20.02.2006, 18:18
Fade or Coincidence
âWarum Mum! Warum?â Ein ziemlich aufgebrachtes Mädchen ging in der Wohnung auf und ab. Sie hatte lange schwarze Haare und blaue Augen. Sie stritt sich mit ihrer Mutter. Mal wieder.
âWarum! Das ist doch wohl nicht dein ernst! Dieser Junge ist nicht der richtige Umgang für dichâ¦versteh das dochâ Die Frau war ebenfalls so aufgebracht und raufte sich die Haare. Warum musste das alles so kompliziert sein? Warum wollte ihre Tochter nicht auf sie hören?
âDu kennst ihn doch gar nicht richtig. Du nimmst einfach die ganzen Vorurteile, die du von anderen Leuten aufschnappstâ
âMandy! Wir sind hier in New York! Ich weis, wie die Typen in New York drauf sind. Das ist nicht der Umgang für ein 16 jähriges Mädchenâ
Dem jungen Mädchen standen die Tränen in den Augen. Ihre Mutter verstand sie einfach nicht. Das hatte sie noch nieâ¦
âIch gehâ sagte sie kalt, schnappte sich ihre Jacke und öffnete die Tür.
âDu wirst nicht zu ihm gehenâ
âUnd wer will mich davon abhalten?â
âIch!â Sie hielt ihre Tochter am Arm fest und wollte sie wieder in die Wohnung zerren, als sich Mandy losriss und die Tür aufschlug.
âIch hasse dichâ waren die einzigen Worte, die die junge Frau noch hörte. Sie blieb zurück. In einer leeren Wohnung, ohne Tochter, ohne Familie, ohne sich selbst. Was war nur mit ihr passiert? Sie lag jede Nacht wach und wünschte sich die Zeit zurückdrehen zu können. Warum musste es auch zu diesem schlimmen Streit mit ihrer Mum kommen? Das alles nur für einen Typen, der sie hochschwanger sitzen gelassen hatte. Dieser Streit lag nun ganze 16 Jahre zurück. 16 Jahre, in denen sie keinerlei Kontakt mit ihr gehabt hatte. Eine unendlich lange Zeit. Langsam aber sicher gaben ihre Knie nach und sie spürte den kalten Boden unter ihren Händen. Sie wollte doch immer eine gute Mutter sein. Sie wollte genau so eine Beziehung zu ihrem Kind, wie sie sie mit ihrer Mum gehabt hatte. Doch alles lief anders. Alles lief schief.
Wo war nur die starke Person von früher geblieben? Es gab sie nicht mehr. Rory Gilmore hatte aufgehört zu existieren. Sie war nur noch ein Abklatsch ihrer selbst. Sie liebte Mandy über alles und doch schaffte sie es nicht mit ihr klar zu kommen. War sie wirklich eine so miserable Mutter? War sie ein so schlimmer Mensch geworden? Rory wusste es nicht. Sie wollte das alles nicht mehr. Tränen bahnten sich ihren Weg und tropften auf den kühlen Fussbodenâ¦
Mandy stieg aus der U-Bahn aus und rannte den Weg entlang. Sie wusste genau, wo sie hinmusste. Ihr Blick war durch einen Tränenschleier getrübt. Wieso war ihre Mutter nur so? Sie hatte Fotos in einer Kiste entdeckt. Fotos von früher. Damals schien sie glücklich zu sein, nicht so wie heute. Auf dem Bild war sie mit ihrer Mutter und damit ihrer Oma. Sie hatte Lorelai nie kennen gelernt. Es wurde auch nur wenig über sie gesprochen. Rory tat so, als wenn alles in Ordnung wäre.
Mandy stieg die Stufen zu einem Haus nach oben. Völlig auÃer Atmen drückte sie den Knopf und wartete. Wenige Augenblicke später öffnete ein Junge, ungefähr in ihrem Alter die Tür.
âMandy?â fragte er leicht irritiert und bat sie rein. Er hatte kurze schwarze Haare, braune Augen und war ein klein wenig gröÃer als sie.
âOh Johnâ Das Mädchen lehnte sich an ihn und fing an zu weinen.
âKommâ John nahm sie an der Hand und führte sie nach oben in sein Zimmer.
âDeine Mum?â fragte er behutsam, während sie sich aufs Bett setzten.
âSie ist so schrecklich. Sie versteht mich einfach nichtâ¦irgendwie wird es immer schlimmer. Sie wollte mir den Umgang mit dir verbieten, da bin ich ausgerastet und bin abgehauenâ Erneut verfiel Mandy in einem Schluchzer. Bei ihrem Freund war der einzige Platz, an dem sie sich wirklich wohl fühlte. Hier fand sie Geborgenheit und Liebeâ¦das brauchte sie. Ihr war egal, was jeder von John hielt. Keiner kannte ihn. Keiner kannte ihn so, wie sie.
