das er den ganzen Tag unterdrückt hat.
Sie richtet sich auf und mustert ihn. "Allerdings? Ist das alles, was du heute noch sagen wirst. Allerdings?"
"Allerdings", die Krawatte landet auf der Chaise Longe und er setzt sich auf den Bettrand, nimmt eines der Blütenblätter aus ihrem Haar, beugt sich nach vorne, küsst sie zum ersten Mal an diesem Tag ohne von freudigem Gejohle unterbrochen zu werden.
"Schön", seufzt sie zum hundertsten Mal an diesem Tag.
"Allerdings", bestätigt er und küsst sie ein zweites Mal, lässt dabei eine Hand zu ihren Rücken wandern, öffnet den ReiÃverschluss des Kleides und schiebt es an den Schultern zur Seite. Seine Lippen gleiten ihren Hals hinab, bedecken ihre Haut mit sanften Küssen. Bereitwillig lässt sie ihn auch den Rest ihres Kleides nach unten schieben, presst ihren Körper an seinen, knöpft langsam sein Hemd auf. Ihre Hände rutschen über seinen Rücken, als sie es zusammen mit dem Jackett von seinem Oberkörper streift, ihren Kopf an seiner Schulter verbirgt. "Ich liebe dich", sagt sie leise, küsst seine nackte Schulter, während sie sich von einer warmen Decke aus Geborgenheit einwickeln lässt, einem schützenden Schild geschmiedet aus Liebe und Vertrauen.
***
Vorsichtig angelt sie nach seinem Hemd, schlüpft so leise wie möglich hinein und schleicht sich ins Badezimmer. Bückt sich auf ihrem Weg dorthin, um das Diadem von ihrem Brautkleid aufzuheben, welches unordentlich auf dem Boden liegt, vergessen und zerknittert zwischen all den anderen unachtsam hingeworfenen Kleidungsstücken. Sie schlieÃt die Tür hinter sich, hebt zufrieden die Schultern und lässt sich auf den Boden fallen, zieht die Knie an, ein wohliger Schauer durchströmt sie, während sie mit den Fingern über die Diamanten streicht.
Kalt fühlen sie sich an, so wie alles in ihr selbst. Obwohl sie sich dagegen wehrt, bahnen sich einzelne Tränen den Weg über ihr Gesicht, landen auf den klaren Steinen. Sie zieht die Knie enger an sich, vergräbt ihr Gesicht im weichen Stoff ihres Kleides. Weià hinterher nicht mehr, wie lange sie so da saÃ, rappelt sich auf als sie leise Geräusche im Nebenzimmer vernimmt. Sie legt das Diadem vorsichtig auf den Rand des Waschbeckens und dreht das Wasser auf, wäscht sich das verschmierte Make Up aus dem Gesicht, trocknet es sorgfältig ab. Für einen Augenblick spielt sie mit dem Gedanken etwas Rouge aufzulegen, ihren Lidstrich wieder nachzuziehen, lässt es jedoch, geht stattdessen zurück ins Schlafzimmer.
Sein Anzug hängt fein säuberlich auf einem Kleiderbügel, die Schuhe stehen akkurat darunter. Langsam geht sie zum Bett, legt sich neben ihn. WeiÃ, dass er nicht schläft, nur vorgibt es zu tun. Die ganzen letzten Tage hatte sie gehofft es würde sich ändern, dass spätestens heute wieder alles beim Alten wäre. Aber dem war nicht so. Im Gegenteil, sein ablehnendes Verhalten hat sie nur noch tiefer verletzt. Sie starrt seinen Rücken an, legt schlieÃlich zögernd ihre Hand auf seinen Arm, registriert wieder das ablehnende Zucken, das seinen Körper durchströmt. Also löst sie sich von ihm und dreht sich zur Seite, presst ihr Gesicht fest in das Kissen und hält den Atem an, um den aufkeimenden Schrei in ihrer Kehle zu ersticken.
