Auf der Suche nach meinem Ich
#5

Nervös wippte Rory auf ihren Füßen, während sie vor ihrer Schule auf Lorelai wartete. Heute würde sie Lorelai zeigen wie und vor allem wo sie lebte. Lorelai würde ihrer Adoptivmutter begegnen und sie würde höchstwahrscheinlich auch Dean über den Weg laufen. Es war an der Zeit, dass Lorelai die Welt ihrer Tochter kennen lernte.

Rory sah sich suchend zwischen dieser Schülermenge, die gerade aus der Schule stürmte um. Von Lorelai war nichts zu sehen. Wo blieb sie nur? Hatte sie sie etwa vergessen? Konnte man sich etwa nicht auf sie verlassen? Zwar wirkte Lorelai locker und flippig, aber würde sie so ein Treffen tatsächlich verpassen? Vielleicht war sie ja auch krank, oder sie hatte heftige Schwangerschaftsbeschwerden. Doch würde sie dann nicht absagen? Schließlich hatte sie ein Handy und war erreichbar, außer sie im Unterricht, natürlich. Es wäre ja möglich sie hatte zu der Zeit versucht abzusagen, aber an sich hätte Lorelai sich ja denken können, dass Handys nicht zur Unterrichtsausstattung gehörten.

Rory sah sich noch immer suchend um. Wenn Lorelai nicht kam, wäre das eine große Enttäuschung und würde das nicht, ihre neu angefangenen Beziehung bereits erste Kratzer zufügen?

Rorys Enttäuschung nahm mit jeder Minute zu. Deprimiert setzte sie sich auf die Treppenstufen, die zu dem Eingang ihrer Schule führten. Ihren Kopf stützte sie mit ihren Händen. Für einen Moment schloss sie ihre Augen.

Wollte sie sie vielleicht gar nicht treffen? Hatte sie vielleicht doch kein Interesse an ihr? Aber warum sollte sie vorher so nett und bemüht sein, wenn sie gar nicht wollte, dass sie sich näher kommen?

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, so dass sogar ihr Kopf begann zu schmerzen. Verdammt! Wie konnte sie nur so blöd sein und Lorelai Glauben schenken. Sie hatte sie schon einmal verlassen…
Rory versuchte ihre Zweifel zu unterdrücken. Sie musste Lorelai vertrauen, denn wenn sie es nicht tat würde sie an Zweifeln ersticken. Es war wichtig, dass sie dieser neuartigen Beziehung offen gegenüberstand; sonst würde es nicht funktionieren und sie wünschte sich sehr, dass es funktionierte. Sie hatte sich in den vergangenen Wochen sogar dabei ertappt, dass sie sich vorstellte bei Lorelai zu leben. Es schien ihr so viel leichter, unkomplizierter im Gegensatz zu dem Leben, welches sie im Moment zu führen schien. Irgendwie glaubte sie wahrzunehmen, dass sich alles um sie herum verändert hatte. Die Menschen wirkten aggressiver, distanziert und manchmal so glaubte sie, tuschelte man hinter ihrem Rücken über sie.
Ihre kleine Schwester redete kaum noch mit ihr und wenn sie es tat, so ging es nur um unwichtige Dinge, wie zum Beispiel bei einem Tischgespräch. Als Rory sie darauf ansprach, erklärte sie ihr, dass sie versucht sie nicht mehr allzu lieb zu haben, denn wenn ihr Bruder Dean Recht behalten sollte, würde Rory sie bald im Stich lassen, um zu einer Frau zu ziehen, die sie mal nicht mehr wollte und diesen Abschied würde sie nicht ertragen können. Also schwieg sie weiter, bedacht darauf, dass bald der Tag kommen würde, an dem sie Abschied nehmen musste. Rory hätte ihr zu gerne erklärt, dass dies nicht geschehen würde, doch ein Gefühl, welches sie nicht mal im nachhinein beschreiben konnte, hielt sie davon ab, ihrer kleinen, geliebten Schwester etwas zu versprechen, dass sie vielleicht nicht halten konnte. Stattdessen hatte sich Rory mit Dean angelegt, weil sie glaubte, dass er versuchte ihr ein schlechtes Gewissen einzureden, nur weil sie den Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter gesucht hatte. Der Streit eskalierte und Rory warf ihm vor, dass Dean mit aller Macht verhindern wollte, dass sie glücklich würde. Er hingegen hatte nur zum Ausdruck bringen wollen, dass er sie liebte und sie nicht verlieren wollte. Als er sie in seine Arme schließen wollte, stieß sie ihn weg, verließ das Haus und hatte seit dem nicht wieder mit ihm geredet. Die Atmosphäre in ihrem Zuhause war unerträglich geworden und je länger sie darüber nachdachte wurde ihr klar, dass es ihre Schuld war, dass die Menschen, die sie liebten, verletzt waren. Sie hatte ihnen vor den Kopf gestoßen, indem sie ihr bisheriges Leben in Frage gestellt und sich auf die Suche nach einem Neuen gemacht hatte.
