05.04.2008, 18:07
Hier ist also schon mal der nächste Teil. Ich wünsche viel Spaà beim Lesen und natürlich auch beim Feedbacken.
Credits: "A Beatiful Mind" ist ein weiterer Lieblingsfilm von mir, der zurecht oscarprämiert ist. Ron Howard kann einfach gute Filme machen. (Hat aber nichts mit der kleinen Rolle von Judd Hirsch zu tun.) Die Mathesachen zur Arbeit von John Nash habe ich hierher.
Anmerkung: Von der Zeitschiene passt der Film nicht rein, aber es musste ein Film sein, für den Charlie ins Kino gehen würde. Dies ist er.
Obwohl es nicht weit war zum Buchladen, hatte Charlie sich dafür entschieden, das Auto zu nehmen. In der Nähe hatte er einen Parkplatz gefunden, so dass sie schon jetzt, kurz nachdem sie das Shopping-Center verlassen hatten, das Geschäft betraten.
Sofort wandte sie sich mit ihrer Liste an einen Verkäufer.
Dagegen begab sich Charlie in die Mathematikabteilung und stand dort zwischen Unmengen von Büchern, die ihn in ihren Bann zogen. Nun stand er direkt vor seinem Fachgebiet und überflog rasch die Titel, dabei entdeckte er ein paar ihm unbekannte, unter anderem eine Abhandlung über die Doktorarbeit von John F. Nash, welche die von Oskar Morgenstern und John von Neumann entwickelte Spieltheorie um das so genannte Nash-Gleichgewicht erweitert hatte. Diese Arbeit sowie den Menschen dahinter bewunderte er, hatte ihn auch als Professor in Princeton kennen gelernt, weshalb er es kaufen wollte. Nach dieser Entscheidung lieà er nun seinen Blick über die Regalreihen schweifen und entdeckte ein ihm unbekanntes Buch zu Chiffren, das neueste Kodierungsmöglichkeiten nannte. Im Index entdeckte er eine, die er in seinem letzten Semester entschlüsselt hatte, worüber er etwas im American Journal of Mathematics veröffentlicht hatte. Aus diesem Grund entschied er sich auch für dieses. Während er seine Bucherkundung fortsetzte, vergaà er alles um sich herum und endete in der Welt, die ihm schon immer als Zufluchtsort gedient hat, der Mathematik.
Währenddessen wurde Amita fachkundig beraten und hatte binnen kürzester Zeit alle Bücher beisammen. Nur eins musste sie bestellen, konnte es aber am nächsten Tag abholen. Auch sie stöberte nun ein wenig in den Regalen, fand dabei auch Interessantes, belieà es aber dabei und suchte ihren Begleiter. Erst wollte sie wissen, was sie noch für seinen Kurs benötigte, ehe sie wahllos Geld ausgab. Schon der Kleidungskauf war teuer genug gewesen, da musste sie jetzt sparen. Wie erwartet, fand sie ihn in der Mathematikabteilung.
Auf einem Stuhl hatte er mittlerweile einiges an Büchern gesammelt, die er kaufen wollte und suchte noch immer neue aus.
Sie riss ihn aus ihren Gedanken, als sie ansprach: „Charlie, wie sieht’s aus, brauch ich in Deinem Kurs Bücher?“
„Ãhm“, versuchte er nachzudenken, während er wieder ins Hier und jetzt zurückkehrte, „mir fallen spontan keine ein, aber ich kann Dir ein paar sehr gute empfehlen, falls Du interessiert bist.“
„Ich habe schon so genug, ohne freiwillig Fachbücher zu lesen, aber ... egal. Schieà los“, erwiderte sie lächelnd und neugierig.
Nun nahm er ein Buch nach dem anderen aus dem Regal, von denen er einige sofort wieder zurückstellte, bei anderen erzählte er dagegen ausführlich, worum es ging. Dabei reicherte er diese Informationen mit eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen zu den Themen an. Dass er in seinem Element war, war an seinen leuchtenden Augen leicht zu erkennen.
Fasziniert von seinen plastischen Erzählungen bildete auch sie mit der Zeit einen kleinen Haufen, der ihr irgendwann ausreichte, daher berührte sie ihn sachte am Arm. „Das reicht. Auf jeden Fall weià ich jetzt, wen ich bei Fachliteratur um Rat fragen kann“, sagte sie und lächelte ihn wieder an, damit er wusste, dass es nicht langweilig gewesen war. Denn das war es bei seiner Erzählkunst wirklich nicht. Sie hatte regelrecht gespürt, wie sehr mit seinem Herz daran hing und nicht nur mit dem Kopf. Seine Arbeit war seine Berufung, was eine weitere Gemeinsamkeit zwischen ihnen darstellte.
Wieder in der Gegenwart angelangt, betrachtete er seine Auswahl und schlieÃlich ihre. „Du hast Recht, das ist schon ziemlich viel.“ Nun lieà er seinen Blick durch den Laden schweifen, auf der Suche nach etwas, womit er die Bücher transportieren konnte und entdeckte am Ende der Regalreihen Körbe. Davon nahm er zwei und legte die Einkäufe hinein. „Lass uns bezahlen.“
Darauf antwortete sie nicht, sondern machte sich einfach auf den Weg. Er folgte ihr. Sie hatten Glück und mussten an der Kasse nicht anstehen sonder waren sofort dran.
Ohne groÃartig darüber nachzudenken, bezahlte Charlie die Bücher, die er haben wollte. Für ihn war das nichts besonderes, denn seine Eltern hatten ihn immer gefördert und alles Notwendige an Materialien für seine Ausbildung bezahlt.
Anders sah es dagegen bei Amita aus, die heute eigentlich schon ihr Budget gesprengt hatte und sich nun fragte, warum sie so viele Bücher gewählt hatte. Sie hätte sich auf ein oder zwei beschränken sollen, trotzdem bezahlte sie alles und lieà nichts zurück gehen. Dabei war ihr klar, dass bald einen Nebenjob benötigte, fragte sich aber gleichzeitig, ob das überhaupt mit ihrem Studium und der Projektarbeit für Professor Fleinhardt vereinbar war.
Erfolglos versuchte er, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Irgendetwas beschäftigte sie, denn die lockere Art, die sie heute gezeigt hatte, war aus ihrem Gesicht verschwunden und hatte einer ernsten Miene Platz gemacht. Darauf sprach er sie aber nicht an, das ging ihn einfach nichts an. So gut kannte er sie schlieÃlich nicht.
„Nimmst Du die Tüten?“, bat sie ihn schlieÃlich.
