19.05.2005, 11:06
Er lehnt an der Bar, froh darüber, dass der Whiskey langsam seine Wirkung zu zeigen beginnt, der Ãrger mit der goldgelben Flüssigkeit seine Kehle hinab rinnt. Hin und wieder gesellt sich einer seiner Geschäftspartner zu ihm (Seltsam schieÃt es ihm dabei durch den Kopf, eigentlich kennt er hier niemanden mit dem er nicht schon Geschäfte gemacht hätte) und man unterhält sich über diesen Vertrag oder jene Fusion.
âRichardâ, vernimmt er plötzlich eine sanfte Stimme, spürt eine Hand auf seinem Arm, Armreife die klickernd aneinander schlagen.
âCynthiaâ, begrüÃt er sie erfreut, nette Gesellschaft, eine angenehme Abwechslung.
âEs ist Ewigkeiten her seit wir uns das letzte Mal gesehen habenâ, erklärt sie und verzieht spielerisch ihren roten Mund, schiebt sich im selben Moment eine ihrer blond gesträhnten Locken aus der hohen Stirn.
âDas ist allerdings wahrâ, ein bestätigendes Nicken und sie mustert ihn mit funkelnden Augen.
âDu gestattest, dass ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?â, ohne eine Antwort abzuwarten setzt sie sich auf einen der Barhocker und er folgt ihrem Beispiel, bestellt sich einen neuen Whiskey, ihr einen Gin Tonic.
âWeiÃt duâ, sie lässt den Strohalm durch das Glas wandern, zum Klackern der Goldreife gesellt sich das Klirren der Eiswürfel. âWir sollten zusammen Essen gehen.â
âIst das eine Einladung?â
âAllerdings.â
âIch fürchte das kann ich nicht annehmen.â
âWeswegen?â, ruft sie erstaunt aus, verzieht dabei wieder den Mund, doch dieses Mal ist sie tatsächlich gekränkt.
âIch kann mich unmöglich von einer charmanten Frau wie dir einladen lassen, Cynthiaâ, er prostet ihr zu, grinst dabei. âDie Einladung geht selbstverständlich von mir aus.â
Sie lacht laut auf. âDas mag ich so an dir, Richard, du bist einer der wenigen letzten Gentlemen. Du hilfst einem aus dem Mantel, rückst einem den Stuhl zurecht.â, sie nippt an ihrem Drink. âBei meinem Ex-Mann konnte ich zuletzt froh sein, wenn er beim Sex die Hosen ausgezogen hatâ, sie hebt die Augenbrauen. âIch hoffe das war nicht zu intimâ, fügt sie entschuldigend hinzu.
âDas wird sich zeigen, wenn ich Peter das nächste Mal seheâ, entgegnet er gelassen, zumindest wirkt es so. âIch wusste nicht, dass die Scheidung schon durch istâ, wechselt er dennoch das Thema.
âSeit drei Tagenâ, ein Schulterzucken, gefolgt von einem viel zu lauten Lachen. âUnd ich bin froh, so unendlich froh, diese ganzen Anwälte und Klauseln und dieser gottverdammten Ehevertrag, niemals hätte ich den unterschreiben dürfenâ, ein Seufzen. âAber vor fünfzehn Jahren war ich auch dumm genug zu glauben, dass unsere Ehe ewig halten wird. Für immer und ewig, wie im Märchenâ, wieder lacht sie, leise dieses Mal. âS.cheiÃeâ, der Strohalm landet auf dem Tresen, sie trinkt einen tiefen Schluck und ihre Lippen hinterlassen einen roten Abdruck auf dem Glas. âTut mir leid.â
âDas muss es nichtâ, er nimmt ihre Hand drückt sie sanft. âMir ging esâ, er räuspert sich. âMir ging es ähnlichâ, er löst sich von ihr, umfasst sein Glas mit beiden Händen. âAls ich Emily kennen lernte, da dachte ich, dass wir, sie und ich, dass es nichts geben könnte, dass uns trennt. Aber es gab etwas, vieles sogar. Viele, unendlich kleine Nichtigkeiten. Nichtigkeiten und das warâs, es war vorbei. Wegen dummer, kleiner Nichtigkeiten.â
âBei mir und Peter war es genausoâ, gesteht sie. âWenn er mich wenigstens betrogen hätte, irgendein unglaublich wichtiger, spezieller, unverzeihlicher Grund, aber den gab es nicht. Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht und habe festgestellt, dass dieser verfluchter Kerl ganz bestimmt nicht der Mann ist mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen willâ, sie fährt sich durchs Haar, sieht ihn an. âAlso habe ich ihn verlassen. Bäng Bum Bäng, ich habe einfach meine Koffer gepackt und bin gegangen.â
âHat er nie versucht dich zurück zu gewinnen?â
âDochâ, ein Schnauben. âNatürlich.â
âAber?â, hakt er neugierig nach.
