10.11.2005, 20:36
Wenn sich von euch jemand fragt, wer da hinter Rory steht, hier ist die Auflösung.
GenieÃt den Teil. (Naja, von genieÃen kann wohl nicht die Rede sein)
Rory drehte sich auf ihren Hocker um und blickte in das Gesicht eines Jungen, der nicht viel älter als sie sein konnte. Vielleicht ein oder zwei Jahre. Er trug eine schwarze Lederjacke und darunter ein T-Shirt mit irgendeinem obszönen Spruch. Seine schwarzen Locken hingen ihm leicht ins Gesicht und verdeckten seine Augen zur Hälfte. In seiner rechten, buschigen Augenbraue steckte ein Ring. Und hinter sein Ohr hatte er ganz lässig eine Zigarette gesteckt. An seinen Augen, die leicht glasig schimmerten und tief in ihren Höhlen lagen, erkannte Rory, dass er schon einige Drinks intus hatte. Er gehörte mehr zu der Sorte Menschen, mit denen sich Rory normalerweise nicht abgab. Wahrscheinlich ein Schulabbrecher, Mitglied irgendeiner Gang, ein typischer Versager eben.
âIch trinke, sieht man das nicht?â, sagte sie mürrisch.
Sie wandte sich wieder ihrem Glas zu und nahm einen Schluck. Der Junge lieà sich aber nicht so einfach abservieren und schnappte sich den Barhocker neben ihr.
âNatürlich sieht man das. Ich frag mich nur, warum du so alleine hier bist. Das ist für so hübsche Mädchen wie dich ein wenig ungewöhnlich. Oder muss ich mich jetzt vor deinem Freund fürchten, der uns beobachtet?â, fragte er grinsend und stieà ihr leicht in die Seite.
âKeine Angst. Einen Freund gibt es nichtâ, sagte Rory und leerte das Glas.
âÃbrigens, ich bin Johnnyâ, stellte er sich vor und hielt ihr die Hand hin.
Rory sah zuerst ihn an, dann seine Hand.
âRoryâ, sagte sie schlieÃlich und wollte seine Hand nehmen. Doch er zog sie im letzten Moment zurück und fing zu lachen an. Rory verdrehte die Augen und wandte sich wieder ab.
âAch komm, das war doch lustigâ, kicherte Johnny und legte einen Arm um sie.
Sie nahm eine Mischung aus Alkohol und Rauch an ihm wahr. Normalerweise wäre das jetzt der Zeitpunkt, einfach davon zu laufen. Wieder in ihr altes Leben zurück zu kehren. Doch irgendetwas hielt Rory zurück. Da war etwas, das ihr sagte, dass sie sich noch ein bisschen ausprobieren konnte. Eine neue Welt entdecken sollte. Also blieb sie sitzen und lieà zu, dass Johnnys Hand von ihren Schultern hinab zu ihrem Oberschenkel wanderte und dort liegen blieb.
Er sah sie einen Moment lang an und sie bemerkte, dass er, wenn man die zotteligen Haare, die eingefallenen Augen und das Piercing wegrechnete, gar nicht so unattraktiv war. Er hatte eine feine Haut, die ein Dreitagebart zierte. Unter der Jacke spannte sich sein muskulöser Körper. Jahrelanges Training auf der StraÃe wahrscheinlich. Irgendwie strahlte er Lebenslust aus.
Er schnippte mit den Fingern und gleich darauf erschien ein Barkeeper.
âEine Flasche Bier und für die Lady neben mir das gleiche wie vorherâ, sagte er und dann an Rory gewandt meinte er, âDu trinkst doch noch einen Schluck mit mir, oder?â
Rory nickte nur. Als die Getränke kamen steckte er dem Kellner einen Geldschein zu. Dann hob er seine Flasche.
âAuf diesen herrlichen Abend!â, sagte er.
Rory war seine raue Stimme aufgefallen. Sie stammte wohl vom jahrelangen Rauchen. Gleich wie sein Husten. Denn alle paar Minuten räusperte er sich oder hustete. Doch irgendwie hörte sich das an ihm gut an. Rory fragte sich, wann er wohl zum ersten Mal eine Zigarette geraucht hatte. Mit 12, 13? Oder noch früher? Mit 10? Vielleicht.
