04.07.2006, 00:52
Paris sperrte die Wohnung auf. Ihre Mitbewohnerinnen waren schon lange gefahren. Mrs. Gellar hatte auch schon den GroÃteil des Gepäcks ihrer Tochter abholen lassen. Alles, was noch hier war, passte in drei Koffer.
Paris Blick wanderte auf ihre Armbanduhr. Es war erst kurz nach zwölf. Sie spürte ein nervöses Gefühl in der Magengegend. Du hast das Richtige getan. Es liegt nun an ihm. Und wenn er nicht kommt, weiÃt du wenigstens woran du bei ihm bist. Sie dachte an die Worte ihrer Freundin und begann die drei Koffer zu packen. SchlieÃlich stellte sie diese neben die Couch und setzte sich. Ein weiterer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass erst eine halbe Stunde vergangen war. Sie schaltete den Fernseher ein und zappte durch das Programm ohne sich wirklich auf das konzentrieren zu können, das sie sah. Als ihr Handy plötzlich klingelte, zuckte sie zusammen. Sie zog es aus der Tasche und hob ab. âJa?â
âStellst du dich immer so vor? Haben sie gestern wirklich alles abgeholt?â
âJa, das haben sie.â
âWann kommst du denn nachhause?â Ihre Mutter klang nicht besonders interessiert.
âIch weià es noch nicht.â
âCharles und ich werden morgen verreisen. Ganz spontan. Nach Jamaika.â
âToll.â Antwortete Paris desinteressiert. Sie hatte ohnehin nicht die Gesellschaft ihrer Mutter erwartet. âWie lange?â
âDrei Wochen. Wenn du Geld brauchstâ¦â
Paris seufzte. âIch weiÃ.â
Ohne sich richtig verabschiedet zu haben, legte ihre Mutter schlieÃlich auf.
Paris lehnte sich nachdenklich an die Couch. Das vorhin verspürte Glücksgefühl schien wie weggeblasen. Sie blickte auf die Uhr um sich ein weiteres Mal zu ärgern, dass es einfach nicht später wurde.
Nach sechs Folgen unerträglichen Soaps und einem Telefonat mit Tana, welche befürchtet hatte, den Schlüssel zu ihrem Elternhaus vergessen zu haben, nahm sie schlieÃlich ihr Skriptum heraus um die Fehler der vergangenen Prüfung aufzudecken.
Nach einer Zeit spürte sie eine aufkeimende Müdigkeit. Sie hatte die Nacht durchgemacht, das machte sich nun bemerkbar. Seufzend legte sie das Buch auf den Tisch und lehnte sich an den Polster. Ein paar Minuten Schlaf konnten nicht schaden. Aus den Minuten wurden schlieÃlich Stunden. Sie erwachte durch lauten Krach. Irritiert fuhr sie hoch.
Ein paar Studentinnen lachten fröhlich vor der Tür. Die Musik wurde laut gedreht. Paris runzelte die Stirn. Hatte sie tatsächlich so lange geschlafen? Sie drehte den Arm um auf die Uhr sehen zu können und erschrak. Es war tatsächlich acht Uhr. Und er war nicht gekommen. Der Druck auf ihrem Herzen wurde gröÃer. Wie lange sollte sie noch warten? Sie wusste, dass er freitags kürzer arbeitete als sonst.
Paris erhob sich und griff nach den Koffern, als sie plötzlich ein Geräusch wahrnahm.
âHey! Ist da noch jemand?â Das Klopfen wurde lauter.
Sie lieà die Koffer wütend fallen und öffnete die Tür. âHabt ihr den Verstand verloren? Falls ihr jemals einen hattetâ¦â
Die beiden Studentinnen musterten Paris mitleidig. âHast du morgen denn noch eine Prüfung? Das wussten wir nicht.â Sagte eine.
âNein. Ichâ¦â
âToll. Dann feiere doch mit!â Die andre lächelte.