âSelbst da hat er die Hosen angelassenâ, sie leert ihr Glas, so wie Richard das seine. âEs ist an der Zeit für mich nach Hause gehenâ, erklärt sie und steht auf. âWürdest du mich begleiten?â
***
Er weià nicht so Recht was er davon halten soll, zeichnet mit dem rechten Schuh Muster in die Erde, während er auf sie wartet. Seltsam ist es, schön, erregend. So wie sie. Er weià nicht weswegen, aber sie fasziniert ihn, alles an ihr fasziniert ihn, obwohl sie so überhaupt nicht seinem Typus Frau entspricht. Dafür ist sie zu, zu was? Zu seriös? Er lacht leise bei dem Gedanken, seriös, niemals wäre ihm der Gedanke gekommen dieses Wort im Zusammenhang mit einer Frau zu gebrauchen. Doch so ist es, die Aura der Seriosität und Perfektion umschwirrt sie. Und da ist noch etwas anderes, etwas das er nicht zu benennen vermag, etwas in ihren Augen, verborgen und doch für jeden sichtlich spiegelt es sich in diesem Blau eines warmen Sommermorgens.
âDa bin ich wiederâ, ein Kichern, sie hält ihm einen Schlüssel unter die Nase. âKommâ, nimmt sie ihn an der Hand, zieht ihn zu dem kleinen Bungalow der unweit der Stallungen liegt.
âWo sind wir?â, fragt er als sie die Tür öffnet, den Lichtschalter betätigt und der Raum in warmes Licht getaucht wird.
âDas hierâ, erklärt sie, breitet dabei weit die Arme aus als wolle sie ihm die Immobilie anpreisen. âIst der Ort der Orteâ, ein weiteres Kichern.
âDer Ort der Orteâ, wiederholt er skeptisch, beginnt durch das Zimmer zu streifen.
âMmmhâ, bestätigt sie. âEin Fluch liegt darauf.â
âDu bist verrückt.â
âHattest du mir diese Eigenschaft nicht vor ein paar Minuten noch gänzlich abgesprochen?â
âIch habe lediglich gesagt, dass du nie etwas Verrücktes zu tun scheinst.â
âIst das nicht dasselbe?â, sie lässt sich in einen der Sessel fallen, zieht ihre Beine an sich. âIst das Verrückt genug?â, schiebt sie eine weitere Frage hinterher.
âIch würde es nicht als sonderlich Verrückt oder Gefährlich bezeichnen in das Hotel meiner Mutter einzubrechen.â
âAuch dann nicht wenn man es zusammen mit einem Psychopaten tut?â, kontert sie.
âWieso ist dieser Ort verflucht?â, antwortet er mit einer Gegenfrage, setzt sich in den Sessel neben sie.
âEr hat magische Kräfte.â
âUnd du bist tatsächlich verrückt!â
âEhrlichâ, sie richtet sich Kerzengerade auf, lehnt sich ihm entgegen. âJedes Paar das hier auch nur wenige Stunden verbracht hat, wird es dir bestätigen. Frag meine GroÃeltern.â
âMysteriös.â
âHier wurde meine kleine Schwester gezeugt â und das obwohl das nicht hätte passieren dürfen.â
âDu hast eine Schwester?â
âNoch nichtâ, sie lässt sich wieder zurückfallen. âIn ein paar Monaten. Vielleicht wird es auch ein Junge, aber ich kann mir offen gestanden nicht vorstellen, dass es ein Junge wird. Ich meine ein Bruder, das ist so als hätte man den Feind im eigenen Haus.â
âMänner sind also Feinde für dich?â
âNicht grundsätzlich. Nicht alle.â
âWas ist mit mir?â
âIch kenne dich nicht gut genug um das zu beurteilen.â
âWenn das so istâ, er steht auf und steuert zielsicher die Minibar an. âDann sollten wir vielleicht feststellen, ob ich deinem Feindbild entspreche ehe wir diese Konversation fortführen.â
âUnd wie?â
Er öffnet zwei Heineken. âWas zeichnet deine Feinde denn aus?â
âSie sind Männerâ, erwidert sie grinsend.
âIch denke, dass trifft auch auf mich zu.â
âSie sehen gut ausâ, sagt sie, nimmt gleichzeitig eine der grünen Flaschen entgegen. âMänner die nicht gut aussehen sind nämlich grundsätzlich nett, das ist interessant, findest du nicht?â
âFindest du, dass ich gut aussehe?â
âLeider, jaâ, gesteht sie, spürt wie ihr Blut in die Wangen schieÃt.
