16.04.2006, 16:51
...
Paris blätterte nachdenklich in einer Zeitung. Es war kurz vor sechs. Entweder würde er in den nächsten Minuten hier sein oder gar nicht. Sie blickte auf ihre Schuhspitzen. Warum war sie nicht einfach gefahren? Offensichtlich war sie ihm doch sowieso gleichgültig.
Plötzlich vernahm sie leise Schritte. Sie legte die Zeitung auf das weiche Gras und rutschte an ein Ende der Parkbank. Sie spürte ein unwohles Gefühl in ihrer Magengegend, als Carlos sich neben sie setzte. Er betrachtete sie schweigend. Paris räusperte sich leise und wich seinem Blick aus. „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast…“
„Also, was willst du mir sagen?“
Sie atmete tief durch. Sie konnte es nicht. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie keine Worte über die Lippen bringen würde.
Er seufzte. „Hör mal Paris, ich habe heute noch anderes zu erledigen…“
Sie nickte und sah ihm direkt in die Augen. „WeiÃt du was? Ich habe es gewusst…ich hätte nicht herkommen dürfen…es hat doch keinen Sinn…“ Er wollte etwas erwidern, doch diesmal war es sie, die ihn nicht dazukommen lieÃ. „Doch, den hat es vielleicht schon. Ich werde mir nicht ewig die Frage stellen müssen, deren Antwort ich leider schon kenne…“ Sie hielt kurz inne. „Ich habe dir von meiner Familie erzählt. Du weiÃt, dass sie sich nie für mich interessiert haben. AuÃer ein GroÃvater, den ich im Alter von sechs Jahren verloren habe. Meine Eltern waren niemals für mich da, niemals…“ Sie senkte den Kopf. „Einzig meine Nanny, die seit einem Jahr nicht mehr bei uns wohnt. Sie war eine Art Mutter Ersatz für mich…meine leibliche Mutter hat mir versprochen sich zu bemühen, doch nichts hat sich geändert...jetzt ist auch noch die Trennung von meinen Eltern endgültig. Mein Vater ist ausgezogen, der Freund meiner Mutter wird einziehen. Da ich mich zu spät für ein Praktikum beworben habe und meine Noten groÃteils um einen Grad gesunken sind, werde ich also den ganzen Sommer in meinem Zimmer verbringen…“ Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. „Ich hatte immer nur wenige Freunde. Die meisten nützten mich aus oder fielen mir früher oder später in den Rücken. Ich habe viele schlechte Erfahrungen gemacht, durch welche ich mich noch mehr verschlossen habe. Es fällt mir schwer, mich Menschen zu öffnen. Gefühle zu zeigen oder darüber zu reden ist nicht leicht für mich. Ich habe Angst dadurch noch verletzbarer zu werden. Jamie gab mir stets ein gutes Gefühl. Erst durch ihn kann ich mir das alles erst überhaupt eingestehen. Er liebte mich aufrichtig um meiner selbst willen. Er war wohl neben Rory der erste, der mir wirklich zuhörte…ich werde ihm wohl ewig dankbar sein, für alles was er getan hat…“ Sie hielt kurz inne. „…noch mehr hat sich mein Leben jedoch in den letzten Monaten geändert…in jeder Weise…“ Sie sah ihm in die Augen. Er zeigte noch keinerlei Reaktion. „…alles hat sich verändert, ich habe mich verändert…so als hätte ich da erst begonnen zu leben…das hört sich alles so seltsam an, ich weiÃ…ich hatte Angst, Angst vor den Gefühlen, welche sich so schnell entwickelt haben, welche ich nicht kenne und daher nicht weiÃ, wie man damit umgeht…du hast mir auÃerdem nie das Gefühl gegeben, dass du sie erwiderst…“ Sie hielt inne um seine Reaktion abzuwarten, er reagierte jedoch in keinster Weise, betrachtete sie mit unveränderter Miene. Paris seufzte leise. „Es ist in Ordnung. Du brauchst nichts zu sagen. Aber ich musste es dir sagen. Auch wenn es jetzt, wo mir deine Gefühle bewusst sind, noch mehr schmerzt, war es besser so…“ Sie konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. „Es tut mir leid, dich aufgehalten zu haben…“ Sie erhob sich langsam und schenkte ihm noch einen letzten Blick. „Ich werde dich auch nie wieder belästigen. Ich wünsche dir alles Gute.“ Sie drehte sich um und lief.
