01.08.2005, 22:48
Ein Voyeur, denkt er sich, während er sie aus dem Türahmen heraus beobachtet, ein seltsames Gefühl der Zufriedenheit in sich verspürt. So wenig genügt, denkt er sich, so wenig genügt, um glücklich zu sein. Und er fragt sich, weswegen er es solange aufgegeben hatte. Weswegen er sie aufgegeben hatte. Sie, ihre Beziehung. Sie, seine Frau. Aber wir waren es beide, wir beide haben diese Entscheidung getroffen und vielleicht war es gut so. Wäre sie nicht gegangen, dann wäre noch immer alles beim alten, niemals hätten sie die Möglichkeit gehabt sich neu zu verlieben. Sie mustert ein paar Papiere vor sich, streift dabei eine Strähne aus ihrem Gesicht und er stöÃt sich vom Türrahmen ab, schlendert langsam in den groÃen Festsaal. Ein wenig beklommen ist er, zugegebenermaÃen, sie haben sich seit beinahe drei Wochen nicht gesehen, nicht seit diesem ungleich seltsamen Austausch des Ehegelübdes. Komm bald, ruft er sich ihre Worte in Erinnerung, will sich so wohl Mut machen. Mut, weswegen brauchst du Mut, Richard? Noch nie, nicht seitdem, niemals ohne Anmeldung. Hat es sich geändert durch die Heirat? Sie haben nicht darüber gesprochen, also existiert sie noch die Abmachung. Nie, niemals ohne Anmeldung, sorgfältige Planung. Sie mag keine Ãberraschungen, Ãberraschungen sind der Nährboden für das Chaos. Aber wenn es nicht Chaos ist, in dem sie existieren, was ist es dann?
Noch immer blickt sie auf die Papiere, um sie herum verstreut unzählige Tische und Stühle, Blumen und Vasen, Porzellan und Glas, Bruchstücke die sie zum Mosaik eines perfekten Empfangs zusammensetzen wird. Er legt seine Hand sachte auf ihre Schulter, spürt wie sie erschrocken zusammenzuckt, ihren Kopf wendet. Es dauert einen Augenblick ehe sie realisiert, wer es ist, der sie berührt, Ãberraschung in ihrem Gesicht, Erstaunen, welches einem Lächeln weicht.
"Richard", sagt sie leise, angenehm überrascht, sie freut sich, seine Befangenheit verflüchtigt sich.
"Emily", sagt auch er ihren Namen und Leere entsteht, im Raum, in den Köpfen und Herzen. Was tun? Was jetzt sagen? Darf ich meine Arme um dich legen? Darf ich dich küssen? Wie lauten sie, die neuen Konditionen?
"Deine Fliege sitzt ganz schief", bricht sie das Schweigen und dreht sich ihm zu, nimmt die Enden der seidenen Schleife, zieht sie zurecht, bringt sie in Ordnung, in Fassung, in Form. Tut es gründlich, länger als sonst, als früher. Sie lässt nach vollendeter Tat ihre Hände auf seiner Brust ruhen und sieht ihn an. Die Geste ist bekannt, der Blick ist es nicht, er ist neu und uralt zugleich.
"Emily", sagt er wieder und legt seine Arme um sie, tut es ohne zu fragen. Küsst ihre Stirn, tut es ohne zu fragen. Sie löst sich von ihm, tut es ohne zu fragen.
"Was tust du hier?", ist was sie fragt.
"Ist diese Frage ernst gemeint?", erwidert er und sie lacht leise.
"Nein", sie schüttelt den Kopf, sie sehen sich lächelnd an. "Du hast mir nicht gesagt, dass du kommst", schiebt sie hinterher, deutet in den Raum. "Ich habe viel zu tun", entschuldigend klingt es und er glaubt Enttäuschung heraushören zu können.
"Lass es andere tun, es sind schlieÃlich genügend Menschen hier."
"Das geht nicht, Richard", entgegnet sie, eine Spur Widerwillens in der Stimme, Distanz schwingt mit.
"Weswegen?", sagt er, ihren Unterton wissentlich ignorierend.
"Würdest du etwa dein Büro mit fliegendem Mantel verlassen, nur weil ich dich darum bitte?"
Ich würde es tun, denkt er zuerst, spricht es beinahe aus, besinnt sich rechtzeitig. Denn es wäre nur so dahergesagt, wäre eine Lüge. Er könnte es nicht, Termine sind Termine. Aber du könntest es, Emily. Es ist schlieÃlich nur ein Empfang. Obwohl er auch diesen Gedanken nicht ausspricht, tritt sie einen Schritt zurück, hastig, wartet seine Antwort erst gar nicht ab, als hätte sie sie schon gehört, hat es vermutlich, hat es abgelesen in seinem Gesicht. Sie nimmt die Papiere auf, ruft einen der Kellner herbei und erteilt ihm Anweisungen.