Rory sah auf ihre Uhr. Es war inzwischen halb Fünf und von Lorelai war noch immer nichts zu sehen. Demotiviert erhob sich Rory von den kalten Treppenstufen, auf denen sie gesessen hatte und blickte ein letztes mal die Straße hinunter.
Das Klingeln ihres Handys ließ sei aufschrecken. Verkrampft kramte sie in ihrer Tasche rum, um das Handy zu finden.
„Hallo??"
„Rory ich bin’s Lorelai. Es tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde, aber ich- ich bin im Krankenhaus!", erklärte Lorelai mit einem Kratzen im Hals.
Mit klopfendem Herzen und kurzem Atem stand Rory an der Anmeldung der Unfallchirurgie und hielt Ausblick nach einer Schwester. Warum war die verdammte Anmeldung nicht besetzt, wenn man schon mal auf sie angewiesen war! Wo waren die bloß alle? Nervös wippte Rory auf ihren Füßen. Nachdem Lorelai sie angerufen hatte, war sie wie von einer Biene gestochen los gelaufen, um so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen. Lorelai hatte nicht gesagt was passiert war, nur, dass es halb so wild war und die Ärzte übertrieben. Rory war sich nicht sicher wer hier unter- und wer hier übertrieb, aber sie wollte diese Frage möglichst schnell beantwortet haben. Sie wollte wissen, wo Lorelais Zimmer war und was geschehen war.
„Kann ich etwas für dich tun, Kleine?", fragte sie eine dunkle, weibliche Stimme.
Rory dreht sich um und entdeckte eine kleine korpulente Schwester mittleren Alters, die ein paar Akten bei sich trug.
„Ähm, ja, ich äh… ich suche Lorelai Gilmore. Sie wurde heute eingeliefert, " erklärte sie stockend.
„Lorelai Gilmore?"
Die Schwester ging hinter den Tresen und durchsuchte einen Stapel von Akten, die in einem Regal geordnet waren. Sie zog eine heraus und schlug sie auf. Einen Moment schien sie den Inhalt zu studieren.
„Bist du mit der Patientin verwandt?", fragte die Schwester.
„Ja, ähm, ich bin ihre Tochter."
Rory spürte wie ihr Unbehagen sich auf ihren ganzen Körper ausbreitete. Was, wenn sie als Tochter nicht angegeben war, oder die Schwester noch mehr solcher Fragen stellte, die sie zu dem Zeitpunkt nicht zu beantworten wusste, oder es auch gar nicht wollte. Sie holte ein Mal tief Luft, um ihren Puls zu regulieren.
Ein wenig fand sie Gefallen an der Aussage Lorelais Tochter zu sein. Sie wusste zum ersten Mal in ihrem Leben zu wem sie gehörte und es war nicht einmal gelogen zu sagen, dass Lorelai sie geboren hatte.
„Ihre Tochter, hmm?"
„Ja."
„Sie liegt im Zimmer 206. Das ist den Gang weiter runter, rechts. Es kann sein, dass sie schläft."
„Danke."
Rory ging langsam den Flur entlang, ein wenig zu langsam. Ihr wurde mulmig zu mute, als ihr bewusst wurde, dass Lorelai ernsthaft verletzt worden sein könnte. Vielleicht würde sie sterben?
