31.01.2008, 13:13
Ich mach mal alles in einem Abwasch:
Zur Belohnung gibt es jetzt noch das 3. Kapitel, dass ich eigentlich gestern schon posten wollte. Viel Spaà beim Lesen.
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Nachdem sein Computer hochgefahren war, tippte Charlie das Passwort ein, das er gestern zusammen mit anderen Unterlagen erhalten hatte. Es funktionierte. Dann loggte er sich ins Intranet der Uni ein und surfte ohne Ziel ein wenig herum, bis er den Vorlesungsplan entdeckte. Zuerst suchte und fand er sich und seine später stattfindende Vorlesung, was ihn sehr freute. Schon an seinem ersten Tag war er dort aufgeführt. Als die Freude darüber langsam nachlieÃ, fiel ihm jedoch eine andere Vorlesung ins Auge, und zwar hatte Larry einen Einführungskurs in Physik. Zwar war er hier nicht als Student, doch erinnerte er sich noch an Larrys Vortrag in Princeton, der ihm damals gefallen hatte. Also entschloss er sich kurzerhand, später daran teilzunehmen. Das würde sicherlich spannender sein, als hier die restliche Zeit abzusitzen bis seine Vorlesung anfing.
Doch zuallererst wollte er noch einen Kaffee trinken, denn Zeit hatte er noch genug bis zum Beginn des Kurses von Larry. SchlieÃlich hatte sein Treffen mit ihm nicht lange gedauert, auch hatte er nicht besonders viel Zeit hier in seinem Büro verbracht. Also nahm er seine Tasche, in der sich schon die Unterlagen für seine eigene Vorlesung befanden, und ging los. Dabei fragte er sich, wo es hier Kaffee geben würde. Er kannte es von Princeton, dass es auf dem Campus mindestens einen Kaffee-Stand gab, doch an der CalSci war ihm keiner aufgefallen. Darum entschloss er sich, bevor er ewig suchte, rasch mit dem Fahrrad in die Stadt zum nächsten Starbucks zu fahren.
Schnell hatte Amita ihre Lebensmittel besorgt. Mit Brot, Orangensaft, schwarzem Tee und Müsli würde sie die nächsten Tage erst einmal überleben, denn das hatte sie nicht von zu Hause mitgenommen. Auch ihr altes Bücherregal musste sie dort lassen, da es beim Abbauen kaputt gegangen war. Die Suche nach einem neuen gestaltete sich allerdings schwer. Zwar hatte sie überraschend schnell zwei Modelle gefunden, die ihr gefielen, konnte sich dann aber nicht entscheiden zwischen dem zweckmäÃigen, preisgünstigen Kiefernholzregal und dem fast schon designerartigen Regal in einem schicken Rotton, dessen Preis sich im entsprechenden Rahmen bewegte. Diese Entscheidung wollte sie nicht übers Knie brechen und lieber noch eine Nacht darüber schlafen. Darum verlieà sie den Möbelladen regallos und schaute dabei auf die Uhr. Bis der Kurs von Prof. Fleinhardt begann hatte sie noch Zeit. Also entschloss sie sich kurzerhand, die Stadt um die CalSci zu erkunden, denn ihren ersten Tag in Los Angeles wollte sie nutzen, wenn auch nur für Shopping.
Auf der Suche nach interessanten Läden in der Nähe des Colleges stand sie plötzlich vor einem Schuhladen, dessen Auslage mit wildgemusterten und bunten Schuhen gefüllt war. Ohne darüber nachzudenken, betrat sie den Laden und schaute sich um. Tiger- und Zebramuster waren wohl wieder in, doch sie konnte es noch immer nicht leiden. Stattdessen fiel ihr Blick sofort auf ein paar quietschgrüne Stoffstiefel, die über und über mit kleinen, pinken Punkten bedruckt waren. Es stand noch genau ein Paar im Regal, das glücklicherweise sogar ihre GröÃe hatte. Erfreut darüber probierte sie die Stiefel an. Sie passten, worüber sie sich noch mehr freute. Sofort nahm sie das Paar und ging damit zur Kasse, um sie zu bezahlen, dann zog sie die Stiefel wieder an und steckte ihre alten Schuhe in einer Tüte zu den Lebensmitteln in ihrem Rucksack.