Vor ihrem Auto angekommen, sank sie auf den kühlen Gehsteig und weinte. Paris wusste, dass sie richtig gehandelt hatte. Egal wir er nun reagierte, sie hatte das Richtige getan, indem sie ihre Gefühle ausgesprochen hatte.
„Du wirst noch krank werden…“
Sie sah verwundert hoch.
„Der Boden ist sehr kühl.“ Carlos reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Mit der anderen Hand wischte er die letzten Tränen von de Wangen. Sie zuckte zusammen, als seine Hand ihr Gesicht berührte. „Hast du in letzter Zeit viel Sport getrieben? Du läufst ja verdammt schnell…ich weià ja, dass du beim Antworten meistens recht schnell bist, aber andere brauchen eben ein wenig länger…“
Sie musterte ihn überrascht. Mit vielem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass er ihr folgen würde. Was wollte er noch? Plötzlich bemerkte sie, dass ihre Hand noch immer in seiner lag. Sie entzog sie ihm langsam.
„Ich weià ja, dass du gerade zu unheimlich intelligent bist, aber wie willst du beurteilen können, was ich empfinde?“ Sie wollte antworten, doch er kam ihr wieder zuvor. „Oh nein, diesmal bin ich noch nicht fertig.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog sie an sich. Als sich ihre Lippen berührten, fühlte Paris wie ein warmes Gefühl ihren Körper durchflutete. Sie löste sich sanft aus seinen Armen. „Das war eine gute Antwort.“ Sie lächelte. Seine Miene veränderte sich plötzlich. „Da ist noch etwas, das ich dir sagen muss.“
Sie runzelte die Stirn.
„Ich habe dir doch von Alicia erzählt?“
Paris schüttelte den Kopf. „Zumindest nicht namentlich…“
Er seufzte. „Ich kenne sie seit unserer Kindheit. Wir waren sogar zusammen, wenn man das bei vierzehnjährigen schon so nennen kann…“
Sie kräuselte die Lippen. „Die mit dem tollen Abschiedsgeschenk…“
Er ging nicht darauf ein. „In den acht Jahren, welche seit dem Umzug meiner Familie vergangen sind, haben wir uns zumindest zweimal pro Jahr gesehen…“
„Sie ist schlieÃlich die beste Freundin deiner Schwester…“
„Sie ist vor allem wegen mir gekommen. Ich müsste lügen, würde ich sagen, es war nur noch Freundschaft zwischen uns. Die Geschichte ist komplizierter und ich habe keine Lust sie vor dir auszubreiten, aber ich möchte ehrlich sein. Alicia hatte einen Freund aus Kanada. Sie machte letztes Wochenende mit ihm Schluss und kam zu mir. Wir fühlten uns beide so richtig beschissen, weshalb wir uns irgendwann betranken und über alte Zeiten redeten…“ Er hielt inne und betrachtete Paris, welche ihren Blick zu Boden gerichtet hatte. „Ich kann mich nicht mehr erinnern wie es passiert war und wann…auf jeden fall wachten wir am Morgen darauf verkatert in einer relativ eindeutigen Position auf…“
Paris versuchte die Tränen zu unterdrücken. „Was bedeutet sie dir?“
„Die Vergangenheit mit ihr bedeutet mir sehr viel...Paris, das was du vorhin sagtest, wie sehr ich dein Leben verändert hätte…du hast meines mindestens ebenso verändert. Mir fällt es genau wie dir schwer über Gefühle zu sprechen…Alicia fragte mich am Tag darauf, ob wir es versuchen sollen, oder ob es aufgrund dieser Distanz sinnlos wäre. Sinnlos wäre es tatsächlich, aber aus einem ganz anderen Grund. Sie ist nicht die, mit der ich zusammen sein möchte. Und genau das habe ich ihr geantwortet.“
Paris hob den Kopf und betrachtete Carlos Stirn runzelnd.
