16.03.2009, 21:51
Meine lieben und einzigen Leserinnen, Katalin und CHanty, ich wünsche Euch viel Spaà mit dem neuen Kapitel und würde mich wieder über Eure Meinungen freuen.
Gerädert wachte Charlie am nächsten Morgen auf und schlurfte ins Bad. Für seine Umwelt hatte er um diese Zeit noch keine Augen, das sollte eine eiskalte Dusche ändern. Deshalb öffnete er die Tür zum Bad und realisierte erst jetzt, dass jemand unter der Dusche stand.
"Mhm... Don", drang von der Dusche her in dem Moment zu ihm, als er den Raum verlassen wollte. Sofort fragte er sich, warum die beiden nicht abgeschlossen hatten, belieà es aber bei dem Gedanken und zog die Tür hinter sich ins Schloss. AnschlieÃend ging er mürrisch im Nachtzeug die Treppe hinunter und wurde in der Küche von seinem Vater empfangen, der ebenfalls noch nicht angezogen war.
"Morgen", begrüÃte Charlie ihn knapp.
"Guten Morgen, Charlie", erwiderte Alan mit wesentlich mehr Elan, doch er ahnte, warum sein Sohn noch nicht angezogen war. "Sie wohnen nur vorübergehend hier", sagte er beschwichtigend.
Die gebrummte Antwort war nicht zu verstehen, doch damit beendete Charlie seine Miesepetrigkeit auch, denn die half ihm nicht. Stattdessen setzte er sich auf die frei mitten in der Küche stehende Arbeitsfläche und schaute seinem Vater zu, der Lebensmittel auf einem Tablett stapelte. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seiner Beobachtung.
Mit zwei Schritten war Alan beim Telefon, das in der Küche an der Wand montiert war. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Kurz darauf hielt er seine Hand über die Muschel.
"Es ist für Dich, Charlie", wandte er sich an seinen Sohn und ergänzte mit einem fragenden Blick, "Larry Fleinhardt?!"
Wie ein junger Hund sprang Charlie von der Arbeitsfläche und legte den Weg zum Telefon schneller als sein Vater zurück und riss ihm förmlich den Hörer aus der Hand.
„Hallo Larry, hier ist Charlie.“
"Wieso bist Du nicht an der Uni?", fragte Larry darauf, ohne eine BegrüÃungsfloskel zu verwenden.
"Mein Seminar fällt aus."
"Kommst Du trotzdem? Ich möchte frühstücken."
"Sonst nichts?" Charlies Verwirrung spiegelte sich in seinem Blick wieder.
"Was sollte sein?"
"Keine Ahnung!", antwortete er ironisch. "In einer halben Stunde bin ich da. Bis dann."
"Okay."
Gleichzeitig legten beide ohne ein Wort des Abschieds auf, wofür beide unterschiedliche Gründe hatten. Der eine vergaà die einfachsten Verhaltensregeln gerne, wenn sein Kopf nicht daran denken wollte, während der andere einfach nur zur Uni wollte.
Rasch entschuldigte sich Charlie bei seinem Vater, da er nicht mit frühstücken würde, und rannte dann die Treppe hoch, indem er zwei Stufen auf einmal nahm. Als er seine Zimmertür hinter sich schloss, hatte er sein Pyjamaoberteil schon ausgezogen. Die dazugehörige Hose lieà er ebenso schnell zu Boden fallen, um saubere Kleidung anzuziehen und kurz darauf schon wieder am unteren Treppenabsatz zu stehen. Im Gäste-WC machte er eine rasche Katzenwäsche, ehe er schlieÃlich das Haus verlieÃ. Aus dem Schuppen holte er sein Fahrrad, wobei er zu viel Elan an den Tag legte und ein paar Gartengeräte von der Wand riss. Die lieà er jedoch liegen, da er sie später aufräumen wollte; im Moment wollte er nur zur Uni und schwang sich deshalb auf sein Fahrrad. Mit Kraft trat er in die Pedale, so dass er innerhalb kürzester Zeit vor der CalSci stand.
Am Fahrradständer wartete Larry, der seinen Schützling begrüÃte. Das Lächeln, das er dabei zeigte, sollte positiv wirken, tatsächlich wirkte es jedoch merkwürdig. Charlie wusste nicht so recht, wie er das interpretieren sollte, deshalb erwiderte er es einfach nur. Ohne groÃartig zu reden, betraten sie gemeinsam das Gebäude, liefen in die Cafeteria und stellten sich in der Schlange vor der Tresen an. Während sie schweigend darauf warteten, an der Reihe zu sein, wuchs Charlies Neugierde stetig.
"Und?", fragte er schlieÃlich, als er es nicht mehr aushielt.
"Wie 'und'?"
"Warum frühstücken wir zusammen?" Ungeduldig schaute er Larry zu, wie er Toast und Quark auf einen Teller platzierte.
"Normalerweise macht man das um diese Uhrzeit. AuÃerdem haben wir uns lange nicht gesehen."
"Normalerweise?!" Verblüfft schaute Charlie seinen Mentor an, denn er war das genaue Gegenteil von Normal, was ihm zwar gefiel, aber eine Antwort damit zu begründen, passte überhaupt nicht zu ihm. "Stimmt. Weniger als 24 Stunden ist verdammt lang her", besann er sich auf den zweiten Teil der Antwort, wobei Ironie aus jedem seiner Worte troff.
Mit fragendem Blick schaute Larry ihn an, während er einen Geldschein über den Tresen der Kassiererin gab.
"Du weiÃt schon, dass gestern mein Kolloquium stattgefunden hat?"
"Ach so, darauf spielst Du an. Darüber reden wir gleich." Gleichzeitig erhielt er sein Wechselgeld, das er in seine Hosentasche steckte, und verlieà Charlie daraufhin, um einen freien Tisch zu finden.
Derweil zahlte Charlie und schüttelte gleichzeitig den Kopf, was die Kassiererin verwirrte, woraufhin er entschuldigend lächelte. Dann folgte er Larry, der sich gerade setzte. Dabei passierte er den Tisch, an dem Amita mit Jason saà und herzlich lachte. Er grüÃte sie knapp, wartete eine Erwiderung jedoch nicht ab, sondern ging zu Larry, der wenige Tische weiter saÃ. Mit einem Mal war das Kolloquium weit weg, nur sie zählte. Als er sich setzte, schaute er noch einmal hinüber und sah Amita lachen. Ob sie noch immer oder schon wieder lachte, wusste er allerdings nicht. Deshalb bemerkte er auch nicht, dass sein Mentor die ganze Zeit über mit ihm redete.