„Natürlich.“
Gemeinsam gingen sie nach drauÃen, wo Charlie das Gespräch fortsetzte. „Du gehst jetzt nach rechts, circa 200 m weiter auf dieser StraÃenseite befindet sich ein kleines Café, bei dem man auch drauÃen sitzen kann. Dort suchst Du uns einen Tisch. In ungefähr 15 Minuten werde ich auch da sein und spendiere Dir dann das weltbeste Abendbrot.“
„Aber ich wollte Dich doch ...“
„Egal, ich habe beschlossen, mich für diesen schönen Nachmittag und den T-Shirt-Fund zu revanchieren.“
„Okay“, gab sie nach. „Bis gleich.“
Nun gingen sie vorerst getrennte Wege.
Zügig ging Charlie davon, denn er wollte nur so wenig Zeit wie möglich alleine verbringen. Ihm gefiel der Nachmittag und bis auf ein oder zwei unerwartete Zwischenfälle war seine gute Laune ungebrochen. In ihrer Gegenwart konnte er Genie sein, aber auch Charlie. Sie kannte beide Seiten und verstand sie auch.
Als er das Auto erreichte, legte er rasch die Tüten in den Kofferraum. Dann nahm er die Schuhe heraus, die er mit dem Schleifenband zusammenband und in seine Tasche steckte. SchlieÃlich machte er sich auf den Rückweg.
Amita saà an einem Tisch drauÃen vor dem Café, denn so hatten sie etwas von der Sonne. Vor ihr lagen bereits zwei Speisekarten.
So wartete sie auf Charlie, der ihren teuren, aber auch schönen Nachmittag mit Intelligenz, Witz und Charme bereichert hatte. Mit jemand wie ihn verbrachte sie gerne Zeit, auch wenn sie ihn und sein Verhalten nicht immer verstand, wie heute zwischendurch beim Einkaufen. Erst vorhin hatte sie von einem Kommilitonen erfahren, dass er ein genialer Mathematiker war und schon etliche Preise sein Eigen nannte. Ihre Zeit mit ihm zu verbringen, war daher ein schöner Zufall, denn auch privat mochte sie ihn. Auf den Kurs mit ihm freute sie sich schon jetzt, denn er würde sicher interessant werden. Ihr Treffen an ihrem gemeinsamen ersten Tag konnte kein Zufall sondern musste Schicksal gewesen sein, anders lieà sich das nicht erklären, schlieÃlich war er ihr innerhalb von zwei Tagen ans Herz gewachsen. Mit dem Vater der Familie, Alan, verhielt es sich genauso. Ohne groà nachzudenken, hatte er ihr seine Dienste angeboten, dabei kannte er sie zu dem Zeitpunkt er kurz. So in einer fremden Stadt aufgenommen zu werden, davon konnte sie nur träumen. Allerdings hatte auch der gemeinsame Abend gestern viel zu diesem Gefühl beigetragen. Besonders das nächtliche Gespräch mit Don war ihr in Erinnerung geblieben. Er hatte sich ihr geöffnet und über ihm wichtige Dinge geredet, hatte sich sogar als ihr Schutzengel erwiesen und sie vor einem Sturz bewahrt. Ãberraschenderweise hatte er sie dann geküsst, was sie nicht erwiderte, aber auch nicht stoppte. Dafür hatte er gesorgt, indem er nur einen Augeblick später abrupt aufhörte und sie ungläubig anschaute. Dann hatte er ihr geholfen, sich hinzusetzen, wobei er sich für sein Verhalten entschuldigte, ehe er sich flüchtig verabschiedete. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Allerdings plante sie, ihn später anzurufen und ihm zu sagen, dass sie ihm nichts übel nahm, ihm aber auch keine Gefühle entgegenbrachte.
Als sie Charlie auf sich zu kommen sah, hörte sie auf, nachzudenken und lieà sich wieder auf ihn ein.
„Da bin ich wieder“, sagte er und setzte sich.
„Dann sollten wir etwas auswählen.“
„Sofort. Vorher ist da noch etwas.“ Schon jetzt war sein markantes Grinsen deutlich sichtbar.
Fragend schaute sie ihn an und wartete darauf, dass er fortfuhr.
„Du erinnerst Dich an unsere unzähligen Treffen gestern?“
Sie nickte.
„Dann erinnerst Du dich auch an die schönen, neuen Schuhe?“
Wieder nickte sie und fragte sich, worauf er hinauswollte.
„Sicher erinnerst Du dich auch noch an unsere gemeinsame Zerstörungsaktion. Heute habe ich zufällig ein ähnliches Paar entdeckt, als Du die Klamotten anprobiert hast.“ Erst jetzt zog er das Bündel aus seiner Tasche und reichte es ihr. „Viel Spaà mit denen.“
Ihr Herz machte einen Sprung bei dem Anblick. Zwar hatten sie Sterne statt Punkten und waren pink statt grün, aber das störte sie nicht. Vielmehr fand sie sie wundervoll. „Vielen Dank Charlie. Die sind wirklich klasse“, antwortete sie erleichtert, wusste sie doch jetzt auch, warum er vorhin weggegangen war. „Damit habe ich nicht gerechnet.“
„Dann habe ich es ja richtig gemacht, denn das ist der Sinn von Ãberraschungen. Ãbrigens müssen wir jetzt bei zukünftigen Treffen aufpassen, was Du in der Hand hältst“, antwortete er frech grinsend, „noch ein Paar Schuhe ist nicht drin.“ Der Schalk war ihm ins Gesicht geschrieben.
Wieder nickte sie nur, zu mehr war sie nicht in der Lage, dann beugte sie sich zu ihm rüber und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nichts groÃartiges, aber die passende Dankesgeste für das Geschenk. Einem anderen Mann wäre das sicherlich nicht in den Sinn gekommen. Ãber die ihr entgegengebrachte zweifache Aufmerksamkeit freute sie sich sehr.
Eine leichte Röte zierte seine Wangen, was ihm geringfügig unangenehm war, doch dagegen konnte er nichts tun und lieà es einfach zu. Alles andere hatte auch keinen Sinn, trotzdem wechselte er geschickt das Thema. „Wir sollten bestellen. So langsam habe ich Appetit. Einkaufen ist immer anstrengend, findest Du nicht auch.“ Nun nahm er sich eine der Karten und schlug sie auf, schaute sie aber unverwandt an und wartete auf ihre Antwort.