Rory stand im Zimmer ihrer Tochter und durchsuchte ihre Sachen. Irgendwo hier müsste sie doch seine Adresse haben. Sie musste jetzt zu ihr. Wenn sie das nicht bald auf die Reihe kriegen würden, würde sie ihre Tochter ganz verlieren. Das wäre das letzte, was sie verkraften könnte. Rory kramte gerade in einer Tasche, als ein kleiner Zettel heraus fiel. Als sie las, was darauf stand machte sie sich ohne zu zögern auf den Wegâ¦
âDu hast es so gutâ Mandy hatte sich wieder einigermaÃen gefangen und lag nun auf Johnâs Schoss.
âWarum?â
âWeil du Glück mit deinem Dad hast. Er versteht dich und zeigt immer Verständnis, was bei mir ja nicht gerade der Fall istâ
âIch denke wir kommen so gut miteinander aus, weil wir uns so gleichen. Er meinte, dass er in meinem Alter genauso gewesen wäre wie ich. Er hatte auf nichts Lust, wurde von seiner Mum weggeschickt und musste zu seinem Onkel. Das hat ihm aber geholfen und wenn du mich fragst war da auch ein Mädchen mit im Spielâ
âDeine Mum?â
âBestimmt nicht. Sie ist nach der Geburt abhauen, weil sie überfordert war. Seitdem leben Dad und ich allein. Er geht ab und zu weg, aber was Festes hatte er nicht mehr. Seit 17 Jahrenâ John flüsterte schon und blickte betrübt in das Gesicht seiner Freundin. Sie war immer für ihn da. Sie gab ihm Halt und Kraft. Durch sie wollte er wieder leben. Mandy war etwas ganz besonderesâ¦nicht so wie die Mädchen vor ihr. Er wollte sich gerade runterbeugen um sie zu küssen, als es wieder an der Tür klingelte.
âWillst du nicht aufmachen?â Mandy hob ihren Kopf und setzte sich hin.
âIch denke mein Vater wird aufâ¦â
âJohn? Mach mal die Tür auf. Ich bin noch kurz im Badâ unterbrach eine dunkle Stimme den Jungen. Genervt stieg John aus dem Bett und machte sich auf den Weg zu Tür.
âWer sind sie denn? Wollen sie zu meinem Dad?â fragte er verwirrt, da er die Frau nicht kannte. Rory stand da und wollte schon etwas sagen, als sie John genauer betrachtete. Ihr gefror das Blut in den Adern. Dieser Junge sah ihm zum verwechseln ähnlich. Das konnte doch nicht seinâ¦
âWer ist es denn?â
âKeine Ahnungâ
Hinter John kam ein gut aussehender Mann zum Vorschein. Er starrte die Frau geschockt an. Ihm stockte der Atem. Wie war das möglich?
âRory?â fragte er leise und fasste sich in die Haare.
âJess?â
Die beiden standen sich unbeholfen gegenüber. Sie hatten sich über 17 Jahre nicht gesehen und doch verspürten beide wieder dieses Kribbeln.
âMum?!â Mandy kam die Treppe runter und starrte sie an. Was wollte die denn jetzt hier und woher wusste sie, wo sie war?
âMandy ist deine Tochter? Ich wusste, sie erinnert mich an jemandenâ grinste Jess mit seinem typischen Blick.
âGanz die Mutterâ
âIch wusste gleich, dass mich dein Sohn an dich erinnert hatte. Er ist der gleiche Bad Boy wie du vor 17 Jahrenâ
John starrte von einer auf die andern Seite. Er dachte angestrengt nach und endlich ging ihm ein Licht auf.
âDasâ¦dasâ¦das ist die Frau, über die du nie hinweggekommen bistâ stellte er trocken fest und ballte seine Hände zu einer Faust.
âIst das wahr?â fragte Mandy unsicher. Doch sie bekam keine Antwort. Jess und Rory standen sich gegenüber und blickten sich einfach nur an. War es Schicksal, dass alles so gekommen war? Konnte sie vielleicht jetzt wieder glücklich werden? Sie spürte die Gefühle, die nie erloschen waren. Jess ging es nicht anders. Er hatte wirklich keine ernsthafte Beziehung mehrâ¦wegen ihr. Seiner groÃen Liebe. Vielleicht hätte er sich noch mal bitten sollen mit ihm mitzukommen. Vielleicht wäre alles besser geworden. Vielleicht. Mandy und John bemerkten diesen Blick genau. Er war so voller Sehnsucht. Sehnsucht und Verlangen nacheinander. Dieser Blick war für die Ewigkeit.