Vor Freude über den Fund strahlend verlieà sie den Laden und ging in den Starbucks nebenan, wo sie sich noch einen einfachen Kaffee kaufte, den sie auf ihrem Rückweg zum Campus trinken wollte. Sie trat gerade über die Türschwelle nach drauÃen und schaute auf die neue Eroberung an ihren FüÃen, anstatt nach vorne zu schauen. Darum bemerkte sie auch nicht, dass ihr jemand entgegenkam. Versehentlich rempelte sie so einen Passanten an, wodurch sich ihr Kaffee über ihre neuen Schuhe verteilte. Wütend über sich selbst, ihre eigene Unachtsamkeit und über das zerstörte Kunstwerk an ihren FüÃen, reagierte sie sich am Passanten ab.
„Sie verdammt...“, begann sie ihre Hasstirade, als sie ihr Gegenüber das erste Mal richtig anschaute und überraschenderweise zwei wunderbar strahlende Augen vor sich sah, die unverwechselbar waren und zu Charles Eppes, ihrem zukünftigen Professor, gehörten. „Oh“, brachte sie nur noch verdutzt heraus, bevor sich rot anlief. Zweimal hatte sie es mittlerweile an diesem Tag geschafft, sich vor ihm wie ein Trottel zu benehmen. Ihr Studium würde aber länger als einen Tag dauern und da er ein Pflichtfach von ihr unterrichtete, wollte sie gar nicht darüber nachdenken, was ihr im Zusammenhang mit diesem Dozenten in den kommenden Jahren noch alles passieren würde.
Was sie nicht ahnen konnte und er selbst nicht verstehen, war die Tatsache, dass diese junge Frau ihn nicht los lieÃ. In ihrer Gegenwart wurde die Mathematik nebensächlich, ebenso die Welt um ihn herum. Das war auch der Grund, warum er nicht darauf geachtet hatte, dass sie abgelenkt war, denn er hatte, nachdem er sie entdeckt hatte, seinen Blick einfach nicht mehr von ihr abwenden können. Ihren Blick gen Boden hatte er nicht bemerkt. Dafür bemerkte er jetzt ihre verdreckten Schuhe und ihre unnatürliche Hautfarbe, die er einfach nur süà fand. Nur mit Mühe konnte Charlie sich ein Grinsen verkneifen. Stattdessen schaute er sie an und fragte: „Geht es Ihnen gut? Ist Ihnen etwas passiert?“
Amita war nicht in der Lage, etwas zu sagen und schüttelte einfach nur den Kopf, wobei ihr eine Locke ins Gesicht fiel, die sie hinter ihr Ohr strich. Währenddessen normalisierte sich ihre Gesichtsfarbe noch immer nicht. Trotzdem versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihr die Situation war. Sie nahm all ihren Mut zusammen, als sie sich bei ihm entschuldigte: „Es tut mir Leid, Mr Eppes. Es war nicht meine Absicht, Sie anzurempeln ... und Sie zu beschimpfen, aber ...“, endete sie mitten im Satz, denn sie wollte nicht sagen, was sie wirklich störte, denn die Begegnung war es nicht. Nur das, was von ihren einst so schönen, neuen Schuhen übrig war, störte sie. Die Begegnung an sich könnte noch stundenlang gehen, dabei standen sie erst wenige Minuten zusammen.
„Kein Problem. Ich hätte auch merken können, dass sie mich nicht sehen. Wir sind beide nicht schuldig, aber auch nicht unschuldig“, antworte er, wobei sich das Grinsen nun doch auf seinem Gesicht ausbreitete. „Haben Sie Lust, noch einen Kaffee zu trinken? Ich lade Sie ein“, fragte er und deutete dabei auf den Becher in ihrer Hand.
Frustriert betrachtete sie die Pfütze von Kaffee, die sich nicht über sie ergossen hatte, dann schaute sie hoch. „Gerne.“
Gemeinsam betraten sie den Starbucks. Während sich Amita entschuldigte und ins WC ging, um ihre Schuhe zu reinigen, bestellte Charlie zwei Kaffees. Hoffnungslos erkannte sie, dass die Schuhe nicht mehr zu retten waren, denn das Grün war nur noch an wenigen Stellen bemerkbar und auch die Punkte hatten ihren Glanz unter der braunen Brühe verloren. Betrübt ging sie wieder zurück und setzte sich an einen Tisch. Kurz darauf kam er mit zwei groÃen Pappbechern auf sie zu.
Obwohl er ihren Blick bemerkte, ging er nicht darauf ein. Es gehörte sich nicht, eine Fremde so direkt zu fragen, was mit ihr los war, auch wenn er es im Grunde gerne getan hätte. „Milch, Zucker?“, fragte er stattdessen unbeholfen, denn menschlichen Emotionen hatten ihre Tücken, die er am Liebsten umschiffte.
