17.05.2005, 13:01
so geht's weiter ...
Teil 5
Kim stieà einen Freudenschrei aus, kam auf ihn zugerannt und drückte ihn an sich. Er aber war so damit beschäftigt, die anderen zwei Personen anzustarren, dass ihm gar nicht erst einfiel, ihre Umarmung zu erwidern.
"Chriss! Na, das ist ja eine schöne Ãberraschung. Sieh mal, wen wir hier haben!", plapperte Kim schon drauf los.
"Tag.", sagte er höflich, obwohl er gar nicht höflich sein wollte. Er war hierher gekommen, weil er gedacht hatte, dies wäre er einzige Ort gewesen, an dem er nicht an Lilly erinnert wurde (was natürlich schwachsinnig war, denn schlieÃlich waren sie hier aufgewachsen), aber er hätte es wissen müssen. Sein Vater und Kim waren schon lange Zeit mit Lillys Mutter befreundet, also warum sollten sie sie nicht einladen?
"Hallo, Chriss.", antworteten Verena, Lillys Mutter und ihr Mann Jimmy.
Es wäre besser und leichter für ihn gewesen, wenn sie ihn angeschrien oder ihm Vorwürfe gemacht hätten. Seit Lilly damals abgehauen war, hatte er sie nicht mehr gesehen. Er war Schuld daran, dass Lilly, ohne jemandem Bescheid zu sagen, die Stadt verlassen hatte, was war so schwer daran, ihm wenigstens diesen Gefallen zu tun und sauer auf ihn zu sein? Doch stattdessen behandelten sie ihn wie immer. Als wäre er noch mit Lilly zusammen.
"Steh nicht so einsam da und setz dich!", forderte sein Vater ihn auf und wies auf den leeren Platz auf dem Sofa.
Obwohl sich alles in seinem Körper dagegen sträubte, lieà er sich gehorsam in das weiche Leder fallen.
"Möchtest du Kaffee haben, Schätzchen?"
Als Chriss bei diesem Kosenamen zusammenzuckte, mussten Verena, Jimmy und sein Vater grinsen.
"Ja."
"Wie trinkst du ihn?"
"Schwarz wie die Nacht.", antwortete er und spielte nervös mit seinen Fingern.
"Ha, also schon ein junger Mann geworden, wie, mein Junge?", fragte diesmal sein Vater und achtete gar nicht darauf, dass Chriss sich sichtlich unwohl fühlte.
"Ich bin 25, Dad."
"Weià ich doch. Also, wie lange ist es schon her, als wir dich das letzte Mal gesehen haben?"
"Keine Ahnung. Zehn Monate."
"Donnerwetter!", meinte Jimmy. "Wo wir schon beim Thema Kinder sind, wie geht's eigentlich Lilly?"
Chriss blieb fast das Herz stehen, als er ihren Namen hörte.
"Nun, sie ist sehr beschäftigt mit ihrer Arbeit.", antwortete Verena. "Sie ist, vor einem Jahr denke ich, nach England geflogen um dort ihr Studium zu beenden und bei ihrem Freund wohnen zu können. Wie hieà der doch gleich?
Ryan oder so was. Jedenfalls schien er mir ein anständiger Junge zu sein. Sie hat mir ein paar Fotos geschickt."
Sie kramte in ihrer Tasche herum und holte schlieÃlich einen dicken Packen Fotos heraus.
"Danke.", sagte Chriss abwesend, als Kim mit seinem Kaffee aus der Küche kam und ihn vor ihn auf den Tisch stellte. Während er Verenas Worte, vor allem 'bei ihrem Freund', verarbeitete, nahm er einen groÃen Schluck und verschluckte sich.
"Gott, Kim! Willst du mich umbringen?", keuchte er zwischen zwei Hustenanfälen. "Mit dem Zeug könntest du Tote aufwecken!"
"Ich glaube, er muss noch viel lernen.", sagte diese zu ihrem Mann, während sie neben Chriss stand und sich köstlich amüsierte.
"Jap. Er ist noch ein halber Mann.", stimmte er ihr zu und teilte ihren SpaÃ.
"Nur zu. Beschneidet mich, steckt mir Nadeln durch den ganzen Körper und lasst mich Büffel jagen."
"Ich sehe, du bist noch immer ganz schön humorvoll.", sagte Kim ein wenig ironisch und lieà sich neben ihren Mann auf das Sofa fallen.
"Ist er das?", fragte Jimmy und hielt Verena ein Foto hin.
"Ja. Ich sollte Lilly noch mal nach seinem Namen fragen."