Nein!!! Rory schüttelte bewusst ihren Kopf. Sie musste solche Gedanken dringend streichen. Sie würde nicht sterben, nicht jetzt. Noch nicht. Das Schicksal würde es doch besser meinen, oder? Lorelai hatte mit ihr gesprochen, gesagt, es sei alles okay und nur halb so wild. Warum tauchten nur plötzlich solche Gedanken in ihr auf? Es machte sie unsicher nicht zu wissen, was passiert war. Deshalb war sie jetzt hier, um herauszufinden was geschehen ist und welche Folgen es mit sich brachte. Rory blieb einen Moment vor der Zimmertür stehen, bevor sie eintrat. Es war ruhig. Kein Mucks war aus dem Zimmer zu hören. Unsicher öffnete sie die Tür. Ihr Magen schmerzte von dem ganzen Stress der letzten Stunde.
Das Krankenzimmer war groß, beige und wirkte so kahl wie es wahrscheinlich jedes dieser Zimmer tat. Mitten im Zimmer stand ein Bett, das genau wie der Raum unglaublich leer wirkte. Rory musste zweimal hinsehen, um festzustellen, dass sie nicht, wie sie zuerst angenommen hatte, im falschen Zimmer gelandet war. Lorelai wirkte in diesem Bett klein und hilflos. Würden ihre Haare nicht auf dem weißen Kissen liegen, hätte Rory sie kaum erkannt. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht blass. Einige Schürfwunden verzierten die Blässe und brachten ein wenig Farbe ins Spiel.
Rory war erschrak, nicht zu letzt weil Lorelai so leblos wirkte, auch die Monitore, an die sie angeschlossen war, wirkten bedrohlich. Es beruhigte sie ein wenig, dass sie regelmäßig piepten. Das war ein gutes Zeichen, oder? Bestimmt. Rory verstand nicht viel von Medizin und dem was dazu gehörte, aber sie war sich sicher, dass Lorelai gehörig untertrieben hatte.
Um Lorelai nicht zu wecken, setzte sich Rory auf den Stuhl, der am Bett stand. Sie wagte es kaum zu atmen, in dem Raum war es so still, dass man das Summen einer Mücke als ohrenbetäubend laut hätte empfinden können.
Rory betrachtete Lorelais Gesichtszüge. Es war unglaublich, wie sehr sie ihren eigenen glichen. Niemand würde je anzweifeln, dass sie das Kind dieser Frau war. Auch die Schwester nicht, die ihre Augenbraue hochgezogen hatte.
„Rory…", hörte sie Lorelai murmeln.
„Ich bin hier."
„Es tut mir leid, dass ich nicht gekommen bin… ich wollte so gerne… deine Welt kennen lernen…", flüsterte Lorelai und öffnete ihre Augen.
„Du hast noch genug Zeit dafür… Was ist passiert?"
„Ich- ich fuhr auf dem Highway, um dich abzuholen. Ich war einen Moment unaufmerksam, als ein Auto versuchte mich zu überholen. Es kam aber Gegenverkehr. Der Typ wollte wieder einscheren, aber es war zu spät… Der hat mich total an der Seite erwischt… Ich verlor die Kontrolle über meinen Wagen…" Lorelai holte unter stechenden Schmerzen tief Luft. „Es war Glück, dass nicht mehr passiert ist."
„Wie geht’s dir jetzt? Hast du schlimme Verletzungen?", fragte Rory besorgt, nachdem sie beobachtet hatte, wie schwer es Lorelai fiel zu sprechen und zu atmen. Am Telefon hatte sie sich noch so gut angehört. Hatte sich ihr Zustand verschlechtert? Rory spürte, wie sehr sie die Situation mitnahm. Und- und was war mit dem Baby?
„Ich hab mir ein Bein gebrochen, ein paar Prellungen und Kratzer zugezogen und eine Rippe ist leicht verstaucht."
„Was ist mit dem Baby?"
„Dem Baby ist zum Glück nichts passiert, aber zur Vorsicht werden die Herztöne des Kindes mit dem Monitor überwacht."
Rory konnte die Erleichterung darüber in Lorelais Gesicht ablesen, auch sie war erleichtert.
Lorelai hatte Mühe ihre Augen aufzuhalten. Ihre Augenlider wurden immer schwerer.
„Ich freue mich so, dass du da bist Rory… ich wünschte der Tag wäre anders verlaufen."
„Das glaub’ ich dir", stellte Rory mit einem aufmunternden Lächeln fest.
„Wir holen das, was wir vor hatten, nach. Mach dir kein’ Kopf. Du hast genug Sorgen."
