27.12.2004, 23:22
Dies ist das Ende.
Vielmehr war es ein Anfang.
Ein Anfang der so nie stattgefunden hat
- und es dennoch hätte können.
~* Epilog *~
Ich habe mir lange überlegt, wie und ob ich diese Geschichte, die Geschichte meiner Familie zu Papier bringen soll. Der Gedanke kam mir erstmals, als meine Schwester mich darum bat ihr etwas über unsere Familie zu erzählen. Ich begann zu recherchieren, Daten und Fakten aufeinander zu türmen. Das Meiste habe ich von Jerusha erfahren, vieles von meinem UrgroÃvater, weniges von meinem GroÃvater. Es gab Briefe und Dokumente, Photographien und andere Fragmente. Kleine Puzzlestücke die sich nach und nach zu einem grobkörnigen Bild der Wahrheit zusammengefügt haben. Ich hatte ein Bild, aber mir fehlte lange der Mut es zu malen.
Es erschien mir irgendwie seltsam über Menschen zu schreiben, die ich so gut kannte. Konnte ich es wirklich wagen, in dieser Form von ihnen zu berichten? Konnte ich es wagen, sie in derart privaten Momenten zu schildern? Es erschien mir anmaÃend ihnen meine Gedanken und Gefühle zu geben. Mehr noch, es kam mir auf merkwürdige Weise taktlos vor.
Nicht nur ihre Empfindungen beschäftigten mich, sondern auch die Tatsache, dass viele Teile der Vergangenheit nach wie vor im Dunkeln liegen. Anfangs war ich geradezu besessen von dem Gedanken alles unverfälscht wiederzugeben. Ich merkte jedoch schnell, dass dies unmöglich ist. Ebenso wie ich feststellte, dass ich die einzigartige Möglichkeit hatte, die Geschehnisse zu ändern â wenn auch nur auf dem Papier.
So sind schlieÃlich nahezu vierzig Jahre sind vergangen, ehe ich mich endlich an meinen Schreibtisch setzte und begann. Ich habe meiner Phantasie freien Lauf gelassen. Ich habe Wunsch und Wirklichkeit zu etwas vermischt, das weder Lüge noch Wahrheit ist. Es kommt der Wahrheit jedoch so nahe wie möglich. Bis zu einem gewissen Punkt. Dem Punkt, ich sollte besser sagen die Nacht, an dem ich den Boden der Realität verlassen und mich meinen Illusionen hingegeben habe. Es ist die Hochzeitsnacht meiner Mutter, die in unserem Leben gleichzeitig eine der Schönsten und Furchtbarsten Nächte war. Heitere Gelassenheit, die sich mit dem Auftauchen zweier uniformierter Männer in ohnmächtiges Bestürzen verwandelte.
Wir sind in jener Nacht tatsächlich nach Scranton gefahren. Wir sind tatsächlich durch die Gänge des Krankenhauses geirrt. Wir sind tatsächlich der Krankenschwester begegnet, die uns den Weg wies. Aber hier habe ich auch den Weg der Wahrheit verlassen. Es mag manchen seltsam vorkommen, aber hier erschien mir eine Lüge besser als die Wahrheit, die Illusion tröstlicher als die Realität. Ich bin bis heute der festen Ãberzeugung, alles wäre anders gekommen, hätte anders kommen müssen â aber das ist es nicht und so konnte ich es mir nur ausmalen.
Ich bin mir immer sicher gewesen, dass meine GroÃeltern wieder zueinander gefunden hätten. Allen Absurditäten, Verletzungen und Lügen, allen Begebenheiten der Vergangenheit zum Trotz, hätten sie es geschafft â wenn meine GroÃmutter nicht in jener Nacht gestorben wäre. Sie starb und nahm dem Zufall, dem Schicksal, Gott â wer oder was auch immer es ist, das die Ereignisse in unseren Leben lenkt â sie nahm ihm jede Möglichkeit alles zum Guten zu wenden. Sie ist einfach so gestorben und hat uns zurückgelassen.