"Ich finde, er sieht arrogant aus.", murmelte er. "So selbstverliebt."
"Er ist nur extrem selbstbewusst."
"Das ist doch dasselbe."
Während Verena und Jimmy in eine kleine Diskussion verfielen, ob 'arrogant', 'selbstverliebt' und 'extrem selbstbewusst' nun dasselbe war oder nicht, sahen Chriss' Vater und Kim besorgt zu ihm hin. Sie ahnten, dass er immer noch nicht über Lilly hinweg war und auch, dass er sich die Schuld an ihrem Verschwinden gab.
"WeiÃt du Chriss", meinte Kim, als sie sich die Fotos ansah. "Neben Ryan siehst du ziemlich mitgenommen aus. Du bist doch ein hüscher Junge, also warum lässt du dir die Bartstoppeln da? Das sieht wirklich schrecklich aus. Sowas passt nicht zu dir."
"Ich habe eine Vier-Stunden-Fahrt von Stuttgart hinter mir. Was erwartest du? Ich bin doch kein Model, das selbst nach einer heiÃen Nummer im Bett noch genauso aussieht, wie auf den Fotos.", antwortete Chriss genervt.
"Wäre aber besser. Vielleicht würdest du dann mehr mit Frauen ausgehen.", spaÃte Jimmy.
"Ich bin schon ein groÃer Junge, Jimmy. Du musst mich nicht mehr verkuppeln."
Mit einem herausfordernden Grinsen beugte sich Jimmy näher zu ihm hin und raunte: "Beweis es mir!"
Chriss beugte sich ebenfalls nach vorne und streckte Jimmy die Hand hin. "In einer Woche hab ich eine an der Stange."
"Eine Woche? Pah! Das würde sogar der Papst schneller schaffen. In drei Tagen."
"Schön, in drei Tagen.", antwortete Chriss und schlug ein.
Verdammt, fluchte er im selben Augenblick. Was habe ich mir da eingebrockt!
Das musste wohl wieder sein Stolz gewesen sein, der ihn dazu gebracht hatte, Jimmy beweisen zu wollen, dass er nicht verklemmt war und seine Dates selber regeln konnte.
Zufrieden lehnte Jimmy sich wieder zurück.
"Es ist ziemlich unfair, Wetten abzuschlieÃen, ob man es schafft, ein Mädchen rumzukriegen oder nicht.", sagte Kim.
"Er hat mich dazu angestiftet!", beschwerte sich Chriss und deutete auf Jimmy, als wäre dieser ein Schwerverbrecher.
"Du hättest ja nicht annehmen müssen. Du bist keine 15 mehr, Chriss, wo man immer cool und unberechenbar sein muss. Du musst uns nichts vormachen."
Zusätzlich zu seinem angeknacksten Stolz bekam er auch noch Schuldgefühle, als er Kim zuhörte. Und das zentnerschweren Gewicht, das schon seit zehn Jahren, seit Lilly ihn verlassen hatte, auf seinem Herzen lastete, wurde noch um einige Kilo schwerer. Er hatte nie mit jemandem über seine Gefühle, seine Ãngste und seine Gedanken geredet. Nie hatte er jemandem sagen können, wie sehr er Lilly geliebt hatte, wie er sich gefühlt hatte, als sie gegangen war. Und nach und nach, je mehr Jahre vergingen, machte sich das Bedürfnis in ihm breit, doch mit jemandem darüber zu reden.
Aber die einzige Person, die ihm wirklich zugehört, ihn verstanden, und ihm auch das Gefühl gegeben hatte, verstanden zu werden, war Lilly gewesen. Sie hatte ihn immer aufmerksam angesehen, während er ihr von seinen Problemen
erzählt hatte, und immer war sie da gewesen, wenn er sie gebraucht hatte. Kein einziges Mal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie es komisch fand, dass er sich häufiger bei ihr aussprach, als sie sich bei ihm. Und mit seiner groÃen Liebe war auch seine beste Freundin verschwunden ...
"Chriss?"
Die Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. "Was?"
"Ich habe dich gefragt, ob du noch bis zum Abendessen bleiben willst."
"Oh ... äh ... nein, ich muss langsam los.", stotterte er.
"Schon?", fragte Kim. "Nun, dann grüà mir meine Hannah. Und sag ihr, sie soll sich mal wieder hier blicken lassen."
"Klar.", antwortete er und stand auf.
"War schön, dich wieder zu sehen.", sagte Verena und umarmte ihn. Zu überrascht wegen dieser vertrauensvollen Geste erwiderte er sie nicht.