Auch sie hob ihr Glas und lieà es auf die Flasche knallen. Es klirrte leicht, dann nahmen sie beide einen groÃen Schluck.
âAlso, dann erzähl malâ, forderte Johnny sie auf und strich ihr unauffällig über den Oberschenkel.
âWas willst du denn hören?â
âWer bist du? Woher kommst du? Mit wem habe ich es hier zu tun?â
Rory musste kurz grinsen. Es müsste eigentlich sie sein, die sich nach seiner Herkunft, nach seinem Leben erkundigt. Sie war doch die, die sich nie mit den falschen Typen einlieÃ. Doch heute schaltete ihr Hirn komplett aus. Da waren keine Fragen, deren Antworten sie interessierten. Nichts. Rein gar nichts. Das musste wohl am Alkohol liegen.
Sie sah Johnny kurz an, der sie immer noch aufmerksam beobachtete. Anscheinend interessierte er sich wirklich für ihr Leben. Oder ihre Wahrnehmung war bereits so getrübt, dass sie nicht mehr erkennen konnte, ob sie jemand anbaggerte oder sich nur mit ihr unterhielt.
Sie hob ihr Glas leicht an und sah zu, wie die Eiswürfel schmolzen.
âDa gibt es nicht viel zu erzählen. Ich krieg es irgendwie nicht auf die Reihe. Mein ganzes Leben geht im Moment total den Bach runter.â
âWow, hört sich ja extrem anâ, meinte Johnny und führte die Bierflasche zu seinem Mund.
Rory zuckte nur mit den Schultern und starrte weiterhin auf ihr Glas. Nur noch ein Eiswürfel schwamm darin. Die anderen beiden waren schon mit dem leicht bräunlichen Getränk in eine Einheit übergegangen.
âTja, so ist das Leben, oder nicht? Jeder baut doch irgendwann Mistâ
Da konnte Johnny nur nicken. Davon konnte er ein Lied singen. Nein, ein Lied würde nicht ausreichen. Er könnte ein ganzes Album davon schreiben, wie viel er schon in seinem Leben angestellt hatte.
âUnd jetzt plötzlich macht meine Mum auf Mutter pur. WeiÃt du, 19 Jahre lang wollte sie immer meine beste Freundin sein, hat sich bei mir eingeschleimt, und jetzt, wo ich anfange mein eigenes Leben zu führen, lässt sie die strenge Mum raushängen. Das ist doch wirklich übertrieben, oder?â
Rory hob endlich wieder ihren Kopf und sah Johnny direkt an.
âScheint eine ziemliche Tussi zu seinâ, meinte er und nahm einen Schluck von seinem Bier.
âMensch, das kannst du laut sagen.â
Hätte Johnny Rory besser gekannt, hätte er gewusst, wie schlecht es ihr wirklich ging, hätte er auch gewusst, wie sehr ihr die ganze Streiterei mit ihrer Mum an die Nieren ging. Doch er hatte nicht dieses Blitzen in Rorys Augen bemerkt. Diesen Ausdruck, der voller Traurigkeit war. Er kannte Rory eben nicht.
Eine Weile schwiegen sie sich nur an. Johnnys Hand lag immer noch auf Rorys Oberschenkel, doch es war ihr egal. Im Moment war ihr alles egal. Sie wollte nur vergessen.
Plötzlich griff er sich ans Ohr und nahm die Zigarette, die dort steckte. Er hielt sie Rory hin.
âHier, für dich. Das ist die berühmte Zigarette danach. Nach jedem Fehler, meine ichâ, sagte er und grinste sie schelmisch an. Rory musste lächeln, hob jedoch ihre Hand.
âNein danke, ich rauche nicht.â
Johnny runzelte die Stirn und sah sie skeptisch an.
âHeiÃt das, du hast noch nie geraucht?â
Rory schüttelte den Kopf.
âNoch nicht einmal probiert?â
Wieder ein Kopfschütteln.
âAber du hast doch schon mal jemanden gesehen, der geraucht hatâ, sagte er belustigt.
âJa klarâ, erwiderte Rory und schlug ihm auf den Arm.