To be continued
ATN: Wedding Bell Blues Danke für das liebe Feedback. Wenn ihr besonders lieb zu mir seid, werd ich heut vielleicht noch was posten aber da müsst ihr schohn sehr umwerfend sein Hugs, Riska
die Erde still geküsst,
daà sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müÃt'.
Die Luft ging durch die Felder,
die Ãhren wogten sacht,
es rauschten leis die Wälder,
so sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus
Flog durch die stillen Lande
als flöge sie nach Haus.
Josef von Eichendorff
NEUN
Falls man es tatsächlich sein kann, falls man Besoffen vor Glück sein kann, so ist sie es. Schon als sie aufwachte, hat sie sich herrlich albern gefühlt, kribbelig und beschwingt. Und je mehr der Tag voranrückt, umso stärker wird dieses Gefühl. Ein Lächeln, als hätte sie Drogen genommen, breit und unauslöschlich, selbst wenn sie wollte, sie könnte nicht damit aufhören. Niemals hätte sie geglaubt, dass es tatsächlich so sein könnte, hat es für die romantische Lüge von Autoren und Regisseuren gehalten, die süÃe Verklärung von Musikern und Dichtern. Aber es ist wirklich so, jeder Teil von ihr ist zufrieden und satt. Und alles nur, denkt sie sich, während sie ihren Blick im Raum herumschweifen lässt, alles nur wegen einer dummen Formalität. Denn entbehrt es nicht jeder Logik sich wegen einer winzigen Unterschrift plötzlich so anders zu fühlen? Entbehrt es nicht jeder Logik, dass du all die Jahre davor weggelaufen bist?, hört sie eine Stimme. Sie klingt nicht böse, es ist kein Vorwurf, neckt sie mehr und ihr Lächeln wird ein Stück gröÃer, sie schüttelt den Kopf dabei. Halt die Klappe, Lorelai, mahnt sie sich selbst, lehnt sich behaglich in ihrem Stuhl zurück und ergreift seine Hand, drückt sie sachte.
"Schön", ist alles was sie seufzt, erwidert seinen Blick, versucht sich das Gefühl genau einzuprägen, das sanfte Prickeln als er ihre Wange küsst.
"Allerdings", antwortet er. "Schön und teuer."
"Luke", ruft sie aus und er spürt ihren Ellenbogen in seinen Rippen. "Das hier ist der Tag. Dieser eine besondere Tag und du denkst an Geld? Da komme ich mir doch gleich so unglaublich geschmeichelt und geliebt vor."
"Das darfst du auch", er nimmt auch ihre andere Hand beugt sich zu ihr. "Denn du sieht einfach unglaublich schmeichelhaft und liebenswert aus."
"Das will ich doch hoffen", ein Kuss, kurz nur. Er wird schnell unterbrochen von allgemeinem Rufen und Applaus. Luke zupft verlegen an seiner Hose, Lorelai schüttelt lachend den Kopf. "Ich denke ich werde Mal die Runde machen", kündigt sie an, während sie aufsteht, den schlichten Rock ihres Kleides glatt streicht, keine Spitze, keine Stickereien, seidenes Elfenbein, das sanft ausladend zu Boden strömt. Das einzige Schmuckstück sind die Knöpfe an den engen Ãrmeln, genügsam platziert reichen sie bis zum Ellenbogen, wo der Stoff, anschmiegsam wie eine Katze, beginnt sich seinen Weg ohne sie zu den Schultern zu bahnen, knapp unter dem Schlüsselbein in einem sanft geschwungenen Dekolletee endet. Keine Kette ziert es, kein Kollier, sparsam ist sie umgegangen mit Gold und glitzernden Steinen. Natürlich, der Verlobungsring, er funkelt verheiÃungsvoll an ihrem Finger, versteckt beinahe den schlichten Ehering, ein Band aus Platin, frei von jeder Zierde. Doch das Diadem, es überstrahlt alles, ihr Vater hat es ihr geschenkt, sonst hätte sie sich diese Extravaganz niemals leisten können. Ein schmaler Reif besetzt mit Diamantenstaub und kunstvoll geschliffenen Steinen, ein Erbstück, schon ihre UrgroÃmutter trug es bei ihrer Hochzeit, ebenso wie deren Mutter, so wie sie es jetzt tut. (Die logische Reihe, sie hat sie nicht vollendet, ahnt nichts von den Tränen die heimlich darauf vergossen wurden, schwer und salzig. Will es gar nicht wissen. Wozu sich den Tag mit unangenehmen Details verderben?) So ist alles wie in ihren Träumen, selbst die Schuhe, sie hat sie gefunden, elfenbeinfarben und elegant.