Erschöpfung, Missmut, Zweifel und Schock standen Lorelai ins Gesicht geschrieben. Es war sicherlich schwer genug in solch einer Situation, auch wenn man nicht schwanger war. Ihre Sorge um das ungeborene Kind musste sie noch mehr mitgenommen haben. Ein wenig schien sie, als ob sie unter Drogen stand. Sie war nicht ganz bei sich und schwebte inmitten dem was geschah und dem was passiert war.
Obwohl sie gegen ihre Müdigkeit versucht hatte anzukämpfen, nahm diese sie nun völlig ein.
„Es tut mir leid…Die Ärzte haben mir irgendetwas zur Beruhigung gegeben. Das wirkt wie eine Droge, nur dass diese mich unglaublich… müde macht," gestand sie.
Ihr Blick verließ nicht einmal den ihrer Tochter.
„Das muss dir nicht Leid tun. Schlaf nur, ruh’ dich aus. Ich werde hier noch ein wenig sitzen bleiben und dir Gesellschaft leisten, " versprach Rory.
Lorelai ergriff ihre Hand und drückte sie schwach.
„Du weißt gar nicht wie sehr ich dich liebe, Rory…"
Rory schaute sie verdutzt an, lächelte aber. Es fühlte sich gut an, diese Worte aus dem Mund ihrer leiblichen Mutter zu hören. Der Frau, von der sie geglaubt hatte, dass sie kein Herz hätte. Noch vor einer Stunde hatte sie an dem Interesse Lorelais gezweifelt und jetzt saß sie hier, in einem hässlichen Zimmer, das nicht mal annährend Wärme ausstrahlte und hielt die Hand ihrer Mutter, die ihr sagte, wie sehr sie sie liebte.
Rorys Herz fühlte sich beflügelt an, durch das Gefühl, das sie in Lorelais Nähe empfand.
Nachdem Lorelai eingeschlafen war, saß Rory eine Weile einfach nur da und beobachtete wie Lorelai schlief. Sie hatte das Gefühl in dem spannendsten Film ihres Lebens zu sitzen und war völlig unvorbereitet auf das, was noch geschehen mochte. Es interessierte sie in diesem Moment auch gar nicht, was in der nächsten Zeit geschah, nicht mal, was in der nächsten Stunde geschehen würde. Darüber hinaus vergaß sie alles um sich herum und sah nur das, was offensichtlich für sie war.
Natürlich war ihr nicht bewusst, dass man sich bereits um sie sorgte, weil sie nicht nach Hause gekommen war. Man ging in der Küche auf und ab, rief Freunde an, um zu erfahren, dass sie da nicht sei. Man machte sich schwere Vorwürfe etwas falsch gemacht zu haben, oder etwas Wichtiges verpasst zu haben.
Rory ahnte von all dem nichts. Sie saß noch immer an Lorelais Bett und hielt ihre Hand.
Es war inzwischen schon dunkel geworden und die künstlichen Lichter eines Krankenhauses flackerten vor sich hin. Ein Klopfen an der Tür ließ Rory aufschrecken. Als sie aufsah entdeckte sie eine ältere Frau, elegant gekleidet, die in der Tür stand, den Türgriff fest umklammert und ihr Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass sie einen Geist gesehen haben musste.
Rory stand auf, sah kurz zu Lorelai, die noch schlief und wandte ihren Blick wieder der Frau zu, die ihren Mund wieder geschlossen hatte.
„Ich bin Rory, ich…", begann sie stotternd. Der durchbohrende Blick dieser Frau verunsicherte sie.
„Ich weiß wer du bist, mein Kind… Es ist offensichtlich," sagte sie ruhig und schloss die Tür hinter sich, nachdem sie in das Zimmer getreten war. Ihre Augen glänzten, als hätte sie Tränen in ihnen, doch es mochte auch nur so scheinen als ob.
„Woher…?", fragte Rory. War sie dieser Frau schon mal begegnet und sie erinnerte sich einfach nicht?
„Ich bin deine Großmutter," antwortete Emily, ohne zu zögern.
Zwar glaubte sie zu träumen, doch die Realität hatte sie schnell wieder. Es überraschte sie, Rory hier zu sehen. Natürlich hatte Lorelai nichts von ihr erzählt, aber wann erzählte ihre Tochter ihr schon mal etwas so wichtiges.
