06.06.2006, 16:11
Encarna rief sofort Sophie an, fuhr nach Hause, packte ihr Sachen und flog noch in der selben Nacht nach Berlin.
Ohne Umwege fuhr sie, dort angekommen, in die Klinik. Sie wusste nicht, wo sie schlafen sollte, daran hatte sie noch keinen Gedanken verschwendet und tat es auch im Taxi nicht wirklich. Es dauerte noch etwas, ehe sie in der riesigen Klinik den Empfang fand und wusste wo sie hinmusste.
Sie rannte dann fast die Gänge entlang und es war ihr egal, was passieren würde, wenn Said, Sara, oder die anderen sie sehen würden. Sie wollte nur zu Athina.
Deshalb klopfte sie auch nicht an, sondern riss einfach die Tür auf. Alle Anwesenden starrten sie an. Es waren alle da. Auch Ricky war da, wirklich alle. Sie saÃen oder standen um das Bett herum in dem Athina lag. Sie war blaÃ, aber sie sah nicht ganz so schlimm aus wie Encarna es erwartet hatte. Sie hatte Fotos gesehen, von der Zeit als sie im Koma lag, alles voller Kabel. Aber jetzt hatte sie nur eine Atemhilfen und eine Infusion, sonst nichts. Sie war unendlich erleichtert und Athina strahlte über das ganze Gesicht, als sie Encarna sah. Sie streckte die Hand nach ihr aus und Encarna nahm sie in den Arm. Athina krallte sich förmlich an ihr fest.
âIch hab dich vermisst!â sagte sie als sie sie wieder loslieÃ.
âUnd deshalb musst du solche Sachen machen?â lachte Encarna, aber ihr standen die Tränen in den Augen.
âNa klar, dass du wiederkommst!â grinste nun auch Athina.
âSchön, dass du wieder da bist!â schaltete sich Sara mit ein und umarmte sie ebenfalls.
âJa, das finde ich auch!â sagte Said und küsste sie vor all seinen Kindern, als Sara sie wieder los gelassen hatte. Für ihn schien damit wieder alles geklärt, doch Encarna reichte das dieses Mal nicht.
âSaid, kann ich dich kurz sprechen?â fragte sie deshalb und zog ihn mit sich vor die Tür. âNach deinem Anruf dachte ich sie stirbt!â Das klang vorwurfsvoll und war auch so gemeint.
âDas dachten wir, ja.â
âAber so schlecht geht es ihr doch nicht, oder?â
âNicht mehr. Nachdem Sophie heute Mittag angerufen hat und sagte, dass du kommen würdest ging es ihr schlagartig besser!â
âDu willst mir doch nicht erzählen dass sie geheilt ist nur weil ich gekommen bin?!â ungläubig schaute sie ihn an.
âNicht nur deshalb, aber auch, doch. Ich habe dir doch schon einmal erzählt, dass ihr Gesundheitszustand auch stark von ihrer seelischen Verfassung abhängig ist. Und jetzt wo du da bist, geht es ihr besser. Und mir auch!â
Encarna wich seinem Blick aus und ging zurück ins Zimmer. Es machte sie wütend, dass für ihn alles wieder in Ordnung schien. Es interessierte ihn überhaupt nicht weshalb sie gegangen war. Athina saà jetzt aufrecht im Bett, hatte die Atemmaske abgelegt und schaute sie fragend an. Als sie sah, dass ihr Vater nach Encarna ins Zimmer kam und die beiden nicht glücklich vereint aussahen, blickte sie enttäuscht zu Sara. Die runzelte die Stirn, was Encarna nicht entging, sagte aber nichts.
Als alle anderen gegangen waren blieben Athina, Sara, Said und Encarna allein zurück. Die drei unterhielten sich auf Arabisch und Encarna kam sich ausgeschlossen vor, denn sie verstand kein Wort. Sie schaute den dreien aber interessiert zu, denn die Mimik war sehr interessant. Athina und Sara kommunizierten die ganze Zeit während sie mit ihrem Vater sprachen mit Blicken. Nach jedem Kommentar Saids wurde die andere angeschaut und die Meinung abgeglichen. Encarna gelang es, nachdem sie eine Weile zugesehen hatte, Zustimmung oder Ablehnung abzulesen. Es amüsierte sie sehr auch wenn sie nichts verstand, denn Said schien nichts zu merken. Athina bemerkte dass Encarna sie beobachtete, als sie einen Seitenblick auf sie warf und schaute Sara mit einem Blick an den Encarna im ganzen Gespräch nicht bemerkt hatte. Augenblicklich erhob sich Sara und wendete sich an ihren Vater.
âBaba, wie wäre es wenn wir heimfahren. Athina und Encarna würden sich bestimmt gerne unterhalten solange Encarna noch hier ist.â Sie sprach Französisch und Encarna war nur allzu bewusst, dass sie das mit voller Absicht tat. Sara wollte dass Encarna sie verstand.
âKommst du denn nach Hause, Schatz?â fragte Said Encarna.
âWenn ich ehrlich bin, weià ich nicht wo ich überhaupt hin soll. Nach dem Anruf bei Sophie bin ich einfach losgeflogenâ
âDu wohnst natürlich bei uns. Athinas Tante hat hier in Berlin ein Haus. Wir wohnen da solange wir hier sind. Du natürlich auch! Ich hol dich dann später ab. Ruf an wenn du gehen willst!â Bevor sie noch widersprechen konnte war er schon wieder gegangen. Sie wollte nicht bei Athinas Tante wohnen, sie kannte sie nicht. Und vor allem wollte sie nicht, dass Said so tat als wäre alles in Ordnung. Jetzt war ihr wieder klar, weshalb sie gegangen war. Innerlich kochte sie vor Wut während sie noch auf die Tür starrte. Was bildete er sich eigentlich ein? Das sie gekommen war bedeutete nicht dass alles wieder so sein sollte wie vor ihrer Abreise. Er konnte nicht einfach über sie bestimmen wie es ihm passte. Immer mehr solche Gedanken gingen ihr durch den Kopf und sie begann mir den Fingernägeln zu knipsen, wie sie es immer tat wenn sie sich aufregte. Athina ergriff ihre Hände und schaute sie lange an. Encarna hielt ihrem Blick stand.