Da war tatsächlich einmal jemand gewesen, der hin und wieder eine geraucht hatte. Einer, der Johnny sogar ein wenig ähnlich war. Die schwarzen Haare, die braunen Augen, die Lederjacke. Aber das war vor langer Zeit. Damit hatte sie abgeschlossen. Das war lange her. Viel zu lange.
Johnny nahm Rorys Hand und legte die Zigarette hinein. Dann zog er noch ein Feuerzeug aus der Tasche und legte es ebenfalls auf Rorys Handfläche.
âDu solltest es wirklich einmal probieren. Schmeckt gar nicht so schlecht.â
Rory zog die Hand zurück und betrachtete die Gegenstände darin.
âAlso, hör zu. Dort drüben sitzen meine Freunde.â
Er deutete auf einen Tisch, an dem sicher 10 Leute saÃen. Mädchen und Jungs. In ihrem Alter, aber auch schon ein paar Jahre älter.
âIch geh da jetzt wieder rüber. Du kannst ja mitkommen. Ãberleg es dir.â
Er klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter und bahnte sich dann seinen Weg durchs Getümmel. Rory sah ihm nach, bis er seine Freunde erreicht hatte. Dann fiel ihr Blick wieder auf ihre Hand. Da lagen immer noch die Zigarette und das Feuerzeug. Sie überlegte, was sie jetzt machen sollte.
SchlieÃlich leerte sie ihr Glas, das noch halb voll war, in einem Zug und stand auf. Schnurstracks marschierte sie auf das Mädchenklo zu.
Dort waren gerade zwei junge Frauen dabei, sich zu schminken und gegenseitig Männergeschichten zu erzählen. Immer wieder kicherten sie und Rory fragte sich, ob sie denn gar nicht mehr gehen wollten. Sie ging in eine der Kabinen, klappte den Deckel runter und setzte sich. Sie wartete ungefähr 5 Minuten, bis die Mädchen endlich verschwunden waren, dann trat sie wieder raus. Sie betrachtete sich im Spiegel und überlegte immer noch fieberhaft, ob sie das wirklich tun sollte. Dann schlieÃlich fasste sie einen Entschluss.
Sie klemmte die Zigarette zwischen ihre Lippen und zündete das Feuerzeug an. Doch ihre Hand zitterte so stark, dass es ihr wieder runterfiel. Es dauerte wieder geschlagene 5 Minuten, bis sie es endlich schaffte, die Zigarette anzuzünden. Sie zog einmal kräftig daran und musste schrecklich husten. Sie würgte und spuckte und versuchte, das eingeatmete Gift wieder aus ihrem Körper zu bringen. Mehr oder weniger erfolglos.
Als sie endlich wieder ordentlich Luft bekam, lehnte sie sich gegen die Wand und musste sich erstmal erholen. Sie wusste nicht, was andere so toll am Rauchen fanden. Für sie war es einfach nur grauenhaft gewesen.
Sie betrachtete die Zigarette in ihrer Hand und überlegte, was sie damit machen sollte. Wegwerfen? Wäre wahrscheinlich die vernünftigste Lösung. Doch irgendwie konnte sie sich dazu nicht durchringen. Vielleicht sollte sie die Zigarette auch aufrauchen. Was sprach dagegen? Sie schmeckte zwar grauenvoll, aber hieà es nicht, der erste Zug ist immer der schlimmste?
SchlieÃlich hob sie ihre Hand und führte sie zum Mund. Noch einmal nahm sie einen kräftigen Zug. Wieder musste sie husten, aber nicht mehr so stark.
Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und blies den heiÃen Rauch aus. Und irgendwie war alles gar nicht so schlimm. Johnny hatte recht gehabt. Es ist gar nicht so schwer, eine Zigarette zu rauchen. Sie blieb auf dem Mädchenklo, bis sie die ganze aufgeraucht hatte. Dann trat sie sie am Boden aus und verlieà das Klo. Sie bahnte sich ihren Weg zurück zur Bar. Zuerst wollte sie sich noch etwas zu trinken bestellen, doch dann fiel ihr Blick, auf den Tisch, an dem Johnny mit seinen Freunden saÃ.