Ich werde nie das Gesicht meines GroÃvaters vergessen, als er von ihrem Tod erfuhr. Wie jede Farbe aus ihm wich, wie es sich in eine starre, verzerrte Maske verwandelte, eine Maske die er zeitlebens nur noch selten abnahm. Er saà stumm da, während sich in seinen Augen Hilflosigkeit und Ohnmacht spiegelten. Ungläubigkeit und Entsetzen. Trauer und Wut. Hass und Liebe. Eine entsetzliche Leere.
Dieser stumme Monolog war es, der mich dazu veranlasst hat, Dean anzurufen. Denn hier sind wir wieder auf dem Boden der Realität. Ich habe ihn tatsächlich angerufen. Wir haben tatsächlich wieder zueinandergefunden. Ebenso wie am 15. September jenen Jahres meine kleine Schwester geboren wurde. Ruth Emilia Luca Danes â auch sie gibt es wirklich. Sie ist es, der ich als Erste diese Geschichte erzählt habe. Und sie ist nicht die Einzige, mittlerweile haben wir unsere eigenen Kinder. Kinder die dieselben Namen tragen wie wir. Für manchen scheint es ein Zeugnis von Phantasielosigkeit zu sein, aber wir haben bei ihnen diese antik anmutende Tradition fortgesetzt, ebenso wie sie es bei unseren Enkeln taten: Die endlose Variation derselben Namen, die inzwischen unseren Stammbaum schmückt. Namen die uns daran erinnern wer wir sind, wer unsere Eltern und GroÃeltern waren. Namen die uns erinnern.
Erinnerung. Sie ist auch der Grund, weshalb ich dies geschrieben habe. Es soll nicht vergessen werden. Niemand soll vergessen welch wunderbare Menschen meine GroÃeltern waren. Was für ein unglaublicher Mensch meine Mutter war. Niemand soll es wagen, sie zu vergessen. Ich für meinen Teil werde es niemals tun, kann es gar nicht, denn ohne sie wäre ich nicht der Mensch der ich heute bin. Und dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein.
Lorelei Leigh âRoryâ Gilmore
Stars Hollow, den 17. Februar 2053
FIN
Vielmehr war es ein Anfang.
Ein Anfang der so nie stattgefunden hat
- und es dennoch hätte können.
~* Epilog *~
Ich habe mir lange überlegt, wie und ob ich diese Geschichte, die Geschichte meiner Familie zu Papier bringen soll. Der Gedanke kam mir erstmals, als meine Schwester mich darum bat ihr etwas über unsere Familie zu erzählen. Ich begann zu recherchieren, Daten und Fakten aufeinander zu türmen. Das Meiste habe ich von Jerusha erfahren, vieles von meinem UrgroÃvater, weniges von meinem GroÃvater. Es gab Briefe und Dokumente, Photographien und andere Fragmente. Kleine Puzzlestücke die sich nach und nach zu einem grobkörnigen Bild der Wahrheit zusammengefügt haben. Ich hatte ein Bild, aber mir fehlte lange der Mut es zu malen.
Es erschien mir irgendwie seltsam über Menschen zu schreiben, die ich so gut kannte. Konnte ich es wirklich wagen, in dieser Form von ihnen zu berichten? Konnte ich es wagen, sie in derart privaten Momenten zu schildern? Es erschien mir anmaÃend ihnen meine Gedanken und Gefühle zu geben. Mehr noch, es kam mir auf merkwürdige Weise taktlos vor.
Nicht nur ihre Empfindungen beschäftigten mich, sondern auch die Tatsache, dass viele Teile der Vergangenheit nach wie vor im Dunkeln liegen. Anfangs war ich geradezu besessen von dem Gedanken alles unverfälscht wiederzugeben. Ich merkte jedoch schnell, dass dies unmöglich ist. Ebenso wie ich feststellte, dass ich die einzigartige Möglichkeit hatte, die Geschehnisse zu ändern â wenn auch nur auf dem Papier.