Sie steht also auf und bahnt sich ihren Weg durch den Saal, tänzelt beinahe durch die Reihen der Tische, der Blumenarrangements, Lilien und Orchideen. Bleibt hier und dort stehen, nimmt die Glückwünsche und Komplimente entgegen, während sie selbst das Gefühl hat platzen zu müssen, falls man es denn tatsächlich kann, platzen vor Glück.
Was ihr entgeht, ist der Blick. Das Augenpaar, das auf ihr liegt, es schon den ganzen Tag tut. Stolz ruht darin, jeder kann es sagen, doch was keiner sieht, an so einem Tag auch niemand darin vermuten würde, an so einem Tag auch niemand darin suchen würde, es ist Melancholie. Eine gewisse Schwermut gepaart mit Unverständnis und Zorn. Er weià selbst nicht weshalb er so empfindet, weshalb er dieses Ereignis nicht einfach genieÃen kann, so wie jeder andere. Weshalb er sich nicht einfach an ihrem Anblick erfreuen kann, weshalb er das nagende Gefühl in seiner Magengegend nicht abschalten kann. Ebenso wenig wie er begreift, wie sie so gelöst sein kann. Natürlich, es ist ihr Hochzeitstag, an keinem anderen Tag hätte sie mehr Recht dazu. Aber hätte nicht auch Emily das Recht gehabt, sie so zu sehen? Trotz allem was war, sie sollte hier sein. Vielleicht hättest du etwas sagen sollen, schilt er sich selbst. Aber woher hätte er denn ahnen sollen, dass Lorelais Groll so weit geht? Bis vor wenigen Stunden war er der festen Ãberzeugung gewesen, sie würde kommen, würde hier sein. Doch sie ist es nicht. Und ein flüchtiger Blick auf die Gästeliste hat ihm die Gewissheit verschafft, dass es so sein sollte. Sie war nicht hier, weil Lorelai es nicht wollte. Aber wie, fragt er sich, fragt er seine Tochter stumm, wie kann es dir so gleichgültig sein? Sieh in den Spiegel, Lorelai, ein kurzer Blick nur und auch du müsstest es sehen, müsstest sehen, dass du gerade heute nicht verleugnen kannst, wie ähnlich du ihr doch bist. Und nicht nur sie, nicht nur Lorelai, das Ganze hier, das gesamte Szenario, es erscheint ihm wie die gelungene Premiere einer völlig missglückten, Jahrzehnte zurückliegenden Generalprobe.
Er nimmt seinen Whiskey und steht auf, schleicht sich nach drauÃen, geht auf die Veranda des Dragon Fly. Das aufgeregte Gemurmel, die beschwingte Musik, all die Geräusche, sie werden unwillkürlich leiser, als sich die Tür hinter ihm schlieÃt. Er geht zur Brüstung und stellt sein Glas darauf ab, stützt sich mit beiden Händen auf das hölzerne Geländer, atmet die milde Sommerluft tief ein. Selbst das Wetter scheint sich zu erinnern, denkt er, selbst die Blumen verströmen denselben Duft.