"Charlie?", fragte Larry, als er das Desinteresse erkannte.
Erst jetzt wurde Charlie hellhörig und richtete seine Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber.
"Hast Du überhaupt zugehört?"
Schuldbewusst schüttelte Charlie den Kopf.
"Ich hab's bemerkt. Also noch mal: Das Kolloquium hast Du gut überstanden, dementsprechend sind auch die Meinungen der anderen Teilnehmer, wobei das Ergebnis trotzdem nicht einstimmig gewesen ist. Offiziell kann ich Dir nichts sagen, doch die Zulassung für die öffentliche Vorlesung solltest Du heute bekommen." Freudig schaute Larry ihn an.
"Okay." Teilnahmslos nahm er alles auf. Im Moment war ihm seine Professur mehr als egal. Für ihn war das Geschehen einige Tische weiter viel wichtiger, das er von seinem Platz aus bestens beobachten konnte. Amita und Jason hatten die Köpfe zusammengesteckt und den Blick auf den Tisch gerichtet, was ihn rasend machte. Er war eifersüchtig.
"Ich hätte sie noch immer gerne in meinem Projekt", sagte Larry, der Charlies Blick gefolgt war.
Daraufhin drehte dieser sich aufgeschreckt herum.
"Sie hat Talent", fügte Larry hinzu.
Ein knappes Nicken war die Antwort darauf.
"Zudem ist sie eine freundliche, aufgeschlossene, junge Frau, die weiÃ, was sie will. Ihre Kommilitonen bemerken das offenbar auch schon." Mit der rechten Hand wies er dezent auf Jason.
"Ihre Auffassungsgabe ist bemerkenswert", reagierte Charlie nun, der auch etwas sagen wollte. "Ist ihr Platz eigentlich noch frei?", fragte er, nachdem er seinen Blick endlich von ihr gelöst hatte, und schaute seinen Mentor an.
"Noch ja, doch haben einige Studenten schon Interesse bekundet. Da die Einarbeitung bald zu Ende ist, werde ich wohl einen davon wählen. Sie sind allesamt schon weiter als Ms Ramanujan."
"Kannst Du den Platz noch frei halten?"
"Höchstens für eine Woche. Warum?"
"Vielleicht habe ich den perfekten Studenten für Dich... Sehr begabt."
Erst jetzt widmeten sie ihre Aufmerksamkeit den Tabletts, die vor ihnen standen. Dabei schaute Charlie wieder heimlich zum anderen Tisch, doch der war mittlerweile leer, deshalb schenkte er Larry endlich die Aufmerksamkeit, die er verdiente. Sie unterhielten sich über allgemeine Uni-Themen, Charlie berichtete von seinen derzeitigen Stunden und seinen Plänen. Danach erzählte Larry von seiner Projektgruppe. Als alles besprochen und Larry zu seinem Seminar musste, beendeten sie das Frühstück. Die leeren Teller stapelten sie auf ein Tablett, so dass Charlie alles auf einmal wegbringen konnte, dabei begleitete Larry ihn. AnschlieÃend gingen sie gemeinsam zum Büro des Ãlteren. Dort trennten sich ihre Wege, da Charlie in sein Büro wollte.
Nachdem Charlie den Raum betreten hatte, schaltete er seinen Computer ein und prüfte umgehend seine E-Mails. Neben einigen interessanten und diversen Spam-Mails hatte er eine erhalten, deren Betreff sofort seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er öffnete sie.
Sehr geehrter Dr Eppes,
Ihr Kolloquium ist sehr gut verlaufen, wie Sie sicherlich selbst bemerkt haben. Deshalb habe ich soeben einen Termin für die öffentliche Vorlesung für übernächsten Mittwoch um 10 Uhr festgelegt. Bitte bestätigen Sie diesen Termin umgehend, laut Ihrem Terminkalender spricht nichts dagegen.
Mit freundlichem GruÃ
Zewick
Das war die Nachricht, die Charlie lesen wollte. Schnell klickte er auf Antwort und öffnete gleichzeitig seinen Kalender. Der Termin passte. Das tippte er in das neue Fenster auf seinem Bildschirm und versandte anschlieÃend die E-Mail. AnschlieÃend begann er gut gelaunt seinen Arbeitstag.
Nach einer Ãbung für seine Studenten verbrachte er nachmittags eine ruhige Sprechstunde. Als die um 18 Uhr beendet war, machte er sich auf den Heimweg.
Das Haus war menschenleer, als er ankam. Das wunderte ihn, denn meistens war sein Vater daheim. Auf dem Esszimmertisch fand er eine handgeschriebene Nachricht, demnach war Alan mit Terry und Don eine Wohnung besichtigen. Das freute Charlie, denn so konnte er ungestört seine geliebte Wissenschaftsdokumentation auf dem Discovery Channel schauen. In der Mikrowelle bereitete er Popcorn zu und holte derweil ein Glas aus einem Schrank und stellte es zusammen mit einer Flasche Cola auf den Couchtisch. Im richtigen Moment kehrte er in die Küche zurück, um den Popvorgang zu beenden. Als er mit der Schüssel die Küche verlieÃ, wurde verfinsterte es sich drauÃen schlagartig und plötzlich prasselte Regen in dicken Tropfen gegen die Fensterscheibe. Ihn störte es nicht; es machte seinen Platz im Wohnzimmer, den er gerade bezog, viel gemütlicher.