Sein Blick auf sich zu fühlen, war ihr unangenehm und angenehm zugleich, ein merkwürdiges Gefühl, daher lieà sie sich auf das angesprochene Thema ein: „So ein bisschen schon. Ich könnte jetzt auch gut was essen.“ Sie griff nach der anderen Karte und studierte das Angebot.
Nachdem sie alles durchgesehen hatten, entschieden sie sich und gaben der Bedienung gleichzeitig ein Zeichen, weswegen sie wieder einmal lächelten.
„Was kann ich Euch bringen?“
„Ich hätte gerne das Schinkensandwich mit doppelt Käse und ein groÃes Mineralwasser“, lautete Amitas Bestellung.
„Ich nehme das Gleiche“, sagte Charlie.
Rasch zog die Bedienung von dannen, kehrte aber kurz darauf zurück und brachte die Getränke.
„Auf ein schönes Abendbrot“, sagte Charlie und hob sein Glas. Sie tat das Gleiche. Als sie aneinander stieÃen, schauten sie sich, wie es Sitte war, tief in die Augen, lösten den Blick aber einen Wimpernschlag später schon wieder und tranken einen Schluck.
Während sie auf ihr Essen warteten, suchte Charlie nach einem Thema und fand schlieÃlich eins. „Wie geht es Dir eigentlich im Moment?“, fragte er. „Das war doch heute sicherlich alles anstrengend, oder? Uni, Einkaufen und jetzt noch Abendbrot.“
„Es hält sich in Grenzen. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass ich noch nicht nach Hause will. Irgendwie bin ich unerwarteterweise vollkommen fit.“
„Wirklich?“, fragte Charlie, ehe er fortfuhr, „Was planst Du denn noch?“
„Natürlich, sonst hätte ich es nicht gesagt“, reagierte sie lächelnd auf seine Ungläubigkeit. „Ich bin zwar fit, was nicht heiÃt, dass ich noch viel machen werde. Ich kenne hier nur wenige Leute und für Studentenpartys ist mein Gips hinderlich, also werde ich heute Abend wohl eins meiner neuen Bücher lesen oder fernsehen. Das weià ich noch nicht. Was ist mit Dir, was hast Du noch vor?“
„Gar nichts. Deine Idee, eins meiner neuen Bücher zu lesen, finde ich gut.“
In dem Moment wurden ihre Sandwichs gebracht, in die sie beide hinein bissen und erst einmal gründlich kauten, wodurch das Gespräch unterbrochen wurde.
Nachdem Amita ein paar Bissen heruntergeschluckt hatte, setzte sie das Gespräch fort: „WeiÃt Du, was ich wirklich mal wieder machen könnte?“, stellte sie eine Frage, deren Antwort er nicht wissen konnte und fuhr deshalb nach einer theatralischen Pause for, „Ins Kino gehen. Seit ich zu Hause meine Zelte abgebrochen habe und hier wieder aufbaue, hatte ich dazu keine Gelegenheit. Mein letzter Film ist mindestens schon fünf Wochen her.“
Interessiert schaute er sie an. „Kino?! Ich weià gar nicht, wann ich das letzte Mal da war“, erzählte wahrheitsgetreu und erinnerte sich an einige besonders schöne Kinobesuche. „Da dürfte Mum noch ge...“, rasch unterbrach er sich selbst, als ihm klar wurde, worüber er redete, aber nicht reden wollte. Darum fragte er sie: „Läuft momentan etwas Gutes, das Du sehen möchtest?“
Selbstverständlich hatte sie DAS Thema der Familie Eppes bemerkt, aber ihr war klar, dass die drei Männer nicht gerne und wenn nur zögerlich darüber redeten, daher beantwortete sie einfach die zuletzt gestellte Frage. „Ja, absolut. Das Leben vom Mathematiker Nash wurde verfilmt und der Film soll gut sein, habe ich den Kritiken entnommen.“
„Wirklich? Davon hab ich nichts mitbekommen, dabei hatte ich mal Unterricht bei ihm in Princeton. Er ist verdammt gut. Vorhin habe ich mir gerade ein Buch über seine Arbeit gekauft“, endete er und dachte kurz nach. „Was hältst Du davon, wenn wir uns den später anschauen? Du hast selbst gesagt, dass Du noch fit bist. Ich bin’s auch.“ Aus zwei Gründen hatte Charlie das vorgeschlagen. Zum einen interessierte ihn der Film tatsächlich, zum anderen konnte er so noch etwas mehr Zeit mir ihr verbringen.
„Sehr gerne.“
Erst jetzt kamen sie dazu, ihr Essen wirklich zu essen, was sie schweigend taten. Für diesen Tag hatten sie schon eine Menge voneinander erfahren. Nach einer Weile beendeten sie ihr Mahl.
SchlieÃlich zahlte Charlie die Rechnung „Das nächste Kino ist ungefähr einen Kilometer entfernt. Schaffst Du das?“, fragte er sie ernsthaft und betrachtete sie.
„Klar doch und wenn nicht, habe ich ja einen starken Mann an meiner Seite, der mir hilft, oder?“
„Selbstverständlich.“
So gingen sie los, beide in ihren Gedanken versunken.
Wieder fiel Charlie auf, wie wenig er an die Mathematik dachte, die den gröÃten Teil der Zeit seinen Kopf beschäftigte. Die Nebensächlichkeit dieser Materie in ihrer Gegenwart verblüffte ihn wieder Mal, mochte er aber gleichzeitig. Irgendwie war es ein schönes Gefühl zu wissen, dass es noch etwas anderes auf der Welt gab, auch wenn er das noch nicht wirklich benennen konnte. Zeit, die er mit ihr verbrachte, verging im Flug und war schön, egal was sie machten. Das einzig störende an diesem Bild war sein Bruder, der nach wie vor seine Gedanken beschäftigte, doch längst nicht so sehr wie noch gestern oder heute Morgen, als er anwesend war.
Amitas erster Gedanken galt dem Anruf, den sie heute tätigen wollte. Der musste jetzt warten, konnte er aber auch, denn eigentlich war es an Don, sich zu melden. AuÃerdem wollte sie viel lieber einen netten Abend im Kino verbringen, als lästige Telefonate zu führen. Vielleicht würde sie noch etwas mehr über diesen auÃergewöhnlichen Menschen erfahren, der neben ihr lief. Es war schön und so einfach, ihre Freizeit mit ihm zu verbringen, denn sie musste nicht wie auf dem Campus die Form wahren.