âWir gehen von Tür zu Tür, laden die Leute ein mitzufeiern. So vergröÃert sich auch der Partyraum. Diese Fete soll jede andere Wohnheimparty der letzten Monate, nein der ganzen Partygeschichte Yales, übertreffen. Denn wir, Conny undâ¦â Sie deutete auf sich. ââ¦Carrie veranstalten sie. Sie wird sogar die gestrige Campusparty übertreffen. Denn wirâ¦â Ihre Stimme senkte sich. ââ¦haben massenweise Whiskey, Wodka und Ginâ¦â
âIst davon noch etwas übrig, oder habt ihr sie schon getrunken?â
Die beiden musterten sich kurz, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen. âHast du schon das ganze Jahr hier gewohnt? Du bist mir auf keiner Party aufgefallen. Oder warst du im D-Dorm?â
Paris ging nicht darauf ein. âUnser Wohnheim ist wie ausgestorben. Die wenigen Studenten, welche noch nicht heimgefahren sind, werden mit den andren am Campus feiernâ¦es hat mehr als dreiÃig Grad!â
Conny und Carrie musterten sich kurz irritiert. Erstere fragte schlieÃlich. âUnd? Feierst du nun mit uns?â
Paris biss sich auf die Unterlippe und atmete tief durch. Wortlos ergriff sie ihre Koffer und drängte sich zwischen die beiden vorbei. âIch sperre nicht zu. Ihr könnt die Wohnung haben. Den Schlüssel gebe ich aber ab.â Ohne die beiden nochmals anzusehen, ging sie den Gang hinauf.
Es war zum Glück noch jemand im Sekretariat gewesen, sonst wäre sie wohl möglich tags darauf mit dem Dreck, welchen Conny, Carrie und ihre Freunde hinterlassen würden, in Verbindung gebracht worden.
Der Druck umfasste ihr Herz so stark, dass sie kurz glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Hier war sie also. Am Privatparkplatz der Yale University. Alleine. Lediglich zwei Autos aus Hartford und eines aus irgendeiner Stadt Minnesoutas waren weit von ihrem geparkt. Sie seufzte leise und stellte die Koffer in den Kofferraum.
Vor wenigen Stunden war sie noch optimistisch gewesen, nun schien sie immer tiefer in ein schwarzes Loch zu fallen. Paris bekam nur vage mit, das ein Auto in den Parkplatz einfuhr.
Sie dachte an die groÃe Bibliothek Hartfords, deren Bestand an naturwissenschaftlichen und medizinischen Büchern nicht zu verachten war, und beschloss den Sommer eben damit zu verbringen, Vorsprünge für kommende Semester zu schaffen. Schaden konnte es schlieÃlich nicht und es war immerhin besser als den Sommer mit dem Hauspersonal zu verbringen. Sie schloss den Kofferraum und wollte gerade nach dem Griff der Autotür greifen, als sie Schritte hinter sich vernahm.
âIch dachte, wir wären verabredet. Ich hätte beinahe ganz Connecticut nach dir abgesucht.â
Ihr Herz machte einen Sprung. Sie drehte sich leicht lächelnd um. âHi.â
âHey.â
âIch dachte schon, du würdest nicht mehr kommen.â
âDas dachte ich bei diesen Idioten auf dem Freeway auch.â
Sie nickte. âHeute scheinen überhaupt viele von dieser Sorte herumzulaufen. Kaum ist der Sommer gekommen, schalten sich viele Gehirne aus. Muss an dieser unerträglichen Hitze liegen.â
âDu vergisst den bald kommenden Vollmond.â
âJa.â Sie schmunzelte leise.
âDas Kleid steht dir.â Er musterte sie lächelnd.
âDanke. Ich dachte mir, ich sollte es wohl einmal mit ein wenig Anpassung versuchen und habe, so wie es auch andere vor Dates machen, ein neues Kleid gekauft. Wir haben doch ein Date, oder?â Ihre Stimme wurde unsicherer.
âDeiner Definition nach dürfte das kein richtiges Date sein.â
âOh.â Sie senkte den Blick.
Carlos trat näher. âIch habe dich nicht angerufen. Wir hätten uns leicht verpassen können.â
âWas hättest du gemacht, wäre ich bereits weg gewesen?â
âIch wäre eben zu einer anderen, der unzähligen Frauen meines Adressbuches gefahren.â
âGut. Denn dann hätte ich die Nacht in der Bibliothek verbringen können.â
Er grinste und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Sie machte es ihm gleich.
âDamit müssen wir wohl leben. Also, was machen wir nun?â Paris strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
âWir könnten testen, wer mehr Bücher in einer Nacht liest oder eine Nummer zu dritt schieben.â
Sie runzelte die Stirn. âOhne deine Ideen wären wir wirklich verloren.â
Carlos strich ihr lächelnd durchs Haar. âVerwendest du ein neues Shampoo? Dein Haar ist noch seidiger als sonst.â
âDas war ein Sonderangebot.â Erklärte Paris.
âJa?â Er zog sie näher an sich.
âJa, denn weiÃt du, Qualität und Preis müssen nicht unbedingt konform sein.â
âNein?â
âNein. Dieselbe Boutique bietet sogar einen Haarschnitt sehr günstig an. Rory kauft dort gerne Lipgloss.â Sei endlich still. Schalt sie sich selbst.
