15.05.2008, 13:09
Ich habe es endlich geschafft, mein neues Kapitel fertigzustellen. Viel Spaà beim Lesen. Feedback ist gerne gesehen.
In der nächsten Zeit geschah nicht viel in Charlies Leben. Tagaus, tagein ging er zur Arbeit, hielt Vorlesungen und wartete auf eine Nachricht wegen seines Habilitationsgesuches, doch die erhielt er nicht. Umso häufiger traf er sich dafür mit Larry und lernte immer mehr seine Art kennen und schätzen. So kauzig er auf den ersten Blick erschien, so liebenswert war er doch beim zweiten und dritten Blick. Auch wenn er sich nicht immer so ausdrückte, so sah er die Welt doch klar.
Eine Neugikeit gab es allerdings schon, und zwar die Rückkehr seines Bruders nach Los Angeles, von der ihm sein Vater erzählt hatte. Ihr sah er mit gemischten Gefühlen entgegen. Natürlich war es eine Chance, ein für allemal alles zu klären, gleichzeitig fühlte er aber auch Hoffnungslosigkeit, denn durch seinen Bruder hatte er wieder offensichtlich Konkurrenz, sowohl im Leben als auch in der Liebe.
Endlich fand das Interview statt, um das Charlie gebeten worden war. Dafür betrat an einem Montag pünktlich um 12:15 Uhr ein Student sein Büro. "Hallo Dr. Eppes. Mein Name ist Collin Hayz, ich bin Redakteur des SciMag und mache das mittlerweile seit einem guten halben Jahr. Wie sie sicher dem Exemplar entnommen haben, das ich Ihnen geschickt habe, sind wir sehr vielfältig. Selbstverständlich berichten wir über Neuigkeiten an der Uni, sind aber auch an der Wissenschaft, insbesondere der an der CalSci unterrichteten Fächer, interessiert. Neue Dozenten, Professoren und andere Persönlichkeiten stellen wir regelmäÃig unseren Leserinnen vor. Ich beginne mit ein paar Daten ihrer Vita, nichts spektakuläres", erläuterte er und stellte ein Aufnahmgerät auf den Schreibtisch, das er anschaltete, ehe er seine erste Frage stellte.
"Wie lautet Ihr vollständiger Name?"
"Charles Edward Eppes. Familie und Freunde nennen mich allerdings Charlie."
"Wie alt sind Sie?"
"19."
"Welche Fächer unterrichten Sie?"
"Mathematik." Für einen Moment überlegte Charlie und verbesserte sich dann doch: "Angewandte Mathematik, um genau zu sein."
"Bisher haben Sie "nur" einen Doktortitel. Streben Sie einen Professorentitel an?"
"Selbstverständlich, aber dafür muss man einiges tun. Daher habe ich vor kurzem mein Habilitationsgesuch eingereicht und warte täglich auf eine Antwort des Ausschusses." Gleich, nachdem er geantwortet hatte, fragte er sich, ob er heute überhaupt schon seinen Posteingang kontrolliert hatte. Dabei wusste er ganz genau, dass er das morgens immer als erstens machte. Er wartete einfach schon zu lange.
"Sie haben früh angefangen, Ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Die bekannteste ist wohl die Eppes-Konvergenz, die sie während ihrer Studienzeit in Princeton erarbeitet haben. Welche Ratschläge können Sie heutigen Studenten geben?"
"Ihr dürft nie den Glauben an Euch selbst und Eure Arbeit verlieren. Es ist keine Niederlage, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Manchmal bringt erst die Zeit die Lösung mit sich."
"Sie sind relativ jung. Sehen Sie das eher positiv oder negativ in Bezug auf Ihre Lehrtätigkeit?"
"Nun, alles hat seine Vor- und Nachteile, so auch mein Alter. Ich denke, dass ich meine Studenten sehr gut verstehe und nachvollziehen kann, was in Ihnen vorgeht, denn ich komme selbst frisch aus dem Studium. Allerdings ist es gleichzeitig problematisch, da ich mir erst einen Ruf und somit eine gewisse Autorität verschaffen muss. Sie wissen sicherlich selbst, wie das unter Gleichaltrigen ist, da muss man sich seinen Platz erarbeiten bzw. erkämpfen."
"Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Zukunft gesetzt, sowohl privat als auch beruflich?"
Für die Beantwortung dieser Frage lieà Charlie sich viel Zeit. Der berufliche Teil war nicht das Problem, der persönliche dagegen schon. Wie der Redakteur selbst gesagt hatte, war er erst 19, da konnte man das noch nicht wissen. Obwohl das nicht so ganz stimmte, eigentlich bildete sich vor seinem inneren Auge das perfekte Abbild seiner Zukunft. Langsam und bedacht antwortete er: "Selbstverständlich möchte ich ein angesehener Teil des Kollegiums hier werden, zudem möchte ich die Schönheit der Mathematik gerne publik machen, also auch Nicht-Wissenschaftler dafür begeistern. Zudem habe ich diverse Ideen, die ich bereits dem Fachbereichsleiter mitgeteilt habe und gerne umsetzen möchte." Noch einmal hielt er für einen Moment inne, um sich die Bilder aus seinem Kopf zu verscheuchen und ein nicht ganz so schönes Bild als Antwort zu kreieren. "Meine privaten Ziele sind recht schwer zu benennen, denn ich bin, wie Sie selbst festgestellt haben, noch recht jung. Auf jeden Fall möchte ich irgendwann eine Familie gründen, Vater werden und was sonst noch so dazu gehört." Ein Lächeln huschte über Charlies Gesicht.
"Wenn Sie erlauben, würde ich da gerne noch einmal nachfassen?"
"Nur zu."
"Haben Sie denn schon die Frau für die geplante Familie gefunden?"
"Da muss ich, glaube ich, etwas klarstellen. Dieser Plan ist nicht für jetzt gedacht, der bezieht sich auf ein nicht weiter definierbares Irgendwann", reagierte Charlie etwas schroff. "Um direkt auf Ihre Frage einzugehen: Nein."
"Gut. Das nehme ich doch mal als Schlusswort und bedanke mich für das Interview, Dr. Eppes."
"Gern geschehen, Mr. Hayz."
Der Student schaltete das Aufnahmegerät aus, ehe er die letzte Frage stellte. "Dürfte ich vielleicht eine Ihrer Publikationen mit veröffentlichen? Unseren Leser, die hauptsächlich aus Studenten bestehen, gefällt das immer sehr."
"Natürlich. Zufällig habe ich noch einiges hier. Mit 14 Jahren habe ich meinen ersten Artikel im Journal Of Mathematics veröffentlicht, der ist vom Umfang her angemessen, denke ich."
"Vielen Dank."
Aus dem Karton, den Charlie noch nicht wieder mit nach Hause genommen hatte, holte er den genannten Artikel und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, um in einzuscannen, währenddessen sagte er: "Ich habe nur dieses Exemplar, daher schicke ich es Ihnen per E-Mail. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?"
"Nein, das ist schon mehr als genug." Der Student stand auf. "Nochmals vielen Dank. Auf Wiedersehen", verabschiedete er sich und verlieà das Büro.
--
Terry und Don hatten mittlerweile alle Prüfungen abgelegt und waren nun dabei, ihre Haushalte aufzulösen. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, bis sie ihre Zelte in Quantico abbrechen würden, trotzdem hatten beide noch keine neue Bleibe in Los Angeles gefunden. Die Wohnungssuche gestaltete sich schwieriger als gedacht, vor allem weil sie nicht von Anfang an zusammen ziehen sondern erst mal in getrennten Wohnungen leben wollten. Kleine, finanzierbare Wohnungen in der gewünschten Gegend waren grundsätzlich der letzte Mist oder einfach nur Mangelware, groÃe dagegen gab es wie Sand am Meer, doch die konnten sie sich beide nicht leisten. Aus diesem Grund hatte Don für den Ãbergang schon seinen Vater gefragt, ob er vorübergehend bei ihm unterkommen konnte. Dagegen saà Terry die Zeit im Nacken, sie musste etwas finden.