„Nur einen Schuss Milch, bitte.“
„Kuh oder Soja, fettarm oder normal?“
„Ganz normale Kuhmilch“, antwortete sie und musste trotz ihrer eigentlich schlechten Laune grinsen. Wieder fiel ihr auf, wie sehr sie seine Gegenwart genoss.
Erstaunt über diese ungewöhnliche junge Frau, denn normalerweise hätte er als erstes ein wie aus der Pistole geschossenes Fettarm erwartet, grinste auch er und goss in beide Becher einen Schuss Milch. Dann ging er mit den Bechern in der Hand zu dem von ihr gewählten Tisch, stellte die Becher vor sich ab und setzte sich schlieÃlich selbst.
„Vielen Dank“, antwortete sie und schaute wieder in seine wunderschönen Augen, sah sein Gesicht. Ihre schlechte Laune hatte sie schon fast durch diesen Anblick vergessen.
„Keine Ursache“, antwortete er. „Warum sind sie eigentlich hier, heute ist doch ihr erster Tag? Wollen Sie nicht das Gelände der CalSci erforschen?“
„Das habe ich heute schon genug erforscht“, antwortete sie und dachte dabei an ihre morgendliche Odyssee, die sie nie vergessen würde, denn dabei hatte sie Charlie Eppes getroffen, „und werde ich mit der Zeit eh kennen lernen.“ Sie trank einen Schluck Kaffee, um Zeit zu schinden für die Suche nach einem weiteren Gesprächsthema. „Ãbrigens werde ich nachher an einer Einführungsveranstaltung Ihres Mentors, Prof. Fleinhardt, teilnehmen und danach werden Sie sich dann meinen Fragen zum Thema Mathematik stellen müssen, was übrigens auch auf das ganze kommende Jahr zutrifft.“
„Oh“, erwiderte er kurz, bevor er anfing, nachzudenken. Schon jetzt war er um Gesprächsthemen verlegen, wie würde das erst sein, wenn sie sich regelmäÃig sahen. Einerseits freute er sich auf die Zusammenarbeit und während er gleichzeitig an die Konsequenzen dachte. Schon jetzt war ihre Gegenwart zu schön, um wahr zu sein. Vermutlich war er doch zu jung, um einfach nur Lehrer zu sein. Zu viel spielte hier noch mit rein, vor allem seine eigenen Gefühle. Warum konnte das Leben nicht so logisch sein wie die Mathematik, fragte er sich und trank erst einmal einen Schluck Kaffee, um seine Gedanken wieder zu sammeln.
Auch Amita nahm noch einen Schluck aus ihrem Becher und stellte ihn dann wieder auf den Tisch. Für immer wollte sie so sitzen bleiben, auch ohne mit Charlie ein einziges Wort zu wechseln. Sie wollte einfach nur die Gegenwart dieses Menschen spüren, ihm nah sein, wenn auch nicht genau so, wie sie es gern wäre. Doch sie war organisiert und schaute gerade deswegen beiläufig auf ihre Uhr. Dabei stellte sie mit erschrecken fest, dass es viel später war, als sie gedacht hatte. Ãber den Kaffee und das, wie sie dachte, kurzweilige Gespräch hatte sie die Zeit vergessen und musste sich nun beeilen, um rechtzeitig zur CalSci zu kommen. Hastig stand sie auf. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss los. Es ist schon viel zu spät.“ Noch während sie sprach, zog sie ihre Jacke an, nahm ihren Rucksack auf die Schulter und war schon losgegangen, als sie sich noch einmal nach Charlie umdrehte. „Vielen Dank für den Kaffee.“ Dann öffnete sie schon die Tür und war verschwunden.
Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe auch Charlie aufstand, seine Sachen nahm und ihr folgte. Als sie schon fast auÃer Hörweite war, rief er nach ihr: „Ms Rama ... Verdammt!“, fluchte er, denn er hatte ihren Nachnamen vergessen. Also konnte er sie nur beim Vornamen rufen: „Amita!“ Ãberrascht davon, ihren Vornamen zu hören, drehte sie sich um, während er schon auf sie zuging. „Ich habe mein Fahrrad hier und ich nehme Dich gerne mit zurück. Es ist zwar nicht sonderlich bequem, auf dem Gepäckträger zu sitzen, aber es ist allemal schneller als zu laufen“, bot er ihr an.
Kurz überlegte sie, ob sie ein solches Angebot annehmen konnte. Es war ja nicht so, dass sie etwas Verbotenes tat, schlieÃlich würde er sie nur mitnehmen, sagte ihr der Teil des Gehirns, der pünktlich sein wollte. Aber ihr Verstand war mit dieser Aussage nicht einverstanden, immerhin war er ihr Lehrer. Den grüÃte man im Gang, wenn man ihn traf, mit dem sprach man in der Vorlesung oder während der Sprechstunde, aber eigentlich trank man keinen Kaffee mit ihm und erst recht lieà man sich nicht von ihm mitnehmen. Doch der Zeitdruck siegte über ihren Verstand und so folgte sie ihm zu seinem Fahrrad.