"Richard?", sie sagt es so leise, dass er es beinahe überhört, dreht sich dennoch um, ist ein ums andere Mal überrascht wie schön sie aussieht. Ist ein ums andere Mal überrascht, dass er diesen Anblick nicht erträgt. Also wendet er sich wieder dem Garten zu, sieht das kurze Aufblitzen von Enttäuschung in ihrem Gesicht, obwohl er das Gras anstarrt. Hört, wie sich ihm ihre Schritte nähern, zuckt zusammen als ihre Hand sachte auf seiner Schulter zum Ruhen kommt. BeiÃt sich auf die Zunge als auch ihre Hand zurück zuckt. Anstatt seiner Schulter umfasst sie jetzt das Geländer, starrt ebenso wie er auf das Gras, schlieÃt irgendwann die Augen und schluckt als er ohne ein Wort wieder im Haus verschwindet und sich heimlich in das Arbeitszimmer seines Vaters schleicht, dort den Rest des Abends im wohligen Delirium verbringt.
"Dad?", sie kommt schwungvoll neben ihm zum Stehen, sieht ihn strahlend an. "Ist alles in Ordnung?"
"Natürlich", er nimmt sein Glas, trinkt einen tiefen Schluck. "Ich wollte nur den Blick hier genieÃen."
"Mmh", nickt sie. "Der Garten ist wunderschön um diese Jahreszeit."
"Du stehst ihm in nichts nach."
"Dad", Blut schieÃt in ihre Wangen über dieses unerwartete Kompliment.
"Das ist mein Ernst, Lorelai", bekräftigt er.
"Danke", sie beiÃt sich auf die Unterlippe und sieht ihn an. "Du sieht aber auch nicht schlecht aus, Gilmore", übergeht sie den kurzen Augenblick der stummen Verlegenheit, der entstanden ist.
"Danke", bedankt sich auch er, kämpft gleichzeitig gegen den Drang an etwas zu sagen, die andere Wahrheit auszusprechen. Lässt es, er will ihr den Tag nicht verderben. Nicht auch noch ihr. "Gibt es noch diesen Brauch", sagt er stattdessen. "Dass der Vater mit der Braut tanzt?"
"Den gibt es noch", bestätigt sie grinsend, nimmt ihn bei der Hand und zieht ihn zurück ins Hotel. Die Erinnerungen, sie bleiben auf der Veranda, schwirren vorbei an den Fenstern, durch die man eine fröhlich Hochzeitsgesellschaft sieht. Ein Vater, der seine lachende Tochter über die Tanzfläche wirbelt, ein Bräutigam, der vehement die Aufforderungen der städtischen Tanzlehrerin abwehrt, die Tochter der Braut, die das Szenario mit wachsamem Auge betrachtet, sich fragt, ob sie auch so lange wird warten müssen bis sie den Richtigen findet.
***
Die gesamte Hütte ist in das warme Licht von Kerzen getaucht, flackernde Gelbtöne, die sich mit dem leuchtenden Rot tausender Blütenblätter vermischen. Sie bleibt in der Tür stehen, ein überraschter, freudiger Aufschrei. "Luke!", sie greift mit beiden Händen nach seiner rechten, drückt sie fest. "Das ist so was von süÃ!"
"Allerdings", murmelt er nicht weniger überraschter als sie.
"Allerdings?", hakt sie nach. "Dann warst das also nicht du?"
"So gerne ich den Ruhm dafür einstecken würde - Nein, bestimmt nicht."
Mit gespieltem Vorwurf zieht sie eine Schnute und löst sich von ihm, betritt den Raum, steuert zielsicher das Bett an. "Ha!", triumphierend hebt sie eine Karte vom Kopfkissen auf, löst geschickt das Stück Schokolade, das daran baumelt und schiebt es sich in den Mund. "Enjoy, Rory", liest sie vor, während sie genüsslich die Schokolade in ihrem Mund zergehen lässt. "Ich habe einfach eine tolle Tochter", seufzt sie zufrieden und lässt sich auf das Bett fallen, Rosenblüten die in die Höhe wirbeln, auf ihrem Kleid und der weiÃen Bettwäsche zum ruhen kommen, sich in ihr gelocktes Haar verirren.
"Allerdings", bestätigt Luke, löst seine Krawatte, ein Verlangen, das er den ganzen Tag unterdrückt hat.
Sie richtet sich auf und mustert ihn. "Allerdings? Ist das alles, was du heute noch sagen wirst. Allerdings?"