âDann wären das schon zwei Punkteâ, er setzt sich neben sie. âWeiter.â
âSie sind in der Regel gute Küsser.â
âIch kann dir gerne die Nummern von ein paar Mädchen geben, die dir sicherlich bereitwillig Auskunft über meine Qualitäten als Küsser geben.â
âDas wird nicht nötig seinâ, er zeigt keine Reaktion, sie legt die Stirn in Falten. âDie Parkbank!?!?â
âOh, ja richtig. Die Parkbank.â
âDie Parkbankâ, nickt sie, zischt verärgert, obwohl sie weiÃ, dass er sie nur aufziehen will.
âUnd?â
âUnd was?â
âPunktestand?â
âDrei zu null.â
âWowh, meine Chancen bei dir sinken rapide.â
âBist du verheiratet?â
âNeinâ, er kann sich ein Lachen ob dieser doch Recht seltsamen Frage nicht verkneifen, verheiratet, er ist zweiundzwanzig. âAber ich bin ein begehrter Junggeselle, es wäre also kein Problem eine Ehefrau aufzutreiben, wenn das den Ausgleich schafft.â
âBestimmt nicht.â
âDarf ich das als ein Drei zu Eins deuten?â
âNein, ich wollte lediglich sicher gehen, dass ich mich nicht schon wieder in eine Ehe dränge und sie kaputt mache.â
âDu zerstörst Ehen? Interessantes Hobby.â
âJa, aber mit der Zeit verliert es an Befriedigung.â
âWeswegen?â
âSchuldgefühle und so.â
âDie musst du bei mir jedenfalls nicht haben, ich bin ungebundener als ein Blatt im Wind.â
âNette Metapher.â
âAlso?â
âAlso was?â
âWeswegen sind wir wirklich hier?â
âDas hier ist ein Hotelzimmer, Logan.â
âMir ist das bewusst, allerdings weià ich nicht, wie du das siehst.â
âIch habe dich hergebracht.â
âAber weswegen?â
âUm zu sehen, wie es ist.â
âWas?â
âSpaà zu haben, einfach so. Spaà ohne jede Verpflichtung.â
âIch bin ein groÃer Fan von Spaà ohne Verpflichtungen.â
âGutâ, sie nimmt ihm die Flasche aus der Hand und stellt sie zusammen mit ihrer auf ein kleines Tischchen, nähert sich ihm vorsichtig, Hände die suchend umherwandern, Münder die aufeinanderprallen. Da ist er wieder, der Geschmack von Bier. Bier und Leidenschaft, eine seltsame Kombination, dennoch ist es der einzige Geschmack, den sie im Moment erträgt. Also saugt sie ihn in sich auf, gestattet es ihm jeden noch so kleinen Teil ihres Körpers zu erfüllen, streift ihre Kleider ab, ihr Selbst. Häutet sich unter den warmen Wogen des Vergessens, denn da ist nichts, nichts auÃer ihr und ihm. Sie beide und der Geschmack von Bier und Leidenschaft, Geschmack und Gerüche, Berührungen und Begehren, leise Schwüre, ein letztes Aufbäumen der Sinne.
***
Ein Kopf, der an seiner Schulter ruht, eine Flut von weichem Haar, ein Arm, der sich um seinen Brustkorb schlingt. Vorsichtig löst er sich aus dieser Umarmung und steht auf, zieht sich so leise wie möglich an. Tastet sich anschlieÃend im Dunkeln aus dem Zimmer, durchwandert den Salon, tritt durch die groÃe Glastür auf den Balkon und zieht sein Mobiltelefon aus der Jacketttasche. Das Tuten des Telefons vermischt sich alsbald mit dem Klopfen seines Herzens. Er weià nicht weswegen er es tut, weswegen er sie ausgerechnet jetzt anruft. Genauso wie er weiÃ, dass er es tun muss. Es hat nichts mit schlechtem Gewissen zu tun, er bereut nicht, bereut es nicht mit Cynthia geschlafen zu haben, im Gegenteil. Da ist etwas anderes, eine unbestimmtes Etwas, irgendwo. âEmily?â, sagt er sobald er das Klacken eines aufgenommenen Telefonhörers vernimmt.
âIst etwas passiert?â, erkundigt sie sich unruhig, voller Hast.