Amita war gerade aus dem Bus gestiegen und wollte den kurzen Weg zum Haus der Familie Eppes gemütlich zurücklegen, denn sie war zu früh. Höchstens fünf Minuten brauchte sie, dann würde sie Don treffen, der sie heute Mittag kurzfristig mit ihr verabredet hatte. Er wollte mit ihr ausgehen wollte, da Terry an einem Sportkurs teilnahm. Obwohl sie das Haus am Ende der StraÃe schon sehen konnte, erschien ihr die Strecke plötzlich wie ein kilometerlanger FuÃmarsch, als der unerwartete Regenschauer vom kalifornischen Himmel auf sie nieder prasselte. Anstatt gemütlich zu gehen, rannte sie nun die StraÃe hinunter auf das Haus zu. Sie war bis auf die Haut durchnässt, als sie vorm Regen geschützt vor der Haustür stand. Ihre Kleidung - ein Rock und ein Top - hing platt und klitschnass an ihr, ebenso klebten ihre sonst von Natur aus gewellten Haare an ihrem Kopf. Zu ihren FüÃen bildete sich schon eine Pfütze, als sie klingelte.
Das Klingeln überraschte ihn, da er niemand erwartete, noch mehr überraschte ihn allerdings, sie zu sehen.
"Hallo", begrüÃte er sie und musterte sie. "Komm rein." Die Gefühle, die er erst wenige Stunden zuvor erlebt hatte, waren schlagartig vergessen.
"Hey", reagierte sie und folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Da sie noch immer an allen Ecken und Enden tropfte, blieb sie im Flur stehen. "Ist Don da? Wir sind verabredet." Langsam begann sie zu frösteln und verschränkte die Arme vor ihrem Körper, um sich so zu wärmen.
"Soweit ich weiÃ, schaut er mit Terry und Dad eine Wohnung an. Sie werden aber sicherlich bald nach Hause kommen." Er wandte sich zum Wohnzimmer, wo der Fernseher noch lief. "Du kannst gerne mit mir warten. Ich schaue eine Dokumentation über Pi." Noch einmal betrachtete er sie. "Vorher hole ich Dir aber ein Handtuch."
"Das Handtuch hört sich sehr gut an." Dankbar schaute sie ihn an. "Pi allerdings auch. "
"Komm mit." Nun ging Charlie gefolgt von ihr die Treppe hoch ins Bad. "Warte kurz, ich hole nur rasch ein Handtuch." Schon verlieà er den Raum wieder und betrat sein Zimmer, denn er wusste, dass sie aus ihrer Kleidung heraus musste, deshalb nahm er aus dem Kleiderschrank ein T-Shirt und eine Jogginghose. Auf dem Rückweg nahm er aus einem Schrank im Flur ein Handtuch mit. So betrat er das Bad, in dem Amita auf ihn wartete, und reichte ihr die Sachen. "Ich hoffe, es passt Dir einigermaÃen, aber Du solltest nicht in der nassen Kleidung herumsitzen", kommentierte er seine Handlung.
"Danke."
Daraufhin verlieà er das Bad und ging nach unten.
Währenddessen zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, trocknete sich und ihre Haare ab, um schlieÃlich in seine Hose zu schlüpfen. Natürlich war sie zu groÃ, doch sie konnte die Weite durch einen Tunnelzug regulieren. AnschlieÃend faltete sie das T-Shirt auseinander und erkannte es sofort, denn das Pi-Shirt hatten sie gemeinsam gekauft. Ob das ein Zufall war oder nicht, vermochte sie nicht zu sagen, doch es war bequem und gefiel ihr. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr die Auswirkungen des Regens, die gesamte Wimperntusche war verlaufen. Die Spuren versuchte sie, mit etwas Wasser und dem Handtuch zu entfernen. Nach einer Weile war sie halbwegs zufrieden, weshalb sie das Bad verlieà und ebenfalls hinunter ging.
Aus der Küche trat in dem Moment Charlie heraus, der ein Glas in der Hand hielt. Als er sie erblickte, lächelte er sofort, denn ihm schossen ausgelöst durch das T-Shirt Erinnerungen an ihre erste gemeinsame Unternehmung durch den Kopf. "Trinkst Du Cola oder möchtest Du etwas anderes?"
"Cola ist perfekt."
"Dann lass uns ins Wohnzimmer gehen." Er lieà ihr den Vortritt und folgte ihr dann. Gerade, als er ihr Glas auf den Couchtisch stellte, klingelte das Telefon. "Entschuldige bitte", sagte er und ging in die Küche, nahm das Telefon von der Ladestation und meldete sich.
Derweil machte es sich Amita auf dem Sofa bequem und war froh, die Kleidung gewechselt haben, denn im Rock hätte sie sich nicht hinfläzen können, wie sie es im Moment tat. Ein Bein hatte sie auf die Sofakante gestellt, das andere lag angewinkelt darunter.
Es dauerte nicht lange; Charlie legte wieder auf und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich gerade am Popcorn bediente und gebannt das Treiben auf der Mattscheibe verfolgte. Für einen Moment blieb er im Durchgang stehen und betrachtete sie genau. Selbst eine schlabberige Jogginghose und ein einfaches T-Shirt konnten ihre Schönheit nicht zerstören, auch war es egal, ob ihre Haare saÃen oder nicht. Sie war einfach perfekt.
Als sie seinen Blick bemerkte und sich ihm zuwandte, ging er etwas auf sie zu.
"Das war Don, er sitzt beim Makler fest.", begann er zu erzählen, "Anscheinend haben die beiden bei der ersten Besichtigung gleich ihre Traumwohnung gefunden und wollen sofort den Vertrag abschlieÃen. Es wird auf jeden Fall später werden, aber wenn Du möchtest, kannst Du gerne warten."
"Störe ich Dich?", fragte sie ehrlich.
"Ich werde heute nur Fernsehen, das kann ich auch mit Dir zusammen machen." Um seine Aussage zu unterstreichen, schüttelte er leicht seinen Kopf.
"Dann warte ich", antwortete sie lächelnd.
Unwillkürlich schlug sein Herz höher, als er zum Sofa ging und sich neben sie setzte. In ihr Glas goss er Cola, nahm etwas Popcorn in seine linke Hand und lieà sich schlieÃlich nach hinten gegen die Rückenlehne fallen.
Gemeinsam schauten sie die Reportage über Pi. 60 Minuten verfolgten sie die Geschichte der Mathematik, die ihnen gezeigt wurde. Für beide war es nichts Neues, trotzdem sagten beide kein Wort, sondern genossen die Bilder. In diesem Punkt waren sie sich einig, so etwas konnte man nicht mit einem Gespräch stören. Als die Sendung zu Ende war, schaltete Charlie den Fernseher auf stumm.