In erstaunlich kurzer Zeit, wie beide abgelenkt von ihren eigenen Gedanken dachten, befanden sie sich vorm Kino und hatten Glück, denn „A Beatiful Mind“ lief auch hier und sie bekamen zwei Plätze. Dieses Mal bezahlte jeder für sich selbst. Erst als es um die SüÃwaren und Getränke ging, ergriff Charlie wieder die Initiative und bestellte munter drauflos. Amita nickte das alles einfach nur ab, denn keiner ihrer Wünsche war offen geblieben. Es schien fast so, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Beladen mit zwei Colas in der einen Armbeuge, einer mittleren Portion Popcorn zwischen die Finger geklemmt, Schokolade in der Jackentasche und Nachos in der anderen Hand ging er nun voran in den gut gefüllten Saal. Sie folgte ihm einfach. Rasch fanden sie ihre Plätze. Nur Sekunden später wurde der Raum abgedunkelt, die Vorhänge geöffnet und die Werbung begann.
„Viel SpaÓ, wünschte Charlie und beugte sich leicht zu ihr hinüber, um die anderen Besucher nicht zu stören.
„Das wünsch ich Dir auch“, entgegnete sie, während sie sich zu ihm umdrehte und sich gleichzeitig auf ihn zu bewegte. Durch diese unglückliche Bewegung stieà sie an seinen Kopf. „Entschuldige bitte“, sagte sie daraufhin mit einem freundlichen Lächeln und ärgerte sich innerlich mal wieder über ihre Tolpatschigkeit.
Auch er lächelte, denn mittlerweile kannte er sich mit diesen ungünstigen Zufällen, die sie beide scheinbar verfolgten, bestens aus.
Zeitgleich startete der Vorspann und beide wandten den Blick von einander ab und betrachteten die Leinwand. Die erste Szene begann und sie freuten sich auf einen Film, der sowohl mathematisches als auch persönliches aus dem Leben dieses hoch angesehenen Mathematikers zeigte.
Als der Film zu Ende war, standen viele zügig auf und verlieÃen den Saal. Amita und Charlie blieben allerdings sitzen. Erst als die Meisten den Saal verlassen hatten, machte auch Amita sich daran, aufzustehen, wobei Charlie ihr so gut es ging half.
„Und, wie fandest Du den Film?“, fragte sie, als sie endlich stand.
„Sehr gut, allerdings bin ich kein wirklicher Kinogänger und kann das nicht beurteilen“, antwortete er und folgte ihr ins Foyer.
„Das ist doch egal, ob Du etwas davon verstehst. Ob er Dir gefällt oder nicht, kannst Du auch so sagen“, erklärte sie überzeugend und schritt nun in Richtung Ausgang.
„Natürlich.“ Ihre Argumente waren gut, zu gut, um Widerworte leisten zu können.
Eine kurze Pause entstand zwischen ihnen.
„Das Sitzen und Bein ausstrecken hat gut getan, der Tag war doch ganz schön anstrengend“, führte sie das Gespräch fort, während sie nach drauÃen traten.
„Sollen wir noch einen Moment warten, ehe wir uns auf den Rückweg machen?“, fragte er besorgt.
„Nein, nein. Nur nicht noch mehr sitzen. Wir werden einfach etwas langsamer gehen.“
„Kein Problem“, entgegnete er, während sie gemeinsam auf die StraÃe traten. Es war dunkel geworden und der Himmel klar, so dass man Sterne sehen konnte. „Schau Dir das an.“ So erhielt er ihre Aufmerksamkeit und deutete nach oben. „Da ist der groÃe Wagen. Ich kann Dir auch Linien zwischen den Punkten ziehen, wenn Du magst“, spielte er unbewusst auf eine romantische Szene des soeben gesehenen Filmes an.
Ihr Kopf war gen Himmel gerichtet, als sie seine merkwürdige Aussage vernahm und schaute ihn deshalb verwirrt an, entschied sich aber dafür, nichts zu sagen. Stattdessen schaute sie wieder in den Himmel hoch.
So verharrten sie beide für einige Sekunden, ehe sie den Blick vom Firmament lösten und sich kurz anschauten, um sich klar zu sein, was der andere wollte, weitergehen oder weiterschauen. Doch als sich ihre Blicke trafen, lag darin etwas anderes, etwas worüber sie nicht nachdenken durften. Das war beiden klar, trotzdem trennten sie den Blickkontakt nicht sofort wieder.
Doch nur Augenblicke schaltete Charlies Kopf sich ein. „Wir sollten zurückgehen.“
„Mhm“, murmelte sie als Antwort.
Daraufhin machten sie sich auf den Weg, liefen schweigend nebeneinander her, bestiegen das Auto und fuhren schlieÃlich zum Wohnheim, wo sie ausstiegen. Er begleitete sie voll bepackt mit ihren Einkäufen zu ihrem Zimmer.
„Du kannst die Sachen dorthin legen“, sagte sie und deutete auf den Schreibtisch.
Beim Betreten des Raums schaute er sich kurz um, tat aber dann, worum sie ihn gebeten hatte. Danach wusste er nicht so recht, wie er sich verhalten sollte und blieb wie angewurzelt stehen.
„Vielen Dank für alles. Es war ein schöner Tag. Wir sehen uns dann in der Uni“, verabschiedete sie sich trotzdem.
Das Zeichen war nicht zu überhören; sie wollte, dass er ging. Also verlieà er langsamen Schrittes das Zimmer, drehte sich im Türrahmen aber noch ein letztes Mal um, um sich zu verabschieden. „Tschüss.“
Nun ging er zurück zum Wagen seines Vaters und fuhr nach Hause.
Während der Spätnachrichten war Alan im Sessel eingeschlafen und erwachte wieder, als er hörte, dass die Tür sich öffnete. Er schaute auf die Uhr am Videorekorder und drehte sich dann zur Tür, durch die sein Sohn mit herunterhängenden Schultern den Raum betrat. Der Blick und das Auftreten seines Sohnes waren typische Symptome, die er kannte, wollte aber keine unüberlegten Schlüsse ziehen. Aus diesem Grund stellte er seinem Sohn eine unbedeutende Frage und schaute ihn dabei direkt an: „Hat alles geklappt?“
„Ja.“ Die Antwort war kurz, sehr kurz, aber ihm war nicht nach reden.
„In der Küche sind noch Reste vom Abendbrot, falls Du etwas Essen möchtest“, versuchte Alan weiterhin, ein Gespräch auf die Beine zu stellen.
„Ich hab in der Stadt gegessen und werde ins Bett gehen. Nacht Dad.“
„Gute Nacht, Charlie“, entgegnete er wissend und grinste dabei das Grinsen, das seine Söhne genauso gut beherrschten wie er.