Rory traute ihren Ohren kaum. Ihre Großmutter? Lorelai hatte von ihr gesprochen, sie als konservativ und nervig beschrieben, doch in diesem Moment hatte Rory das Gefühl einer Frau gegenüber zu stehen, die genauso überrascht war wie sie und genauso unsicher. Noch nie war sie dieser Frau begegnet, aber spürte gleich, dass sie zu ihr gehörte, so wie Lorelai. Sie war ein Teil ihrer Schöpfung. Ein Teil ihres Seins und ihres nicht Seins. Wie auch immer man das sehen mochte.
Rory starrte Emily an, bevor sie irgendetwas murmelte, dass Emily nicht verstand.
„Ich…ähm, ich- bin mir nicht so sicher was ich jetzt sagen soll… ich meine Sie sind die Mutter meiner Mutter, dass glaube ich zumindest und ich äh, ich weiß nich’ was ich sagen soll, oder auch nicht und wenn ich nervös bin, dann neige ich dazu , zu viel auf einmal zu erzählen und hab’ dann doch nichts gesagt und ich- ich setze mich jetzt erst mal…", stammelte Rory.
„Also erst mal, bin ich genauso überrascht wie du, dass wir uns hier begegnen. Meine Tochter hat mir nicht erzählt, dass sie wieder Kontakt zu dir hat, aber ich freue mich, dass es so ist Rory."
Rory lächelte sie schüchtern an. Sie musste wie ein unreifes Schulmädchen wirken.
„Wie geht es meiner Tochter?", fragte Emily, nach einem weiteren Moment.
„Sie hat sich ein Bein gebrochen, eine Rippe verstaucht und noch ein paar Prellungen und Kratzer. Dem Baby ist nichts passiert, " erklärte Rory.
Emily sah sie an. Sie erinnerte sich daran wie Lorelai ihr mitgeteilt hatte, dass sie schwanger war. Für Emilys Verhältnisse hatte sie sehr ruhig reagiert, keinen Wutausbruch gehabt, oder sonstige Erregungen geäußert. Viel mehr hatte sie dieses Mal, ihre Hilfe angeboten und ihr Mitgefühl gezeigt. In all den Jahren hatte sie versucht zu verstehen, warum ihre Tochter damals abgelehnt hatte Christopher zu heiraten und nun, nachdem sie wieder von ihm schwanger war, verstand sie. Seit Lorelai sprechen konnte, hatte sie sie noch nie so sprachlos erlebt, wie an diesem Abend. Emily lächelte bei dem Gedanken daran.
„Schläft sie schon lange?"
„Ja, eine Weile. Man hat ihr etwas zur Beruhigung gegeben. Der ganze Stress war zu viel für und für das Baby erst."
„Du siehst hungrig aus. Wollen wir in die Cafeteria gehen und eine Kleinigkeit zu uns nehmen? Wir könnten uns ein wenig unterhalten, " schlug Emily vor.
Rory sah zu Lorelai und wieder zu Emily.
„Ja gerne."
Als Lorelai aufwachte, spürte sie, dass sie nicht alleine war. Langsam versuchte sie ihre Augenlider zu heben. Sie schienen so unendlich schwer. Zum Glück war das Zimmer in Dunkelheit gehüllt, so dass ihre Augen sich nicht dem grellen Tageslicht stellen mussten. Einen Moment lang hoffte sie Rory zu entdecken, doch auch als sie ihre Mutter erkannte empfand sie eine stille Freude.
„Hallo Mum…,"flüsterte sie.
„Lorelai, wie geht es dir?", fragte Emily besorgt.
„Es ging mir schon besser. Die Ärzte haben mich mit so viel Beruhigungsmittel voll gepumpt, dass ich kaum klar denken und meine Augen offen halten kann."
Deshalb dachte Lorelai auch nicht drüber nach, als sie sich nach Rory erkundigte. Sie hatte es Emily zu einem anderen Zeitpunkt mitteilen wollen, aber dies war nun egal.
„Ich habe Rory nach Hause geschickt. Sie wirkte sehr erschöpft. Scheinbar saß sie sehr lange hier an deinem Bett und hielt deine Hand."
„Ich liebe sie über alles Mum."
„Ich weiß mein Kind. Ich weiß."
Lorelai spürte wie eine Träne sich ihren Weg über ihre Wange bahnte und auf das Kissen tropfte.