Trotz ihrer alltäglichen Probleme nutzten sie die noch freie Zeit optimal und genossen ihr neugewonnenes Liebesglück. Ihrer Beziehung waren sie sich sicher, verdammt sicher. Lange hatten sie gebraucht, um die ersten Schritte zu machen, doch jetzt lief alles wie geschmiert. Als Freunde kannten sie sich sehr gut und erkundeten jetzt den Bereich, der über die Freundschaft hinausging und sich Beziehung nannte. An der Akademie hatten sie es nicht öffentlich gemacht, denn sie waren übereingekommen, dass ihr Privatleben dort nichts zu suchen hatte, schlieÃlich wollten sie professionell sein. Aus genau diesem Grund hatten sie sich auch für getrennte Wohnungen entschieden und hofften zudem, dass sie nicht in die gleiche Einheit kamen.
--
Unter das Kapitel "Charlie" hatte Amita einen Schlussstrich gezogen, auch wenn ihr das nach wie vor schwer fiel. Daher vermied sie jeglichen Kontakt zu ihm und wandte sich an Alan, wenn sie Hilfe benötigte. Das klappte besser als sie vermutet hatte. Auch in ihrem Leben als Studentin hatte sich eine Routine eingestellt. Montags bis freitags besuchte sie Kurse, Vorlesungen oder Ãbungsstunden, das Wochenende nutzte sie, um zu lernen. Alles verlief in geordneten Bahnen. An Geld mangelte es ihr zwar immer noch, aber darüber wollte sie derzeit nicht nachdenken.
Das geplante Gespräch mit Don hatte sie auch endlich geführt. Nach den üblichen BegrüÃungsfloskeln brachte sie das Gespräch schnell auf den Punkt. "Don, Du bist ein toller Typ, aber ich empfinde nichts für Dich", erklärte sie ihm offen und ehrlich.
"Es ist so schön, dass wir uns einig sind, Amita. Du bist eine wundervolle Frau, aber mein Herz gehört Terry. Sie befindet sich wie ich in der Ausbildung beim FBI und ist die weltbeste Frau, die ich jemals getroffen habe und Du dir vorstellen kannst."
"Das ist wundervoll. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn ich mag Dich wirklich sehr und möchte Dich wegen dem Kuss nichts als Freund verlieren."
"Mir geht es ganz genauso, Amita." Don hielt einen Moment inne. "Wie geht es Dir sonst so?"
"Ganz gut. Mein Bein tut nicht mehr allzu sehr weh und beim nächsten Termin kommt endlich der Gips ab, hat der Arzt gesagt. Dein Vater ist ein Engel mit sehr viel Geduld. Er ist immer zur Stelle, wenn ich Hilfe brauche. Ich weià gar nicht, wie ich ihm danken soll."
"Mein Vater weiÃ, dass Du ihm dankbar bist, so ist er einfach." Die nächsten Worte wählte Don mit bedacht. "Und wie geht's Dir persönlich?"
Die Antwort blieb sie ihm schuldig.
"Bist Du noch dran, Amita?", fragte er, nachdem einige Zeit verstrichen war.
"Ja." Zuerst überlegte sie, ob sie ehrlich über ihr Problem reden sollte. Sie entschied sich dafür, nachdem sie darüber nachdachte, wie offen er zu ihr gewesen war. Gleichzeigtig fragte sie sich, wie sie das erzählen sollte, ohne zu viel zu verraten. Daher fuhr sie nur zögerlich fort. "Mein Leben ist gerade ein wenig durcheinander. Da ist dieser Typ, den ich total gerne mag, aber aus uns wird nichts. Daher versuche ich, ihn zu vergessen, aber es klappt nicht, denn er ist einfach ..." Ihren Satz beendete sie nicht, denn sie wusste nicht, wie.