âNeinâ, beruhigt er sie erstaunt. âWie kommst du denn darauf?â
âEs ist mitten in der Nacht und du rufst mich von deinem Mobiltelefon aus an.â
âWoher weiÃt du?â
âRufnummernanzeige, Richard.â
âFortschrittlich.â
âWillkommen im 21. Jahrhundertâ , er stellt er sich vor wie sie lächelt, tut es selbst. âAlso, wo bist du?â
âWillst du das wirklich wissen?â
Ein Lachen. âVermutlich nichtâ
âIch muss mich entschuldigen.â
âWofür?â
âDafür, dass ich dich als paranoid bezeichnet habe.â
âSie ist wütend geworden.â
âAllerdings.â
âIch habe dich gewarnt.â
âDas hast du.â
âWeswegen hast du es ihr dann gesagt?â
âWeil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie mir daraus einen Vorwurf macht.â
âAber genau das habe ich dir gesagt.â
âIch dachte du übertreibst.â
âSie wird sich wieder beruhigen.â
âWas macht dich da so sicher?â
âSie wird mir die Schuld geben und du bist raus aus der Sache.â
âÃbertreib nicht, Emily.â
âEs ist in Ordnung.â
âSie ist schwanger.â Stille am anderen Ende der Leitung. âIch hätte es dir schon früher sagen sollen, ich weiÃ. Aber ich wollte, dass sie es selbst tutâ, er wartet, keine Reaktion als Schweigen. âEmily?â, fragt er also.
âSieht sie gut aus?â
âWer? Lorelai? Natürl-â
[i]âDie Frau bei der du bistâ, fällt sie ihm ins Wort. [/i]
âDas tut sieâ, er starrt in die Nacht. âAber es ist nicht dasselbe. Das war es nie.â
[i]âGewohnheit, das ist alles.â [/i]
âVielleicht.â
Ein kurzer Moment des Zögerns, er kann förmlich sehen wie sie die Lippen aufeinander presst. âGute Nacht, Richardâ, sagt sie schlieÃlich leise, der Tonfall erinnert ihn an den einer Mutter, die ihr Kind zu Bett bringt.
âGute Nachtâ, er klappt das Telefon zusammen und starrt auf die Leuchtanzeige bis sie erlischt. Dann geht er zurück in das Haus, zurück in ihr Schlafzimmer.
***
Sie zieht ein Kleid aus dem Schrank, zieht es an und betrachtet sich im Spiegel. Sie ist zufrieden mit dem was sie sieht, natürlich, kein junges Mädchen mehr, aber auch keine alte Frau. Passabel, denkt sie und zupft den bordeauxfarbenen Stoff zurecht, geht dabei zu ihrer Schmuckschatulle und holt eine goldene Kette hervor. Denkst du nicht, es wäre dann langsam an der Zeit zu gewinnen, Emily?, schieÃen ihr Williams Worte in den Kopf, sie tun es oft in letzter Zeit und immer öfter beantwortet sie sie mit einem stillen Ja. Ein Lächeln auf den Lippen, legt sie die Kette an und wirft sich einen letzten prüfenden Blick zu, schlieÃt die Augen als sie das Klingeln der Türglocke vernimmt, lächelt dabei noch mehr. Sie weià nicht weswegen es passiert ist oder wann. Weià nur, dass es passiert ist. Das sie sich plötzlich dabei ertappt hat, morgens doppelt soviel Zeit darauf zu verwenden sich zurechtzumachen, das Make Up sorgfältiger aufzulegen als sonst wenn er in der Stadt ist. Es tut weil sie ihm gefallen will. Dass ihr Herz jedes Mal einen kleinen Sprung macht, wenn sie ihn sieht, ihre Hände feucht werden vor Aufregung, elektrisch geladene Teilchen die Luft zu durchschwirren scheinen.
Sie versucht die Tür nicht zu hastig zu öffnen, ruhig zu bleiben, doch gelingen will es ihr nicht, zulange ist es her seit sie ihn zuletzt gesehen hat, zu sehr hat sie ihn vermisst. Genauso wenig wie sie fähig ist etwas anderes auf seine BegrüÃung zu erwidern als ein schwaches Nicken, ein leises Murmeln das vieles bedeuten könnte. Sie räuspert sich und bittet ihn herein, wehrt sich nicht als er sie am Arm packt und zurückhält, ihre Hand nimmt, sie sanft drückt, ein warmer Strom ihren Körper durchzuckt. Im Gegenteil, sie rückt ein Stück auf ihn zu, saugt sein Lächeln in sich auf, schüttelt die letzten Reste der kindischen Befangenheit von sich ab, als sie seinen warmen Atem auf ihre Haut spürt. Lippen die sich suchen, sich finden, ihre Münder die sich zögernd treffen, Pulsschläge die sich verschnellern, Blut das in ihren Ohren rauscht. Es sind kleine Küsse, sanft und weich, sie werden nur langsam länger, nur langsam öffnen sich ihre Lippen. Sie rücken näher aneinander, die Handflächen noch immer fest ineinander geschlungen, während die andere sich um ihren Rücken schmiegt, in seinem Nacken ruht, ihr Atem schwerer wird, Zungen die sich scheu umkreisen, wie zwei Magneten unweigerlich zueinander finden. Das Gefühl erfasst sie wie eine riesige Flutwelle, spült sie weit weg vom hier und jetzt, sie stehen still, drehen sich um die Erde, das Universum um sie, zwei Sandkörner im Stundenglas der Unendlichkeit.