Sie zögerte, entschied sich aber dann doch, einmal zu ihnen hinüber zu gehen. Es war gar nicht so einfach, sich durch das Getümmel zu schieben. SchlieÃlich schaffte sie es aber doch und erreichte den Tisch in der Ecke. Sei zählte die Anwesenden. 12 Leute saÃen dort. Mädchen und Jungs bunt gemischt. Irgendwie zwielichtige Typen. Die Jungs sahen mehr oder weniger alle aus wie Johnny. Lederjacken, lange Haare, die ihnen ins Gesicht fielen oder die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatten. Und sie waren alle durch die Bank gepierct oder tätowiert. An allen nur vorstellbaren Körperteilen.
Die Mädchen hatten alle knallenge Hosen und Tops an, die viel zu viel Haut zeigten. Die meisten hatten gefärbte Haare. Entweder pechschwarz oder wasserstoffblond. Und sie hatten sicher alle eine Tonne Make-up aufgetragen. Sie kauten genüsslich an einem Kaugummi oder knutschten in aller Ãffentlichkeit mit ihrem Freund.
Normalerweise ekelte sich Rory vor solchen Tussis, aber irgendwie fühlte sie sich heute dazugehörig. Denn sie wusste nicht mehr in welche Welt sie gehörte. In die einfache, heimelige Welt in Stars Hollow, oder in die hier drauÃen. Die Welt der Nachtclubs und des nächtelangen Durchfeierns. Ja, irgendwie war diese Welt hier aufregender.
âIst hier noch ein Platz für mich?â, fragte sie in die Runde.
Zuerst sahen sie alle an, als wäre sie vom Mars, doch dann wandten sie sich wieder ihren eigenen Dingen zu. Nur Johnny schien richtig Notiz von ihr zu nehmen. Er klopfte auf einen Stuhl neben sich und deutete Rory, sich zu setzen. Dann schnippte er auf seine Art mit den Fingern und bestellte eine Runde für alle.
GenieÃt den Teil. (Naja, von genieÃen kann wohl nicht die Rede sein)
Rory drehte sich auf ihren Hocker um und blickte in das Gesicht eines Jungen, der nicht viel älter als sie sein konnte. Vielleicht ein oder zwei Jahre. Er trug eine schwarze Lederjacke und darunter ein T-Shirt mit irgendeinem obszönen Spruch. Seine schwarzen Locken hingen ihm leicht ins Gesicht und verdeckten seine Augen zur Hälfte. In seiner rechten, buschigen Augenbraue steckte ein Ring. Und hinter sein Ohr hatte er ganz lässig eine Zigarette gesteckt. An seinen Augen, die leicht glasig schimmerten und tief in ihren Höhlen lagen, erkannte Rory, dass er schon einige Drinks intus hatte. Er gehörte mehr zu der Sorte Menschen, mit denen sich Rory normalerweise nicht abgab. Wahrscheinlich ein Schulabbrecher, Mitglied irgendeiner Gang, ein typischer Versager eben.
âIch trinke, sieht man das nicht?â, sagte sie mürrisch.
Sie wandte sich wieder ihrem Glas zu und nahm einen Schluck. Der Junge lieà sich aber nicht so einfach abservieren und schnappte sich den Barhocker neben ihr.
âNatürlich sieht man das. Ich frag mich nur, warum du so alleine hier bist. Das ist für so hübsche Mädchen wie dich ein wenig ungewöhnlich. Oder muss ich mich jetzt vor deinem Freund fürchten, der uns beobachtet?â, fragte er grinsend und stieà ihr leicht in die Seite.
âKeine Angst. Einen Freund gibt es nichtâ, sagte Rory und leerte das Glas.
âÃbrigens, ich bin Johnnyâ, stellte er sich vor und hielt ihr die Hand hin.
Rory sah zuerst ihn an, dann seine Hand.
âRoryâ, sagte sie schlieÃlich und wollte seine Hand nehmen. Doch er zog sie im letzten Moment zurück und fing zu lachen an. Rory verdrehte die Augen und wandte sich wieder ab.
âAch komm, das war doch lustigâ, kicherte Johnny und legte einen Arm um sie.