"Was möchtest Du jetzt machen?", fragte er, denn er wollte nichts über ihren Kopf hinweg entscheiden. "Wir könnten durchs Programm zappen, eine DVD oder ein Video schauen, alternativ erst einmal etwas essen und dabei überlegen", schlug er mehrere Möglichkeiten vor.
"Ich würde gerne einen Film sehen", sagte sie und ihm gleichen Moment begann ihr Magen zu knurren. "Vielleicht sollte ich auch etwas essen."
"Das kriegen wir beides hin", entgegnete Charlie lächelnd und stand langsam auf. AnschlieÃend ergriff er ihre Hand, zog sie vom Sofa hoch und führte sie zum zu einem Schrank. Er öffnete eine Schublade und deutete mit der Hand auf den Inhalt.
"Such Dir einen Film aus", sagte er.
Deutlich spürte sie seine Finger in ihrer Hand; ein Impuls jagte ihre Nerven entlang in den Kopf hinein, von wo sich ein wohliger Schauer über ihren Rücken ausbreitete. Trotzdem konzentrierte sie sich auf den Schubladeninhalt und schaute sich die Rücken der Hüllen an.
Essen wollte sie auch, das hatte Charlie nicht vergessen und ergriff wieder das Wort.
"Was hältst Du von Pizza?", fragte er.
"Oh ja", ging sie sofort auf seinen Vorschlag ein. "Sollen wir Hälfte, Hälfte machen oder magst Du Thunfisch? Ich würde ansonsten total gerne Thunfisch mit Zwiebeln und Fetakäse essen", plapperte sie, um sich nichts anmerken zu lassen.
"Das hört sich... interessant an. Ich bestell dann mal." Mit den Worten verlieà Charlie das Wohnzimmer und ging in die Küche, um beim Lieferservice anzurufen.
Derweil entschied sich Amita für einen Film, den sie aus der Schublade nahm. Dann trat sie zum Kamin und betrachtete die darauf stehend Fotos, während sie auf seine Rückkehr wartete. Sie waren eine hübsche Familie, zwei schwarzhaarige Söhne, ein dunkelhaariger Vater und eine blond gelockte Mutter. Es war offensichtlich, woher Charlie diese Merkmale hatte. Auch seine Mimik hatte sich über die Jahre nicht geändert, er sah schon immer gut aus. Daher verwunderte sie sehr, dass er noch immer alleine war, doch traurig war sie deshalb nicht.
"Bestellung ist raus." Unvermittelt stand er hinter ihr.
Erschrocken fuhr sie herum und ihrem Mund entkam ein leiser Schreckensschrei.
"Oh, entschuldige. Ich wollte das nicht", entgegnete er und schaute sie betroffen an.
Mittlerweile hatte sie sich wieder gefasst.
"Das macht nichts." Sie lächelte freundlich. "Ihr habt schon immer gut ausgesehen, weiÃt Du das?!"
"Für mich wurde meistens süà verwendet, aber ich habe es schon mal gehört." Dass es ihm unangenehm war, über sich und sein Aussehen zu sprechen, war offensichtlich. Mit derartigen Komplimenten konnte er einfach nichts anfangen. "Zum Glück hängt das Bild aus dem Highschool-Jahrbuch nicht, denn dann würdest Du anders denken." Trotzdem lächelte er sie an.
"Das glaube ich nicht", erwiderte sie, während sie ihren Blick weiter schweifen lieÃ. Dabei blieb er für einen Moment am Bild seiner Mutter hängen. "Sie war wunderschön."
Charlie nickte zwar, wollte aber das Thema wechseln.
"Sollen wir uns wieder setzen. Die Pizza ist bestimmt gleich da."
"Ja." Da es für ihn noch immer schwer war, tat sie das und brachte das Gespräch auf eine belanglose Ebene zurück. "Ich habe Glauben ist Alles genommen, ich kenne ihn nicht. Ist das okay?"
"Natürlich, ich hab Dir... " Weiter kam er nicht, denn die Türklingel unterbrach ihn. "Warte kurz." Rasch stand er auf, holte sein Portemonnaie aus seiner Jacke und öffnete die Tür. Er nahm die Pizza entgegen und zahlte. Mit dem Karton in der Hand kehrte er ins Wohnzimmer zurück, stellte ihn auf den Tisch und öffnete den Deckel. "Bedien Dich."
"Was bekommst Du von mir?"
"Nichts. Du bist schlieÃlich mein Gast."
"Danke." Wieder lächelte sie, etwas, das ihr in seiner Gegenwart so leicht fiel.
"Dafür nicht." Er stand noch einmal auf, legte die DVD ein und startete sie.
Beide nahmen sich ein Stück Pizza und machten es sich wieder bequem. Nach der Hälfte konnten sie nicht mehr und konzentrierten sich nur noch auf den Film. Gleichzeitig machte sich bei beiden der lange Tag bemerkbar. Ihre Augen waren schwer und fielen mehrfach zu. Kurzzeitig kämpften sie dagegen an, um schlieÃlich aufzugeben und die Augen geschlossen zu halten. Während sein Kopf nach hinten kippte, fiel ihrer auf seine Schulter. So aneinander gekuschelt schliefen sie wie in einem frisch von Frau Holle aufgeschütteltem Bett ein.
Gemeinsam mit Alan kehrten Terry und Don von der Wohnungsbesichtigung und dem anschlieÃenden Vertragsabschluss mit dem Makler zurück. Das alles hatte länger gedauert, als er erwartet hatte, dafür war der Mietvertrag unterschrieben und das, obwohl Alan erst heute Mittag das Wohnungsangebot telefonisch entgegen genommen und nach Rücksprache einen Termin vereinbart hatte. Als Alan die Tür aufschloss, hörte er die Geräusche des Fernsehers.
"Wir sind da", rief er ins Haus, erhielt jedoch keine Reaktion darauf. Das überraschte ihn, darum betraten er den Flur und schaute um die Ecke ins Wohnzimmer. Das schlafende Gespann, das er dort erblickte, freute ihn sehr. Mit der Hand machte er seinem Sohn und dessen Freundin ein Zeichen, die daraufhin zu ihm traten und mit ihm gemeinsam das eingehend betrachteten. Um die beiden nicht weiter zu stören, gingen sie schlieÃelich gemeinsam hoch, ohne etwas zu sagen.