„Du glaubst mir nicht.“
„Ich möchte es, aber…“
„Paris, wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es.“
Paris strich sich nachdenklich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und biss auf ihre Unterlippe. Es war zu viel, zu schnell. Sie seufzte leise und blickte ihm in die Augen. „Wenn du das, was du gesagt hast, von ganzem Herzen ernst meinst, ich dir wirklich so viel bedeute und du mit mir zusammen sein möchtest..." Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. "...hole mich nach meiner letzten Prüfung am Freitag ab und wir unternehmen irgendetwas gemeinsam. Wenn du selbst aber an irgendetwas, das du gesagt hast, zweifelst, dann bitte ich dich, nicht zu kommen. Dann lass uns das alles lieber hier und jetzt für immer beenden.“ Ohne eine Antwort abzuwarten stieg sie in ihr Auto und fuhr los.
Lane wollte sich gerade von Luke verabschieden und ihre diesmal besonders anstrengende
Schicht für den Tag beenden, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und Jess mit einer sehr gleichgültigen Miene eintrat.
Sein Onkel verschränkte die Arme. „Wo warst du? Deine Tests müssten längst vorbei sein, oder hast du die mündlichen Abschlussprüfungen gleich danach gemacht?“
Jess seufzte kurz und sah kurz zu Lane, welche neben Luke stand und ihn Stirn runzelnd musterte. „Was wird das jetzt? Ein Kreuzverhör?“
„Ich habe mir Sorgen gemacht! Du hättest wer weià wo sein können!“
Jess zog eine Augenbraue hoch. „Hatten wir das nicht schon einmal? Wo sollte ich denn sein? Bei den gefährlichen Skatern um die Ecke?“
Luke schüttelte den Kopf. Jess’ Laune war seit der Trennung von Rory noch weiter gesunken. Er konnte seinen Neffen zwar verstehen, dennoch ärgerte er sich über sein Verhalten. „Warst du bei den Prüfungen?“
„Glaubst du ich reià mir Nacht für Nacht den Arsch auf, wenn ich dann nicht antrete?“
Luke ignorierte die Ausdrucksweise seines Neffen. „Wie waren die Tests?“
Jess nickte kurz und murmelte etwas Unverständliches.
„Ich deute das einmal als ‚gut, fantastisch, bestanden’.“ Luke versuchte den Stolz zu verbergen, den er gerade für Jess empfand. „Wann erfährst du die Ergebnisse?“
„Voraussichtlich am Freitag. Und nächste Woche geht’s dann los mit den mündlichen Prüfungen. Freitag werde ich allerdings gleich nach der Ergebnisbekanntgabe nach New York fahren. Aber keine Angst, ich werde meine Bücher mitnehmen und Sonntagnachmittag wieder zurück sein. Bist du nun zufrieden? Kann ich endlich gehen?“
Luke widmete sich seufzend wieder seinen Kunden, während Jess in die Wohnung ging.
Lane blieb einen Moment nachdenklich stehen, bevor sie ihm schlieÃlich nachlief.
Jess bemerkte sie erst in dem Moment, als er die Tür zur Wohnung öffnen wollte. Irritiert musterte er sie. „Habe ich dich eingeladen mir zu folgen?“ Er lehnte sich an den Türstock.