Mit seiner Antwort lieà sich Don Zeit, da er seine Gedanken sortieren musste. Er vermutete, dass es sich um seinen Bruder handelte. Die Chemie zwischen den beiden stimmte, das hatte er beim gemeinsamen Abendessen gemerkt. Allerdings war er sich auch bewusst, was sie an einer Beziehung hinderte, was vor allem seinen Bruder, den Vernunftsmenschen, hinderte. Trotzdem war er der Meinung, dass Amita und Charlie zusammengehörten und das sagte er ihr. "Hör einfach darauf, was Dein Herz Dir sagt. Wenn Du glaubst, dass Du mit ihm zusammen sein kannst, dann versuch es", riet er ihr. "Ich möchte nicht, dass Du so lange brauchst wie ich, um zu erkennen, wer der Richtige für Dich ist."
"Für mich ist er der Glücksgriff, aber ... es geht nicht."
"Alles geht, Amita. Vielleicht braucht es bloà ein wenig mehr Zeit. Du bist noch jung und hast alle Zeit der Welt."
"Okay. Vielen Dank für Deinen Rat."
"Das ist doch selbstverständlich, schlieÃlich sind wir Freunde. Brennt Dir sonst noch etwas auf dem Herzen?"
Einen Moment dachte sie darüber nach, ihm von ihren Geldsorgen zu erzählen. "Nein", antwortete sie schlicht.
"Wenn das so ist, würde ich jetzt gerne Schluss machen, denn Terry ist gerade gekommen."
"Okay, dann habt einen schönen Abend. Auf bald."
"Ja, bis dann."
--
Larry hatte sich entschieden. Drei Plätze hatte er zur Verfügung und die Leistungen aller Anwärter waren gut, doch nur eine stach heraus, und zwar Amita. Sofort hatte er sie zu sich ins Boot geholt, ohne überhaupt nachzudenken. Bei den nächsten Plätzen wurde es kniffliger, doch auch dort hatte er zwei gute Studenten gefunden. Die Frauenquote lag wieder mal unter denen der Männer, aber das konnte er nicht ändern. Eigentlich war er sogar der Meinung, dass Amita die beiden Männer um Längen übertraf und auch bei der gemeinsamen Arbeit übertreffen würde, denn ihre Interessen waren breit gefächert, sie war kein Fachidiot, wie so viele andere an dieser Universität. Irgendwie erinnerte sie ihn an Charlie, der auch alles und nichts studiert hatte, wobei er sich trotzdem auf die Mathematik konzentrierte.
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In der nächsten Zeit geschah nicht viel in Charlies Leben. Tagaus, tagein ging er zur Arbeit, hielt Vorlesungen und wartete auf eine Nachricht wegen seines Habilitationsgesuches, doch die erhielt er nicht. Umso häufiger traf er sich dafür mit Larry und lernte immer mehr seine Art kennen und schätzen. So kauzig er auf den ersten Blick erschien, so liebenswert war er doch beim zweiten und dritten Blick. Auch wenn er sich nicht immer so ausdrückte, so sah er die Welt doch klar.
Eine Neugikeit gab es allerdings schon, und zwar die Rückkehr seines Bruders nach Los Angeles, von der ihm sein Vater erzählt hatte. Ihr sah er mit gemischten Gefühlen entgegen. Natürlich war es eine Chance, ein für allemal alles zu klären, gleichzeitig fühlte er aber auch Hoffnungslosigkeit, denn durch seinen Bruder hatte er wieder offensichtlich Konkurrenz, sowohl im Leben als auch in der Liebe.
Endlich fand das Interview statt, um das Charlie gebeten worden war. Dafür betrat an einem Montag pünktlich um 12:15 Uhr ein Student sein Büro. "Hallo Dr. Eppes. Mein Name ist Collin Hayz, ich bin Redakteur des SciMag und mache das mittlerweile seit einem guten halben Jahr. Wie sie sicher dem Exemplar entnommen haben, das ich Ihnen geschickt habe, sind wir sehr vielfältig. Selbstverständlich berichten wir über Neuigkeiten an der Uni, sind aber auch an der Wissenschaft, insbesondere der an der CalSci unterrichteten Fächer, interessiert. Neue Dozenten, Professoren und andere Persönlichkeiten stellen wir regelmäÃig unseren Leserinnen vor. Ich beginne mit ein paar Daten ihrer Vita, nichts spektakuläres", erläuterte er und stellte ein Aufnahmgerät auf den Schreibtisch, das er anschaltete, ehe er seine erste Frage stellte.