Sie nahm eine Mischung aus Alkohol und Rauch an ihm wahr. Normalerweise wäre das jetzt der Zeitpunkt, einfach davon zu laufen. Wieder in ihr altes Leben zurück zu kehren. Doch irgendetwas hielt Rory zurück. Da war etwas, das ihr sagte, dass sie sich noch ein bisschen ausprobieren konnte. Eine neue Welt entdecken sollte. Also blieb sie sitzen und lieà zu, dass Johnnys Hand von ihren Schultern hinab zu ihrem Oberschenkel wanderte und dort liegen blieb.
Er sah sie einen Moment lang an und sie bemerkte, dass er, wenn man die zotteligen Haare, die eingefallenen Augen und das Piercing wegrechnete, gar nicht so unattraktiv war. Er hatte eine feine Haut, die ein Dreitagebart zierte. Unter der Jacke spannte sich sein muskulöser Körper. Jahrelanges Training auf der StraÃe wahrscheinlich. Irgendwie strahlte er Lebenslust aus.
Er schnippte mit den Fingern und gleich darauf erschien ein Barkeeper.
âEine Flasche Bier und für die Lady neben mir das gleiche wie vorherâ, sagte er und dann an Rory gewandt meinte er, âDu trinkst doch noch einen Schluck mit mir, oder?â
Rory nickte nur. Als die Getränke kamen steckte er dem Kellner einen Geldschein zu. Dann hob er seine Flasche.
âAuf diesen herrlichen Abend!â, sagte er.
Rory war seine raue Stimme aufgefallen. Sie stammte wohl vom jahrelangen Rauchen. Gleich wie sein Husten. Denn alle paar Minuten räusperte er sich oder hustete. Doch irgendwie hörte sich das an ihm gut an. Rory fragte sich, wann er wohl zum ersten Mal eine Zigarette geraucht hatte. Mit 12, 13? Oder noch früher? Mit 10? Vielleicht.
Auch sie hob ihr Glas und lieà es auf die Flasche knallen. Es klirrte leicht, dann nahmen sie beide einen groÃen Schluck.
âAlso, dann erzähl malâ, forderte Johnny sie auf und strich ihr unauffällig über den Oberschenkel.
âWas willst du denn hören?â
âWer bist du? Woher kommst du? Mit wem habe ich es hier zu tun?â
Rory musste kurz grinsen. Es müsste eigentlich sie sein, die sich nach seiner Herkunft, nach seinem Leben erkundigt. Sie war doch die, die sich nie mit den falschen Typen einlieÃ. Doch heute schaltete ihr Hirn komplett aus. Da waren keine Fragen, deren Antworten sie interessierten. Nichts. Rein gar nichts. Das musste wohl am Alkohol liegen.
Sie sah Johnny kurz an, der sie immer noch aufmerksam beobachtete. Anscheinend interessierte er sich wirklich für ihr Leben. Oder ihre Wahrnehmung war bereits so getrübt, dass sie nicht mehr erkennen konnte, ob sie jemand anbaggerte oder sich nur mit ihr unterhielt.
Sie hob ihr Glas leicht an und sah zu, wie die Eiswürfel schmolzen.
âDa gibt es nicht viel zu erzählen. Ich krieg es irgendwie nicht auf die Reihe. Mein ganzes Leben geht im Moment total den Bach runter.â
âWow, hört sich ja extrem anâ, meinte Johnny und führte die Bierflasche zu seinem Mund.
Rory zuckte nur mit den Schultern und starrte weiterhin auf ihr Glas. Nur noch ein Eiswürfel schwamm darin. Die anderen beiden waren schon mit dem leicht bräunlichen Getränk in eine Einheit übergegangen.
âTja, so ist das Leben, oder nicht? Jeder baut doch irgendwann Mistâ
Da konnte Johnny nur nicken. Davon konnte er ein Lied singen. Nein, ein Lied würde nicht ausreichen. Er könnte ein ganzes Album davon schreiben, wie viel er schon in seinem Leben angestellt hatte.