Er fuhr durch ihr langes Haar. âKomm bitte niemals auf den Gedanken, es dir zu schneiden.â
Er blickte ihr tief in die Augen. Das Gefühl darin zu versinken, löste eine Welle von verschiedenen Gefühlen in ihr aus. Freude, weil er gekommen war. Die drängende Lust ihn zu küssen, weil er sie offenbar genauso liebte, wie sie ihn liebte. Das stechende Gefühl leichter Unsicherheit, weil er mit einer Exfreundin geschlafen hatte. Und eine Spannung, welche ihren ganzen Körper zum Zittern brachte und das Verlangen weckte, es hier und jetzt mit ihm zu tun. Die Mischung dieser Gefühle und der feste Griff, mit dem er sie schlieÃlich umfasste und so nahe an sich zog, dass sie seinen Duft aufnehmen und seine Muskeln spüren konnte, lösten eine Art Schwindelzustand bei ihr aus. Sie schloss die Augen, als er seine Lippen auf ihre presste. Sie erwiderte den Kuss mit einer Leidenschaft, welche alle möglichen Gefühle der Unsicherheit beiseite schob. Paris spürte wie seine Hände immer tiefer wanderten und sein Atem schwerer wurde. Ihr Herz schlug wie wild und das Zittern ihres Körpers brachte sie beinahe um den Verstand. Doch schlieÃlich siegte die Vernunft. Sie legte die Hand auf seinen Arm um einen Abstand ihrer Körper zu erreichen. âNicht.â Hauchte sie kaum hörbar. âNicht hier. Die werfen mich von der Uni, sollten sie uns sehen.â
âOder du bekommst noch bessere Noten.â Er grinste.
Sie lachte leise. âWas haltest du davon, wenn wir nach Hartford fahren, ich mein Auto in die Garage meiner Mutter stelle und wir dann mit deinem Auto irgendwohin fahren.â
âDavon halte ich sehr viel. Also los.â
âÃhmâ¦Carlos?â
âParis?â
âSo kann ich nicht fahrenâ¦â
âWie?â
âDeine rechte Handâ¦du solltest mich los lassenâ¦â
âOh. Natürlich.â Er grinste leicht und küsste sie nochmals kurz. âWir sehen uns dann in einer halben Stunde.â
âOkay. Bis dann.â Paris schenkte ihm noch ein kurzes Lächeln, bevor sie in ihr Auto stieg.
Aufgrund des starken Verkehrs erreichten sie das Haus erst bei Dämmerung.
Paris stellte den Motor ab und öffnete den Kofferraum.
âLässt du dir wenigstens heute helfen?â
âDu bist auch schon hier.â Sie lächelte.
Carlos ergriff zwei der Koffer. âDas werte ich mal als âJa, vielen Dankâ.â
âJa, vielen Dank.â Sie griff immer noch lächelnd nach dem dritten.
Er schloss den Kofferraum und blickte sich in der Garage um. âWie viele Autos besitzt deine Mutter?â
âNur eines. Ich weiÃ, es ist Platzverschwendung in einer Garage dieser GröÃe nur zwei Autos zu parken.â
âWo sollen die Koffer eigentlich hin? Packst du jetzt aus und um oder fahren wir gleich mit ihnen?â
Sie runzelte die Stirn. âDu möchtest also, dass ich ein paar Tage bei dir verbringe?â
âWeiÃt du, eigentlich finde ich die leeren Hälften des Kastens und Badezimmerschranks ganz schön anzusehen.â
âDu hast zwei Kästen für mich leer geräumt?â Sie lächelte leicht verlegen.
âMir war grad langweilig.â
âUnd wie lange möchtest du, dass ich meine Sachen bei dir lasse?â
âIch weià nicht. Vielleicht nervst du mich ja irgendwann. Wann beginnt denn die Uni wieder?â
âDen ganzen Sommer? Du lädst mich ein den ganzen Sommer mit dir zu verbringen?â Ihr Herz machte einen Sprung.
âIch habe sowieso nichts Besseres vor. AuÃerdem gibt es dort bessere Bibliotheken als hier. Und vor allem mehr.â
âEin gutes Argument.â
âAlso kommst du mit?â
âIch habe eigentlich auch nichts Besseres vor. Und da du die Kästen schon halb geleert hast, wäre es wohl unhöflich abzulehnen.â
âJa, das sehe ich genauso.â
âOkay. Dann werde ich die Koffer nur umräumenâ¦â Paris runzelte unsicher die Stirn. âSind wir jetzt eigentlich wieder zusammen?â
âWenn ich diesmal ein Regelbuch schreiben darfâ¦â
Sie lachte leise. âAber wir werden hoffentlich keins dieser Paare, welche gemeinsam Sterne zählen?â Sie verzog abgewidert den Mund.