Lane funkelte ihn wütend an. „Warum gehst du ihr aus dem Weg? Erträgst du es plötzlich nicht ihr in die Augen zu sehen, nachdem du ihr das Herz auf so brutale Weise gebrochen hast? Ich hätte mir das eher überlegt.“ Sie hielt kurz inne. Rory war bestimmt nicht einverstanden mit dem, was sie gerade tat.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
Lane hob erbost den Zeigefinger ihrer rechten Hand. „Komm mir nicht so! Rory ist meine beste Freundin seit Kindertagen! Sie geht mich sehr wohl etwas an! Ja, laufe über das Wochenende ruhig wieder weg! Das kannst du doch am besten!“
„Zu deiner Beruhigung, ich werde nach den letzten Prüfungen nach New York zurück gehen und nie wieder kommen!“
„Gut! Mach das! Wir wollen dich hier nicht! Geh doch zu deinem kleinen Flittchen! Eine wie Rory bekommst du sowieso nie wieder! Geh doch zu der anderen! Irgendwann wird sie genug von dir haben!“
Jess schüttelte den Kopf. „Du hast ja keine Ahnung wovon du überhaupt sprichst! Ich habe sie niemals betrogen! Aber vielleicht solltest du einmal Dave nach Mandy fragen!“ Jess seufzte. In dieser Stadt blieb nichts geheim. Er hatte heute Morgen vernommen, dass Dave zu Lane gekommen war und soweit er wusste, waren sie niemals richtig getrennt gewesen. Trotzdem bereute er, was er gesagt hatte. Aber nun war es nicht mehr rückgängig zu machen.
Lane hielt kurz die Luft an und musterte den Exfreund ihrer besten Freundin irritiert. SchlieÃlich fing sie sich wieder. „Ich freue mich auf den Tag, an dem du nicht mehr hier sein wirst!“ Sie wandte sich von ihm ab und lief die Treppe hinab.
„Dann haben wir ja etwas gemeinsam.“ Jess ging in die Wohnung und lieà die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen.
Paris blätterte nachdenklich in einer Zeitung. Es war kurz vor sechs. Entweder würde er in den nächsten Minuten hier sein oder gar nicht. Sie blickte auf ihre Schuhspitzen. Warum war sie nicht einfach gefahren? Offensichtlich war sie ihm doch sowieso gleichgültig.
Plötzlich vernahm sie leise Schritte. Sie legte die Zeitung auf das weiche Gras und rutschte an ein Ende der Parkbank. Sie spürte ein unwohles Gefühl in ihrer Magengegend, als Carlos sich neben sie setzte. Er betrachtete sie schweigend. Paris räusperte sich leise und wich seinem Blick aus. „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast…“
„Also, was willst du mir sagen?“
Sie atmete tief durch. Sie konnte es nicht. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie keine Worte über die Lippen bringen würde.
Er seufzte. „Hör mal Paris, ich habe heute noch anderes zu erledigen…“
Sie nickte und sah ihm direkt in die Augen. „WeiÃt du was? Ich habe es gewusst…ich hätte nicht herkommen dürfen…es hat doch keinen Sinn…“ Er wollte etwas erwidern, doch diesmal war es sie, die ihn nicht dazukommen lieÃ. „Doch, den hat es vielleicht schon. Ich werde mir nicht ewig die Frage stellen müssen, deren Antwort ich leider schon kenne…“ Sie hielt kurz inne. „Ich habe dir von meiner Familie erzählt. Du weiÃt, dass sie sich nie für mich interessiert haben. AuÃer ein GroÃvater, den ich im Alter von sechs Jahren verloren habe. Meine Eltern waren niemals für mich da, niemals…“ Sie senkte den Kopf. „Einzig meine Nanny, die seit einem Jahr nicht mehr bei uns wohnt. Sie war eine Art Mutter Ersatz für mich…meine leibliche Mutter hat mir versprochen sich zu bemühen, doch nichts hat sich geändert...jetzt ist auch noch die Trennung von meinen Eltern endgültig. Mein Vater ist ausgezogen, der Freund meiner