"Allerdings", die Krawatte landet auf der Chaise Longe und er setzt sich auf den Bettrand, nimmt eines der Blütenblätter aus ihrem Haar, beugt sich nach vorne, küsst sie zum ersten Mal an diesem Tag ohne von freudigem Gejohle unterbrochen zu werden.
"Schön", seufzt sie zum hundertsten Mal an diesem Tag.
"Allerdings", bestätigt er und küsst sie ein zweites Mal, lässt dabei eine Hand zu ihren Rücken wandern, öffnet den ReiÃverschluss des Kleides und schiebt es an den Schultern zur Seite. Seine Lippen gleiten ihren Hals hinab, bedecken ihre Haut mit sanften Küssen. Bereitwillig lässt sie ihn auch den Rest ihres Kleides nach unten schieben, presst ihren Körper an seinen, knöpft langsam sein Hemd auf. Ihre Hände rutschen über seinen Rücken, als sie es zusammen mit dem Jackett von seinem Oberkörper streift, ihren Kopf an seiner Schulter verbirgt. "Ich liebe dich", sagt sie leise, küsst seine nackte Schulter, während sie sich von einer warmen Decke aus Geborgenheit einwickeln lässt, einem schützenden Schild geschmiedet aus Liebe und Vertrauen.
***
Vorsichtig angelt sie nach seinem Hemd, schlüpft so leise wie möglich hinein und schleicht sich ins Badezimmer. Bückt sich auf ihrem Weg dorthin, um das Diadem von ihrem Brautkleid aufzuheben, welches unordentlich auf dem Boden liegt, vergessen und zerknittert zwischen all den anderen unachtsam hingeworfenen Kleidungsstücken. Sie schlieÃt die Tür hinter sich, hebt zufrieden die Schultern und lässt sich auf den Boden fallen, zieht die Knie an, ein wohliger Schauer durchströmt sie, während sie mit den Fingern über die Diamanten streicht.
Kalt fühlen sie sich an, so wie alles in ihr selbst. Obwohl sie sich dagegen wehrt, bahnen sich einzelne Tränen den Weg über ihr Gesicht, landen auf den klaren Steinen. Sie zieht die Knie enger an sich, vergräbt ihr Gesicht im weichen Stoff ihres Kleides. Weià hinterher nicht mehr, wie lange sie so da saÃ, rappelt sich auf als sie leise Geräusche im Nebenzimmer vernimmt. Sie legt das Diadem vorsichtig auf den Rand des Waschbeckens und dreht das Wasser auf, wäscht sich das verschmierte Make Up aus dem Gesicht, trocknet es sorgfältig ab. Für einen Augenblick spielt sie mit dem Gedanken etwas Rouge aufzulegen, ihren Lidstrich wieder nachzuziehen, lässt es jedoch, geht stattdessen zurück ins Schlafzimmer.
Sein Anzug hängt fein säuberlich auf einem Kleiderbügel, die Schuhe stehen akkurat darunter. Langsam geht sie zum Bett, legt sich neben ihn. WeiÃ, dass er nicht schläft, nur vorgibt es zu tun. Die ganzen letzten Tage hatte sie gehofft es würde sich ändern, dass spätestens heute wieder alles beim Alten wäre. Aber dem war nicht so. Im Gegenteil, sein ablehnendes Verhalten hat sie nur noch tiefer verletzt. Sie starrt seinen Rücken an, legt schlieÃlich zögernd ihre Hand auf seinen Arm, registriert wieder das ablehnende Zucken, das seinen Körper durchströmt. Also löst sie sich von ihm und dreht sich zur Seite, presst ihr Gesicht fest in das Kissen und hält den Atem an, um den aufkeimenden Schrei in ihrer Kehle zu ersticken.
To be continued
ATN: Wedding Bell Blues Danke für das liebe Feedback. Wenn ihr besonders lieb zu mir seid, werd ich heut vielleicht noch was posten aber da müsst ihr schohn sehr umwerfend sein Hugs, Riska