âSterne zählen? Was soll das denn für einen Sinn haben?â Carlos verlieà Kopf schüttelnd die Garage. Paris folgte ihm schmunzelnd. âUnd wir haben auch kein idiotisches Lied, welches unsere Beziehung definieren soll, okay? Und wir werden auch nicht anfangen von uns nur noch in der Mehrzahl zu sprechen. Und von schmalzigen Liedern halte ich auch nichts.â
âOkay, ich habe es verstanden. Ich muss alle Gedichte, welche ich für dich geschrieben habe, wieder zerreiÃen.â
âDas will ich hoffen.â Sie lachte.
âWas ist denn heute mit dir? Du bist völlig überdreht. So kenne ich dich gar nicht.â
Paris stellte lächelnd den Koffer ab und sperrte die Haustür auf. âWenn wir Glück haben, ist sie nicht daâ¦â
Doch kaum hatten sie das Haus betreten, ertönte schon Mrs. Gellars Stimme von einem hinteren Raum. âParis?!â
Ihre Tochter seufzte genervt, als sie das Geräusch ihrer hohen Stöckelschuhe vernahm.
âDas ist aber schön, dass wir uns noch sehen!â Mrs. Gellar musterte ihre Tochter. âDu hast dich aber zu Recht gemacht. Hast du noch etwas vor?â
Paris rollte mit den Augen. âMum, das ist Carlos.â Sie wandte sich lächelnd an ihren Freund. âCarlos, das ist meine Mutter.â
Er stellte schnell die Koffer ab und reichte ihr die Hand. âFreut mich, Sie endlich kennen zu lernen.â
Mrs. Gellar ergriff diese. âGleichfalls.â Meinte sie desinteressiert und wandte sich wieder an Paris. âEs tut mir leid, dass wir vor meiner Abreise nicht mehr Zeit gemeinsam verbringen können, aber der Flug geht sehr früh, weshalb ich mich bald hinlegen sollte. Nach dem Urlaub werden wir aber gemeinsam shoppen gehen, ja?â Paris gute Laune verschwand mit einem Mal. âIch werde den ganzen Sommer in New York City verbringen.â Erklärte sie kühl. Carlos drückte sanft ihre Hand.
Mrs. Gellar bemerkte diese Geste Stirn runzelnd. âDu hast dieses Jahr sehr nachgelassen, Paris. Hältst du es für eine gute Idee auch noch den Sommer zu verschwenden?â
âIch werde ihn keineswegs verschwenden. Dort gibt es viele Bibliotheken, ich werde also genug Möglichkeiten haben auch zu lernen! Nun entschuldige uns. Ich muss noch schnell packen.â
âParis!â
Paris lieà ihre Zimmertür wütend ins Schloss fallen. âWas bildet sie sich eigentlich ein?â
Carlos nahm ihr den Koffer aus der Hand und zog sie an sich. âSie ist wahrscheinlich nur müde. Vergiss es einfach.â
Sie schüttelte den Kopf. âWas bildet sie sich eigentlich ein? Sie darf morgen mit diesem Idioten verreisen, aber mir gönnt sie überhaupt nichts!â
âVielleicht solltet ihr euch mal in Ruhe unterhalten?â
âDas hat keinen Sinn. Mit dieser Frau kann man nicht reden. Im Endeffekt bin ich ihr doch sowieso egal. Sie möchte nur nicht, dass das Haus zu lange leer stehtâ¦â
âKomm.â Er führte sie zu ihrem Bett. Paris setzte sich seufzend.
âDu hast sie einfach überrumpeltâ¦â
âHör auf damit. Ich werde nicht mit ihr reden. Sie war nie interessiert an meinem Leben. Nun werde ich sie auch in keinster Weise mehr daran teilhaben lassen. Sie hatte ihre Chance!â
âDas ist sehr kindisch, Paris.â
âDu musst es ja wissen. Deine Beziehung zu deiner Mutter ist ja so viel reiferâ¦â
âDas ist etwas anderes. Sie wirft mir in jedem Gespräch, in irgendeinem nur für sie nachvollziehbaren Zusammenhang, vor, dass ich genauso furchtbar wie mein Vater wäre. Ich weià doch noch nicht mal irgendetwas über ihn, auÃer dass er aus Argentinien stammt.â
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter, worauf er den Arm um sie legte.