To be continued
ATN: Ein Kapitel aus Plüsch, selbstgenäht
Riska
âRichardâ, vernimmt er plötzlich eine sanfte Stimme, spürt eine Hand auf seinem Arm, Armreife die klickernd aneinander schlagen.
âCynthiaâ, begrüÃt er sie erfreut, nette Gesellschaft, eine angenehme Abwechslung.
âEs ist Ewigkeiten her seit wir uns das letzte Mal gesehen habenâ, erklärt sie und verzieht spielerisch ihren roten Mund, schiebt sich im selben Moment eine ihrer blond gesträhnten Locken aus der hohen Stirn.
âDas ist allerdings wahrâ, ein bestätigendes Nicken und sie mustert ihn mit funkelnden Augen.
âDu gestattest, dass ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?â, ohne eine Antwort abzuwarten setzt sie sich auf einen der Barhocker und er folgt ihrem Beispiel, bestellt sich einen neuen Whiskey, ihr einen Gin Tonic.
âWeiÃt duâ, sie lässt den Strohalm durch das Glas wandern, zum Klackern der Goldreife gesellt sich das Klirren der Eiswürfel. âWir sollten zusammen Essen gehen.â
âIst das eine Einladung?â
âAllerdings.â
âIch fürchte das kann ich nicht annehmen.â
âWeswegen?â, ruft sie erstaunt aus, verzieht dabei wieder den Mund, doch dieses Mal ist sie tatsächlich gekränkt.
âIch kann mich unmöglich von einer charmanten Frau wie dir einladen lassen, Cynthiaâ, er prostet ihr zu, grinst dabei. âDie Einladung geht selbstverständlich von mir aus.â
Sie lacht laut auf. âDas mag ich so an dir, Richard, du bist einer der wenigen letzten Gentlemen. Du hilfst einem aus dem Mantel, rückst einem den Stuhl zurecht.â, sie nippt an ihrem Drink. âBei meinem Ex-Mann konnte ich zuletzt froh sein, wenn er beim Sex die Hosen ausgezogen hatâ, sie hebt die Augenbrauen. âIch hoffe das war nicht zu intimâ, fügt sie entschuldigend hinzu.
âDas wird sich zeigen, wenn ich Peter das nächste Mal seheâ, entgegnet er gelassen, zumindest wirkt es so. âIch wusste nicht, dass die Scheidung schon durch istâ, wechselt er dennoch das Thema.
âSeit drei Tagenâ, ein Schulterzucken, gefolgt von einem viel zu lauten Lachen. âUnd ich bin froh, so unendlich froh, diese ganzen Anwälte und Klauseln und dieser gottverdammten Ehevertrag, niemals hätte ich den unterschreiben dürfenâ, ein Seufzen. âAber vor fünfzehn Jahren war ich auch dumm genug zu glauben, dass unsere Ehe ewig halten wird. Für immer und ewig, wie im Märchenâ, wieder lacht sie, leise dieses Mal. âS.cheiÃeâ, der Strohalm landet auf dem Tresen, sie trinkt einen tiefen Schluck und ihre Lippen hinterlassen einen roten Abdruck auf dem Glas. âTut mir leid.â
âDas muss es nichtâ, er nimmt ihre Hand drückt sie sanft. âMir ging esâ, er räuspert sich. âMir ging es ähnlichâ, er löst sich von ihr, umfasst sein Glas mit beiden Händen. âAls ich Emily kennen lernte, da dachte ich, dass wir, sie und ich, dass es nichts geben könnte, dass uns trennt. Aber es gab etwas, vieles sogar. Viele, unendlich kleine Nichtigkeiten. Nichtigkeiten und das warâs, es war vorbei. Wegen dummer, kleiner Nichtigkeiten.â
âBei mir und Peter war es genausoâ, gesteht sie. âWenn er mich wenigstens betrogen hätte, irgendein unglaublich wichtiger, spezieller, unverzeihlicher Grund, aber den gab es nicht. Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht und habe festgestellt, dass dieser verfluchter Kerl ganz bestimmt nicht der Mann ist mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen willâ, sie fährt sich durchs Haar, sieht ihn an. âAlso habe ich ihn verlassen. Bäng Bum Bäng, ich habe einfach meine Koffer gepackt und bin gegangen.â
âHat er nie versucht dich zurück zu gewinnen?â
âDochâ, ein Schnauben. âNatürlich.â
âAber?â, hakt er neugierig nach.