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29.
Gerädert wachte Charlie am nächsten Morgen auf und schlurfte ins Bad. Für seine Umwelt hatte er um diese Zeit noch keine Augen, das sollte eine eiskalte Dusche ändern. Deshalb öffnete er die Tür zum Bad und realisierte erst jetzt, dass jemand unter der Dusche stand.
"Mhm... Don", drang von der Dusche her in dem Moment zu ihm, als er den Raum verlassen wollte. Sofort fragte er sich, warum die beiden nicht abgeschlossen hatten, belieà es aber bei dem Gedanken und zog die Tür hinter sich ins Schloss. AnschlieÃend ging er mürrisch im Nachtzeug die Treppe hinunter und wurde in der Küche von seinem Vater empfangen, der ebenfalls noch nicht angezogen war.
"Morgen", begrüÃte Charlie ihn knapp.
"Guten Morgen, Charlie", erwiderte Alan mit wesentlich mehr Elan, doch er ahnte, warum sein Sohn noch nicht angezogen war. "Sie wohnen nur vorübergehend hier", sagte er beschwichtigend.
Die gebrummte Antwort war nicht zu verstehen, doch damit beendete Charlie seine Miesepetrigkeit auch, denn die half ihm nicht. Stattdessen setzte er sich auf die frei mitten in der Küche stehende Arbeitsfläche und schaute seinem Vater zu, der Lebensmittel auf einem Tablett stapelte. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seiner Beobachtung.
Mit zwei Schritten war Alan beim Telefon, das in der Küche an der Wand montiert war. Er nahm den Hörer ab und meldete sich. Kurz darauf hielt er seine Hand über die Muschel.
"Es ist für Dich, Charlie", wandte er sich an seinen Sohn und ergänzte mit einem fragenden Blick, "Larry Fleinhardt?!"
Wie ein junger Hund sprang Charlie von der Arbeitsfläche und legte den Weg zum Telefon schneller als sein Vater zurück und riss ihm förmlich den Hörer aus der Hand.
„Hallo Larry, hier ist Charlie.“
"Wieso bist Du nicht an der Uni?", fragte Larry darauf, ohne eine BegrüÃungsfloskel zu verwenden.
"Mein Seminar fällt aus."
"Kommst Du trotzdem? Ich möchte frühstücken."
"Sonst nichts?" Charlies Verwirrung spiegelte sich in seinem Blick wieder.
"Was sollte sein?"
"Keine Ahnung!", antwortete er ironisch. "In einer halben Stunde bin ich da. Bis dann."
"Okay."
Gleichzeitig legten beide ohne ein Wort des Abschieds auf, wofür beide unterschiedliche Gründe hatten. Der eine vergaà die einfachsten Verhaltensregeln gerne, wenn sein Kopf nicht daran denken wollte, während der andere einfach nur zur Uni wollte.
Rasch entschuldigte sich Charlie bei seinem Vater, da er nicht mit frühstücken würde, und rannte dann die Treppe hoch, indem er zwei Stufen auf einmal nahm. Als er seine Zimmertür hinter sich schloss, hatte er sein Pyjamaoberteil schon ausgezogen. Die dazugehörige Hose lieà er ebenso schnell zu Boden fallen, um saubere Kleidung anzuziehen und kurz darauf schon wieder am unteren Treppenabsatz zu stehen. Im Gäste-WC machte er eine rasche Katzenwäsche, ehe er schlieÃlich das Haus verlieÃ. Aus dem Schuppen holte er sein Fahrrad, wobei er zu viel Elan an den Tag legte und ein paar Gartengeräte von der Wand riss. Die lieà er jedoch liegen, da er sie später aufräumen wollte; im Moment wollte er nur zur Uni und schwang sich deshalb auf sein Fahrrad. Mit Kraft trat er in die Pedale, so dass er innerhalb kürzester Zeit vor der CalSci stand.
Am Fahrradständer wartete Larry, der seinen Schützling begrüÃte. Das Lächeln, das er dabei zeigte, sollte positiv wirken, tatsächlich wirkte es jedoch merkwürdig. Charlie wusste nicht so recht, wie er das interpretieren sollte, deshalb erwiderte er es einfach nur. Ohne groÃartig zu reden, betraten sie gemeinsam das Gebäude, liefen in die Cafeteria und stellten sich in der Schlange vor der Tresen an. Während sie schweigend darauf warteten, an der Reihe zu sein, wuchs Charlies Neugierde stetig.
"Und?", fragte er schlieÃlich, als er es nicht mehr aushielt.
"Wie 'und'?"
"Warum frühstücken wir zusammen?" Ungeduldig schaute er Larry zu, wie er Toast und Quark auf einen Teller platzierte.
"Normalerweise macht man das um diese Uhrzeit. AuÃerdem haben wir uns lange nicht gesehen."
"Normalerweise?!" Verblüfft schaute Charlie seinen Mentor an, denn er war das genaue Gegenteil von Normal, was ihm zwar gefiel, aber eine Antwort damit zu begründen, passte überhaupt nicht zu ihm. "Stimmt. Weniger als 24 Stunden ist verdammt lang her", besann er sich auf den zweiten Teil der Antwort, wobei Ironie aus jedem seiner Worte troff.
Mit fragendem Blick schaute Larry ihn an, während er einen Geldschein über den Tresen der Kassiererin gab.
"Du weiÃt schon, dass gestern mein Kolloquium stattgefunden hat?"
"Ach so, darauf spielst Du an. Darüber reden wir gleich." Gleichzeitig erhielt er sein Wechselgeld, das er in seine Hosentasche steckte, und verlieà Charlie daraufhin, um einen freien Tisch zu finden.
Derweil zahlte Charlie und schüttelte gleichzeitig den Kopf, was die Kassiererin verwirrte, woraufhin er entschuldigend lächelte. Dann folgte er Larry, der sich gerade setzte. Dabei passierte er den Tisch, an dem Amita mit Jason saà und herzlich lachte. Er grüÃte sie knapp, wartete eine Erwiderung jedoch nicht ab, sondern ging zu Larry, der wenige Tische weiter saÃ. Mit einem Mal war das Kolloquium weit weg, nur sie zählte. Als er sich setzte, schaute er noch einmal hinüber und sah Amita lachen. Ob sie noch immer oder schon wieder lachte, wusste er allerdings nicht. Deshalb bemerkte er auch nicht, dass sein Mentor die ganze Zeit über mit ihm redete.