âWeiÃt du was?â Sie sah ihn ernst an. âDie können uns mal. Ich werde schnell packen und dann verschwinden wir.â
Er küsste sie sanft. âOkay.â
Paris Blick wanderte auf ihre Armbanduhr. Es war erst kurz nach zwölf. Sie spürte ein nervöses Gefühl in der Magengegend. Du hast das Richtige getan. Es liegt nun an ihm. Und wenn er nicht kommt, weiÃt du wenigstens woran du bei ihm bist. Sie dachte an die Worte ihrer Freundin und begann die drei Koffer zu packen. SchlieÃlich stellte sie diese neben die Couch und setzte sich. Ein weiterer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass erst eine halbe Stunde vergangen war. Sie schaltete den Fernseher ein und zappte durch das Programm ohne sich wirklich auf das konzentrieren zu können, das sie sah. Als ihr Handy plötzlich klingelte, zuckte sie zusammen. Sie zog es aus der Tasche und hob ab. âJa?â
âStellst du dich immer so vor? Haben sie gestern wirklich alles abgeholt?â
âJa, das haben sie.â
âWann kommst du denn nachhause?â Ihre Mutter klang nicht besonders interessiert.
âIch weià es noch nicht.â
âCharles und ich werden morgen verreisen. Ganz spontan. Nach Jamaika.â
âToll.â Antwortete Paris desinteressiert. Sie hatte ohnehin nicht die Gesellschaft ihrer Mutter erwartet. âWie lange?â
âDrei Wochen. Wenn du Geld brauchstâ¦â
Paris seufzte. âIch weiÃ.â
Ohne sich richtig verabschiedet zu haben, legte ihre Mutter schlieÃlich auf.
Paris lehnte sich nachdenklich an die Couch. Das vorhin verspürte Glücksgefühl schien wie weggeblasen. Sie blickte auf die Uhr um sich ein weiteres Mal zu ärgern, dass es einfach nicht später wurde.
Nach sechs Folgen unerträglichen Soaps und einem Telefonat mit Tana, welche befürchtet hatte, den Schlüssel zu ihrem Elternhaus vergessen zu haben, nahm sie schlieÃlich ihr Skriptum heraus um die Fehler der vergangenen Prüfung aufzudecken.
Nach einer Zeit spürte sie eine aufkeimende Müdigkeit. Sie hatte die Nacht durchgemacht, das machte sich nun bemerkbar. Seufzend legte sie das Buch auf den Tisch und lehnte sich an den Polster. Ein paar Minuten Schlaf konnten nicht schaden. Aus den Minuten wurden schlieÃlich Stunden. Sie erwachte durch lauten Krach. Irritiert fuhr sie hoch.
Ein paar Studentinnen lachten fröhlich vor der Tür. Die Musik wurde laut gedreht. Paris runzelte die Stirn. Hatte sie tatsächlich so lange geschlafen? Sie drehte den Arm um auf die Uhr sehen zu können und erschrak. Es war tatsächlich acht Uhr. Und er war nicht gekommen. Der Druck auf ihrem Herzen wurde gröÃer. Wie lange sollte sie noch warten? Sie wusste, dass er freitags kürzer arbeitete als sonst.
Paris erhob sich und griff nach den Koffern, als sie plötzlich ein Geräusch wahrnahm.
âHey! Ist da noch jemand?â Das Klopfen wurde lauter.
Sie lieà die Koffer wütend fallen und öffnete die Tür. âHabt ihr den Verstand verloren? Falls ihr jemals einen hattetâ¦â
Die beiden Studentinnen musterten Paris mitleidig. âHast du morgen denn noch eine Prüfung? Das wussten wir nicht.â Sagte eine.
âNein. Ichâ¦â
âToll. Dann feiere doch mit!â Die andre lächelte.
âWir gehen von Tür zu Tür, laden die Leute ein mitzufeiern. So vergröÃert sich auch der Partyraum. Diese Fete soll jede andere Wohnheimparty der letzten Monate, nein der ganzen Partygeschichte Yales, übertreffen. Denn wir, Conny undâ¦â Sie deutete auf sich. ââ¦Carrie veranstalten sie. Sie wird sogar die gestrige Campusparty übertreffen. Denn wirâ¦â Ihre Stimme senkte sich. ââ¦haben massenweise Whiskey, Wodka und Ginâ¦â
âIst davon noch etwas übrig, oder habt ihr sie schon getrunken?â
Die beiden musterten sich kurz, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen. âHast du schon das ganze Jahr hier gewohnt? Du bist mir auf keiner Party aufgefallen. Oder warst du im D-Dorm?â
Paris ging nicht darauf ein. âUnser Wohnheim ist wie ausgestorben. Die wenigen Studenten, welche noch nicht heimgefahren sind, werden mit den andren am Campus feiernâ¦es hat mehr als dreiÃig Grad!â
Conny und Carrie musterten sich kurz irritiert. Erstere fragte schlieÃlich. âUnd? Feierst du nun mit uns?â
Paris biss sich auf die Unterlippe und atmete tief durch. Wortlos ergriff sie ihre Koffer und drängte sich zwischen die beiden vorbei. âIch sperre nicht zu. Ihr könnt die Wohnung haben. Den Schlüssel gebe ich aber ab.â Ohne die beiden nochmals anzusehen, ging sie den Gang hinauf.
