[sunshinesmile]

Feuer und Flamme


Rory war wahnsinnig aufgeregt. Sie saß in einem großen Gebäude in Waterbury. Durch Zufall hatte sie entdeckt, dass hier heute ein Vortrag von J.D. Salinger stattfinden sollte. Sie hatte sein Buch "Der Fänger im Roggen" schon zig-mal gelesen. Lange hatte sie versucht, Logan zu überreden, sie zu begleiten, doch er war nicht mitgekommen. Die Bücher waren einfach nicht seine Welt. Er war da ganz anders als Jess. Der konnte stundenlang über Bücher reden. Oh mein Gott. Sie konnte es selbst nicht fassen. Immerzu verglich sie Logan mit Jess.
"Hey Rory!"
Rory blickte auf und sah in Jess' Gesicht. Wenn man vom Teufel spricht, dachte sie schmunzelnd.
"Jess, was machst du denn hier?", fragte sie überrascht.
"Na hör mal. Dachtest du ein Jess Mariano würde sich eine Vorlesung von J.D. Salinger entgehen lassen?"
"Dann sind wir wohl aus dem selben Grund hier", stellte Rory grinsend fest und bot Jess den Platz neben sich an. Er setzte sich sofort zu ihr und die beiden warteten ungeduldig auf die Vorlesung.

2 Stunden später gingen sie wieder aus dem Saal. Sie hatten es beide sehr interessant gefunden und wollten sich noch länger darüber unterhalten. Also schlug Jess vor, auf der Dachterrasse einen Kaffee zu trinken.
"Wie geht es eigentlich...", begann Rory unsicher.
"...deiner Mum?", beendete Jess ihre Frage.
Rory nickte leicht.
"Der geht es gut. Sie fühlt sich aber ziemlich mies. Ihr solltet euch wohl aussprechen."
Als sie eine ganze Weile dort oben waren und den Ausblick genossen und sich nur über ihre Bücher unterhalten hatten, wollten sie allmählich wieder aufbrechen. Doch plötzlich hörten sie Schreie. Sie waren so schrecklich. Solche Schreie hatten sie noch nie in ihrem Leben gehört. Sie liefen zum Geländer und blickten in die Tiefe. Und da sahen sie auch schon den Rauch, der aus vielen Fenstern ins Freie gelang. Augenblicklich brach die Panik um sie herum aus. Überall schrien und weinten die Menschen, nur Rory und Jess blieben noch eine Weile stehen. Sie brauchten einige Zeit, um zu begreifen, was gerade vor sich ging. Endlich zeigte sich eine Regung in Jess.
"Scheiße, ich denke, wir sollten besser verschwinden."
Weil sich Rory noch immer nicht rührte, packte er ihren Arm und zog sie mit sich zum Lift. Endlich erwachte Rory wieder zum Leben und begann zu laufen. Als sie am Lift angelangt waren, erfuhren sie, dass dieser außer Betrieb war, also mussten sie die Treppe nehmen. Sie liefen und liefen und trafen auf immer mehr Leute, die wie wild durch die Gegend rannten. Endlich hatten sie das unterste Stockwerk erreicht und standen plötzlich mitten in einer Menschenmenge. Immer mehr Rauch drang in ihre Augen und Nasen und sie begannen zu husten. Jess zog Rory immer noch mit sich und versuchte sich durch das Getümmel zu schieben. Plötzlich versperrte eine dicke Frau Rory den Weg und sie musste Jess' Hand loslassen.
"Jess! Jess, wo bist du?", rief sie verzweifelt.
Immer wieder rief sie seinen Namen, konnte ihn aber nirgends entdecken. Sie wollte sich weiterkämpfen, doch die Menge war stärker. Rory wurde immer weiter abgedrängt und stand auf einmal ganz allein in einem Zimmer. Überall war Rauch und sie konnte nichts mehr sehen. Sie musste fürchterlich husten und ihre Augen begannen zu tränen. Sie konnte kaum noch etwas sehen, als sie 2 Arme packten. Vor ihr stand ein Mann und schrie sie an. Er wollte Hilfe, das konnte sie verstehen, doch sie konnte ihm nicht helfen. Sie konnte nicht einmal sich selbst helfen. Sie wollte sich losreißen doch er hielt sie immer noch fest und begann sie zu schütteln. Rory wollte schreien, doch sie bekam keinen Ton heraus. Sie musste nur wieder husten. Als sie merkte, dass der Mann sie nicht loslassen würde, schlug sie einfach um sich. Sie schlug, trat und biss alles, was ihr in die Quere kam. Plötzlich hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Immer wieder. Sie öffnete ihre Augen und sah Jess vor sich.
"Rory, beruhige dich, ich bin es: Jess!"
Tatsächlich stand er vor ihr. Er hatte den Mann weggestoßen und hielt sie jetzt fest. Er war zurückgekommen, um sie zu holen. Sie war so glücklich ihn zu sehen und lief ihm in die Arme. Vorsichtig schob er sie wieder weg.
"Komm, wir müssen hier schnellstens raus!"
Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich nach. Dieses Mal hielt sie seine Hand ganz fest. Sie wollte ihn nicht noch einmal verlieren. Hustend und keuchend lief sie ihm nach. Aber überall war Rauch und sie konnte nichts mehr sehen. So übersah sie eine Stufe und stürzte. Jess zog sie wieder hoch.
"Rory, reiß dich zusammen. Wir müssen uns beeilen."
Sie versuchte genauer auf ihren Weg zu achten, stolperte aber immer wieder. Jess fluchte vor sich hin und schrie sie sogar mehrmals an. Er hatte Panik. Noch nie hatte er sich in so einer Situation befunden. Er hatte Angst. Todesangst. Sein ganzes Leben hatte er nicht gewusst, was das für ein Gefühl ist, doch jetzt erfuhr er es am eigenen Leib. Er wollte so schnell wie möglich aus dem brennenden Gebäude raus, doch da war ihm Rory ein kleines Hindernis. Sie war so unsicher auf den Beinen und mit jedem Sturz von ihr verlor er kostbare Sekunden. Es hieß, in Notsituationen denken Menschen nur an sich. Er befand sich in einer Notsituation und das beste wäre wohl, wenn er Rorys Hand loslassen würde, um sein eigenes Leben zu retten.
Aber Jess blieb bei Rory und half ihr immer wieder auf die Beine. Auch wenn er sie dabei mehrmals mit Gewalt hochziehen musste. Er konnte jetzt keine Rücksicht darauf nehmen, ob er ihr weh tat. Er musste sie endlich da raus bringen.
Endlich hatten sie ein Fenster erreicht. Jess zerschlug es und half Rory hinaus. Dann kletterte er selbst hinterher. Endlich waren sie draußen. Endlich waren sie in Sicherheit. Rory lag auf dem Boden und Jess half ihr beim Aufstehen. Gemeinsam taumelten sie weiter weg von dem brennenden Gebäude. In einiger Entfernung ließ Jess sich ins Gras nieder und lehnte sich gegen einen Baum. Rory setzte sich neben ihn. Eine Weile sagten sie gar nichts. Sie saßen nur da, rangen nach Luft und sahen sich an. Dann beugte sich Rory nach vorne und küsste ihn. Sie wusste selbst nicht, warum sie das tat, sie konnte nicht anders. Es war einfach über sie gekommen. Danach legte sie den Kopf auf seine Brust und begann hemmungslos zu heulen.

Ich hoffe, das war nicht zu kitschig. Aber die Mehrheit war dafür, dass Jess ein Held wird.