09.05.2010, 02:12
Okay, nach langer Zeit geht es mal wieder weiter. Danke fürs FB
@Mela:
,,Und? Was hältst du jetzt von Allies Geistergeschichten?“ fragte Dean seinen Sohn als sie in der Dunkelheit vom Strand zurück zum Haus gingen. Es war schon halb eins und eigentlich müsste Josh todmüde sein, da er es nicht gewohnt war so spät noch wach zu sein. Josh hatte zwar von zehn bis Mitternacht geschlafen, aber angesichts des langen, anstrengenden Tages waren zwei Stunden Schlaf eine sehr kurze Zeit. Doch von Müdigkeit war keine Spur zu sehen, er lief munter neben seinem Vater her.
,,Ich weià nicht,“ gab Josh zurück und spielte mit der Taschenlampe in seiner Hand herum. ,,Ich habe da so Schatten gesehen... haben Geister Schatten?“
,,Keine Ahnung, das musst du wohl unsere Expertin Allie fragen,“ meinte Dean und Josh lief die paar Schritte zu Allie zurück, die mit ihrer Mutter hinter ihnen herging.
Eveline hatte sich mit ihren alten Freunde nach dem Fest noch auf die Terrasse zurückgezogen, um Erinnerungen auszutauschen, wie sie es nannte. Sie hatte ihm zwar ausdrücklich gesagt, er solle nachkommen, doch am Haus angekommen, beschloss Dean Josh ins Bett zu bringen und Eveline mit ihren Freunden allein zu lassen. Er wandte sich schon zum Gehen, als plötzlich Logan hinter ihm auftauchte. ,,Hey, warte!“
,,Hm?“ Er drehte sich zu Logan um und fragte sich, was dieser wohl von ihm wollte. Er kannte ihn schlieÃlich kaum.
,,Naja,... wie soll ich sagen?“ Logan kratzte sich am Kopf und schien plötzlich etwas um Worte verlegen. ,,Es geht um Eveline.“
,,Was ist mit ihr?“
Logan blickte von Dean zu Josh und wieder zurück. ,,Naja, sagen wir mal es so: Sie hat ein bisschen zu tief ins Glas geguckt und ich glaube, es wäre besser, wenn sie jetzt zu Bett geht.“
Für einen Moment sah Dean ihn verwirrt an, dann setzte er ein Lächeln auf. ,,Nichts für ungut, aber ich glaube, das kann Eve selber entscheiden.“
,,Naja...“ Wieder ein etwas verlegenes Lächeln. ,,Du weiÃt ja sicherlich wie Eveline ist, wenn sie ein bisschen zu viel getrunken hat...“
Dean nickte, obwohl er seine Frau noch nie wirklich betrunken gesehen hatte. Angeheitert, ja, aber normalerweise kannte Eveline ihre Grenze ganz genau und trank nie zu viel.
,,... sie plaudert dann gerne Sachen aus, die ihr am nächsten Tag ziemlich peinlich sind,“ fuhr Logan fort. ,,Das möchte ich ihr gerne ersparen.“
Dean fragte sich, wieso Logan sich Sorgen um Eveline machte. Er hätte Logan nicht gerade als so einen fürsorglichen Menschen eingeschätzt. ,,Ich bringe Josh nach oben... dann sehe ich nach ihr.“ Dean war es unangenehm, dass sein Sohn mitbekommen musste, wie über seine betrunkene Mutter geredet wurde. Natürlich er war noch so klein, dass er es vermutlich gar nicht richtig verstand, aber trotzdem.
Logan schien darüber sehr erleichtert zu sein. ,,Ich mache mir nur Sorgen um sie.“
,,Na klar.“ Dean nickte, bevor er sich schlieÃlich zusammen mit seinem Sohn entfernte.
Zehn Minuten später, als Josh im Bett lag und er gerade wieder auf dem Weg nach unten war, lief er im Flur Samantha über den Weg.
,,Allie war innerhalb zwei Minuten weg. Sie war wohl müder, als sie einsehen wollte,“ erklärte sie lächelnd. ,,Gehst du auch noch ein bisschen runter?“
,,Nur ganz kurz.“
,,Ich könnte Allies Kindermädchen darum bitten nach Josh zu schauen, dann musst du dir keine Sorgen machen.“
,,Das ist nicht...“, wollte Dean schon abwinken, entschied sich dann aber doch anders. ,,Das wäre nett.“
,,Gut, ich bin gleich wieder zurück,“ sagte Samantha, bevor sie kurz ins Zimmer verschwand. Dean wartete auf sie.