Es war zum Glück noch jemand im Sekretariat gewesen, sonst wäre sie wohl möglich tags darauf mit dem Dreck, welchen Conny, Carrie und ihre Freunde hinterlassen würden, in Verbindung gebracht worden.
Der Druck umfasste ihr Herz so stark, dass sie kurz glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Hier war sie also. Am Privatparkplatz der Yale University. Alleine. Lediglich zwei Autos aus Hartford und eines aus irgendeiner Stadt Minnesoutas waren weit von ihrem geparkt. Sie seufzte leise und stellte die Koffer in den Kofferraum.
Vor wenigen Stunden war sie noch optimistisch gewesen, nun schien sie immer tiefer in ein schwarzes Loch zu fallen. Paris bekam nur vage mit, das ein Auto in den Parkplatz einfuhr.
Sie dachte an die groÃe Bibliothek Hartfords, deren Bestand an naturwissenschaftlichen und medizinischen Büchern nicht zu verachten war, und beschloss den Sommer eben damit zu verbringen, Vorsprünge für kommende Semester zu schaffen. Schaden konnte es schlieÃlich nicht und es war immerhin besser als den Sommer mit dem Hauspersonal zu verbringen. Sie schloss den Kofferraum und wollte gerade nach dem Griff der Autotür greifen, als sie Schritte hinter sich vernahm.
âIch dachte, wir wären verabredet. Ich hätte beinahe ganz Connecticut nach dir abgesucht.â
Ihr Herz machte einen Sprung. Sie drehte sich leicht lächelnd um. âHi.â
âHey.â
âIch dachte schon, du würdest nicht mehr kommen.â
âDas dachte ich bei diesen Idioten auf dem Freeway auch.â
Sie nickte. âHeute scheinen überhaupt viele von dieser Sorte herumzulaufen. Kaum ist der Sommer gekommen, schalten sich viele Gehirne aus. Muss an dieser unerträglichen Hitze liegen.â
âDu vergisst den bald kommenden Vollmond.â
âJa.â Sie schmunzelte leise.
âDas Kleid steht dir.â Er musterte sie lächelnd.
âDanke. Ich dachte mir, ich sollte es wohl einmal mit ein wenig Anpassung versuchen und habe, so wie es auch andere vor Dates machen, ein neues Kleid gekauft. Wir haben doch ein Date, oder?â Ihre Stimme wurde unsicherer.
âDeiner Definition nach dürfte das kein richtiges Date sein.â
âOh.â Sie senkte den Blick.
Carlos trat näher. âIch habe dich nicht angerufen. Wir hätten uns leicht verpassen können.â
âWas hättest du gemacht, wäre ich bereits weg gewesen?â
âIch wäre eben zu einer anderen, der unzähligen Frauen meines Adressbuches gefahren.â
âGut. Denn dann hätte ich die Nacht in der Bibliothek verbringen können.â
Er grinste und machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Sie machte es ihm gleich.
âDamit müssen wir wohl leben. Also, was machen wir nun?â Paris strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
âWir könnten testen, wer mehr Bücher in einer Nacht liest oder eine Nummer zu dritt schieben.â
Sie runzelte die Stirn. âOhne deine Ideen wären wir wirklich verloren.â
Carlos strich ihr lächelnd durchs Haar. âVerwendest du ein neues Shampoo? Dein Haar ist noch seidiger als sonst.â
âDas war ein Sonderangebot.â Erklärte Paris.
âJa?â Er zog sie näher an sich.
âJa, denn weiÃt du, Qualität und Preis müssen nicht unbedingt konform sein.â
âNein?â
âNein. Dieselbe Boutique bietet sogar einen Haarschnitt sehr günstig an. Rory kauft dort gerne Lipgloss.â Sei endlich still. Schalt sie sich selbst.