"Charlie?", fragte Larry, als er das Desinteresse erkannte.
Erst jetzt wurde Charlie hellhörig und richtete seine Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber.
"Hast Du überhaupt zugehört?"
Schuldbewusst schüttelte Charlie den Kopf.
"Ich hab's bemerkt. Also noch mal: Das Kolloquium hast Du gut überstanden, dementsprechend sind auch die Meinungen der anderen Teilnehmer, wobei das Ergebnis trotzdem nicht einstimmig gewesen ist. Offiziell kann ich Dir nichts sagen, doch die Zulassung für die öffentliche Vorlesung solltest Du heute bekommen." Freudig schaute Larry ihn an.
"Okay." Teilnahmslos nahm er alles auf. Im Moment war ihm seine Professur mehr als egal. Für ihn war das Geschehen einige Tische weiter viel wichtiger, das er von seinem Platz aus bestens beobachten konnte. Amita und Jason hatten die Köpfe zusammengesteckt und den Blick auf den Tisch gerichtet, was ihn rasend machte. Er war eifersüchtig.
"Ich hätte sie noch immer gerne in meinem Projekt", sagte Larry, der Charlies Blick gefolgt war.
Daraufhin drehte dieser sich aufgeschreckt herum.
"Sie hat Talent", fügte Larry hinzu.
Ein knappes Nicken war die Antwort darauf.
"Zudem ist sie eine freundliche, aufgeschlossene, junge Frau, die weiÃ, was sie will. Ihre Kommilitonen bemerken das offenbar auch schon." Mit der rechten Hand wies er dezent auf Jason.
"Ihre Auffassungsgabe ist bemerkenswert", reagierte Charlie nun, der auch etwas sagen wollte. "Ist ihr Platz eigentlich noch frei?", fragte er, nachdem er seinen Blick endlich von ihr gelöst hatte, und schaute seinen Mentor an.
"Noch ja, doch haben einige Studenten schon Interesse bekundet. Da die Einarbeitung bald zu Ende ist, werde ich wohl einen davon wählen. Sie sind allesamt schon weiter als Ms Ramanujan."
"Kannst Du den Platz noch frei halten?"
"Höchstens für eine Woche. Warum?"
"Vielleicht habe ich den perfekten Studenten für Dich... Sehr begabt."
Erst jetzt widmeten sie ihre Aufmerksamkeit den Tabletts, die vor ihnen standen. Dabei schaute Charlie wieder heimlich zum anderen Tisch, doch der war mittlerweile leer, deshalb schenkte er Larry endlich die Aufmerksamkeit, die er verdiente. Sie unterhielten sich über allgemeine Uni-Themen, Charlie berichtete von seinen derzeitigen Stunden und seinen Plänen. Danach erzählte Larry von seiner Projektgruppe. Als alles besprochen und Larry zu seinem Seminar musste, beendeten sie das Frühstück. Die leeren Teller stapelten sie auf ein Tablett, so dass Charlie alles auf einmal wegbringen konnte, dabei begleitete Larry ihn. AnschlieÃend gingen sie gemeinsam zum Büro des Ãlteren. Dort trennten sich ihre Wege, da Charlie in sein Büro wollte.
Nachdem Charlie den Raum betreten hatte, schaltete er seinen Computer ein und prüfte umgehend seine E-Mails. Neben einigen interessanten und diversen Spam-Mails hatte er eine erhalten, deren Betreff sofort seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er öffnete sie.
Sehr geehrter Dr Eppes,
Ihr Kolloquium ist sehr gut verlaufen, wie Sie sicherlich selbst bemerkt haben. Deshalb habe ich soeben einen Termin für die öffentliche Vorlesung für übernächsten Mittwoch um 10 Uhr festgelegt. Bitte bestätigen Sie diesen Termin umgehend, laut Ihrem Terminkalender spricht nichts dagegen.
Mit freundlichem GruÃ
Zewick
Das war die Nachricht, die Charlie lesen wollte. Schnell klickte er auf Antwort und öffnete gleichzeitig seinen Kalender. Der Termin passte. Das tippte er in das neue Fenster auf seinem Bildschirm und versandte anschlieÃend die E-Mail. AnschlieÃend begann er gut gelaunt seinen Arbeitstag.
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Nach einer Ãbung für seine Studenten verbrachte er nachmittags eine ruhige Sprechstunde. Als die um 18 Uhr beendet war, machte er sich auf den Heimweg.
Das Haus war menschenleer, als er ankam. Das wunderte ihn, denn meistens war sein Vater daheim. Auf dem Esszimmertisch fand er eine handgeschriebene Nachricht, demnach war Alan mit Terry und Don eine Wohnung besichtigen. Das freute Charlie, denn so konnte er ungestört seine geliebte Wissenschaftsdokumentation auf dem Discovery Channel schauen. In der Mikrowelle bereitete er Popcorn zu und holte derweil ein Glas aus einem Schrank und stellte es zusammen mit einer Flasche Cola auf den Couchtisch. Im richtigen Moment kehrte er in die Küche zurück, um den Popvorgang zu beenden. Als er mit der Schüssel die Küche verlieÃ, wurde verfinsterte es sich drauÃen schlagartig und plötzlich prasselte Regen in dicken Tropfen gegen die Fensterscheibe. Ihn störte es nicht; es machte seinen Platz im Wohnzimmer, den er gerade bezog, viel gemütlicher.
Amita war gerade aus dem Bus gestiegen und wollte den kurzen Weg zum Haus der Familie Eppes gemütlich zurücklegen, denn sie war zu früh. Höchstens fünf Minuten brauchte sie, dann würde sie Don treffen, der sie heute Mittag kurzfristig mit ihr verabredet hatte. Er wollte mit ihr ausgehen wollte, da Terry an einem Sportkurs teilnahm. Obwohl sie das Haus am Ende der StraÃe schon sehen konnte, erschien ihr die Strecke plötzlich wie ein kilometerlanger FuÃmarsch, als der unerwartete Regenschauer vom kalifornischen Himmel auf sie nieder prasselte. Anstatt gemütlich zu gehen, rannte sie nun die StraÃe hinunter auf das Haus zu. Sie war bis auf die Haut durchnässt, als sie vorm Regen geschützt vor der Haustür stand. Ihre Kleidung - ein Rock und ein Top - hing platt und klitschnass an ihr, ebenso klebten ihre sonst von Natur aus gewellten Haare an ihrem Kopf. Zu ihren FüÃen bildete sich schon eine Pfütze, als sie klingelte.