"Ja, finde ich auch.", antwortete er nur.
"Denk an die Wette.", grinste Jimmy und gab ihm einen Handschlag.
"Kommt drauf an, um wieviel du wettest."
"Fünfzehn Euro, dass du es nicht schaffst."
"Zwanzig. Und ich schaff's in weniger als drei Tagen."
"Abgemacht." Sie schlugen noch einmal ein, um ihre Wette zu besiegeln.
Kim schüttelte den Kopf. "Das arme Mädchen."
Es dauerte noch weitere zehn Minuten, bis Chriss endlich wieder im Auto saÃ. Und genau das tat er auch. Er saà in seinem Auto, fuhr aber nicht weg. Er starrte bloà vor sich hin.
"Ich bin froh, dass er wieder da ist.", sagte Kim im Haus zu Verena, während sie ihn vom Fenster aus beobachteten.
"Ich weiÃ."
"Was glaubst du, hat Lilly ihn schon gesehen?"
Verena zuckte mit den Schultern. "Ich denke nicht."
Sie sahen, wie er schlieÃlich abfuhr und aus der Ausfahrt bog.
"Ich frage mich gerade, wie sie wohl reagiert, wenn sie ihn sieht.", dachte Verena diesmal laut.
"Sie wird wahrscheinlich nicht sehr glücklich darüber sein."
"Hast du auch das Gefühl, er gibt sich die Schuld dafür?"
"Ja. Irgendwann wird er entweder mit jemandem darüber reden müssen, oder er wird daran zerfallen."
"Ich hoffe, er tut das, was gut für ihn ist."
"Das wird er. Da bin ich mir sicher."
Währenddessen kam Chriss gerade an der Stadtgrenze an, als er plötzlich scharf nach rechts abbog, wieder zurückfuhr und ein protestierendes Hupen seitens der nachfolgenden Autofahrer auslöste.
"Ihr könnt mich auch mal.", murmelte er und steuerte an sein Ziel zu, felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Er musste endlich etwas dagegen tun. Er musste von seiner Vergangenheit, von seinen Erinnerungen, von Lilly wegkommen. Oder es wenigstens versuchen. Er musste wissen, was er dachte. Was er fühlte. Ob er Lilly wirklich noch liebte, wie er die ganze Zeit glaute. Und er wusste, was zu tun war ...
Teil 5
Kim stieà einen Freudenschrei aus, kam auf ihn zugerannt und drückte ihn an sich. Er aber war so damit beschäftigt, die anderen zwei Personen anzustarren, dass ihm gar nicht erst einfiel, ihre Umarmung zu erwidern.
"Chriss! Na, das ist ja eine schöne Ãberraschung. Sieh mal, wen wir hier haben!", plapperte Kim schon drauf los.
"Tag.", sagte er höflich, obwohl er gar nicht höflich sein wollte. Er war hierher gekommen, weil er gedacht hatte, dies wäre er einzige Ort gewesen, an dem er nicht an Lilly erinnert wurde (was natürlich schwachsinnig war, denn schlieÃlich waren sie hier aufgewachsen), aber er hätte es wissen müssen. Sein Vater und Kim waren schon lange Zeit mit Lillys Mutter befreundet, also warum sollten sie sie nicht einladen?
"Hallo, Chriss.", antworteten Verena, Lillys Mutter und ihr Mann Jimmy.
Es wäre besser und leichter für ihn gewesen, wenn sie ihn angeschrien oder ihm Vorwürfe gemacht hätten. Seit Lilly damals abgehauen war, hatte er sie nicht mehr gesehen. Er war Schuld daran, dass Lilly, ohne jemandem Bescheid zu sagen, die Stadt verlassen hatte, was war so schwer daran, ihm wenigstens diesen Gefallen zu tun und sauer auf ihn zu sein? Doch stattdessen behandelten sie ihn wie immer. Als wäre er noch mit Lilly zusammen.
"Steh nicht so einsam da und setz dich!", forderte sein Vater ihn auf und wies auf den leeren Platz auf dem Sofa.
Obwohl sich alles in seinem Körper dagegen sträubte, lieà er sich gehorsam in das weiche Leder fallen.
"Möchtest du Kaffee haben, Schätzchen?"
Als Chriss bei diesem Kosenamen zusammenzuckte, mussten Verena, Jimmy und sein Vater grinsen.
"Ja."
"Wie trinkst du ihn?"
"Schwarz wie die Nacht.", antwortete er und spielte nervös mit seinen Fingern.