Credits: "A Beatiful Mind" ist ein weiterer Lieblingsfilm von mir, der zurecht oscarprämiert ist. Ron Howard kann einfach gute Filme machen. (Hat aber nichts mit der kleinen Rolle von Judd Hirsch zu tun.) Die Mathesachen zur Arbeit von John Nash habe ich hierher.
Anmerkung: Von der Zeitschiene passt der Film nicht rein, aber es musste ein Film sein, für den Charlie ins Kino gehen würde. Dies ist er.
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Obwohl es nicht weit war zum Buchladen, hatte Charlie sich dafür entschieden, das Auto zu nehmen. In der Nähe hatte er einen Parkplatz gefunden, so dass sie schon jetzt, kurz nachdem sie das Shopping-Center verlassen hatten, das Geschäft betraten.
Sofort wandte sie sich mit ihrer Liste an einen Verkäufer.
Dagegen begab sich Charlie in die Mathematikabteilung und stand dort zwischen Unmengen von Büchern, die ihn in ihren Bann zogen. Nun stand er direkt vor seinem Fachgebiet und überflog rasch die Titel, dabei entdeckte er ein paar ihm unbekannte, unter anderem eine Abhandlung über die Doktorarbeit von John F. Nash, welche die von Oskar Morgenstern und John von Neumann entwickelte Spieltheorie um das so genannte Nash-Gleichgewicht erweitert hatte. Diese Arbeit sowie den Menschen dahinter bewunderte er, hatte ihn auch als Professor in Princeton kennen gelernt, weshalb er es kaufen wollte. Nach dieser Entscheidung lieà er nun seinen Blick über die Regalreihen schweifen und entdeckte ein ihm unbekanntes Buch zu Chiffren, das neueste Kodierungsmöglichkeiten nannte. Im Index entdeckte er eine, die er in seinem letzten Semester entschlüsselt hatte, worüber er etwas im American Journal of Mathematics veröffentlicht hatte. Aus diesem Grund entschied er sich auch für dieses. Während er seine Bucherkundung fortsetzte, vergaà er alles um sich herum und endete in der Welt, die ihm schon immer als Zufluchtsort gedient hat, der Mathematik.
Währenddessen wurde Amita fachkundig beraten und hatte binnen kürzester Zeit alle Bücher beisammen. Nur eins musste sie bestellen, konnte es aber am nächsten Tag abholen. Auch sie stöberte nun ein wenig in den Regalen, fand dabei auch Interessantes, belieà es aber dabei und suchte ihren Begleiter. Erst wollte sie wissen, was sie noch für seinen Kurs benötigte, ehe sie wahllos Geld ausgab. Schon der Kleidungskauf war teuer genug gewesen, da musste sie jetzt sparen. Wie erwartet, fand sie ihn in der Mathematikabteilung.
Auf einem Stuhl hatte er mittlerweile einiges an Büchern gesammelt, die er kaufen wollte und suchte noch immer neue aus.
Sie riss ihn aus ihren Gedanken, als sie ansprach: „Charlie, wie sieht’s aus, brauch ich in Deinem Kurs Bücher?“
„Ãhm“, versuchte er nachzudenken, während er wieder ins Hier und jetzt zurückkehrte, „mir fallen spontan keine ein, aber ich kann Dir ein paar sehr gute empfehlen, falls Du interessiert bist.“
„Ich habe schon so genug, ohne freiwillig Fachbücher zu lesen, aber ... egal. Schieà los“, erwiderte sie lächelnd und neugierig.
Nun nahm er ein Buch nach dem anderen aus dem Regal, von denen er einige sofort wieder zurückstellte, bei anderen erzählte er dagegen ausführlich, worum es ging. Dabei reicherte er diese Informationen mit eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen zu den Themen an. Dass er in seinem Element war, war an seinen leuchtenden Augen leicht zu erkennen.
Fasziniert von seinen plastischen Erzählungen bildete auch sie mit der Zeit einen kleinen Haufen, der ihr irgendwann ausreichte, daher berührte sie ihn sachte am Arm. „Das reicht. Auf jeden Fall weià ich jetzt, wen ich bei Fachliteratur um Rat fragen kann“, sagte sie und lächelte ihn wieder an, damit er wusste, dass es nicht langweilig gewesen war. Denn das war es bei seiner Erzählkunst wirklich nicht. Sie hatte regelrecht gespürt, wie sehr mit seinem Herz daran hing und nicht nur mit dem Kopf. Seine Arbeit war seine Berufung, was eine weitere Gemeinsamkeit zwischen ihnen darstellte.
Wieder in der Gegenwart angelangt, betrachtete er seine Auswahl und schlieÃlich ihre. „Du hast Recht, das ist schon ziemlich viel.“ Nun lieà er seinen Blick durch den Laden schweifen, auf der Suche nach etwas, womit er die Bücher transportieren konnte und entdeckte am Ende der Regalreihen Körbe. Davon nahm er zwei und legte die Einkäufe hinein. „Lass uns bezahlen.“
Darauf antwortete sie nicht, sondern machte sich einfach auf den Weg. Er folgte ihr. Sie hatten Glück und mussten an der Kasse nicht anstehen sonder waren sofort dran.
Ohne groÃartig darüber nachzudenken, bezahlte Charlie die Bücher, die er haben wollte. Für ihn war das nichts besonderes, denn seine Eltern hatten ihn immer gefördert und alles Notwendige an Materialien für seine Ausbildung bezahlt.
Anders sah es dagegen bei Amita aus, die heute eigentlich schon ihr Budget gesprengt hatte und sich nun fragte, warum sie so viele Bücher gewählt hatte. Sie hätte sich auf ein oder zwei beschränken sollen, trotzdem bezahlte sie alles und lieà nichts zurück gehen. Dabei war ihr klar, dass bald einen Nebenjob benötigte, fragte sich aber gleichzeitig, ob das überhaupt mit ihrem Studium und der Projektarbeit für Professor Fleinhardt vereinbar war.
Erfolglos versuchte er, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Irgendetwas beschäftigte sie, denn die lockere Art, die sie heute gezeigt hatte, war aus ihrem Gesicht verschwunden und hatte einer ernsten Miene Platz gemacht. Darauf sprach er sie aber nicht an, das ging ihn einfach nichts an. So gut kannte er sie schlieÃlich nicht.
„Nimmst Du die Tüten?“, bat sie ihn schlieÃlich.