„Seit wann hast du wieder Kontakt zu ihr?", fragte Emily und beobachtete Lorelai.
Zum ersten Mal, seit vielen, vielen Jahren, wirkte ihre Tochter schwach auf sie. Meistens versuchte Lorelai ihre Gefühle nicht nach außen zu tragen, doch jetzt, hier in diesem schäbigen Krankenhauszimmer und diesem Krankenhausbett, wirkte sie so kraftlos, als ob sie gleich zusammenbrechen würde. Emily sorgte sich um das Wohl ihrer Tochter. Normalerweise erschien sie jedem sehr stark, schlagfertig und fit, doch etwas hatte sich verändert. Ganz war Emily sich nicht sicher, doch seit der Widerbegegnung mit Christopher und seinem wiederholten Verschwinden, hatten in Lorelai Narben aufgerissen, die sie mit Blut überströmten. So sehr sich Lorelai auch anstrengen mochte, vor einer Mutter konnte man so etwas nicht verheimlichen.
„Seit ein paar Wochen. Sie stand eines Tages vor meiner Tür… ich glaubte zu fantasieren, doch da war sie, mein kleines Baby, meiner kleiner wehrloser Engel und sah mich an…"
Lorelai versuchte weitere Tränen zu unterbinden, doch es fehlte ihr jegliche Kraft. Sie lag da, Tränen in ihrem blassen Gesicht, dachte an Rory und ihr ungeborenes Baby, das sie geglaubt hatte verloren zu haben.
Emily drückte sanft Lorelais Hand und trocknete mit ihrer anderen die Tränen.
„Rory erzählte mir, dass es dem Baby gut ginge."
Lorelai nickte erschöpft und schloss für einen kurzen Moment ihre Augen.
„Es wird ein Junge Mum. Ein kleiner Christopher…" Lorelai deutete ein Lächeln an, welches sofort wieder verstarb.
Auch Emily musste schwer schlucken, um nicht auch noch in Tränen aus zu brechen, doch so würde sie Lorelai nicht helfen können und das beabsichtigte sie.
„Ich werde immer für dich da sein Lorelai, für dich und deine Kinder."
„Danke Mum." Lorelai fiel es immer schwerer ihre Augenlider zu halten. Sie war so müde.
„Schlaf ruhig. Wir reden ein andermal, " erklärte Emily, die die Müdigkeit ihrer Tochter wohl beobachtet hatte.
„Sie sieht aus wie du, mein Kind," fügte sie hinzu, als sie an Rory dachte.
„Ja…"
Als Rory am nächsten Morgen aufzuwachen begann, spürte sie wie ein dumpfes Hämmern sich in ihrem Kopf breit zu machen schien. Dies versprach schon mal ein toller Tag zu werden. Nachdem sie am Tag zuvor erst sehr spät nach Hause gekommen war, hatte sie sich ganz fürchterlich mit ihrer Pflegemutter gestritten. Verständlicherweise hatte sie besorgt gewartet und gehofft, dass Rory ein Lebenszeichen von sich gab. Doch Rory hatte nicht darüber nachgedacht.
Zwar wusste sie, dass Rory verabredet war, aber konnte sie wirklich so lange unterwegs sein? Was hatte diese Frau mit ihrer Tochter vor? Jean (ich nenn sie jetzt einfach mal so) verstand die Welt nicht mehr. Erst gab diese Frau ihr Kind weg und nun versuchte sie ihre nicht vorhandenen Rechte zurück zu gewinnen. Seit Rory ihre leibliche Mutter zu suchen begonnen hatte, war die Stimmung der Familie im Keller. Jetzt wo sie sie gefunden hatte versuchte Jean ihre Eifersucht zu unterdrücken, doch es fiel ihr schwer, denn jedes Mal wenn sie in Rorys Augen sah, glaubte sie etwas zu erkennen, dass sie in Rorys Leben vermisst hatte. Rory war zum wahrscheinlich ersten Mal in ihrem Leben wirklich glücklich. Jean brach es das Herz, denn sie liebte Rory wie ihr eigenes Kind.

:geist: [Bild: hm6.jpg]
Harm:"Mac, we have 12 hours!" Mac:"We've had 9 years!"
Harm:"I guess,maybe I just needed a deadline..."Mac:"Well, you got one, sailor!"





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