"Ha, also schon ein junger Mann geworden, wie, mein Junge?", fragte diesmal sein Vater und achtete gar nicht darauf, dass Chriss sich sichtlich unwohl fühlte.
"Ich bin 25, Dad."
"Weià ich doch. Also, wie lange ist es schon her, als wir dich das letzte Mal gesehen haben?"
"Keine Ahnung. Zehn Monate."
"Donnerwetter!", meinte Jimmy. "Wo wir schon beim Thema Kinder sind, wie geht's eigentlich Lilly?"
Chriss blieb fast das Herz stehen, als er ihren Namen hörte.
"Nun, sie ist sehr beschäftigt mit ihrer Arbeit.", antwortete Verena. "Sie ist, vor einem Jahr denke ich, nach England geflogen um dort ihr Studium zu beenden und bei ihrem Freund wohnen zu können. Wie hieà der doch gleich?
Ryan oder so was. Jedenfalls schien er mir ein anständiger Junge zu sein. Sie hat mir ein paar Fotos geschickt."
Sie kramte in ihrer Tasche herum und holte schlieÃlich einen dicken Packen Fotos heraus.
"Danke.", sagte Chriss abwesend, als Kim mit seinem Kaffee aus der Küche kam und ihn vor ihn auf den Tisch stellte. Während er Verenas Worte, vor allem 'bei ihrem Freund', verarbeitete, nahm er einen groÃen Schluck und verschluckte sich.
"Gott, Kim! Willst du mich umbringen?", keuchte er zwischen zwei Hustenanfälen. "Mit dem Zeug könntest du Tote aufwecken!"
"Ich glaube, er muss noch viel lernen.", sagte diese zu ihrem Mann, während sie neben Chriss stand und sich köstlich amüsierte.
"Jap. Er ist noch ein halber Mann.", stimmte er ihr zu und teilte ihren SpaÃ.
"Nur zu. Beschneidet mich, steckt mir Nadeln durch den ganzen Körper und lasst mich Büffel jagen."
"Ich sehe, du bist noch immer ganz schön humorvoll.", sagte Kim ein wenig ironisch und lieà sich neben ihren Mann auf das Sofa fallen.
"Ist er das?", fragte Jimmy und hielt Verena ein Foto hin.
"Ja. Ich sollte Lilly noch mal nach seinem Namen fragen."
"Ich finde, er sieht arrogant aus.", murmelte er. "So selbstverliebt."
"Er ist nur extrem selbstbewusst."
"Das ist doch dasselbe."
Während Verena und Jimmy in eine kleine Diskussion verfielen, ob 'arrogant', 'selbstverliebt' und 'extrem selbstbewusst' nun dasselbe war oder nicht, sahen Chriss' Vater und Kim besorgt zu ihm hin. Sie ahnten, dass er immer noch nicht über Lilly hinweg war und auch, dass er sich die Schuld an ihrem Verschwinden gab.
"WeiÃt du Chriss", meinte Kim, als sie sich die Fotos ansah. "Neben Ryan siehst du ziemlich mitgenommen aus. Du bist doch ein hüscher Junge, also warum lässt du dir die Bartstoppeln da? Das sieht wirklich schrecklich aus. Sowas passt nicht zu dir."
"Ich habe eine Vier-Stunden-Fahrt von Stuttgart hinter mir. Was erwartest du? Ich bin doch kein Model, das selbst nach einer heiÃen Nummer im Bett noch genauso aussieht, wie auf den Fotos.", antwortete Chriss genervt.
"Wäre aber besser. Vielleicht würdest du dann mehr mit Frauen ausgehen.", spaÃte Jimmy.
"Ich bin schon ein groÃer Junge, Jimmy. Du musst mich nicht mehr verkuppeln."
Mit einem herausfordernden Grinsen beugte sich Jimmy näher zu ihm hin und raunte: "Beweis es mir!"
Chriss beugte sich ebenfalls nach vorne und streckte Jimmy die Hand hin. "In einer Woche hab ich eine an der Stange."
"Eine Woche? Pah! Das würde sogar der Papst schneller schaffen. In drei Tagen."
"Schön, in drei Tagen.", antwortete Chriss und schlug ein.
Verdammt, fluchte er im selben Augenblick. Was habe ich mir da eingebrockt!
Das musste wohl wieder sein Stolz gewesen sein, der ihn dazu gebracht hatte, Jimmy beweisen zu wollen, dass er nicht verklemmt war und seine Dates selber regeln konnte.
Zufrieden lehnte Jimmy sich wieder zurück.
"Es ist ziemlich unfair, Wetten abzuschlieÃen, ob man es schafft, ein Mädchen rumzukriegen oder nicht.", sagte Kim.
