08.06.2006, 23:44
Sie suchten sich einen Platz in einer Ecke der Hotelbar, an einem kleinen, runden Tisch. Said beobachtete sie die ganze Zeit, sagte aber nichts. Auch nachdem sie sich gesetzt hatten, schwieg er. Encarna konnte dieses Schweigen nicht richtig einordnen. Wollte er sie veralbern, oder wartete er tatsächlich auf das, was sie ihm zu sagen hatte? Nach einer Weile wich sie seinem Blick nicht mehr aus und begann einfach.
â So, jetzt sind wir tatsächlich einmal alleine auf so was wie neutralem Boden!â
âDu meinst nicht auf feindlichem Gebiet, oder wie?â unterbrach er sie aggressiv. âFeindliches Gebiet, so ein Blödsinn! Aber Tatsache ist doch wohl, dass wir in Tunesien nicht reden konnten. Zum Einen, weil du nie da warst und es dich nicht interessiert hat, aber zum Anderen, weil wir von deinen Kindern und deiner Familie umgeben waren.â
âMeine Familie ist also dein Problem?â
âEhrlich gesagt ja. Ich mag deine Kinder, wirklich! Aber ich denke, das weiÃt du. Aber als ich fast 24 Stunden mit ihnen zusammen war, ohne wirklich dazuzugehören habe ich geglaubt jeden Moment durchzudrehen. Und du warst keine Hilfe. Es hat dich überhaupt nicht interessiert wie es mir geht, oder ob ich zurechtkomme. Du hast mich deinen Kindern vorgestellt und warst dann verschwunden. Dann fliegst du mal eben eine Woche nach Dubai und lässt mich alleine, ohne mir vorher Bescheid zu sagen.â
âMuss ich um Erlaubnis fragen, wenn ich geschäftlich verreisen muss? Das habe ich nie getan!â
âDarum geht es nicht. Mir steht es nicht zu dir was zu verbieten, oder zu erlauben. Es geht darum, dass du Dinge beschliesst, die auch mich etwas angehen, ohne mich zuvor zu fragen. Und ich bin nicht bereit das hinzunehmenâ. Said schaute sie vollkommen verständnislos an. Er hatte nicht die geringste Ahnung was sie meinte, da war sie sich sicher.
âVon was redest du?â fragte er nach einer kurzen Pause.
â Davon, dass du nach Dubai geflogen bist ohne mir Bescheid zu sagen. Davon, dass ich wie selbstverständlich auf deine Enkelkinder aufgepasst habe, nur weil Cecilia nicht fähig ist auf ihr Kind zu achten. Davon, dass Saskia mich von oben herab behandelt und du mich gezwungen hast weiterhin mit ihr zu arbeiten, womit ich ihr völlig ausgeliefert war. Ich war gezwungen deinen Sohn zu beruhigen und zu verarzten und wäre Rana nicht gewesen wäre er auch noch auf mich losgegangen. In der einen Woche, in der du nicht da warst, hat mir Isabelle mehr Gemeinheiten an den Kopf geworfen, als ich je gehört habe. Und das sind jetzt nur einige Situationen, in die du mich hineingezwungen hast.â Es tat ihr gut ihm das endlich einmal zu sagen und sie war gespannt wie er reagieren würde.
âGezwungen? Encarna ich wusste von all diesen Dingen nichts! Du hast mir nie gesagt, dass Saskia und Isabelle dich schlecht behandeln und mir war auch nicht bewusst, dass sich Cecilia auf deine Kosten ausruht. Warum hast du nichts gesagt?â Jetzt war sie fassungslos. Das konnte doch nicht wahr sein. Wie blind konnte man denn sein?!
â Said, das ist jetzt nicht dein ernst! Es ist bekannt, dass Saskia ihre Geschwister rumkommandiert wie eine alte Gouvernante. Oder was glaubst du weshalb Karim so oft ihr gegenüber ausflippt? Es ist auch bekannt, dass Cecilia sich nicht im Geringsten um Aden kümmert. Oder weshalb würde die Kleine sonst Laila mit âMamaâ ansprechen und sich von Rana ins Bett bringen lassen? Apropos Laila, falls dir das auch nicht bekannt ist: Deine Tochter ist der unglücklichste und verschlossenste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Sie redet so gut wie nichts. Selbst mit Sara und Athina führt sie nicht mehr als Smalltalk. Aber die beiden haben mir erzählt, dass sie sich einige Zeit lang in den Schlaf geweint hat. Bis heute wissen die beiden nicht warum. Corinna meint sie gehört schon seit langem in psychologische Behandlung und ich finde sie hat Recht. Und wenn ich schon mal dabei bin, ich finde es auch nicht in Ordnung, dass Sara sich rund um die Uhr fast alleine um Athina kümmert. Das ist doch eine Last du man ihr nicht aufbürden kann. Die beiden versuchen sich gegenseitig die Angst zu nehmen und mit der Krankheit irgendwie fertig zu werden und ich denke nur mit mäÃigem Erfolg. Womit ich bei Rana wäre. Sie tut was sie will und belügt und manipuliert dich nach Strich und Faden und du machst die Augen zu, damit du es nicht sehen musst. Du kannst doch nicht einfach alles so weiterlaufen lassen nur weil du dich damit nicht auseinandersetzen willst. Und sag jetzt nicht du hast von all dem nichts gewusst. Jedes Dienstmädchen bei euch weià davon!â Encarna sah wie er bei jedem angesprochenen Problem mehr in sich zusammenfiel. Er sah plötzlich alt aus.
TBC
Würde mich über Feedback wie immer freuen!