Er fuhr durch ihr langes Haar. âKomm bitte niemals auf den Gedanken, es dir zu schneiden.â
Er blickte ihr tief in die Augen. Das Gefühl darin zu versinken, löste eine Welle von verschiedenen Gefühlen in ihr aus. Freude, weil er gekommen war. Die drängende Lust ihn zu küssen, weil er sie offenbar genauso liebte, wie sie ihn liebte. Das stechende Gefühl leichter Unsicherheit, weil er mit einer Exfreundin geschlafen hatte. Und eine Spannung, welche ihren ganzen Körper zum Zittern brachte und das Verlangen weckte, es hier und jetzt mit ihm zu tun. Die Mischung dieser Gefühle und der feste Griff, mit dem er sie schlieÃlich umfasste und so nahe an sich zog, dass sie seinen Duft aufnehmen und seine Muskeln spüren konnte, lösten eine Art Schwindelzustand bei ihr aus. Sie schloss die Augen, als er seine Lippen auf ihre presste. Sie erwiderte den Kuss mit einer Leidenschaft, welche alle möglichen Gefühle der Unsicherheit beiseite schob. Paris spürte wie seine Hände immer tiefer wanderten und sein Atem schwerer wurde. Ihr Herz schlug wie wild und das Zittern ihres Körpers brachte sie beinahe um den Verstand. Doch schlieÃlich siegte die Vernunft. Sie legte die Hand auf seinen Arm um einen Abstand ihrer Körper zu erreichen. âNicht.â Hauchte sie kaum hörbar. âNicht hier. Die werfen mich von der Uni, sollten sie uns sehen.â
âOder du bekommst noch bessere Noten.â Er grinste.
Sie lachte leise. âWas haltest du davon, wenn wir nach Hartford fahren, ich mein Auto in die Garage meiner Mutter stelle und wir dann mit deinem Auto irgendwohin fahren.â
âDavon halte ich sehr viel. Also los.â
âÃhmâ¦Carlos?â
âParis?â
âSo kann ich nicht fahrenâ¦â
âWie?â
âDeine rechte Handâ¦du solltest mich los lassenâ¦â
âOh. Natürlich.â Er grinste leicht und küsste sie nochmals kurz. âWir sehen uns dann in einer halben Stunde.â
âOkay. Bis dann.â Paris schenkte ihm noch ein kurzes Lächeln, bevor sie in ihr Auto stieg.
Aufgrund des starken Verkehrs erreichten sie das Haus erst bei Dämmerung.
Paris stellte den Motor ab und öffnete den Kofferraum.
âLässt du dir wenigstens heute helfen?â
âDu bist auch schon hier.â Sie lächelte.
Carlos ergriff zwei der Koffer. âDas werte ich mal als âJa, vielen Dankâ.â
âJa, vielen Dank.â Sie griff immer noch lächelnd nach dem dritten.
Er schloss den Kofferraum und blickte sich in der Garage um. âWie viele Autos besitzt deine Mutter?â
âNur eines. Ich weiÃ, es ist Platzverschwendung in einer Garage dieser GröÃe nur zwei Autos zu parken.â
âWo sollen die Koffer eigentlich hin? Packst du jetzt aus und um oder fahren wir gleich mit ihnen?â
Sie runzelte die Stirn. âDu möchtest also, dass ich ein paar Tage bei dir verbringe?â
âWeiÃt du, eigentlich finde ich die leeren Hälften des Kastens und Badezimmerschranks ganz schön anzusehen.â
âDu hast zwei Kästen für mich leer geräumt?â Sie lächelte leicht verlegen.
âMir war grad langweilig.â
âUnd wie lange möchtest du, dass ich meine Sachen bei dir lasse?â
âIch weià nicht. Vielleicht nervst du mich ja irgendwann. Wann beginnt denn die Uni wieder?â
âDen ganzen Sommer? Du lädst mich ein den ganzen Sommer mit dir zu verbringen?â Ihr Herz machte einen Sprung.
âIch habe sowieso nichts Besseres vor. AuÃerdem gibt es dort bessere Bibliotheken als hier. Und vor allem mehr.â
âEin gutes Argument.â
âAlso kommst du mit?â
âIch habe eigentlich auch nichts Besseres vor. Und da du die Kästen schon halb geleert hast, wäre es wohl unhöflich abzulehnen.â
âJa, das sehe ich genauso.â
âOkay. Dann werde ich die Koffer nur umräumenâ¦â Paris runzelte unsicher die Stirn. âSind wir jetzt eigentlich wieder zusammen?â
âWenn ich diesmal ein Regelbuch schreiben darfâ¦â
Sie lachte leise. âAber wir werden hoffentlich keins dieser Paare, welche gemeinsam Sterne zählen?â Sie verzog abgewidert den Mund.