"Er hat mich dazu angestiftet!", beschwerte sich Chriss und deutete auf Jimmy, als wäre dieser ein Schwerverbrecher.
"Du hättest ja nicht annehmen müssen. Du bist keine 15 mehr, Chriss, wo man immer cool und unberechenbar sein muss. Du musst uns nichts vormachen."
Zusätzlich zu seinem angeknacksten Stolz bekam er auch noch Schuldgefühle, als er Kim zuhörte. Und das zentnerschweren Gewicht, das schon seit zehn Jahren, seit Lilly ihn verlassen hatte, auf seinem Herzen lastete, wurde noch um einige Kilo schwerer. Er hatte nie mit jemandem über seine Gefühle, seine Ãngste und seine Gedanken geredet. Nie hatte er jemandem sagen können, wie sehr er Lilly geliebt hatte, wie er sich gefühlt hatte, als sie gegangen war. Und nach und nach, je mehr Jahre vergingen, machte sich das Bedürfnis in ihm breit, doch mit jemandem darüber zu reden.
Aber die einzige Person, die ihm wirklich zugehört, ihn verstanden, und ihm auch das Gefühl gegeben hatte, verstanden zu werden, war Lilly gewesen. Sie hatte ihn immer aufmerksam angesehen, während er ihr von seinen Problemen
erzählt hatte, und immer war sie da gewesen, wenn er sie gebraucht hatte. Kein einziges Mal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie es komisch fand, dass er sich häufiger bei ihr aussprach, als sie sich bei ihm. Und mit seiner groÃen Liebe war auch seine beste Freundin verschwunden ...
"Chriss?"
Die Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. "Was?"
"Ich habe dich gefragt, ob du noch bis zum Abendessen bleiben willst."
"Oh ... äh ... nein, ich muss langsam los.", stotterte er.
"Schon?", fragte Kim. "Nun, dann grüà mir meine Hannah. Und sag ihr, sie soll sich mal wieder hier blicken lassen."
"Klar.", antwortete er und stand auf.
"War schön, dich wieder zu sehen.", sagte Verena und umarmte ihn. Zu überrascht wegen dieser vertrauensvollen Geste erwiderte er sie nicht.
"Ja, finde ich auch.", antwortete er nur.
"Denk an die Wette.", grinste Jimmy und gab ihm einen Handschlag.
"Kommt drauf an, um wieviel du wettest."
"Fünfzehn Euro, dass du es nicht schaffst."
"Zwanzig. Und ich schaff's in weniger als drei Tagen."
"Abgemacht." Sie schlugen noch einmal ein, um ihre Wette zu besiegeln.
Kim schüttelte den Kopf. "Das arme Mädchen."
Es dauerte noch weitere zehn Minuten, bis Chriss endlich wieder im Auto saÃ. Und genau das tat er auch. Er saà in seinem Auto, fuhr aber nicht weg. Er starrte bloà vor sich hin.
"Ich bin froh, dass er wieder da ist.", sagte Kim im Haus zu Verena, während sie ihn vom Fenster aus beobachteten.
"Ich weiÃ."
"Was glaubst du, hat Lilly ihn schon gesehen?"
Verena zuckte mit den Schultern. "Ich denke nicht."
Sie sahen, wie er schlieÃlich abfuhr und aus der Ausfahrt bog.
"Ich frage mich gerade, wie sie wohl reagiert, wenn sie ihn sieht.", dachte Verena diesmal laut.
"Sie wird wahrscheinlich nicht sehr glücklich darüber sein."
"Hast du auch das Gefühl, er gibt sich die Schuld dafür?"
"Ja. Irgendwann wird er entweder mit jemandem darüber reden müssen, oder er wird daran zerfallen."
"Ich hoffe, er tut das, was gut für ihn ist."
"Das wird er. Da bin ich mir sicher."
Währenddessen kam Chriss gerade an der Stadtgrenze an, als er plötzlich scharf nach rechts abbog, wieder zurückfuhr und ein protestierendes Hupen seitens der nachfolgenden Autofahrer auslöste.
"Ihr könnt mich auch mal.", murmelte er und steuerte an sein Ziel zu, felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Er musste endlich etwas dagegen tun. Er musste von seiner Vergangenheit, von seinen Erinnerungen, von Lilly wegkommen. Oder es wenigstens versuchen. Er musste wissen, was er dachte. Was er fühlte. Ob er Lilly wirklich noch liebte, wie er die ganze Zeit glaute. Und er wusste, was zu tun war ...