âSelbst da hat er die Hosen angelassenâ, sie leert ihr Glas, so wie Richard das seine. âEs ist an der Zeit für mich nach Hause gehenâ, erklärt sie und steht auf. âWürdest du mich begleiten?â
***
Er weià nicht so Recht was er davon halten soll, zeichnet mit dem rechten Schuh Muster in die Erde, während er auf sie wartet. Seltsam ist es, schön, erregend. So wie sie. Er weià nicht weswegen, aber sie fasziniert ihn, alles an ihr fasziniert ihn, obwohl sie so überhaupt nicht seinem Typus Frau entspricht. Dafür ist sie zu, zu was? Zu seriös? Er lacht leise bei dem Gedanken, seriös, niemals wäre ihm der Gedanke gekommen dieses Wort im Zusammenhang mit einer Frau zu gebrauchen. Doch so ist es, die Aura der Seriosität und Perfektion umschwirrt sie. Und da ist noch etwas anderes, etwas das er nicht zu benennen vermag, etwas in ihren Augen, verborgen und doch für jeden sichtlich spiegelt es sich in diesem Blau eines warmen Sommermorgens.
âDa bin ich wiederâ, ein Kichern, sie hält ihm einen Schlüssel unter die Nase. âKommâ, nimmt sie ihn an der Hand, zieht ihn zu dem kleinen Bungalow der unweit der Stallungen liegt.
âWo sind wir?â, fragt er als sie die Tür öffnet, den Lichtschalter betätigt und der Raum in warmes Licht getaucht wird.
âDas hierâ, erklärt sie, breitet dabei weit die Arme aus als wolle sie ihm die Immobilie anpreisen. âIst der Ort der Orteâ, ein weiteres Kichern.
âDer Ort der Orteâ, wiederholt er skeptisch, beginnt durch das Zimmer zu streifen.
âMmmhâ, bestätigt sie. âEin Fluch liegt darauf.â
âDu bist verrückt.â
âHattest du mir diese Eigenschaft nicht vor ein paar Minuten noch gänzlich abgesprochen?â
âIch habe lediglich gesagt, dass du nie etwas Verrücktes zu tun scheinst.â
âIst das nicht dasselbe?â, sie lässt sich in einen der Sessel fallen, zieht ihre Beine an sich. âIst das Verrückt genug?â, schiebt sie eine weitere Frage hinterher.
âIch würde es nicht als sonderlich Verrückt oder Gefährlich bezeichnen in das Hotel meiner Mutter einzubrechen.â
âAuch dann nicht wenn man es zusammen mit einem Psychopaten tut?â, kontert sie.
âWieso ist dieser Ort verflucht?â, antwortet er mit einer Gegenfrage, setzt sich in den Sessel neben sie.
âEr hat magische Kräfte.â
âUnd du bist tatsächlich verrückt!â
âEhrlichâ, sie richtet sich Kerzengerade auf, lehnt sich ihm entgegen. âJedes Paar das hier auch nur wenige Stunden verbracht hat, wird es dir bestätigen. Frag meine GroÃeltern.â
âMysteriös.â
âHier wurde meine kleine Schwester gezeugt â und das obwohl das nicht hätte passieren dürfen.â
âDu hast eine Schwester?â
âNoch nichtâ, sie lässt sich wieder zurückfallen. âIn ein paar Monaten. Vielleicht wird es auch ein Junge, aber ich kann mir offen gestanden nicht vorstellen, dass es ein Junge wird. Ich meine ein Bruder, das ist so als hätte man den Feind im eigenen Haus.â
âMänner sind also Feinde für dich?â
âNicht grundsätzlich. Nicht alle.â
âWas ist mit mir?â
âIch kenne dich nicht gut genug um das zu beurteilen.â
âWenn das so istâ, er steht auf und steuert zielsicher die Minibar an. âDann sollten wir vielleicht feststellen, ob ich deinem Feindbild entspreche ehe wir diese Konversation fortführen.â
âUnd wie?â
Er öffnet zwei Heineken. âWas zeichnet deine Feinde denn aus?â
âSie sind Männerâ, erwidert sie grinsend.
âIch denke, dass trifft auch auf mich zu.â
âSie sehen gut ausâ, sagt sie, nimmt gleichzeitig eine der grünen Flaschen entgegen. âMänner die nicht gut aussehen sind nämlich grundsätzlich nett, das ist interessant, findest du nicht?â
âFindest du, dass ich gut aussehe?â
âLeider, jaâ, gesteht sie, spürt wie ihr Blut in die Wangen schieÃt.
âDann wären das schon zwei Punkteâ, er setzt sich neben sie. âWeiter.â
âSie sind in der Regel gute Küsser.â
âIch kann dir gerne die Nummern von ein paar Mädchen geben, die dir sicherlich bereitwillig Auskunft über meine Qualitäten als Küsser geben.â
âDas wird nicht nötig seinâ, er zeigt keine Reaktion, sie legt die Stirn in Falten. âDie Parkbank!?!?â
âOh, ja richtig. Die Parkbank.â
âDie Parkbankâ, nickt sie, zischt verärgert, obwohl sie weiÃ, dass er sie nur aufziehen will.