Dort angekommen stieg er schon halb auf, bevor sie sich auf den Gepäckträger setzte. Dann fuhr er los, wobei sie Probleme hatte, ihr Gleichgewicht zu halten. Es kam einfach nicht oft genug war, dass sie auf Gepäckträgern durch die Gegend fuhr. Also versuchte sie, sich krampfhaft am Gepäckträger festzuhalten. Als Charlie die Bewegung spürte, drehte er sich um und bemerkte, dass sie mit dem Gleichgewicht kämpfte. „Halt Dich ruhig ... Ich meine, Sie können sich ruhig an mir festhalten.“
Nur zu gern nahm sie das Angebot an und hielt sich nun an ihm fest. Durch den besseren Halt und das Vertrauen, nun nicht innerhalb der nächsten Sekunden auf dem Asphalt zu liegen, konnte sie sich ein wenig entspannen und bemerkte nicht, wie schnell sie wieder an der CalSci waren. Vorsichtig hielt Charlie an und lieà sie absteigen. „Vielen Dank noch mal für alles. Bis später“, verabschiedete sich und ging schnellen Schrittes auf das Gebäude zu, in dem sie den Hörsaal vermutete.
Sobald ein gewisser Abstand zu ihrem Dozenten bestand, dachte sie wieder an die ruinierten, neuen Schuhe und versuchte die schönen Gefühle, die Charlie, der immer noch ihr Dozent war - nicht mehr und nicht weniger, ermahnte sie sich wieder einmal - in ihr ausgelöst hatte, zu verdrängen. Hätte sie doch nur das Regal gekauft und die Schuhe nie bemerkt, dann wäre alles gut gewesen. Sie hätte ihren Kaffee getrunken, wäre ihm zwar begegnet, aber es hätte keinen Zusammenstoà gegeben, keinen Ersatzkaffee, kein Gespräch. Nach einem nichts sagenden Gruà wären sie beide wieder getrennte Wege gegangen. Wollte sie das wirklich so haben, fragte sie sich. Doch dies war eine rhetorische Frage, denn für sie war klar, dass sie ihn am liebsten sofort wieder treffen wollte, einen weiteren Kaffee mit ihm trinken und eine schöne Zeit erleben. Während sie über all diese Dinge nachdachte, bemerkte sie eines nicht.
Der Hörsaal war gut gefüllt, als sie ihn betrat. Gerade schrieb der Professor seinen Namen an die Tafel, weshalb viele Studenten noch in ihren Taschen wühlten, Bücher und Veröffentlichungen von Prof. Fleinhardt vor sich hinlegten oder Stift und Papier bereitlegten. Sie selbst hatte bisher nur Stift und Papier mit, doch sie hoffte, dass dies bei einer Einführung nicht störte. Ein paar Schritte gehend passierte sie drei Sitzreihen, bis sie zwei leere Plätze direkt am Gang sah.
„Ist hier noch frei?“, fragte sie die Studentin auf dem angrenzenden Platz, die in einem Buch zum Thema Physik etwas nachlas.
„Ja, setz Dich ruhig“, antwortete diese.
Nach dieser Bestätigung ging sie in die Sitzreihe, klappte die Sitzfläche herunter und setzte sich. Ihren Rucksack stellte sie vorerst auf den Schoss, um ihr Schreibzeug zwischen den Lebensmitteln und ihren alten Schuhen zu suchen.
Währenddessen ging der Professor von der Tafel zu den Türen des Hörsaals, um diese zu schlieÃen. Sekunden zuvor war allerdings noch jemand in den Hörsaal geschlüpft.
Noch einmal wendete Amita sich an ihre Sitznachbarin. „Ich bin Amita“, stellte sie sich vor, doch ihre Nachbarin hatte sie unlängst wieder in ihr Buch vertieft. Enttäuscht wollte sie gerade ihren Rucksack auf den Boden stellen, als ihr doch noch eine Hand entgegen gestreckt wurde, wenn auch von der falschen Seite. „Hey Amita, ich bin Charlie.“
L.V.G.L.L.G. schrieb:Du bist doch kein Charlie. Du bist ne Caro, auch wenn ich nicht genau sagen könnte, ob es da einen groÃen Unterschied gibt.Wenn wäre ich auch eher Larry aber nur in dieser wirren Art, nichts auf die Reihe zu kriegen und doch alles zu schaffen. Ich finde es immer einfacher, etwas zu beschreiben, was man selbst kennt, entweder von sich oder von Anderen.