âUnd jetzt plötzlich macht meine Mum auf Mutter pur. WeiÃt du, 19 Jahre lang wollte sie immer meine beste Freundin sein, hat sich bei mir eingeschleimt, und jetzt, wo ich anfange mein eigenes Leben zu führen, lässt sie die strenge Mum raushängen. Das ist doch wirklich übertrieben, oder?â
Rory hob endlich wieder ihren Kopf und sah Johnny direkt an.
âScheint eine ziemliche Tussi zu seinâ, meinte er und nahm einen Schluck von seinem Bier.
âMensch, das kannst du laut sagen.â
Hätte Johnny Rory besser gekannt, hätte er gewusst, wie schlecht es ihr wirklich ging, hätte er auch gewusst, wie sehr ihr die ganze Streiterei mit ihrer Mum an die Nieren ging. Doch er hatte nicht dieses Blitzen in Rorys Augen bemerkt. Diesen Ausdruck, der voller Traurigkeit war. Er kannte Rory eben nicht.
Eine Weile schwiegen sie sich nur an. Johnnys Hand lag immer noch auf Rorys Oberschenkel, doch es war ihr egal. Im Moment war ihr alles egal. Sie wollte nur vergessen.
Plötzlich griff er sich ans Ohr und nahm die Zigarette, die dort steckte. Er hielt sie Rory hin.
âHier, für dich. Das ist die berühmte Zigarette danach. Nach jedem Fehler, meine ichâ, sagte er und grinste sie schelmisch an. Rory musste lächeln, hob jedoch ihre Hand.
âNein danke, ich rauche nicht.â
Johnny runzelte die Stirn und sah sie skeptisch an.
âHeiÃt das, du hast noch nie geraucht?â
Rory schüttelte den Kopf.
âNoch nicht einmal probiert?â
Wieder ein Kopfschütteln.
âAber du hast doch schon mal jemanden gesehen, der geraucht hatâ, sagte er belustigt.
âJa klarâ, erwiderte Rory und schlug ihm auf den Arm.
Da war tatsächlich einmal jemand gewesen, der hin und wieder eine geraucht hatte. Einer, der Johnny sogar ein wenig ähnlich war. Die schwarzen Haare, die braunen Augen, die Lederjacke. Aber das war vor langer Zeit. Damit hatte sie abgeschlossen. Das war lange her. Viel zu lange.
Johnny nahm Rorys Hand und legte die Zigarette hinein. Dann zog er noch ein Feuerzeug aus der Tasche und legte es ebenfalls auf Rorys Handfläche.
âDu solltest es wirklich einmal probieren. Schmeckt gar nicht so schlecht.â
Rory zog die Hand zurück und betrachtete die Gegenstände darin.
âAlso, hör zu. Dort drüben sitzen meine Freunde.â
Er deutete auf einen Tisch, an dem sicher 10 Leute saÃen. Mädchen und Jungs. In ihrem Alter, aber auch schon ein paar Jahre älter.
âIch geh da jetzt wieder rüber. Du kannst ja mitkommen. Ãberleg es dir.â
Er klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter und bahnte sich dann seinen Weg durchs Getümmel. Rory sah ihm nach, bis er seine Freunde erreicht hatte. Dann fiel ihr Blick wieder auf ihre Hand. Da lagen immer noch die Zigarette und das Feuerzeug. Sie überlegte, was sie jetzt machen sollte.
SchlieÃlich leerte sie ihr Glas, das noch halb voll war, in einem Zug und stand auf. Schnurstracks marschierte sie auf das Mädchenklo zu.
Dort waren gerade zwei junge Frauen dabei, sich zu schminken und gegenseitig Männergeschichten zu erzählen. Immer wieder kicherten sie und Rory fragte sich, ob sie denn gar nicht mehr gehen wollten. Sie ging in eine der Kabinen, klappte den Deckel runter und setzte sich. Sie wartete ungefähr 5 Minuten, bis die Mädchen endlich verschwunden waren, dann trat sie wieder raus. Sie betrachtete sich im Spiegel und überlegte immer noch fieberhaft, ob sie das wirklich tun sollte. Dann schlieÃlich fasste sie einen Entschluss.