âUnd?â
âUnd was?â
âPunktestand?â
âDrei zu null.â
âWowh, meine Chancen bei dir sinken rapide.â
âBist du verheiratet?â
âNeinâ, er kann sich ein Lachen ob dieser doch Recht seltsamen Frage nicht verkneifen, verheiratet, er ist zweiundzwanzig. âAber ich bin ein begehrter Junggeselle, es wäre also kein Problem eine Ehefrau aufzutreiben, wenn das den Ausgleich schafft.â
âBestimmt nicht.â
âDarf ich das als ein Drei zu Eins deuten?â
âNein, ich wollte lediglich sicher gehen, dass ich mich nicht schon wieder in eine Ehe dränge und sie kaputt mache.â
âDu zerstörst Ehen? Interessantes Hobby.â
âJa, aber mit der Zeit verliert es an Befriedigung.â
âWeswegen?â
âSchuldgefühle und so.â
âDie musst du bei mir jedenfalls nicht haben, ich bin ungebundener als ein Blatt im Wind.â
âNette Metapher.â
âAlso?â
âAlso was?â
âWeswegen sind wir wirklich hier?â
âDas hier ist ein Hotelzimmer, Logan.â
âMir ist das bewusst, allerdings weià ich nicht, wie du das siehst.â
âIch habe dich hergebracht.â
âAber weswegen?â
âUm zu sehen, wie es ist.â
âWas?â
âSpaà zu haben, einfach so. Spaà ohne jede Verpflichtung.â
âIch bin ein groÃer Fan von Spaà ohne Verpflichtungen.â
âGutâ, sie nimmt ihm die Flasche aus der Hand und stellt sie zusammen mit ihrer auf ein kleines Tischchen, nähert sich ihm vorsichtig, Hände die suchend umherwandern, Münder die aufeinanderprallen. Da ist er wieder, der Geschmack von Bier. Bier und Leidenschaft, eine seltsame Kombination, dennoch ist es der einzige Geschmack, den sie im Moment erträgt. Also saugt sie ihn in sich auf, gestattet es ihm jeden noch so kleinen Teil ihres Körpers zu erfüllen, streift ihre Kleider ab, ihr Selbst. Häutet sich unter den warmen Wogen des Vergessens, denn da ist nichts, nichts auÃer ihr und ihm. Sie beide und der Geschmack von Bier und Leidenschaft, Geschmack und Gerüche, Berührungen und Begehren, leise Schwüre, ein letztes Aufbäumen der Sinne.
***
Ein Kopf, der an seiner Schulter ruht, eine Flut von weichem Haar, ein Arm, der sich um seinen Brustkorb schlingt. Vorsichtig löst er sich aus dieser Umarmung und steht auf, zieht sich so leise wie möglich an. Tastet sich anschlieÃend im Dunkeln aus dem Zimmer, durchwandert den Salon, tritt durch die groÃe Glastür auf den Balkon und zieht sein Mobiltelefon aus der Jacketttasche. Das Tuten des Telefons vermischt sich alsbald mit dem Klopfen seines Herzens. Er weià nicht weswegen er es tut, weswegen er sie ausgerechnet jetzt anruft. Genauso wie er weiÃ, dass er es tun muss. Es hat nichts mit schlechtem Gewissen zu tun, er bereut nicht, bereut es nicht mit Cynthia geschlafen zu haben, im Gegenteil. Da ist etwas anderes, eine unbestimmtes Etwas, irgendwo. âEmily?â, sagt er sobald er das Klacken eines aufgenommenen Telefonhörers vernimmt.
âIst etwas passiert?â, erkundigt sie sich unruhig, voller Hast.
âNeinâ, beruhigt er sie erstaunt. âWie kommst du denn darauf?â
âEs ist mitten in der Nacht und du rufst mich von deinem Mobiltelefon aus an.â
âWoher weiÃt du?â
âRufnummernanzeige, Richard.â
âFortschrittlich.â
âWillkommen im 21. Jahrhundertâ , er stellt er sich vor wie sie lächelt, tut es selbst. âAlso, wo bist du?â
âWillst du das wirklich wissen?â
Ein Lachen. âVermutlich nichtâ
âIch muss mich entschuldigen.â
âWofür?â
âDafür, dass ich dich als paranoid bezeichnet habe.â
âSie ist wütend geworden.â
âAllerdings.â
âIch habe dich gewarnt.â
âDas hast du.â
âWeswegen hast du es ihr dann gesagt?â
âWeil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie mir daraus einen Vorwurf macht.â
âAber genau das habe ich dir gesagt.â
âIch dachte du übertreibst.â
âSie wird sich wieder beruhigen.â
âWas macht dich da so sicher?â
âSie wird mir die Schuld geben und du bist raus aus der Sache.â
âÃbertreib nicht, Emily.â
âEs ist in Ordnung.â
âSie ist schwanger.â Stille am anderen Ende der Leitung. âIch hätte es dir schon früher sagen sollen, ich weiÃ. Aber ich wollte, dass sie es selbst tutâ, er wartet, keine Reaktion als Schweigen. âEmily?â, fragt er also.