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Zur Belohnung gibt es jetzt noch das 3. Kapitel, dass ich eigentlich gestern schon posten wollte. Viel Spaà beim Lesen.
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Nachdem sein Computer hochgefahren war, tippte Charlie das Passwort ein, das er gestern zusammen mit anderen Unterlagen erhalten hatte. Es funktionierte. Dann loggte er sich ins Intranet der Uni ein und surfte ohne Ziel ein wenig herum, bis er den Vorlesungsplan entdeckte. Zuerst suchte und fand er sich und seine später stattfindende Vorlesung, was ihn sehr freute. Schon an seinem ersten Tag war er dort aufgeführt. Als die Freude darüber langsam nachlieÃ, fiel ihm jedoch eine andere Vorlesung ins Auge, und zwar hatte Larry einen Einführungskurs in Physik. Zwar war er hier nicht als Student, doch erinnerte er sich noch an Larrys Vortrag in Princeton, der ihm damals gefallen hatte. Also entschloss er sich kurzerhand, später daran teilzunehmen. Das würde sicherlich spannender sein, als hier die restliche Zeit abzusitzen bis seine Vorlesung anfing.
Doch zuallererst wollte er noch einen Kaffee trinken, denn Zeit hatte er noch genug bis zum Beginn des Kurses von Larry. SchlieÃlich hatte sein Treffen mit ihm nicht lange gedauert, auch hatte er nicht besonders viel Zeit hier in seinem Büro verbracht. Also nahm er seine Tasche, in der sich schon die Unterlagen für seine eigene Vorlesung befanden, und ging los. Dabei fragte er sich, wo es hier Kaffee geben würde. Er kannte es von Princeton, dass es auf dem Campus mindestens einen Kaffee-Stand gab, doch an der CalSci war ihm keiner aufgefallen. Darum entschloss er sich, bevor er ewig suchte, rasch mit dem Fahrrad in die Stadt zum nächsten Starbucks zu fahren.
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Schnell hatte Amita ihre Lebensmittel besorgt. Mit Brot, Orangensaft, schwarzem Tee und Müsli würde sie die nächsten Tage erst einmal überleben, denn das hatte sie nicht von zu Hause mitgenommen. Auch ihr altes Bücherregal musste sie dort lassen, da es beim Abbauen kaputt gegangen war. Die Suche nach einem neuen gestaltete sich allerdings schwer. Zwar hatte sie überraschend schnell zwei Modelle gefunden, die ihr gefielen, konnte sich dann aber nicht entscheiden zwischen dem zweckmäÃigen, preisgünstigen Kiefernholzregal und dem fast schon designerartigen Regal in einem schicken Rotton, dessen Preis sich im entsprechenden Rahmen bewegte. Diese Entscheidung wollte sie nicht übers Knie brechen und lieber noch eine Nacht darüber schlafen. Darum verlieà sie den Möbelladen regallos und schaute dabei auf die Uhr. Bis der Kurs von Prof. Fleinhardt begann hatte sie noch Zeit. Also entschloss sie sich kurzerhand, die Stadt um die CalSci zu erkunden, denn ihren ersten Tag in Los Angeles wollte sie nutzen, wenn auch nur für Shopping.
Auf der Suche nach interessanten Läden in der Nähe des Colleges stand sie plötzlich vor einem Schuhladen, dessen Auslage mit wildgemusterten und bunten Schuhen gefüllt war. Ohne darüber nachzudenken, betrat sie den Laden und schaute sich um. Tiger- und Zebramuster waren wohl wieder in, doch sie konnte es noch immer nicht leiden. Stattdessen fiel ihr Blick sofort auf ein paar quietschgrüne Stoffstiefel, die über und über mit kleinen, pinken Punkten bedruckt waren. Es stand noch genau ein Paar im Regal, das glücklicherweise sogar ihre GröÃe hatte. Erfreut darüber probierte sie die Stiefel an. Sie passten, worüber sie sich noch mehr freute. Sofort nahm sie das Paar und ging damit zur Kasse, um sie zu bezahlen, dann zog sie die Stiefel wieder an und steckte ihre alten Schuhe in einer Tüte zu den Lebensmitteln in ihrem Rucksack.