Manche behaupten, dass es nur eine einzige, besondere Person für einen Menschen gab. Das perfekte Gegenstück. Viele finden diesen Menschen nie. Doch viele haben ihn bereits gefunden und erkennen es einfach nicht. Sie lassen ihn einfach wieder gehen. Ein groÃer Fehler. Genau so war es bei Rory und Jess. Sie waren füreinander bestimmt und keiner konnte ohne den anderen richtig glücklich sein. Um das zu erkennen brauchten sie 17 Jahreâ¦17 Jahre ihres kostbaren und kurzen Lebens.
âKomm doch reinâ
Rory lächelte leicht und nickte ohne ein weiters Wort zu verlieren. Sie betrat das Haus und ging dicht an Jess vorbei. Sie ging hinein und vielleicht betrat sie einen neuen Lebensabschnitt. Vielleicht trat nun die Wende in ihrem Leben ein. Vielleicht einen neuen glücklichen Lebensabschnitt mit dem Mann, den sie nie aufgehört hatte zu liebenâ¦vielleichtâ¦
Come back to me
My love is real
If only I had you in my arms
Please come back to me
I make you feel
You`re all that i am
That I am
If only I had you in my arms
Please come back to me
I make you feel
You`re all that i am
That I am
OneShots:
I canât live without you
Ihr gesamter Körper zitterte. Gänsehaut schlich sich ein. Duch jede Faser, jede Pore ihres Körpers. Der Schmerz war da. Er war immer all gegen wärtig. Man konnte ihn nicht vergessen. Nicht verdrängen. Sie konnte es nicht. So lebte sie schon fast ein Jahr lang. Jeden Monat, jede Woche, jede Stunde und jede Sekunde ihres tristen Lebens. Ja ihr tristes Leben. Das auf einen Schlag allen Sinn verloren hatte. In einem winzigen aber bedeutenden Augenblick hatte es all seinen Sinn verloren. Man hatte ihr genommen, was ihr am Meisten bedeutet hatte. Bis zum heutigen Tage fragte sie sich, ob es wohl Schicksal war. Ob es ihr Schicksal war, alles zu verlieren, was sie am Leben erhielt. Man nahm ihr die Luft zum Atmen, den Raum zum Leben, die Menschen die sie liebte. Jeder hatte aufmunternde Worte für sie. Keiner konnte ahnen, dass es ihr nicht half. Die Worte drangen durch sie hindurch, ohne eine Wirkung. Sie wollte sie nicht mehr hören, sie wollte einfach nur vergessen. Selbst die Worte ihrer besten Freundin, ihrem Vorbild, ihrer Mutter konnten ihr nicht helfen. Lorelai hatte es oft versucht, ohne Erfolg. Niemals könnte sie so weiter leben. Sie war nicht mehr die starke Person von früher. Die würde sie nie mehr sein. Sie war blass, abgemagert, krank. Doch all das war nicht wichtig. Viel mehr zählte ihr Innenleben. Ihr Herz. Ihre Seele. Das was nur noch von Schmerz erfüllt war. Von Trauer durchdrungen und Hilflosigkeit getränkt. Immer wieder dachte sie an diesen einen Tag zurück. Es war so unerwartet, unbarmherzig und kalt. Von da ab hatte sich alles geändert im Leben von Lorelai Leigh Mariano.
~ Flashback ~
Rory machte gerade das Essen. So glücklich wie in den letzten Jahren, war sie niemals zuvor. Sie hatte ihn nicht mehr gehen lassen. Den Fehler wollte sie nicht zweimal begehen. Sie hatte Jess nicht mehr gehen lassen. Er war nun ein groÃer und bedeutender Teil in ihrem Leben. Heute auf den Tag genau, waren sie zwei Jahre verheiratet. Zwei wundervolle Jahre. Eine Zeit voll Glück und Freude. Rory bereute keinen Augenblick in ihrem Leben. Sie hatte sich ein neues Leben aufgebaut. Ein neues Zuhause geschaffen. Sie lebte mit ihrem Mann in ihrem Haus, ganz in der Nähe von Stars Hollow. In diesen zwei Jahren hatte sich ihr Leben aber noch gravierender verändert. Jess hatte ihr nicht nur ein glückliches Leben geschenkt, sondern noch etwas viel bedeutenderes. Etwas viel GröÃeres. Er hatte ihr zwei liebevolle Kinder geschenkt. Zwillinge. Rory konnte sich ein Leben ohne ihre Familie nicht mehr vorstellen. Ihr Mutterglück war das gröÃte auf Erden. An ihrem Hochzeitstag sollte alles gut gehen. Das dachte sie zumindest. Sie wollte gerade die Kerzen aufstellen, als er klingelte. Freudig sprang sie richtung Tür und öffnete sie. Sie erwartete ihre Kinder und ihren Mann. Doch es waren nicht sie an der Tür. Ihr Gesicht versteinerte augenblicklich, als sie ihre Mutter und zwei Polizisten erblickte. Das konnte nichts gutes verheiÃen. Sie bat sie herein und die Nachricht, die sie überbrachten, sollte ihr ganzes Leben verändernâ¦
~ zurück ~
Diese Nachricht hatte ihr Leben nicht verändert, es hatte es vollkommen zerstört. Man hatte ihr alle Liebe der Welt genommen. Sie hörte immer noch die Worte des Polizisten im Ohr. Diese Worte, die sie Tag für Tag quälten.