Mutter wird einziehen. Da ich mich zu spät für ein Praktikum beworben habe und meine Noten groÃteils um einen Grad gesunken sind, werde ich also den ganzen Sommer in meinem Zimmer verbringen…“ Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. „Ich hatte immer nur wenige Freunde. Die meisten nützten mich aus oder fielen mir früher oder später in den Rücken. Ich habe viele schlechte Erfahrungen gemacht, durch welche ich mich noch mehr verschlossen habe. Es fällt mir schwer, mich Menschen zu öffnen. Gefühle zu zeigen oder darüber zu reden ist nicht leicht für mich. Ich habe Angst dadurch noch verletzbarer zu werden. Jamie gab mir stets ein gutes Gefühl. Erst durch ihn kann ich mir das alles erst überhaupt eingestehen. Er liebte mich aufrichtig um meiner selbst willen. Er war wohl neben Rory der erste, der mir wirklich zuhörte…ich werde ihm wohl ewig dankbar sein, für alles was er getan hat…“ Sie hielt kurz inne. „…noch mehr hat sich mein Leben jedoch in den letzten Monaten geändert…in jeder Weise…“ Sie sah ihm in die Augen. Er zeigte noch keinerlei Reaktion. „…alles hat sich verändert, ich habe mich verändert…so als hätte ich da erst begonnen zu leben…das hört sich alles so seltsam an, ich weiÃ…ich hatte Angst, Angst vor den Gefühlen, welche sich so schnell entwickelt haben, welche ich nicht kenne und daher nicht weiÃ, wie man damit umgeht…du hast mir auÃerdem nie das Gefühl gegeben, dass du sie erwiderst…“ Sie hielt inne um seine Reaktion abzuwarten, er reagierte jedoch in keinster Weise, betrachtete sie mit unveränderter Miene. Paris seufzte leise. „Es ist in Ordnung. Du brauchst nichts zu sagen. Aber ich musste es dir sagen. Auch wenn es jetzt, wo mir deine Gefühle bewusst sind, noch mehr schmerzt, war es besser so…“ Sie konnte die Tränen nicht mehr zurück halten. „Es tut mir leid, dich aufgehalten zu haben…“ Sie erhob sich langsam und schenkte ihm noch einen letzten Blick. „Ich werde dich auch nie wieder belästigen. Ich wünsche dir alles Gute.“ Sie drehte sich um und lief.
Vor ihrem Auto angekommen, sank sie auf den kühlen Gehsteig und weinte. Paris wusste, dass sie richtig gehandelt hatte. Egal wir er nun reagierte, sie hatte das Richtige getan, indem sie ihre Gefühle ausgesprochen hatte.
„Du wirst noch krank werden…“
Sie sah verwundert hoch.
„Der Boden ist sehr kühl.“ Carlos reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Mit der anderen Hand wischte er die letzten Tränen von de Wangen. Sie zuckte zusammen, als seine Hand ihr Gesicht berührte. „Hast du in letzter Zeit viel Sport getrieben? Du läufst ja verdammt schnell…ich weià ja, dass du beim Antworten meistens recht schnell bist, aber andere brauchen eben ein wenig länger…“
Sie musterte ihn überrascht. Mit vielem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass er ihr folgen würde. Was wollte er noch? Plötzlich bemerkte sie, dass ihre Hand noch immer in seiner lag. Sie entzog sie ihm langsam.
„Ich weià ja, dass du gerade zu unheimlich intelligent bist, aber wie willst du beurteilen können, was ich empfinde?“ Sie wollte antworten, doch er kam ihr wieder zuvor. „Oh nein, diesmal bin ich noch nicht fertig.“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog sie an sich. Als sich ihre Lippen berührten, fühlte Paris wie ein warmes Gefühl ihren Körper durchflutete. Sie löste sich sanft aus seinen Armen. „Das war eine gute Antwort.“ Sie lächelte. Seine Miene veränderte sich plötzlich. „Da ist noch etwas, das ich dir sagen muss.“
Sie runzelte die Stirn.