âSterne zählen? Was soll das denn für einen Sinn haben?â Carlos verlieà Kopf schüttelnd die Garage. Paris folgte ihm schmunzelnd. âUnd wir haben auch kein idiotisches Lied, welches unsere Beziehung definieren soll, okay? Und wir werden auch nicht anfangen von uns nur noch in der Mehrzahl zu sprechen. Und von schmalzigen Liedern halte ich auch nichts.â
âOkay, ich habe es verstanden. Ich muss alle Gedichte, welche ich für dich geschrieben habe, wieder zerreiÃen.â
âDas will ich hoffen.â Sie lachte.
âWas ist denn heute mit dir? Du bist völlig überdreht. So kenne ich dich gar nicht.â
Paris stellte lächelnd den Koffer ab und sperrte die Haustür auf. âWenn wir Glück haben, ist sie nicht daâ¦â
Doch kaum hatten sie das Haus betreten, ertönte schon Mrs. Gellars Stimme von einem hinteren Raum. âParis?!â
Ihre Tochter seufzte genervt, als sie das Geräusch ihrer hohen Stöckelschuhe vernahm.
âDas ist aber schön, dass wir uns noch sehen!â Mrs. Gellar musterte ihre Tochter. âDu hast dich aber zu Recht gemacht. Hast du noch etwas vor?â
Paris rollte mit den Augen. âMum, das ist Carlos.â Sie wandte sich lächelnd an ihren Freund. âCarlos, das ist meine Mutter.â
Er stellte schnell die Koffer ab und reichte ihr die Hand. âFreut mich, Sie endlich kennen zu lernen.â
Mrs. Gellar ergriff diese. âGleichfalls.â Meinte sie desinteressiert und wandte sich wieder an Paris. âEs tut mir leid, dass wir vor meiner Abreise nicht mehr Zeit gemeinsam verbringen können, aber der Flug geht sehr früh, weshalb ich mich bald hinlegen sollte. Nach dem Urlaub werden wir aber gemeinsam shoppen gehen, ja?â Paris gute Laune verschwand mit einem Mal. âIch werde den ganzen Sommer in New York City verbringen.â Erklärte sie kühl. Carlos drückte sanft ihre Hand.
Mrs. Gellar bemerkte diese Geste Stirn runzelnd. âDu hast dieses Jahr sehr nachgelassen, Paris. Hältst du es für eine gute Idee auch noch den Sommer zu verschwenden?â
âIch werde ihn keineswegs verschwenden. Dort gibt es viele Bibliotheken, ich werde also genug Möglichkeiten haben auch zu lernen! Nun entschuldige uns. Ich muss noch schnell packen.â
âParis!â
Paris lieà ihre Zimmertür wütend ins Schloss fallen. âWas bildet sie sich eigentlich ein?â
Carlos nahm ihr den Koffer aus der Hand und zog sie an sich. âSie ist wahrscheinlich nur müde. Vergiss es einfach.â
Sie schüttelte den Kopf. âWas bildet sie sich eigentlich ein? Sie darf morgen mit diesem Idioten verreisen, aber mir gönnt sie überhaupt nichts!â
âVielleicht solltet ihr euch mal in Ruhe unterhalten?â
âDas hat keinen Sinn. Mit dieser Frau kann man nicht reden. Im Endeffekt bin ich ihr doch sowieso egal. Sie möchte nur nicht, dass das Haus zu lange leer stehtâ¦â
âKomm.â Er führte sie zu ihrem Bett. Paris setzte sich seufzend.
âDu hast sie einfach überrumpeltâ¦â
âHör auf damit. Ich werde nicht mit ihr reden. Sie war nie interessiert an meinem Leben. Nun werde ich sie auch in keinster Weise mehr daran teilhaben lassen. Sie hatte ihre Chance!â
âDas ist sehr kindisch, Paris.â
âDu musst es ja wissen. Deine Beziehung zu deiner Mutter ist ja so viel reiferâ¦â
âDas ist etwas anderes. Sie wirft mir in jedem Gespräch, in irgendeinem nur für sie nachvollziehbaren Zusammenhang, vor, dass ich genauso furchtbar wie mein Vater wäre. Ich weià doch noch nicht mal irgendetwas über ihn, auÃer dass er aus Argentinien stammt.â
Sie lehnte den Kopf an seine Schulter, worauf er den Arm um sie legte.
âWeiÃt du was?â Sie sah ihn ernst an. âDie können uns mal. Ich werde schnell packen und dann verschwinden wir.â
Er küsste sie sanft. âOkay.â