"Wie lautet Ihr vollständiger Name?"
"Charles Edward Eppes. Familie und Freunde nennen mich allerdings Charlie."
"Wie alt sind Sie?"
"19."
"Welche Fächer unterrichten Sie?"
"Mathematik." Für einen Moment überlegte Charlie und verbesserte sich dann doch: "Angewandte Mathematik, um genau zu sein."
"Bisher haben Sie "nur" einen Doktortitel. Streben Sie einen Professorentitel an?"
"Selbstverständlich, aber dafür muss man einiges tun. Daher habe ich vor kurzem mein Habilitationsgesuch eingereicht und warte täglich auf eine Antwort des Ausschusses." Gleich, nachdem er geantwortet hatte, fragte er sich, ob er heute überhaupt schon seinen Posteingang kontrolliert hatte. Dabei wusste er ganz genau, dass er das morgens immer als erstens machte. Er wartete einfach schon zu lange.
"Sie haben früh angefangen, Ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Die bekannteste ist wohl die Eppes-Konvergenz, die sie während ihrer Studienzeit in Princeton erarbeitet haben. Welche Ratschläge können Sie heutigen Studenten geben?"
"Ihr dürft nie den Glauben an Euch selbst und Eure Arbeit verlieren. Es ist keine Niederlage, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Manchmal bringt erst die Zeit die Lösung mit sich."
"Sie sind relativ jung. Sehen Sie das eher positiv oder negativ in Bezug auf Ihre Lehrtätigkeit?"
"Nun, alles hat seine Vor- und Nachteile, so auch mein Alter. Ich denke, dass ich meine Studenten sehr gut verstehe und nachvollziehen kann, was in Ihnen vorgeht, denn ich komme selbst frisch aus dem Studium. Allerdings ist es gleichzeitig problematisch, da ich mir erst einen Ruf und somit eine gewisse Autorität verschaffen muss. Sie wissen sicherlich selbst, wie das unter Gleichaltrigen ist, da muss man sich seinen Platz erarbeiten bzw. erkämpfen."
"Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Zukunft gesetzt, sowohl privat als auch beruflich?"
Für die Beantwortung dieser Frage lieà Charlie sich viel Zeit. Der berufliche Teil war nicht das Problem, der persönliche dagegen schon. Wie der Redakteur selbst gesagt hatte, war er erst 19, da konnte man das noch nicht wissen. Obwohl das nicht so ganz stimmte, eigentlich bildete sich vor seinem inneren Auge das perfekte Abbild seiner Zukunft. Langsam und bedacht antwortete er: "Selbstverständlich möchte ich ein angesehener Teil des Kollegiums hier werden, zudem möchte ich die Schönheit der Mathematik gerne publik machen, also auch Nicht-Wissenschaftler dafür begeistern. Zudem habe ich diverse Ideen, die ich bereits dem Fachbereichsleiter mitgeteilt habe und gerne umsetzen möchte." Noch einmal hielt er für einen Moment inne, um sich die Bilder aus seinem Kopf zu verscheuchen und ein nicht ganz so schönes Bild als Antwort zu kreieren. "Meine privaten Ziele sind recht schwer zu benennen, denn ich bin, wie Sie selbst festgestellt haben, noch recht jung. Auf jeden Fall möchte ich irgendwann eine Familie gründen, Vater werden und was sonst noch so dazu gehört." Ein Lächeln huschte über Charlies Gesicht.
"Wenn Sie erlauben, würde ich da gerne noch einmal nachfassen?"
"Nur zu."
"Haben Sie denn schon die Frau für die geplante Familie gefunden?"
"Da muss ich, glaube ich, etwas klarstellen. Dieser Plan ist nicht für jetzt gedacht, der bezieht sich auf ein nicht weiter definierbares Irgendwann", reagierte Charlie etwas schroff. "Um direkt auf Ihre Frage einzugehen: Nein."
"Gut. Das nehme ich doch mal als Schlusswort und bedanke mich für das Interview, Dr. Eppes."
"Gern geschehen, Mr. Hayz."