„Ich habe dir doch von Alicia erzählt?“
Paris schüttelte den Kopf. „Zumindest nicht namentlich…“
Er seufzte. „Ich kenne sie seit unserer Kindheit. Wir waren sogar zusammen, wenn man das bei vierzehnjährigen schon so nennen kann…“
Sie kräuselte die Lippen. „Die mit dem tollen Abschiedsgeschenk…“
Er ging nicht darauf ein. „In den acht Jahren, welche seit dem Umzug meiner Familie vergangen sind, haben wir uns zumindest zweimal pro Jahr gesehen…“
„Sie ist schlieÃlich die beste Freundin deiner Schwester…“
„Sie ist vor allem wegen mir gekommen. Ich müsste lügen, würde ich sagen, es war nur noch Freundschaft zwischen uns. Die Geschichte ist komplizierter und ich habe keine Lust sie vor dir auszubreiten, aber ich möchte ehrlich sein. Alicia hatte einen Freund aus Kanada. Sie machte letztes Wochenende mit ihm Schluss und kam zu mir. Wir fühlten uns beide so richtig beschissen, weshalb wir uns irgendwann betranken und über alte Zeiten redeten…“ Er hielt inne und betrachtete Paris, welche ihren Blick zu Boden gerichtet hatte. „Ich kann mich nicht mehr erinnern wie es passiert war und wann…auf jeden fall wachten wir am Morgen darauf verkatert in einer relativ eindeutigen Position auf…“
Paris versuchte die Tränen zu unterdrücken. „Was bedeutet sie dir?“
„Die Vergangenheit mit ihr bedeutet mir sehr viel...Paris, das was du vorhin sagtest, wie sehr ich dein Leben verändert hätte…du hast meines mindestens ebenso verändert. Mir fällt es genau wie dir schwer über Gefühle zu sprechen…Alicia fragte mich am Tag darauf, ob wir es versuchen sollen, oder ob es aufgrund dieser Distanz sinnlos wäre. Sinnlos wäre es tatsächlich, aber aus einem ganz anderen Grund. Sie ist nicht die, mit der ich zusammen sein möchte. Und genau das habe ich ihr geantwortet.“
Paris hob den Kopf und betrachtete Carlos Stirn runzelnd.
„Du glaubst mir nicht.“
„Ich möchte es, aber…“
„Paris, wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es.“
Paris strich sich nachdenklich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und biss auf ihre Unterlippe. Es war zu viel, zu schnell. Sie seufzte leise und blickte ihm in die Augen. „Wenn du das, was du gesagt hast, von ganzem Herzen ernst meinst, ich dir wirklich so viel bedeute und du mit mir zusammen sein möchtest..." Sie atmete tief durch, bevor sie fortfuhr. "...hole mich nach meiner letzten Prüfung am Freitag ab und wir unternehmen irgendetwas gemeinsam. Wenn du selbst aber an irgendetwas, das du gesagt hast, zweifelst, dann bitte ich dich, nicht zu kommen. Dann lass uns das alles lieber hier und jetzt für immer beenden.“ Ohne eine Antwort abzuwarten stieg sie in ihr Auto und fuhr los.
Lane wollte sich gerade von Luke verabschieden und ihre diesmal besonders anstrengende
Schicht für den Tag beenden, als plötzlich die Tür geöffnet wurde und Jess mit einer sehr gleichgültigen Miene eintrat.