So sind schlieÃlich nahezu vierzig Jahre sind vergangen, ehe ich mich endlich an meinen Schreibtisch setzte und begann. Ich habe meiner Phantasie freien Lauf gelassen. Ich habe Wunsch und Wirklichkeit zu etwas vermischt, das weder Lüge noch Wahrheit ist. Es kommt der Wahrheit jedoch so nahe wie möglich. Bis zu einem gewissen Punkt. Dem Punkt, ich sollte besser sagen die Nacht, an dem ich den Boden der Realität verlassen und mich meinen Illusionen hingegeben habe. Es ist die Hochzeitsnacht meiner Mutter, die in unserem Leben gleichzeitig eine der Schönsten und Furchtbarsten Nächte war. Heitere Gelassenheit, die sich mit dem Auftauchen zweier uniformierter Männer in ohnmächtiges Bestürzen verwandelte.
Wir sind in jener Nacht tatsächlich nach Scranton gefahren. Wir sind tatsächlich durch die Gänge des Krankenhauses geirrt. Wir sind tatsächlich der Krankenschwester begegnet, die uns den Weg wies. Aber hier habe ich auch den Weg der Wahrheit verlassen. Es mag manchen seltsam vorkommen, aber hier erschien mir eine Lüge besser als die Wahrheit, die Illusion tröstlicher als die Realität. Ich bin bis heute der festen Ãberzeugung, alles wäre anders gekommen, hätte anders kommen müssen â aber das ist es nicht und so konnte ich es mir nur ausmalen.
Ich bin mir immer sicher gewesen, dass meine GroÃeltern wieder zueinander gefunden hätten. Allen Absurditäten, Verletzungen und Lügen, allen Begebenheiten der Vergangenheit zum Trotz, hätten sie es geschafft â wenn meine GroÃmutter nicht in jener Nacht gestorben wäre. Sie starb und nahm dem Zufall, dem Schicksal, Gott â wer oder was auch immer es ist, das die Ereignisse in unseren Leben lenkt â sie nahm ihm jede Möglichkeit alles zum Guten zu wenden. Sie ist einfach so gestorben und hat uns zurückgelassen.
Ich werde nie das Gesicht meines GroÃvaters vergessen, als er von ihrem Tod erfuhr. Wie jede Farbe aus ihm wich, wie es sich in eine starre, verzerrte Maske verwandelte, eine Maske die er zeitlebens nur noch selten abnahm. Er saà stumm da, während sich in seinen Augen Hilflosigkeit und Ohnmacht spiegelten. Ungläubigkeit und Entsetzen. Trauer und Wut. Hass und Liebe. Eine entsetzliche Leere.
Dieser stumme Monolog war es, der mich dazu veranlasst hat, Dean anzurufen. Denn hier sind wir wieder auf dem Boden der Realität. Ich habe ihn tatsächlich angerufen. Wir haben tatsächlich wieder zueinandergefunden. Ebenso wie am 15. September jenen Jahres meine kleine Schwester geboren wurde. Ruth Emilia Luca Danes â auch sie gibt es wirklich. Sie ist es, der ich als Erste diese Geschichte erzählt habe. Und sie ist nicht die Einzige, mittlerweile haben wir unsere eigenen Kinder. Kinder die dieselben Namen tragen wie wir. Für manchen scheint es ein Zeugnis von Phantasielosigkeit zu sein, aber wir haben bei ihnen diese antik anmutende Tradition fortgesetzt, ebenso wie sie es bei unseren Enkeln taten: Die endlose Variation derselben Namen, die inzwischen unseren Stammbaum schmückt. Namen die uns daran erinnern wer wir sind, wer unsere Eltern und GroÃeltern waren. Namen die uns erinnern.
Erinnerung. Sie ist auch der Grund, weshalb ich dies geschrieben habe. Es soll nicht vergessen werden. Niemand soll vergessen welch wunderbare Menschen meine GroÃeltern waren. Was für ein unglaublicher Mensch meine Mutter war. Niemand soll es wagen, sie zu vergessen. Ich für meinen Teil werde es niemals tun, kann es gar nicht, denn ohne sie wäre ich nicht der Mensch der ich heute bin. Und dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein.
Lorelei Leigh âRoryâ Gilmore
Stars Hollow, den 17. Februar 2053
FIN