Der Student schaltete das Aufnahmegerät aus, ehe er die letzte Frage stellte. "Dürfte ich vielleicht eine Ihrer Publikationen mit veröffentlichen? Unseren Leser, die hauptsächlich aus Studenten bestehen, gefällt das immer sehr."
"Natürlich. Zufällig habe ich noch einiges hier. Mit 14 Jahren habe ich meinen ersten Artikel im Journal Of Mathematics veröffentlicht, der ist vom Umfang her angemessen, denke ich."
"Vielen Dank."
Aus dem Karton, den Charlie noch nicht wieder mit nach Hause genommen hatte, holte er den genannten Artikel und setzte sich hinter seinen Schreibtisch, um in einzuscannen, währenddessen sagte er: "Ich habe nur dieses Exemplar, daher schicke ich es Ihnen per E-Mail. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?"
"Nein, das ist schon mehr als genug." Der Student stand auf. "Nochmals vielen Dank. Auf Wiedersehen", verabschiedete er sich und verlieà das Büro.
--
Terry und Don hatten mittlerweile alle Prüfungen abgelegt und waren nun dabei, ihre Haushalte aufzulösen. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, bis sie ihre Zelte in Quantico abbrechen würden, trotzdem hatten beide noch keine neue Bleibe in Los Angeles gefunden. Die Wohnungssuche gestaltete sich schwieriger als gedacht, vor allem weil sie nicht von Anfang an zusammen ziehen sondern erst mal in getrennten Wohnungen leben wollten. Kleine, finanzierbare Wohnungen in der gewünschten Gegend waren grundsätzlich der letzte Mist oder einfach nur Mangelware, groÃe dagegen gab es wie Sand am Meer, doch die konnten sie sich beide nicht leisten. Aus diesem Grund hatte Don für den Ãbergang schon seinen Vater gefragt, ob er vorübergehend bei ihm unterkommen konnte. Dagegen saà Terry die Zeit im Nacken, sie musste etwas finden.
Trotz ihrer alltäglichen Probleme nutzten sie die noch freie Zeit optimal und genossen ihr neugewonnenes Liebesglück. Ihrer Beziehung waren sie sich sicher, verdammt sicher. Lange hatten sie gebraucht, um die ersten Schritte zu machen, doch jetzt lief alles wie geschmiert. Als Freunde kannten sie sich sehr gut und erkundeten jetzt den Bereich, der über die Freundschaft hinausging und sich Beziehung nannte. An der Akademie hatten sie es nicht öffentlich gemacht, denn sie waren übereingekommen, dass ihr Privatleben dort nichts zu suchen hatte, schlieÃlich wollten sie professionell sein. Aus genau diesem Grund hatten sie sich auch für getrennte Wohnungen entschieden und hofften zudem, dass sie nicht in die gleiche Einheit kamen.
--
Unter das Kapitel "Charlie" hatte Amita einen Schlussstrich gezogen, auch wenn ihr das nach wie vor schwer fiel. Daher vermied sie jeglichen Kontakt zu ihm und wandte sich an Alan, wenn sie Hilfe benötigte. Das klappte besser als sie vermutet hatte. Auch in ihrem Leben als Studentin hatte sich eine Routine eingestellt. Montags bis freitags besuchte sie Kurse, Vorlesungen oder Ãbungsstunden, das Wochenende nutzte sie, um zu lernen. Alles verlief in geordneten Bahnen. An Geld mangelte es ihr zwar immer noch, aber darüber wollte sie derzeit nicht nachdenken.
Das geplante Gespräch mit Don hatte sie auch endlich geführt. Nach den üblichen BegrüÃungsfloskeln brachte sie das Gespräch schnell auf den Punkt. "Don, Du bist ein toller Typ, aber ich empfinde nichts für Dich", erklärte sie ihm offen und ehrlich.
"Es ist so schön, dass wir uns einig sind, Amita. Du bist eine wundervolle Frau, aber mein Herz gehört Terry. Sie befindet sich wie ich in der Ausbildung beim FBI und ist die weltbeste Frau, die ich jemals getroffen habe und Du dir vorstellen kannst."