Sein Onkel verschränkte die Arme. „Wo warst du? Deine Tests müssten längst vorbei sein, oder hast du die mündlichen Abschlussprüfungen gleich danach gemacht?“
Jess seufzte kurz und sah kurz zu Lane, welche neben Luke stand und ihn Stirn runzelnd musterte. „Was wird das jetzt? Ein Kreuzverhör?“
„Ich habe mir Sorgen gemacht! Du hättest wer weià wo sein können!“
Jess zog eine Augenbraue hoch. „Hatten wir das nicht schon einmal? Wo sollte ich denn sein? Bei den gefährlichen Skatern um die Ecke?“
Luke schüttelte den Kopf. Jess’ Laune war seit der Trennung von Rory noch weiter gesunken. Er konnte seinen Neffen zwar verstehen, dennoch ärgerte er sich über sein Verhalten. „Warst du bei den Prüfungen?“
„Glaubst du ich reià mir Nacht für Nacht den Arsch auf, wenn ich dann nicht antrete?“
Luke ignorierte die Ausdrucksweise seines Neffen. „Wie waren die Tests?“
Jess nickte kurz und murmelte etwas Unverständliches.
„Ich deute das einmal als ‚gut, fantastisch, bestanden’.“ Luke versuchte den Stolz zu verbergen, den er gerade für Jess empfand. „Wann erfährst du die Ergebnisse?“
„Voraussichtlich am Freitag. Und nächste Woche geht’s dann los mit den mündlichen Prüfungen. Freitag werde ich allerdings gleich nach der Ergebnisbekanntgabe nach New York fahren. Aber keine Angst, ich werde meine Bücher mitnehmen und Sonntagnachmittag wieder zurück sein. Bist du nun zufrieden? Kann ich endlich gehen?“
Luke widmete sich seufzend wieder seinen Kunden, während Jess in die Wohnung ging.
Lane blieb einen Moment nachdenklich stehen, bevor sie ihm schlieÃlich nachlief.
Jess bemerkte sie erst in dem Moment, als er die Tür zur Wohnung öffnen wollte. Irritiert musterte er sie. „Habe ich dich eingeladen mir zu folgen?“ Er lehnte sich an den Türstock.
Lane funkelte ihn wütend an. „Warum gehst du ihr aus dem Weg? Erträgst du es plötzlich nicht ihr in die Augen zu sehen, nachdem du ihr das Herz auf so brutale Weise gebrochen hast? Ich hätte mir das eher überlegt.“ Sie hielt kurz inne. Rory war bestimmt nicht einverstanden mit dem, was sie gerade tat.
„Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“
Lane hob erbost den Zeigefinger ihrer rechten Hand. „Komm mir nicht so! Rory ist meine beste Freundin seit Kindertagen! Sie geht mich sehr wohl etwas an! Ja, laufe über das Wochenende ruhig wieder weg! Das kannst du doch am besten!“
„Zu deiner Beruhigung, ich werde nach den letzten Prüfungen nach New York zurück gehen und nie wieder kommen!“
„Gut! Mach das! Wir wollen dich hier nicht! Geh doch zu deinem kleinen Flittchen! Eine wie Rory bekommst du sowieso nie wieder! Geh doch zu der anderen! Irgendwann wird sie genug von dir haben!“
Jess schüttelte den Kopf. „Du hast ja keine Ahnung wovon du überhaupt sprichst! Ich habe sie niemals betrogen! Aber vielleicht solltest du einmal Dave nach Mandy fragen!“ Jess seufzte. In dieser Stadt blieb nichts geheim. Er hatte heute Morgen vernommen, dass Dave zu Lane gekommen war und soweit er wusste, waren sie niemals richtig getrennt gewesen. Trotzdem bereute er, was er gesagt hatte. Aber nun war es nicht mehr rückgängig zu machen.
Lane hielt kurz die Luft an und musterte den Exfreund ihrer besten Freundin irritiert. SchlieÃlich fing sie sich wieder. „Ich freue mich auf den Tag, an dem du nicht mehr hier sein wirst!“ Sie wandte sich von ihm ab und lief die Treppe hinab.
„Dann haben wir ja etwas gemeinsam.“ Jess ging in die Wohnung und lieà die Tür krachend hinter sich ins Schloss fallen.