Er wartet ungeduldig bis sie fertig ist, sich ihm wieder zuwendet. Sie öffnet die Lippen, will etwas sagen, doch er kommt ihr zuvor. "Darf ich dich heute Abend abholen?"
Sie presst die Lippen aufeinander, ein leichtes Zucken mit den Schultern, ein Nicken schlieÃlich. "Sehr gerne", flüstert sie beinahe.
"Wann?", ein Schritt auf sie zu, Distanz wird zu Nähe.
"Es kann spät werden."
Sein Hand auf ihrer Wange. "Ich werde da sein."
"Ich weiÃ", sie geht unter ihre Antwort, wird auf seinen Lippen gemurmelt, verschmilzt in einem zaghaften Kuss. Es ist jedes Mal dasselbe, das langsame herantasten, die ersten Minuten die man damit vergeudet zu begreifen, zu vergessen, sich zu konzentrieren, alle Sinne auf das Hier und Jetzt zu lenken. Es ist schön, so unglaublich schön, dass du da bist, keine Notwendigkeit es auszusprechen, er weiÃ, weià er es? Er muss es tun. Er tut es.
Keine Ewigkeit, Sekunden der Berührung, sie spürt einen Blick auf ihrem Rücken, wird wieder zurückgeschleudert, reiÃt sich beinahe ruckartig von Richard los. "Elf", räuspert sie sich. "Ich denke gegen elf Uhr werde ich hier fertig sein."
Er nickt, drückt ihre Hand dabei und wendet sich zum Gehen. Seine Schritte sind fest, er weià es jetzt, er weià dass diesmal alles noch ein wenig anders sein wird. Aber weià auch, dass sie beide sich genug verändert haben, sich aufeinander zu entwickelt haben, es wird klappen, verdammt, weswegen sollte es auch nicht? Weswegen können sie nicht wieder einfach so unbedarft sein, wie beim ersten Mal. Wieso können sie nicht einfach wieder daran glauben, dass die Welt ihnen zu Füssen liegt, es nichts gibt, was sich ihnen in den Weg stellen könnte. Weil es zuviel gab, schieÃt es ihm durch den Kopf. Gebrannte Kinder, Narben am Körper und auf der Seele.
Er geht durch den leeren Flur, Schritte auf den Parkett, die seinen ruhig, die anderen hastig und laut. Als sie hinter ihm angekommen, bleibt er stehen, sie nimmt ihn hastig bei der Hand, zieht ihn wortlos mit sich, eine offene Tür, sie wird passiert, sie wird geschlossen. Er spürt sie, ihre Lippen auf den seinen, saugt ihren Geschmack in sich auf, keine falsche Zurückhaltung, sie sind alleine. Endlich. Wieder. Für einen viel zu kurzen Moment.
To be continued.
ATN: Für KüsKüsBüs
Franziska
Noch immer blickt sie auf die Papiere, um sie herum verstreut unzählige Tische und Stühle, Blumen und Vasen, Porzellan und Glas, Bruchstücke die sie zum Mosaik eines perfekten Empfangs zusammensetzen wird. Er legt seine Hand sachte auf ihre Schulter, spürt wie sie erschrocken zusammenzuckt, ihren Kopf wendet. Es dauert einen Augenblick ehe sie realisiert, wer es ist, der sie berührt, Ãberraschung in ihrem Gesicht, Erstaunen, welches einem Lächeln weicht.
"Richard", sagt sie leise, angenehm überrascht, sie freut sich, seine Befangenheit verflüchtigt sich.
"Emily", sagt auch er ihren Namen und Leere entsteht, im Raum, in den Köpfen und Herzen. Was tun? Was jetzt sagen? Darf ich meine Arme um dich legen? Darf ich dich küssen? Wie lauten sie, die neuen Konditionen?
"Deine Fliege sitzt ganz schief", bricht sie das Schweigen und dreht sich ihm zu, nimmt die Enden der seidenen Schleife, zieht sie zurecht, bringt sie in Ordnung, in Fassung, in Form. Tut es gründlich, länger als sonst, als früher. Sie lässt nach vollendeter Tat ihre Hände auf seiner Brust ruhen und sieht ihn an. Die Geste ist bekannt, der Blick ist es nicht, er ist neu und uralt zugleich.