Vor Freude über den Fund strahlend verlieà sie den Laden und ging in den Starbucks nebenan, wo sie sich noch einen einfachen Kaffee kaufte, den sie auf ihrem Rückweg zum Campus trinken wollte. Sie trat gerade über die Türschwelle nach drauÃen und schaute auf die neue Eroberung an ihren FüÃen, anstatt nach vorne zu schauen. Darum bemerkte sie auch nicht, dass ihr jemand entgegenkam. Versehentlich rempelte sie so einen Passanten an, wodurch sich ihr Kaffee über ihre neuen Schuhe verteilte. Wütend über sich selbst, ihre eigene Unachtsamkeit und über das zerstörte Kunstwerk an ihren FüÃen, reagierte sie sich am Passanten ab.
„Sie verdammt...“, begann sie ihre Hasstirade, als sie ihr Gegenüber das erste Mal richtig anschaute und überraschenderweise zwei wunderbar strahlende Augen vor sich sah, die unverwechselbar waren und zu Charles Eppes, ihrem zukünftigen Professor, gehörten. „Oh“, brachte sie nur noch verdutzt heraus, bevor sich rot anlief. Zweimal hatte sie es mittlerweile an diesem Tag geschafft, sich vor ihm wie ein Trottel zu benehmen. Ihr Studium würde aber länger als einen Tag dauern und da er ein Pflichtfach von ihr unterrichtete, wollte sie gar nicht darüber nachdenken, was ihr im Zusammenhang mit diesem Dozenten in den kommenden Jahren noch alles passieren würde.
Was sie nicht ahnen konnte und er selbst nicht verstehen, war die Tatsache, dass diese junge Frau ihn nicht los lieÃ. In ihrer Gegenwart wurde die Mathematik nebensächlich, ebenso die Welt um ihn herum. Das war auch der Grund, warum er nicht darauf geachtet hatte, dass sie abgelenkt war, denn er hatte, nachdem er sie entdeckt hatte, seinen Blick einfach nicht mehr von ihr abwenden können. Ihren Blick gen Boden hatte er nicht bemerkt. Dafür bemerkte er jetzt ihre verdreckten Schuhe und ihre unnatürliche Hautfarbe, die er einfach nur süà fand. Nur mit Mühe konnte Charlie sich ein Grinsen verkneifen. Stattdessen schaute er sie an und fragte: „Geht es Ihnen gut? Ist Ihnen etwas passiert?“
Amita war nicht in der Lage, etwas zu sagen und schüttelte einfach nur den Kopf, wobei ihr eine Locke ins Gesicht fiel, die sie hinter ihr Ohr strich. Währenddessen normalisierte sich ihre Gesichtsfarbe noch immer nicht. Trotzdem versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihr die Situation war. Sie nahm all ihren Mut zusammen, als sie sich bei ihm entschuldigte: „Es tut mir Leid, Mr Eppes. Es war nicht meine Absicht, Sie anzurempeln ... und Sie zu beschimpfen, aber ...“, endete sie mitten im Satz, denn sie wollte nicht sagen, was sie wirklich störte, denn die Begegnung war es nicht. Nur das, was von ihren einst so schönen, neuen Schuhen übrig war, störte sie. Die Begegnung an sich könnte noch stundenlang gehen, dabei standen sie erst wenige Minuten zusammen.
„Kein Problem. Ich hätte auch merken können, dass sie mich nicht sehen. Wir sind beide nicht schuldig, aber auch nicht unschuldig“, antworte er, wobei sich das Grinsen nun doch auf seinem Gesicht ausbreitete. „Haben Sie Lust, noch einen Kaffee zu trinken? Ich lade Sie ein“, fragte er und deutete dabei auf den Becher in ihrer Hand.
Frustriert betrachtete sie die Pfütze von Kaffee, die sich nicht über sie ergossen hatte, dann schaute sie hoch. „Gerne.“
Gemeinsam betraten sie den Starbucks. Während sich Amita entschuldigte und ins WC ging, um ihre Schuhe zu reinigen, bestellte Charlie zwei Kaffees. Hoffnungslos erkannte sie, dass die Schuhe nicht mehr zu retten waren, denn das Grün war nur noch an wenigen Stellen bemerkbar und auch die Punkte hatten ihren Glanz unter der braunen Brühe verloren. Betrübt ging sie wieder zurück und setzte sich an einen Tisch. Kurz darauf kam er mit zwei groÃen Pappbechern auf sie zu.
Obwohl er ihren Blick bemerkte, ging er nicht darauf ein. Es gehörte sich nicht, eine Fremde so direkt zu fragen, was mit ihr los war, auch wenn er es im Grunde gerne getan hätte. „Milch, Zucker?“, fragte er stattdessen unbeholfen, denn menschlichen Emotionen hatten ihre Tücken, die er am Liebsten umschiffte.