"Das ist wundervoll. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn ich mag Dich wirklich sehr und möchte Dich wegen dem Kuss nichts als Freund verlieren."
"Mir geht es ganz genauso, Amita." Don hielt einen Moment inne. "Wie geht es Dir sonst so?"
"Ganz gut. Mein Bein tut nicht mehr allzu sehr weh und beim nächsten Termin kommt endlich der Gips ab, hat der Arzt gesagt. Dein Vater ist ein Engel mit sehr viel Geduld. Er ist immer zur Stelle, wenn ich Hilfe brauche. Ich weià gar nicht, wie ich ihm danken soll."
"Mein Vater weiÃ, dass Du ihm dankbar bist, so ist er einfach." Die nächsten Worte wählte Don mit bedacht. "Und wie geht's Dir persönlich?"
Die Antwort blieb sie ihm schuldig.
"Bist Du noch dran, Amita?", fragte er, nachdem einige Zeit verstrichen war.
"Ja." Zuerst überlegte sie, ob sie ehrlich über ihr Problem reden sollte. Sie entschied sich dafür, nachdem sie darüber nachdachte, wie offen er zu ihr gewesen war. Gleichzeigtig fragte sie sich, wie sie das erzählen sollte, ohne zu viel zu verraten. Daher fuhr sie nur zögerlich fort. "Mein Leben ist gerade ein wenig durcheinander. Da ist dieser Typ, den ich total gerne mag, aber aus uns wird nichts. Daher versuche ich, ihn zu vergessen, aber es klappt nicht, denn er ist einfach ..." Ihren Satz beendete sie nicht, denn sie wusste nicht, wie.
Mit seiner Antwort lieà sich Don Zeit, da er seine Gedanken sortieren musste. Er vermutete, dass es sich um seinen Bruder handelte. Die Chemie zwischen den beiden stimmte, das hatte er beim gemeinsamen Abendessen gemerkt. Allerdings war er sich auch bewusst, was sie an einer Beziehung hinderte, was vor allem seinen Bruder, den Vernunftsmenschen, hinderte. Trotzdem war er der Meinung, dass Amita und Charlie zusammengehörten und das sagte er ihr. "Hör einfach darauf, was Dein Herz Dir sagt. Wenn Du glaubst, dass Du mit ihm zusammen sein kannst, dann versuch es", riet er ihr. "Ich möchte nicht, dass Du so lange brauchst wie ich, um zu erkennen, wer der Richtige für Dich ist."
"Für mich ist er der Glücksgriff, aber ... es geht nicht."
"Alles geht, Amita. Vielleicht braucht es bloà ein wenig mehr Zeit. Du bist noch jung und hast alle Zeit der Welt."
"Okay. Vielen Dank für Deinen Rat."
"Das ist doch selbstverständlich, schlieÃlich sind wir Freunde. Brennt Dir sonst noch etwas auf dem Herzen?"
Einen Moment dachte sie darüber nach, ihm von ihren Geldsorgen zu erzählen. "Nein", antwortete sie schlicht.
"Wenn das so ist, würde ich jetzt gerne Schluss machen, denn Terry ist gerade gekommen."
"Okay, dann habt einen schönen Abend. Auf bald."
"Ja, bis dann."
--
Larry hatte sich entschieden. Drei Plätze hatte er zur Verfügung und die Leistungen aller Anwärter waren gut, doch nur eine stach heraus, und zwar Amita. Sofort hatte er sie zu sich ins Boot geholt, ohne überhaupt nachzudenken. Bei den nächsten Plätzen wurde es kniffliger, doch auch dort hatte er zwei gute Studenten gefunden. Die Frauenquote lag wieder mal unter denen der Männer, aber das konnte er nicht ändern. Eigentlich war er sogar der Meinung, dass Amita die beiden Männer um Längen übertraf und auch bei der gemeinsamen Arbeit übertreffen würde, denn ihre Interessen waren breit gefächert, sie war kein Fachidiot, wie so viele andere an dieser Universität. Irgendwie erinnerte sie ihn an Charlie, der auch alles und nichts studiert hatte, wobei er sich trotzdem auf die Mathematik konzentrierte.
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!