âSieht sie gut aus?â
âWer? Lorelai? Natürl-â
[i]âDie Frau bei der du bistâ, fällt sie ihm ins Wort. [/i]
âDas tut sieâ, er starrt in die Nacht. âAber es ist nicht dasselbe. Das war es nie.â
[i]âGewohnheit, das ist alles.â [/i]
âVielleicht.â
Ein kurzer Moment des Zögerns, er kann förmlich sehen wie sie die Lippen aufeinander presst. âGute Nacht, Richardâ, sagt sie schlieÃlich leise, der Tonfall erinnert ihn an den einer Mutter, die ihr Kind zu Bett bringt.
âGute Nachtâ, er klappt das Telefon zusammen und starrt auf die Leuchtanzeige bis sie erlischt. Dann geht er zurück in das Haus, zurück in ihr Schlafzimmer.
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Sie zieht ein Kleid aus dem Schrank, zieht es an und betrachtet sich im Spiegel. Sie ist zufrieden mit dem was sie sieht, natürlich, kein junges Mädchen mehr, aber auch keine alte Frau. Passabel, denkt sie und zupft den bordeauxfarbenen Stoff zurecht, geht dabei zu ihrer Schmuckschatulle und holt eine goldene Kette hervor. Denkst du nicht, es wäre dann langsam an der Zeit zu gewinnen, Emily?, schieÃen ihr Williams Worte in den Kopf, sie tun es oft in letzter Zeit und immer öfter beantwortet sie sie mit einem stillen Ja. Ein Lächeln auf den Lippen, legt sie die Kette an und wirft sich einen letzten prüfenden Blick zu, schlieÃt die Augen als sie das Klingeln der Türglocke vernimmt, lächelt dabei noch mehr. Sie weià nicht weswegen es passiert ist oder wann. Weià nur, dass es passiert ist. Das sie sich plötzlich dabei ertappt hat, morgens doppelt soviel Zeit darauf zu verwenden sich zurechtzumachen, das Make Up sorgfältiger aufzulegen als sonst wenn er in der Stadt ist. Es tut weil sie ihm gefallen will. Dass ihr Herz jedes Mal einen kleinen Sprung macht, wenn sie ihn sieht, ihre Hände feucht werden vor Aufregung, elektrisch geladene Teilchen die Luft zu durchschwirren scheinen.
Sie versucht die Tür nicht zu hastig zu öffnen, ruhig zu bleiben, doch gelingen will es ihr nicht, zulange ist es her seit sie ihn zuletzt gesehen hat, zu sehr hat sie ihn vermisst. Genauso wenig wie sie fähig ist etwas anderes auf seine BegrüÃung zu erwidern als ein schwaches Nicken, ein leises Murmeln das vieles bedeuten könnte. Sie räuspert sich und bittet ihn herein, wehrt sich nicht als er sie am Arm packt und zurückhält, ihre Hand nimmt, sie sanft drückt, ein warmer Strom ihren Körper durchzuckt. Im Gegenteil, sie rückt ein Stück auf ihn zu, saugt sein Lächeln in sich auf, schüttelt die letzten Reste der kindischen Befangenheit von sich ab, als sie seinen warmen Atem auf ihre Haut spürt. Lippen die sich suchen, sich finden, ihre Münder die sich zögernd treffen, Pulsschläge die sich verschnellern, Blut das in ihren Ohren rauscht. Es sind kleine Küsse, sanft und weich, sie werden nur langsam länger, nur langsam öffnen sich ihre Lippen. Sie rücken näher aneinander, die Handflächen noch immer fest ineinander geschlungen, während die andere sich um ihren Rücken schmiegt, in seinem Nacken ruht, ihr Atem schwerer wird, Zungen die sich scheu umkreisen, wie zwei Magneten unweigerlich zueinander finden. Das Gefühl erfasst sie wie eine riesige Flutwelle, spült sie weit weg vom hier und jetzt, sie stehen still, drehen sich um die Erde, das Universum um sie, zwei Sandkörner im Stundenglas der Unendlichkeit.
To be continued
ATN: Ein Kapitel aus Plüsch, selbstgenäht