„Nur einen Schuss Milch, bitte.“
„Kuh oder Soja, fettarm oder normal?“
„Ganz normale Kuhmilch“, antwortete sie und musste trotz ihrer eigentlich schlechten Laune grinsen. Wieder fiel ihr auf, wie sehr sie seine Gegenwart genoss.
Erstaunt über diese ungewöhnliche junge Frau, denn normalerweise hätte er als erstes ein wie aus der Pistole geschossenes Fettarm erwartet, grinste auch er und goss in beide Becher einen Schuss Milch. Dann ging er mit den Bechern in der Hand zu dem von ihr gewählten Tisch, stellte die Becher vor sich ab und setzte sich schlieÃlich selbst.
„Vielen Dank“, antwortete sie und schaute wieder in seine wunderschönen Augen, sah sein Gesicht. Ihre schlechte Laune hatte sie schon fast durch diesen Anblick vergessen.
„Keine Ursache“, antwortete er. „Warum sind sie eigentlich hier, heute ist doch ihr erster Tag? Wollen Sie nicht das Gelände der CalSci erforschen?“
„Das habe ich heute schon genug erforscht“, antwortete sie und dachte dabei an ihre morgendliche Odyssee, die sie nie vergessen würde, denn dabei hatte sie Charlie Eppes getroffen, „und werde ich mit der Zeit eh kennen lernen.“ Sie trank einen Schluck Kaffee, um Zeit zu schinden für die Suche nach einem weiteren Gesprächsthema. „Ãbrigens werde ich nachher an einer Einführungsveranstaltung Ihres Mentors, Prof. Fleinhardt, teilnehmen und danach werden Sie sich dann meinen Fragen zum Thema Mathematik stellen müssen, was übrigens auch auf das ganze kommende Jahr zutrifft.“
„Oh“, erwiderte er kurz, bevor er anfing, nachzudenken. Schon jetzt war er um Gesprächsthemen verlegen, wie würde das erst sein, wenn sie sich regelmäÃig sahen. Einerseits freute er sich auf die Zusammenarbeit und während er gleichzeitig an die Konsequenzen dachte. Schon jetzt war ihre Gegenwart zu schön, um wahr zu sein. Vermutlich war er doch zu jung, um einfach nur Lehrer zu sein. Zu viel spielte hier noch mit rein, vor allem seine eigenen Gefühle. Warum konnte das Leben nicht so logisch sein wie die Mathematik, fragte er sich und trank erst einmal einen Schluck Kaffee, um seine Gedanken wieder zu sammeln.
Auch Amita nahm noch einen Schluck aus ihrem Becher und stellte ihn dann wieder auf den Tisch. Für immer wollte sie so sitzen bleiben, auch ohne mit Charlie ein einziges Wort zu wechseln. Sie wollte einfach nur die Gegenwart dieses Menschen spüren, ihm nah sein, wenn auch nicht genau so, wie sie es gern wäre. Doch sie war organisiert und schaute gerade deswegen beiläufig auf ihre Uhr. Dabei stellte sie mit erschrecken fest, dass es viel später war, als sie gedacht hatte. Ãber den Kaffee und das, wie sie dachte, kurzweilige Gespräch hatte sie die Zeit vergessen und musste sich nun beeilen, um rechtzeitig zur CalSci zu kommen. Hastig stand sie auf. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich muss los. Es ist schon viel zu spät.“ Noch während sie sprach, zog sie ihre Jacke an, nahm ihren Rucksack auf die Schulter und war schon losgegangen, als sie sich noch einmal nach Charlie umdrehte. „Vielen Dank für den Kaffee.“ Dann öffnete sie schon die Tür und war verschwunden.
Es dauerte nur wenige Sekunden, ehe auch Charlie aufstand, seine Sachen nahm und ihr folgte. Als sie schon fast auÃer Hörweite war, rief er nach ihr: „Ms Rama ... Verdammt!“, fluchte er, denn er hatte ihren Nachnamen vergessen. Also konnte er sie nur beim Vornamen rufen: „Amita!“ Ãberrascht davon, ihren Vornamen zu hören, drehte sie sich um, während er schon auf sie zuging. „Ich habe mein Fahrrad hier und ich nehme Dich gerne mit zurück. Es ist zwar nicht sonderlich bequem, auf dem Gepäckträger zu sitzen, aber es ist allemal schneller als zu laufen“, bot er ihr an.