,,So, jetzt habe ich endlich mal ein bisschen kinderfreie Zeit,“ sagte Samantha und verdrehte ihre Augen. Dabei sah Dean jedoch trotz allem noch das Lächeln, das ihre Augen strahlen lieÃ.
,,Ich hoffe, Allie hat Josh mit den Geistergeschichten nicht allzu viel Angst eingejagt.“
,,Ich glaube nicht. Er weiÃ, dass sie das nicht ganz ernst meint.“
,,Dann weià er mehr als ich.“
,,Wie bitte?“
,,Ich weiÃ, auf den ersten Blick kommt es so rüber, als möchte sie nur andere Kinder ärgern, aber da bin ich mir manchmal nicht so sicher“, seufzte Samantha. ,,Manchmal glaube ich, sie sieht wirklich Geister. Sie sieht zum Beispiel ihren GroÃvater, meinen Vater, der vor einem halben Jahr gestorben ist, abends wenn sie zu Bett geht.“ Sie warf Dean einen Seitenblick zu und lächelte dann. ,,Ich weiÃ, das ist verrückt.“ Sie waren mittlerweile unten angekommen und als sie auf der Terrasse ankamen, sah sich Dean nach seiner Frau um und entdeckte sie schlieÃend zwischen Steve und Rory. Sie war in ein Gespräch mit Steve verwickelt und Dean beschloss sie nicht zu stören. Stattdessen setzte er sich auf die andere Seite des Tisches, Samantha gegenüber. Er sah wie Logan ihm einen Blick zuwarf und eine Kopfbewegung Richtung Eveline machte. Doch Dean konnte am Verhalten seiner Frau nichts ungewöhnliches oder gar schlimmes erkennen, deshalb zuckte er nur die Achseln und setzte sein Gespräch mit Samantha fort.
,,Naja, ich dachte...“ Plötzlich hielt er mitten im Satz inne, weil er die Stimme seiner Frau hörte. Er blickte zu ihr und sah wie sie sich gerade wankend von ihrem Stuhl erhob. In der einen Hand hielt sie ihr Glas, mit der anderen stützte sie sich am Tisch ab. ,,Danke nochmal, Steve. Auf Steve!“ Sie nahm einen Schluck, die anderen taten es ihr gleich. ,,Wirklich schön, euch alle wiederzusehen.“ Sie lallte leicht. ,,Steve und Patricia und Rory und... Nathan, schön, dass du trotz der Sache mit Izzie gekommen bist.“ Sie geriet ins Wanken und drohte hinzufallen, doch als Dean aufspringen wollte, war Logan schon bei ihr und stützte sie ein wenig. Er wollte sie vom Tisch wegziehen, doch Eveline hielt sich eisern an der Tischplatte fest. ,,Ach, ich habe ja noch jemanden vergessen. Auf Logan! Auf Logan und seine über alles alles geliebte Frau! Schön, dass er endlich jemanden gefunden hat, mit dem er sich den Rest seines Lebens vorstellen kann.“ Sie fuchtelte mit ihrem Glas in der Luft herum, um ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen. ,,Schön, dass er endlich treu sein kann und Kinder hat er ja auch noch. Wer hätte das gedacht? Also ich...“ Dean schob Logan zur Seite, nahm seiner Frau das Glas aus der Hand und drehte sie zu sich herum.
,,Hi Schatz! Habe dich ja gar nicht gesehen.“ Eveline drückte ihm einen Kuss auf die Wange. ,,Willst du auch was trinken? Hier ist...“
,,Wir sollten jetzt ins Bett gehen,“ sagte Dean.
,,Habt Ihr gehört? Wir gehen jetzt ins Bett. Ich bin eine gute Ehefrau, ich nehme meine Ehe ernst... anders als andere hier.“ Sie lachte laut auf und als sie sich schlieÃlich immer noch nicht zum Gehen bewegen lieà und auch noch über den Stuhl stolperte, hob Dean sie hoch und verabschiedete sich mit einem ,,Guten Nacht!“ von den anderen. Er versuchte gerade die Haustür zu öffnen, als Logan plötzlich neben ihnen stand und die Türe aufmachte. Als sie das Haus betraten und Dean seine Frau wieder absetzte, warf Logan ihr ihre weiÃe Strickjacke zu, die jedoch auf dem Boden landete. Er machte jedoch keine Anstalten sie wieder aufzuheben, stattdessen baute er sich wütend vor ihr auf. ,,Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du blamierst mich, du blamierst...“
,,Lass sie doch bitte jetzt in Ruhe,“ bat Dean.