„Natürlich.“
Gemeinsam gingen sie nach drauÃen, wo Charlie das Gespräch fortsetzte. „Du gehst jetzt nach rechts, circa 200 m weiter auf dieser StraÃenseite befindet sich ein kleines Café, bei dem man auch drauÃen sitzen kann. Dort suchst Du uns einen Tisch. In ungefähr 15 Minuten werde ich auch da sein und spendiere Dir dann das weltbeste Abendbrot.“
„Aber ich wollte Dich doch ...“
„Egal, ich habe beschlossen, mich für diesen schönen Nachmittag und den T-Shirt-Fund zu revanchieren.“
„Okay“, gab sie nach. „Bis gleich.“
Nun gingen sie vorerst getrennte Wege.
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Zügig ging Charlie davon, denn er wollte nur so wenig Zeit wie möglich alleine verbringen. Ihm gefiel der Nachmittag und bis auf ein oder zwei unerwartete Zwischenfälle war seine gute Laune ungebrochen. In ihrer Gegenwart konnte er Genie sein, aber auch Charlie. Sie kannte beide Seiten und verstand sie auch.
Als er das Auto erreichte, legte er rasch die Tüten in den Kofferraum. Dann nahm er die Schuhe heraus, die er mit dem Schleifenband zusammenband und in seine Tasche steckte. SchlieÃlich machte er sich auf den Rückweg.
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Amita saà an einem Tisch drauÃen vor dem Café, denn so hatten sie etwas von der Sonne. Vor ihr lagen bereits zwei Speisekarten.
So wartete sie auf Charlie, der ihren teuren, aber auch schönen Nachmittag mit Intelligenz, Witz und Charme bereichert hatte. Mit jemand wie ihn verbrachte sie gerne Zeit, auch wenn sie ihn und sein Verhalten nicht immer verstand, wie heute zwischendurch beim Einkaufen. Erst vorhin hatte sie von einem Kommilitonen erfahren, dass er ein genialer Mathematiker war und schon etliche Preise sein Eigen nannte. Ihre Zeit mit ihm zu verbringen, war daher ein schöner Zufall, denn auch privat mochte sie ihn. Auf den Kurs mit ihm freute sie sich schon jetzt, denn er würde sicher interessant werden. Ihr Treffen an ihrem gemeinsamen ersten Tag konnte kein Zufall sondern musste Schicksal gewesen sein, anders lieà sich das nicht erklären, schlieÃlich war er ihr innerhalb von zwei Tagen ans Herz gewachsen. Mit dem Vater der Familie, Alan, verhielt es sich genauso. Ohne groà nachzudenken, hatte er ihr seine Dienste angeboten, dabei kannte er sie zu dem Zeitpunkt er kurz. So in einer fremden Stadt aufgenommen zu werden, davon konnte sie nur träumen. Allerdings hatte auch der gemeinsame Abend gestern viel zu diesem Gefühl beigetragen. Besonders das nächtliche Gespräch mit Don war ihr in Erinnerung geblieben. Er hatte sich ihr geöffnet und über ihm wichtige Dinge geredet, hatte sich sogar als ihr Schutzengel erwiesen und sie vor einem Sturz bewahrt. Ãberraschenderweise hatte er sie dann geküsst, was sie nicht erwiderte, aber auch nicht stoppte. Dafür hatte er gesorgt, indem er nur einen Augeblick später abrupt aufhörte und sie ungläubig anschaute. Dann hatte er ihr geholfen, sich hinzusetzen, wobei er sich für sein Verhalten entschuldigte, ehe er sich flüchtig verabschiedete. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Allerdings plante sie, ihn später anzurufen und ihm zu sagen, dass sie ihm nichts übel nahm, ihm aber auch keine Gefühle entgegenbrachte.
Als sie Charlie auf sich zu kommen sah, hörte sie auf, nachzudenken und lieà sich wieder auf ihn ein.
„Da bin ich wieder“, sagte er und setzte sich.
„Dann sollten wir etwas auswählen.“
„Sofort. Vorher ist da noch etwas.“ Schon jetzt war sein markantes Grinsen deutlich sichtbar.
Fragend schaute sie ihn an und wartete darauf, dass er fortfuhr.
„Du erinnerst Dich an unsere unzähligen Treffen gestern?“
Sie nickte.
„Dann erinnerst Du dich auch an die schönen, neuen Schuhe?“
Wieder nickte sie und fragte sich, worauf er hinauswollte.
„Sicher erinnerst Du dich auch noch an unsere gemeinsame Zerstörungsaktion. Heute habe ich zufällig ein ähnliches Paar entdeckt, als Du die Klamotten anprobiert hast.“ Erst jetzt zog er das Bündel aus seiner Tasche und reichte es ihr. „Viel Spaà mit denen.“
Ihr Herz machte einen Sprung bei dem Anblick. Zwar hatten sie Sterne statt Punkten und waren pink statt grün, aber das störte sie nicht. Vielmehr fand sie sie wundervoll. „Vielen Dank Charlie. Die sind wirklich klasse“, antwortete sie erleichtert, wusste sie doch jetzt auch, warum er vorhin weggegangen war. „Damit habe ich nicht gerechnet.“
„Dann habe ich es ja richtig gemacht, denn das ist der Sinn von Ãberraschungen. Ãbrigens müssen wir jetzt bei zukünftigen Treffen aufpassen, was Du in der Hand hältst“, antwortete er frech grinsend, „noch ein Paar Schuhe ist nicht drin.“ Der Schalk war ihm ins Gesicht geschrieben.
Wieder nickte sie nur, zu mehr war sie nicht in der Lage, dann beugte sie sich zu ihm rüber und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nichts groÃartiges, aber die passende Dankesgeste für das Geschenk. Einem anderen Mann wäre das sicherlich nicht in den Sinn gekommen. Ãber die ihr entgegengebrachte zweifache Aufmerksamkeit freute sie sich sehr.
Eine leichte Röte zierte seine Wangen, was ihm geringfügig unangenehm war, doch dagegen konnte er nichts tun und lieà es einfach zu. Alles andere hatte auch keinen Sinn, trotzdem wechselte er geschickt das Thema. „Wir sollten bestellen. So langsam habe ich Appetit. Einkaufen ist immer anstrengend, findest Du nicht auch.“ Nun nahm er sich eine der Karten und schlug sie auf, schaute sie aber unverwandt an und wartete auf ihre Antwort.
Sein Blick auf sich zu fühlen, war ihr unangenehm und angenehm zugleich, ein merkwürdiges Gefühl, daher lieà sie sich auf das angesprochene Thema ein: „So ein bisschen schon. Ich könnte jetzt auch gut was essen.“ Sie griff nach der anderen Karte und studierte das Angebot.