Kurz überlegte sie, ob sie ein solches Angebot annehmen konnte. Es war ja nicht so, dass sie etwas Verbotenes tat, schlieÃlich würde er sie nur mitnehmen, sagte ihr der Teil des Gehirns, der pünktlich sein wollte. Aber ihr Verstand war mit dieser Aussage nicht einverstanden, immerhin war er ihr Lehrer. Den grüÃte man im Gang, wenn man ihn traf, mit dem sprach man in der Vorlesung oder während der Sprechstunde, aber eigentlich trank man keinen Kaffee mit ihm und erst recht lieà man sich nicht von ihm mitnehmen. Doch der Zeitdruck siegte über ihren Verstand und so folgte sie ihm zu seinem Fahrrad.
Dort angekommen stieg er schon halb auf, bevor sie sich auf den Gepäckträger setzte. Dann fuhr er los, wobei sie Probleme hatte, ihr Gleichgewicht zu halten. Es kam einfach nicht oft genug war, dass sie auf Gepäckträgern durch die Gegend fuhr. Also versuchte sie, sich krampfhaft am Gepäckträger festzuhalten. Als Charlie die Bewegung spürte, drehte er sich um und bemerkte, dass sie mit dem Gleichgewicht kämpfte. „Halt Dich ruhig ... Ich meine, Sie können sich ruhig an mir festhalten.“
Nur zu gern nahm sie das Angebot an und hielt sich nun an ihm fest. Durch den besseren Halt und das Vertrauen, nun nicht innerhalb der nächsten Sekunden auf dem Asphalt zu liegen, konnte sie sich ein wenig entspannen und bemerkte nicht, wie schnell sie wieder an der CalSci waren. Vorsichtig hielt Charlie an und lieà sie absteigen. „Vielen Dank noch mal für alles. Bis später“, verabschiedete sich und ging schnellen Schrittes auf das Gebäude zu, in dem sie den Hörsaal vermutete.
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Sobald ein gewisser Abstand zu ihrem Dozenten bestand, dachte sie wieder an die ruinierten, neuen Schuhe und versuchte die schönen Gefühle, die Charlie, der immer noch ihr Dozent war - nicht mehr und nicht weniger, ermahnte sie sich wieder einmal - in ihr ausgelöst hatte, zu verdrängen. Hätte sie doch nur das Regal gekauft und die Schuhe nie bemerkt, dann wäre alles gut gewesen. Sie hätte ihren Kaffee getrunken, wäre ihm zwar begegnet, aber es hätte keinen Zusammenstoà gegeben, keinen Ersatzkaffee, kein Gespräch. Nach einem nichts sagenden Gruà wären sie beide wieder getrennte Wege gegangen. Wollte sie das wirklich so haben, fragte sie sich. Doch dies war eine rhetorische Frage, denn für sie war klar, dass sie ihn am liebsten sofort wieder treffen wollte, einen weiteren Kaffee mit ihm trinken und eine schöne Zeit erleben. Während sie über all diese Dinge nachdachte, bemerkte sie eines nicht.
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Der Hörsaal war gut gefüllt, als sie ihn betrat. Gerade schrieb der Professor seinen Namen an die Tafel, weshalb viele Studenten noch in ihren Taschen wühlten, Bücher und Veröffentlichungen von Prof. Fleinhardt vor sich hinlegten oder Stift und Papier bereitlegten. Sie selbst hatte bisher nur Stift und Papier mit, doch sie hoffte, dass dies bei einer Einführung nicht störte. Ein paar Schritte gehend passierte sie drei Sitzreihen, bis sie zwei leere Plätze direkt am Gang sah.
„Ist hier noch frei?“, fragte sie die Studentin auf dem angrenzenden Platz, die in einem Buch zum Thema Physik etwas nachlas.
„Ja, setz Dich ruhig“, antwortete diese.
Nach dieser Bestätigung ging sie in die Sitzreihe, klappte die Sitzfläche herunter und setzte sich. Ihren Rucksack stellte sie vorerst auf den Schoss, um ihr Schreibzeug zwischen den Lebensmitteln und ihren alten Schuhen zu suchen.
Währenddessen ging der Professor von der Tafel zu den Türen des Hörsaals, um diese zu schlieÃen. Sekunden zuvor war allerdings noch jemand in den Hörsaal geschlüpft.
Noch einmal wendete Amita sich an ihre Sitznachbarin. „Ich bin Amita“, stellte sie sich vor, doch ihre Nachbarin hatte sie unlängst wieder in ihr Buch vertieft. Enttäuscht wollte sie gerade ihren Rucksack auf den Boden stellen, als ihr doch noch eine Hand entgegen gestreckt wurde, wenn auch von der falschen Seite. „Hey Amita, ich bin Charlie.“
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!