âVerkehrsunfallâ¦Mr. Mariano und die beiden Kinder sind leider verstorbenâ¦es tut mir aufrichtig Leidâ
Klatsch. Mit einem Schlag den letzten Funken Energie aus ihr gesogen. Ihr spuckten immer und immer wieder die letzten Worte ihres Mannes im Kopf.
âIch hole nur schnell unsere Engel ab. Ich bin gleich wieder zurückâ¦ach und Rory⦠ich liebe dich. Byeâ
Er hatte nicht Goodbye gemeint. Es sollte ein âLebe Wohlâ werden. Er kam nicht mehr zurück. Die Kinder kamen nicht mehr zurück. Nie wieder. Sie waren fort. Keiner weià genau, wo hin. Doch den Tod kann man nicht umgehen. Die Menschen können fast alles erreichen, doch zwei Dinge sind ein Rätsel geblieben. Das Leben und der Tod. Man kann den Tod nicht austricksen, nicht umgehen. Rory hatte das bitter miterleben müssen. Er hatte ihr das Wichtigste auf dieser Welt genommen. Einfach hinweggerafft. Vielleicht hatte auch das Schicksal seine Hände im Spiel. Das Schicksal und die Vergänglichkeit. Alles auf dieser Erde ist vergänglich. Einfach alles. Diesen Schmerz, der sie Tag für Tag heimsuchte, wollte sie nicht mehr ertragen. Sie war tot. Körperlich nicht, aber in ihrem Innern. Ihr Herz schlug jeden Tag vor sich hin, ohne jegliches Gefühl. Gefühle. Die Liebe, die sie einst in sich trug, verschwand mit ihrer Familie. Sie hatten sie mitgenommenâ¦.genauso wie ihr Herz und ihre Seele. Rory fühlte sich nur noch als leere Hülle, die nur vor sich hin lebte. Ohne einen Sinn. Ihr Kopf war leer. Frei von Gedanken, frei von Gefühlen. Das alles hatte sie hinter sich gelassen. Sie hatte ihr Leben hinter sich gelassen. Der Wind begann stärker zu toben. Es zog ein Sturm auf. Rory konnte es egal sein. Seit ein paar Minuten war die Kälte verschwunden. Die Schmerzen waren verschwunden. Sie fühlte sich so frei. So gut. Bald würde sie mit ihrer Familie vereint sein. Ein letztes mal strich sie sanft über die beiden rauen Steine.
~ Jess Mariano ~
* 06.10.1984 + 25.03.2010
Beloved husband, father, friend and human
~ Kimberley and Damion Mariano ~
*12.05.2008 + 25.03.2010
Beloved children
We will miss you
Ihr Körper wurde müder. Jedes Glied schwerer. Tränen liefen ihre Wange hinunter. Langsam legte sie ihren Kopf auf den Grabstein ihres Mannes und flüsterte ein letztes mal
âich lieber dichâ
Die Ãberdosis Schlaftabletten hatten ihre Aufgabe erfüllt. Jegliches Leben war aus Rorys Körper gewichen. Ihr Brustkorb hob sich nicht mehr und ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Sie wirkte so friedlich, wie sie da lag. Sie glich schon fast einem Engel. Als ob sie jede Minute aufwachen würde. Doch sie würde nicht mehr aufwachen. Nie mehrâ¦
Viele Menschen werden sich wahrscheinlich fragen, warum Lorelai Leigh Mariano Selbstmord begangen hat. Viele werden denken, dass es einen anderen Weg gegeben hätte. Viele hätten anders gehandeltâ¦doch sie nicht. Rory nicht. Sie sah ihren Ausweg darin, ihrem Leben ein Ende zu setzten. Die Schmerzen und Qualen für immer zu beenden. Keiner wird jemals die wahren Gründe von ihr wissen, denn die hatte sie mitgenommen. Sie hatte geschwiegen und es mit ins Grab genommen. Hoffentlich würde sie jetzt wieder mit ihrer Familie vereint werdenâ¦
Das Ãltere Ehepaar, das sie später am Abend fand, konnte nichts mehr auÃer einem Brief mit der Aufschrift Lorelai & Luke Danes retten. Nur ihr Abschiedsbrief hatte in dieser tragischen Herbstnacht überlebtâ¦