Nachdem sie alles durchgesehen hatten, entschieden sie sich und gaben der Bedienung gleichzeitig ein Zeichen, weswegen sie wieder einmal lächelten.
„Was kann ich Euch bringen?“
„Ich hätte gerne das Schinkensandwich mit doppelt Käse und ein groÃes Mineralwasser“, lautete Amitas Bestellung.
„Ich nehme das Gleiche“, sagte Charlie.
Rasch zog die Bedienung von dannen, kehrte aber kurz darauf zurück und brachte die Getränke.
„Auf ein schönes Abendbrot“, sagte Charlie und hob sein Glas. Sie tat das Gleiche. Als sie aneinander stieÃen, schauten sie sich, wie es Sitte war, tief in die Augen, lösten den Blick aber einen Wimpernschlag später schon wieder und tranken einen Schluck.
Während sie auf ihr Essen warteten, suchte Charlie nach einem Thema und fand schlieÃlich eins. „Wie geht es Dir eigentlich im Moment?“, fragte er. „Das war doch heute sicherlich alles anstrengend, oder? Uni, Einkaufen und jetzt noch Abendbrot.“
„Es hält sich in Grenzen. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass ich noch nicht nach Hause will. Irgendwie bin ich unerwarteterweise vollkommen fit.“
„Wirklich?“, fragte Charlie, ehe er fortfuhr, „Was planst Du denn noch?“
„Natürlich, sonst hätte ich es nicht gesagt“, reagierte sie lächelnd auf seine Ungläubigkeit. „Ich bin zwar fit, was nicht heiÃt, dass ich noch viel machen werde. Ich kenne hier nur wenige Leute und für Studentenpartys ist mein Gips hinderlich, also werde ich heute Abend wohl eins meiner neuen Bücher lesen oder fernsehen. Das weià ich noch nicht. Was ist mit Dir, was hast Du noch vor?“
„Gar nichts. Deine Idee, eins meiner neuen Bücher zu lesen, finde ich gut.“
In dem Moment wurden ihre Sandwichs gebracht, in die sie beide hinein bissen und erst einmal gründlich kauten, wodurch das Gespräch unterbrochen wurde.
Nachdem Amita ein paar Bissen heruntergeschluckt hatte, setzte sie das Gespräch fort: „WeiÃt Du, was ich wirklich mal wieder machen könnte?“, stellte sie eine Frage, deren Antwort er nicht wissen konnte und fuhr deshalb nach einer theatralischen Pause for, „Ins Kino gehen. Seit ich zu Hause meine Zelte abgebrochen habe und hier wieder aufbaue, hatte ich dazu keine Gelegenheit. Mein letzter Film ist mindestens schon fünf Wochen her.“
Interessiert schaute er sie an. „Kino?! Ich weià gar nicht, wann ich das letzte Mal da war“, erzählte wahrheitsgetreu und erinnerte sich an einige besonders schöne Kinobesuche. „Da dürfte Mum noch ge...“, rasch unterbrach er sich selbst, als ihm klar wurde, worüber er redete, aber nicht reden wollte. Darum fragte er sie: „Läuft momentan etwas Gutes, das Du sehen möchtest?“
Selbstverständlich hatte sie DAS Thema der Familie Eppes bemerkt, aber ihr war klar, dass die drei Männer nicht gerne und wenn nur zögerlich darüber redeten, daher beantwortete sie einfach die zuletzt gestellte Frage. „Ja, absolut. Das Leben vom Mathematiker Nash wurde verfilmt und der Film soll gut sein, habe ich den Kritiken entnommen.“
„Wirklich? Davon hab ich nichts mitbekommen, dabei hatte ich mal Unterricht bei ihm in Princeton. Er ist verdammt gut. Vorhin habe ich mir gerade ein Buch über seine Arbeit gekauft“, endete er und dachte kurz nach. „Was hältst Du davon, wenn wir uns den später anschauen? Du hast selbst gesagt, dass Du noch fit bist. Ich bin’s auch.“ Aus zwei Gründen hatte Charlie das vorgeschlagen. Zum einen interessierte ihn der Film tatsächlich, zum anderen konnte er so noch etwas mehr Zeit mir ihr verbringen.
„Sehr gerne.“
Erst jetzt kamen sie dazu, ihr Essen wirklich zu essen, was sie schweigend taten. Für diesen Tag hatten sie schon eine Menge voneinander erfahren. Nach einer Weile beendeten sie ihr Mahl.
SchlieÃlich zahlte Charlie die Rechnung „Das nächste Kino ist ungefähr einen Kilometer entfernt. Schaffst Du das?“, fragte er sie ernsthaft und betrachtete sie.
„Klar doch und wenn nicht, habe ich ja einen starken Mann an meiner Seite, der mir hilft, oder?“
„Selbstverständlich.“
So gingen sie los, beide in ihren Gedanken versunken.
Wieder fiel Charlie auf, wie wenig er an die Mathematik dachte, die den gröÃten Teil der Zeit seinen Kopf beschäftigte. Die Nebensächlichkeit dieser Materie in ihrer Gegenwart verblüffte ihn wieder Mal, mochte er aber gleichzeitig. Irgendwie war es ein schönes Gefühl zu wissen, dass es noch etwas anderes auf der Welt gab, auch wenn er das noch nicht wirklich benennen konnte. Zeit, die er mit ihr verbrachte, verging im Flug und war schön, egal was sie machten. Das einzig störende an diesem Bild war sein Bruder, der nach wie vor seine Gedanken beschäftigte, doch längst nicht so sehr wie noch gestern oder heute Morgen, als er anwesend war.
Amitas erster Gedanken galt dem Anruf, den sie heute tätigen wollte. Der musste jetzt warten, konnte er aber auch, denn eigentlich war es an Don, sich zu melden. AuÃerdem wollte sie viel lieber einen netten Abend im Kino verbringen, als lästige Telefonate zu führen. Vielleicht würde sie noch etwas mehr über diesen auÃergewöhnlichen Menschen erfahren, der neben ihr lief. Es war schön und so einfach, ihre Freizeit mit ihm zu verbringen, denn sie musste nicht wie auf dem Campus die Form wahren.