,,Ich habe dir vor über einer halben Stunde gesagt, nimm sie mit nach oben, sie benimmt sich unausstehlich, aber du...“
,,Gute Nacht!“ Dean legte seinen Arm um Eveline und drängte sich an Logan vorbei zur Treppe.
,,Tut mir leid,“ sagte Eveline, als sie schlieÃlich im Bett lag.
,,Was denn?“
,,Dass ich getrunken habe und...“
,,Hey, wir sind im Urlaub.“ Dean strich ihr übers Haar und als seine Hand weiter zu ihrem Gesicht wanderte, spürte er, dass ihre Wangen nass waren.
,,Bin ich wirklich unausstehlich?“ wollte Eveline von ihm wissen.
,,Ach, Quatsch.“
,,Ich weiÃ, ich sollte nicht so viel trinken.“ Sie schluchzte. ,,Wenn ich trinke, dann bin ich wohl wirklich unausstehlich, so wie Logan sagt. Aber ich musste heute einfach trinken, weiÃt du?“ Sie sah ihn mit glasigen, tränengefüllten Augen an. ,,Ich hatte doch einfach nur Angst, darum habe ich getrunken.“
,,Angst?“ wollte Dean wissen. ,,Wovor?“
,,Einfach nur Angst, verstehst du?“ Ihre Fingernägel gruben sich in den Stoff seines Hemdes und sie zog ihn zu sich herab. ,,Angst, Angst, Angst...“ Sie flüsterte das Wort immer wieder vor sich her. ,,Halt mich bitte einfach nur fest.“ Sie kuschelte sich an ihn, ihre Tränen durchweichten sein Hemd, doch er tat das, worum sie ihn gebeten hatte: Er hielt sie in seinen Arm fest. Ohne ein weiteres Wort, ohne eine weitere Frage. Er hatte schlieÃlich schon lange aufgegeben irgendetwas aus ihr heraus zu bekommen.
***
,,Guten Morgen!“
Jess öffnete verschlafen die Augen und sah wie seine Freundin gerade das Zimmer durchquerte. Er war wohl beim Lesen auf dem Sessel eingeschlafen, sein Buch lag neben ihm auf dem Boden. ,,Wie spät ist es?“
,,Ungefähr halb zwei.“
,,Alles in Ordnung bei dir?“
,,Es geht.“ Patricia hob ihre Schultern. ,,Ich gehe noch kurz duschen,“ fuhr sie fort, während sie aus ihrer Strickjacke schlüpfte. Auf dem Weg ins Bad lieà sie sowohl die Jacke als auch ihr Kleid achtlos zu Boden fallen.
,,Hast du noch Zigaretten,“ rief Jess ihr nach. Er hatte vergessen vorher, als sie in der Stadt gewesen waren, Zigaretten zu kaufen und hatte dann keine Lust mehr gehabt nochmal loszufahren.
,,In meiner Jacke, aber du weiÃt doch, dass du hier drinnen nicht rauchen sollst,“ kam Patricias Antwort und eine Sekunde später hörte er das Wasser rauschen.
Gähnend stand er auf und hob Patricias Jacke auf. Einen Moment fragte er sich, wieso sie überhaupt eine Handtasche benutzte, wenn sie sowieso alle wichtigen Dinge, wie ihr Handy und ihre Zigaretten immer in ihren Jacken-bzw Hosentasche verstaut hatte. Aber er sollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken. Fast alle Frauen trugen Handtaschen und wenn sich seine Freundin auf einmal einbildete das auch machen zu müssen, sollte ihm das egal sein. Er griff in die linke Tasche der Jacke, in der er allerdings nur einen weiÃen Umschlag fand. Er wusste, dass er es nicht tun sollte, trotzdem öffnete er das Kuvert, das bereits aufgerissen war und als er den Inhalt hervor zog, fühlte er sich plötzlich ein paar Jahre in die Vergangenheit zurück gesetzt. Er hielt Fotos in der Hand. Fotos von einem Mädchen. Fotos von einem Mädchen, das die Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen ausblieÃ, auf einem anderen steckte es in einer Schuluniform und lächelte mit einer groÃen Zahnlücke in die Kamera. Auf dem dritten und letzten Bild war sie in einem Prinzessinenkleid und Krone auf einer Bühne zu sehen. Die dunkelbraunen, widerspenstigen Locken erinnerten ihn an Patricia. Er wusste sofort wer das Mädchen war, trotzdem drehte er die Fotos um und las: June, August 2014, auf dem zweiten June, März 2015 und auf dem dritten Bild: June bei einer Schulaufführung im Februar 2015. Er biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich in seinem Verdacht, dass Junes Vater einer der Männer war, die hier waren, bestätigt. Als er hörte, wie das Wasser im Bad abgestellt wurde, steckte er die Bilder schnell wieder in den Umschlag und diesen zurück in ihre Jacke und holte stattdessen die Zigaretten hervor. Er zündete sich eine Zigarette an und stellte sich ans Fenster, einen Arm am Fensterbrett aufgestützt, so als würde er schon die ganze Zeit hier stehen und rauchen. Er hörte wie die Badezimmertüre geöffnet wurde, bewegte sich jedoch keinen Zentimeter. Erst als Patricia hinter ihm stand, ihm die Zigarette aus der Hand nahm, um einen Zug zu nehmen und sie schlieÃlich in einem Blumentopf, der auf dem Fensterbrett stand, ausdrückte, drehte er sich zu ihr um.