Das Klingeln überraschte ihn, da er niemand erwartete, noch mehr überraschte ihn allerdings, sie zu sehen.
"Hallo", begrüÃte er sie und musterte sie. "Komm rein." Die Gefühle, die er erst wenige Stunden zuvor erlebt hatte, waren schlagartig vergessen.
"Hey", reagierte sie und folgte ihm, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Da sie noch immer an allen Ecken und Enden tropfte, blieb sie im Flur stehen. "Ist Don da? Wir sind verabredet." Langsam begann sie zu frösteln und verschränkte die Arme vor ihrem Körper, um sich so zu wärmen.
"Soweit ich weiÃ, schaut er mit Terry und Dad eine Wohnung an. Sie werden aber sicherlich bald nach Hause kommen." Er wandte sich zum Wohnzimmer, wo der Fernseher noch lief. "Du kannst gerne mit mir warten. Ich schaue eine Dokumentation über Pi." Noch einmal betrachtete er sie. "Vorher hole ich Dir aber ein Handtuch."
"Das Handtuch hört sich sehr gut an." Dankbar schaute sie ihn an. "Pi allerdings auch. "
"Komm mit." Nun ging Charlie gefolgt von ihr die Treppe hoch ins Bad. "Warte kurz, ich hole nur rasch ein Handtuch." Schon verlieà er den Raum wieder und betrat sein Zimmer, denn er wusste, dass sie aus ihrer Kleidung heraus musste, deshalb nahm er aus dem Kleiderschrank ein T-Shirt und eine Jogginghose. Auf dem Rückweg nahm er aus einem Schrank im Flur ein Handtuch mit. So betrat er das Bad, in dem Amita auf ihn wartete, und reichte ihr die Sachen. "Ich hoffe, es passt Dir einigermaÃen, aber Du solltest nicht in der nassen Kleidung herumsitzen", kommentierte er seine Handlung.
"Danke."
Daraufhin verlieà er das Bad und ging nach unten.
Währenddessen zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, trocknete sich und ihre Haare ab, um schlieÃlich in seine Hose zu schlüpfen. Natürlich war sie zu groÃ, doch sie konnte die Weite durch einen Tunnelzug regulieren. AnschlieÃend faltete sie das T-Shirt auseinander und erkannte es sofort, denn das Pi-Shirt hatten sie gemeinsam gekauft. Ob das ein Zufall war oder nicht, vermochte sie nicht zu sagen, doch es war bequem und gefiel ihr. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr die Auswirkungen des Regens, die gesamte Wimperntusche war verlaufen. Die Spuren versuchte sie, mit etwas Wasser und dem Handtuch zu entfernen. Nach einer Weile war sie halbwegs zufrieden, weshalb sie das Bad verlieà und ebenfalls hinunter ging.
Aus der Küche trat in dem Moment Charlie heraus, der ein Glas in der Hand hielt. Als er sie erblickte, lächelte er sofort, denn ihm schossen ausgelöst durch das T-Shirt Erinnerungen an ihre erste gemeinsame Unternehmung durch den Kopf. "Trinkst Du Cola oder möchtest Du etwas anderes?"
"Cola ist perfekt."
"Dann lass uns ins Wohnzimmer gehen." Er lieà ihr den Vortritt und folgte ihr dann. Gerade, als er ihr Glas auf den Couchtisch stellte, klingelte das Telefon. "Entschuldige bitte", sagte er und ging in die Küche, nahm das Telefon von der Ladestation und meldete sich.
Derweil machte es sich Amita auf dem Sofa bequem und war froh, die Kleidung gewechselt haben, denn im Rock hätte sie sich nicht hinfläzen können, wie sie es im Moment tat. Ein Bein hatte sie auf die Sofakante gestellt, das andere lag angewinkelt darunter.
Es dauerte nicht lange; Charlie legte wieder auf und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich gerade am Popcorn bediente und gebannt das Treiben auf der Mattscheibe verfolgte. Für einen Moment blieb er im Durchgang stehen und betrachtete sie genau. Selbst eine schlabberige Jogginghose und ein einfaches T-Shirt konnten ihre Schönheit nicht zerstören, auch war es egal, ob ihre Haare saÃen oder nicht. Sie war einfach perfekt.
Als sie seinen Blick bemerkte und sich ihm zuwandte, ging er etwas auf sie zu.
"Das war Don, er sitzt beim Makler fest.", begann er zu erzählen, "Anscheinend haben die beiden bei der ersten Besichtigung gleich ihre Traumwohnung gefunden und wollen sofort den Vertrag abschlieÃen. Es wird auf jeden Fall später werden, aber wenn Du möchtest, kannst Du gerne warten."
"Störe ich Dich?", fragte sie ehrlich.
"Ich werde heute nur Fernsehen, das kann ich auch mit Dir zusammen machen." Um seine Aussage zu unterstreichen, schüttelte er leicht seinen Kopf.
"Dann warte ich", antwortete sie lächelnd.
Unwillkürlich schlug sein Herz höher, als er zum Sofa ging und sich neben sie setzte. In ihr Glas goss er Cola, nahm etwas Popcorn in seine linke Hand und lieà sich schlieÃlich nach hinten gegen die Rückenlehne fallen.
Gemeinsam schauten sie die Reportage über Pi. 60 Minuten verfolgten sie die Geschichte der Mathematik, die ihnen gezeigt wurde. Für beide war es nichts Neues, trotzdem sagten beide kein Wort, sondern genossen die Bilder. In diesem Punkt waren sie sich einig, so etwas konnte man nicht mit einem Gespräch stören. Als die Sendung zu Ende war, schaltete Charlie den Fernseher auf stumm.
"Was möchtest Du jetzt machen?", fragte er, denn er wollte nichts über ihren Kopf hinweg entscheiden. "Wir könnten durchs Programm zappen, eine DVD oder ein Video schauen, alternativ erst einmal etwas essen und dabei überlegen", schlug er mehrere Möglichkeiten vor.