"Emily", sagt er wieder und legt seine Arme um sie, tut es ohne zu fragen. Küsst ihre Stirn, tut es ohne zu fragen. Sie löst sich von ihm, tut es ohne zu fragen.
"Was tust du hier?", ist was sie fragt.
"Ist diese Frage ernst gemeint?", erwidert er und sie lacht leise.
"Nein", sie schüttelt den Kopf, sie sehen sich lächelnd an. "Du hast mir nicht gesagt, dass du kommst", schiebt sie hinterher, deutet in den Raum. "Ich habe viel zu tun", entschuldigend klingt es und er glaubt Enttäuschung heraushören zu können.
"Lass es andere tun, es sind schlieÃlich genügend Menschen hier."
"Das geht nicht, Richard", entgegnet sie, eine Spur Widerwillens in der Stimme, Distanz schwingt mit.
"Weswegen?", sagt er, ihren Unterton wissentlich ignorierend.
"Würdest du etwa dein Büro mit fliegendem Mantel verlassen, nur weil ich dich darum bitte?"
Ich würde es tun, denkt er zuerst, spricht es beinahe aus, besinnt sich rechtzeitig. Denn es wäre nur so dahergesagt, wäre eine Lüge. Er könnte es nicht, Termine sind Termine. Aber du könntest es, Emily. Es ist schlieÃlich nur ein Empfang. Obwohl er auch diesen Gedanken nicht ausspricht, tritt sie einen Schritt zurück, hastig, wartet seine Antwort erst gar nicht ab, als hätte sie sie schon gehört, hat es vermutlich, hat es abgelesen in seinem Gesicht. Sie nimmt die Papiere auf, ruft einen der Kellner herbei und erteilt ihm Anweisungen.
Er wartet ungeduldig bis sie fertig ist, sich ihm wieder zuwendet. Sie öffnet die Lippen, will etwas sagen, doch er kommt ihr zuvor. "Darf ich dich heute Abend abholen?"
Sie presst die Lippen aufeinander, ein leichtes Zucken mit den Schultern, ein Nicken schlieÃlich. "Sehr gerne", flüstert sie beinahe.
"Wann?", ein Schritt auf sie zu, Distanz wird zu Nähe.
"Es kann spät werden."
Sein Hand auf ihrer Wange. "Ich werde da sein."
"Ich weiÃ", sie geht unter ihre Antwort, wird auf seinen Lippen gemurmelt, verschmilzt in einem zaghaften Kuss. Es ist jedes Mal dasselbe, das langsame herantasten, die ersten Minuten die man damit vergeudet zu begreifen, zu vergessen, sich zu konzentrieren, alle Sinne auf das Hier und Jetzt zu lenken. Es ist schön, so unglaublich schön, dass du da bist, keine Notwendigkeit es auszusprechen, er weiÃ, weià er es? Er muss es tun. Er tut es.
Keine Ewigkeit, Sekunden der Berührung, sie spürt einen Blick auf ihrem Rücken, wird wieder zurückgeschleudert, reiÃt sich beinahe ruckartig von Richard los. "Elf", räuspert sie sich. "Ich denke gegen elf Uhr werde ich hier fertig sein."
Er nickt, drückt ihre Hand dabei und wendet sich zum Gehen. Seine Schritte sind fest, er weià es jetzt, er weià dass diesmal alles noch ein wenig anders sein wird. Aber weià auch, dass sie beide sich genug verändert haben, sich aufeinander zu entwickelt haben, es wird klappen, verdammt, weswegen sollte es auch nicht? Weswegen können sie nicht wieder einfach so unbedarft sein, wie beim ersten Mal. Wieso können sie nicht einfach wieder daran glauben, dass die Welt ihnen zu Füssen liegt, es nichts gibt, was sich ihnen in den Weg stellen könnte. Weil es zuviel gab, schieÃt es ihm durch den Kopf. Gebrannte Kinder, Narben am Körper und auf der Seele.
Er geht durch den leeren Flur, Schritte auf den Parkett, die seinen ruhig, die anderen hastig und laut. Als sie hinter ihm angekommen, bleibt er stehen, sie nimmt ihn hastig bei der Hand, zieht ihn wortlos mit sich, eine offene Tür, sie wird passiert, sie wird geschlossen. Er spürt sie, ihre Lippen auf den seinen, saugt ihren Geschmack in sich auf, keine falsche Zurückhaltung, sie sind alleine. Endlich. Wieder. Für einen viel zu kurzen Moment.
To be continued.
ATN: Für KüsKüsBüs