In erstaunlich kurzer Zeit, wie beide abgelenkt von ihren eigenen Gedanken dachten, befanden sie sich vorm Kino und hatten Glück, denn „A Beatiful Mind“ lief auch hier und sie bekamen zwei Plätze. Dieses Mal bezahlte jeder für sich selbst. Erst als es um die SüÃwaren und Getränke ging, ergriff Charlie wieder die Initiative und bestellte munter drauflos. Amita nickte das alles einfach nur ab, denn keiner ihrer Wünsche war offen geblieben. Es schien fast so, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Beladen mit zwei Colas in der einen Armbeuge, einer mittleren Portion Popcorn zwischen die Finger geklemmt, Schokolade in der Jackentasche und Nachos in der anderen Hand ging er nun voran in den gut gefüllten Saal. Sie folgte ihm einfach. Rasch fanden sie ihre Plätze. Nur Sekunden später wurde der Raum abgedunkelt, die Vorhänge geöffnet und die Werbung begann.
„Viel SpaÓ, wünschte Charlie und beugte sich leicht zu ihr hinüber, um die anderen Besucher nicht zu stören.
„Das wünsch ich Dir auch“, entgegnete sie, während sie sich zu ihm umdrehte und sich gleichzeitig auf ihn zu bewegte. Durch diese unglückliche Bewegung stieà sie an seinen Kopf. „Entschuldige bitte“, sagte sie daraufhin mit einem freundlichen Lächeln und ärgerte sich innerlich mal wieder über ihre Tolpatschigkeit.
Auch er lächelte, denn mittlerweile kannte er sich mit diesen ungünstigen Zufällen, die sie beide scheinbar verfolgten, bestens aus.
Zeitgleich startete der Vorspann und beide wandten den Blick von einander ab und betrachteten die Leinwand. Die erste Szene begann und sie freuten sich auf einen Film, der sowohl mathematisches als auch persönliches aus dem Leben dieses hoch angesehenen Mathematikers zeigte.
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Als der Film zu Ende war, standen viele zügig auf und verlieÃen den Saal. Amita und Charlie blieben allerdings sitzen. Erst als die Meisten den Saal verlassen hatten, machte auch Amita sich daran, aufzustehen, wobei Charlie ihr so gut es ging half.
„Und, wie fandest Du den Film?“, fragte sie, als sie endlich stand.
„Sehr gut, allerdings bin ich kein wirklicher Kinogänger und kann das nicht beurteilen“, antwortete er und folgte ihr ins Foyer.
„Das ist doch egal, ob Du etwas davon verstehst. Ob er Dir gefällt oder nicht, kannst Du auch so sagen“, erklärte sie überzeugend und schritt nun in Richtung Ausgang.
„Natürlich.“ Ihre Argumente waren gut, zu gut, um Widerworte leisten zu können.
Eine kurze Pause entstand zwischen ihnen.
„Das Sitzen und Bein ausstrecken hat gut getan, der Tag war doch ganz schön anstrengend“, führte sie das Gespräch fort, während sie nach drauÃen traten.
„Sollen wir noch einen Moment warten, ehe wir uns auf den Rückweg machen?“, fragte er besorgt.
„Nein, nein. Nur nicht noch mehr sitzen. Wir werden einfach etwas langsamer gehen.“
„Kein Problem“, entgegnete er, während sie gemeinsam auf die StraÃe traten. Es war dunkel geworden und der Himmel klar, so dass man Sterne sehen konnte. „Schau Dir das an.“ So erhielt er ihre Aufmerksamkeit und deutete nach oben. „Da ist der groÃe Wagen. Ich kann Dir auch Linien zwischen den Punkten ziehen, wenn Du magst“, spielte er unbewusst auf eine romantische Szene des soeben gesehenen Filmes an.
Ihr Kopf war gen Himmel gerichtet, als sie seine merkwürdige Aussage vernahm und schaute ihn deshalb verwirrt an, entschied sich aber dafür, nichts zu sagen. Stattdessen schaute sie wieder in den Himmel hoch.
So verharrten sie beide für einige Sekunden, ehe sie den Blick vom Firmament lösten und sich kurz anschauten, um sich klar zu sein, was der andere wollte, weitergehen oder weiterschauen. Doch als sich ihre Blicke trafen, lag darin etwas anderes, etwas worüber sie nicht nachdenken durften. Das war beiden klar, trotzdem trennten sie den Blickkontakt nicht sofort wieder.
Doch nur Augenblicke schaltete Charlies Kopf sich ein. „Wir sollten zurückgehen.“
„Mhm“, murmelte sie als Antwort.
Daraufhin machten sie sich auf den Weg, liefen schweigend nebeneinander her, bestiegen das Auto und fuhren schlieÃlich zum Wohnheim, wo sie ausstiegen. Er begleitete sie voll bepackt mit ihren Einkäufen zu ihrem Zimmer.
„Du kannst die Sachen dorthin legen“, sagte sie und deutete auf den Schreibtisch.
Beim Betreten des Raums schaute er sich kurz um, tat aber dann, worum sie ihn gebeten hatte. Danach wusste er nicht so recht, wie er sich verhalten sollte und blieb wie angewurzelt stehen.
„Vielen Dank für alles. Es war ein schöner Tag. Wir sehen uns dann in der Uni“, verabschiedete sie sich trotzdem.
Das Zeichen war nicht zu überhören; sie wollte, dass er ging. Also verlieà er langsamen Schrittes das Zimmer, drehte sich im Türrahmen aber noch ein letztes Mal um, um sich zu verabschieden. „Tschüss.“
Nun ging er zurück zum Wagen seines Vaters und fuhr nach Hause.
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Während der Spätnachrichten war Alan im Sessel eingeschlafen und erwachte wieder, als er hörte, dass die Tür sich öffnete. Er schaute auf die Uhr am Videorekorder und drehte sich dann zur Tür, durch die sein Sohn mit herunterhängenden Schultern den Raum betrat. Der Blick und das Auftreten seines Sohnes waren typische Symptome, die er kannte, wollte aber keine unüberlegten Schlüsse ziehen. Aus diesem Grund stellte er seinem Sohn eine unbedeutende Frage und schaute ihn dabei direkt an: „Hat alles geklappt?“
„Ja.“ Die Antwort war kurz, sehr kurz, aber ihm war nicht nach reden.
„In der Küche sind noch Reste vom Abendbrot, falls Du etwas Essen möchtest“, versuchte Alan weiterhin, ein Gespräch auf die Beine zu stellen.
„Ich hab in der Stadt gegessen und werde ins Bett gehen. Nacht Dad.“
„Gute Nacht, Charlie“, entgegnete er wissend und grinste dabei das Grinsen, das seine Söhne genauso gut beherrschten wie er.
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!