Sie klemmte die Zigarette zwischen ihre Lippen und zündete das Feuerzeug an. Doch ihre Hand zitterte so stark, dass es ihr wieder runterfiel. Es dauerte wieder geschlagene 5 Minuten, bis sie es endlich schaffte, die Zigarette anzuzünden. Sie zog einmal kräftig daran und musste schrecklich husten. Sie würgte und spuckte und versuchte, das eingeatmete Gift wieder aus ihrem Körper zu bringen. Mehr oder weniger erfolglos.
Als sie endlich wieder ordentlich Luft bekam, lehnte sie sich gegen die Wand und musste sich erstmal erholen. Sie wusste nicht, was andere so toll am Rauchen fanden. Für sie war es einfach nur grauenhaft gewesen.
Sie betrachtete die Zigarette in ihrer Hand und überlegte, was sie damit machen sollte. Wegwerfen? Wäre wahrscheinlich die vernünftigste Lösung. Doch irgendwie konnte sie sich dazu nicht durchringen. Vielleicht sollte sie die Zigarette auch aufrauchen. Was sprach dagegen? Sie schmeckte zwar grauenvoll, aber hieà es nicht, der erste Zug ist immer der schlimmste?
SchlieÃlich hob sie ihre Hand und führte sie zum Mund. Noch einmal nahm sie einen kräftigen Zug. Wieder musste sie husten, aber nicht mehr so stark.
Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und blies den heiÃen Rauch aus. Und irgendwie war alles gar nicht so schlimm. Johnny hatte recht gehabt. Es ist gar nicht so schwer, eine Zigarette zu rauchen. Sie blieb auf dem Mädchenklo, bis sie die ganze aufgeraucht hatte. Dann trat sie sie am Boden aus und verlieà das Klo. Sie bahnte sich ihren Weg zurück zur Bar. Zuerst wollte sie sich noch etwas zu trinken bestellen, doch dann fiel ihr Blick, auf den Tisch, an dem Johnny mit seinen Freunden saÃ.
Sie zögerte, entschied sich aber dann doch, einmal zu ihnen hinüber zu gehen. Es war gar nicht so einfach, sich durch das Getümmel zu schieben. SchlieÃlich schaffte sie es aber doch und erreichte den Tisch in der Ecke. Sei zählte die Anwesenden. 12 Leute saÃen dort. Mädchen und Jungs bunt gemischt. Irgendwie zwielichtige Typen. Die Jungs sahen mehr oder weniger alle aus wie Johnny. Lederjacken, lange Haare, die ihnen ins Gesicht fielen oder die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatten. Und sie waren alle durch die Bank gepierct oder tätowiert. An allen nur vorstellbaren Körperteilen.
Die Mädchen hatten alle knallenge Hosen und Tops an, die viel zu viel Haut zeigten. Die meisten hatten gefärbte Haare. Entweder pechschwarz oder wasserstoffblond. Und sie hatten sicher alle eine Tonne Make-up aufgetragen. Sie kauten genüsslich an einem Kaugummi oder knutschten in aller Ãffentlichkeit mit ihrem Freund.
Normalerweise ekelte sich Rory vor solchen Tussis, aber irgendwie fühlte sie sich heute dazugehörig. Denn sie wusste nicht mehr in welche Welt sie gehörte. In die einfache, heimelige Welt in Stars Hollow, oder in die hier drauÃen. Die Welt der Nachtclubs und des nächtelangen Durchfeierns. Ja, irgendwie war diese Welt hier aufregender.
âIst hier noch ein Platz für mich?â, fragte sie in die Runde.
Zuerst sahen sie alle an, als wäre sie vom Mars, doch dann wandten sie sich wieder ihren eigenen Dingen zu. Nur Johnny schien richtig Notiz von ihr zu nehmen. Er klopfte auf einen Stuhl neben sich und deutete Rory, sich zu setzen. Dann schnippte er auf seine Art mit den Fingern und bestellte eine Runde für alle.
Tritt nicht in die FuÃstapfen anderer, du hinterläÃt sonst selbst keine Spuren.
Rückkehr nach Stars Hollow, Wird er sich jemals ändern? Auf der schiefen Bahn
Kurzgeschichte: Sometimes it's too late
Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie lehrt uns mit dem Schmerz umzugehen.