"Ich würde gerne einen Film sehen", sagte sie und ihm gleichen Moment begann ihr Magen zu knurren. "Vielleicht sollte ich auch etwas essen."
"Das kriegen wir beides hin", entgegnete Charlie lächelnd und stand langsam auf. AnschlieÃend ergriff er ihre Hand, zog sie vom Sofa hoch und führte sie zum zu einem Schrank. Er öffnete eine Schublade und deutete mit der Hand auf den Inhalt.
"Such Dir einen Film aus", sagte er.
Deutlich spürte sie seine Finger in ihrer Hand; ein Impuls jagte ihre Nerven entlang in den Kopf hinein, von wo sich ein wohliger Schauer über ihren Rücken ausbreitete. Trotzdem konzentrierte sie sich auf den Schubladeninhalt und schaute sich die Rücken der Hüllen an.
Essen wollte sie auch, das hatte Charlie nicht vergessen und ergriff wieder das Wort.
"Was hältst Du von Pizza?", fragte er.
"Oh ja", ging sie sofort auf seinen Vorschlag ein. "Sollen wir Hälfte, Hälfte machen oder magst Du Thunfisch? Ich würde ansonsten total gerne Thunfisch mit Zwiebeln und Fetakäse essen", plapperte sie, um sich nichts anmerken zu lassen.
"Das hört sich... interessant an. Ich bestell dann mal." Mit den Worten verlieà Charlie das Wohnzimmer und ging in die Küche, um beim Lieferservice anzurufen.
Derweil entschied sich Amita für einen Film, den sie aus der Schublade nahm. Dann trat sie zum Kamin und betrachtete die darauf stehend Fotos, während sie auf seine Rückkehr wartete. Sie waren eine hübsche Familie, zwei schwarzhaarige Söhne, ein dunkelhaariger Vater und eine blond gelockte Mutter. Es war offensichtlich, woher Charlie diese Merkmale hatte. Auch seine Mimik hatte sich über die Jahre nicht geändert, er sah schon immer gut aus. Daher verwunderte sie sehr, dass er noch immer alleine war, doch traurig war sie deshalb nicht.
"Bestellung ist raus." Unvermittelt stand er hinter ihr.
Erschrocken fuhr sie herum und ihrem Mund entkam ein leiser Schreckensschrei.
"Oh, entschuldige. Ich wollte das nicht", entgegnete er und schaute sie betroffen an.
Mittlerweile hatte sie sich wieder gefasst.
"Das macht nichts." Sie lächelte freundlich. "Ihr habt schon immer gut ausgesehen, weiÃt Du das?!"
"Für mich wurde meistens süà verwendet, aber ich habe es schon mal gehört." Dass es ihm unangenehm war, über sich und sein Aussehen zu sprechen, war offensichtlich. Mit derartigen Komplimenten konnte er einfach nichts anfangen. "Zum Glück hängt das Bild aus dem Highschool-Jahrbuch nicht, denn dann würdest Du anders denken." Trotzdem lächelte er sie an.
"Das glaube ich nicht", erwiderte sie, während sie ihren Blick weiter schweifen lieÃ. Dabei blieb er für einen Moment am Bild seiner Mutter hängen. "Sie war wunderschön."
Charlie nickte zwar, wollte aber das Thema wechseln.
"Sollen wir uns wieder setzen. Die Pizza ist bestimmt gleich da."
"Ja." Da es für ihn noch immer schwer war, tat sie das und brachte das Gespräch auf eine belanglose Ebene zurück. "Ich habe Glauben ist Alles genommen, ich kenne ihn nicht. Ist das okay?"
"Natürlich, ich hab Dir... " Weiter kam er nicht, denn die Türklingel unterbrach ihn. "Warte kurz." Rasch stand er auf, holte sein Portemonnaie aus seiner Jacke und öffnete die Tür. Er nahm die Pizza entgegen und zahlte. Mit dem Karton in der Hand kehrte er ins Wohnzimmer zurück, stellte ihn auf den Tisch und öffnete den Deckel. "Bedien Dich."
"Was bekommst Du von mir?"
"Nichts. Du bist schlieÃlich mein Gast."
"Danke." Wieder lächelte sie, etwas, das ihr in seiner Gegenwart so leicht fiel.
"Dafür nicht." Er stand noch einmal auf, legte die DVD ein und startete sie.
Beide nahmen sich ein Stück Pizza und machten es sich wieder bequem. Nach der Hälfte konnten sie nicht mehr und konzentrierten sich nur noch auf den Film. Gleichzeitig machte sich bei beiden der lange Tag bemerkbar. Ihre Augen waren schwer und fielen mehrfach zu. Kurzzeitig kämpften sie dagegen an, um schlieÃlich aufzugeben und die Augen geschlossen zu halten. Während sein Kopf nach hinten kippte, fiel ihrer auf seine Schulter. So aneinander gekuschelt schliefen sie wie in einem frisch von Frau Holle aufgeschütteltem Bett ein.
Gemeinsam mit Alan kehrten Terry und Don von der Wohnungsbesichtigung und dem anschlieÃenden Vertragsabschluss mit dem Makler zurück. Das alles hatte länger gedauert, als er erwartet hatte, dafür war der Mietvertrag unterschrieben und das, obwohl Alan erst heute Mittag das Wohnungsangebot telefonisch entgegen genommen und nach Rücksprache einen Termin vereinbart hatte. Als Alan die Tür aufschloss, hörte er die Geräusche des Fernsehers.
"Wir sind da", rief er ins Haus, erhielt jedoch keine Reaktion darauf. Das überraschte ihn, darum betraten er den Flur und schaute um die Ecke ins Wohnzimmer. Das schlafende Gespann, das er dort erblickte, freute ihn sehr. Mit der Hand machte er seinem Sohn und dessen Freundin ein Zeichen, die daraufhin zu ihm traten und mit ihm gemeinsam das eingehend betrachteten. Um die beiden nicht weiter zu stören, gingen sie schlieÃelich gemeinsam hoch, ohne etwas zu sagen.
Danke an Jo & XY ungelöst - die weltbesten Künstlerinnen
Ideenlos und stolz darauf!