,,Hey, du bist ja schon fertig.“
,,Oh ja,“ gab sie zurück. Sie trug ihren roten Morgenmantel aus Seide, eins der wenigen Dinge aus ihrer Vergangenheit. ,,Ich dachte, ich sollte mich bedanken... du weiÃt schon...“ Sie war noch nie gut in Gefühlsdingen gewesen, deshalb fragte Jess nicht weiter nach und lieà sich von ihr küssen. Ihre Hände griffen nach seinen, legten sie auf die nackte Haut unter dem Stoff, doch plötzlich schossen Jess wieder die Bilder in den Kopf und er schob Patricia von sich.
,,Ich habe die Bilder gesehen,“ sagte er, ohne um den heiÃen Brei herum zu reden.
,,Welche Bilder?“ fragte Patricia, doch als er sie nur durchdringend ansah, schien sie zu verstehen. ,,Was? Du gehst an meine privaten Sachen?“
,,Ich habe die Zigaretten gesucht.“
,,Aha, die Zigaretten gesucht?! Und dabei sind ganz zufällig die Fotos heraus gefallen?“
,,Verdammt, vielleicht solltest du einfach endlich mal ehrlich zu mir sein,“ rief Jess und seine Stimme war lauter als beabsichtigt.
,,Was denn? Du weiÃt doch von June... und das nicht erst seit gestern.,“ gab Patricia mit lauter Stimme zurück, während sie sich von ihm abwandte und den Gürtel ihres Morgenmantel enger zog. ,,Ich wollte einfach nur ein bisschen Spaà mit dir haben und früher hätte dir das gefallen. Früher hast du auch nicht aus jeder kleinen Mücke einen Elefanten gemacht.“
,,Kleine Mücke? Es geht um deine Tochter. Und um den Vater, der hier wohl irgendwo herumschwirrt. Ich finde, ich habe ein Recht zu erfahren, wer es ist.“ Er atmete tief durch und wiederholte die Frage, die er ihr am Tag schon gestellt hat. ,,Ist es Nath-?“
Wütend fuhr sie im ins Wort. ,,Es ist nicht Nathan, zum hunderttausendsten Mal!“
,,Wer dann?“ Er ging einen Schritt auf sie zu und griff nach ihrer Hand. ,,Ich sage es niemanden, ich verspreche es. Es ist doch nur wichtig für-“
,,Es ist Logan,“ fuhr sie ihm erneut ins Wort und schüttelte seine Hand ab. ,,Bist du jetzt zufrieden?“
,,Logan?“ wiederholte Jess ungläubig. ,,Der blonde, aufgeblasene...“
,,Genau. Ich denke, sie hat es gut bei ihm. Seine Frau scheint nett zu sein.“
,,Und wieso hat er sie nicht mitgebracht?“
,,Er wollte wohl Ãrger vermeiden, ist wohl auch besser so.“ Patricia zog den Morgenmantel aus und schlüpfte in eins seiner alten Metallica-T-Shirts, die sie immer benutzte.
,,Wie kannst du nur so...“ Jess schüttelte den Kopf und sprach den Satz nicht zu Ende.
,,Kalt sein?“ Vollendete Patricia seinen Satz. ,,Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nichts für dieses Kind fühle? Es war eine Nacht, eine Nacht mit diesem Idioten, die ich wohl immer bereuen werde, aber trotzdem... soll ich Schuldgefühle haben? Ich wusste, dass ich das Kind nicht will, also habe ich es Logan überlassen. Und es scheint ihr ja auch gut zu gehen. Also lass mich bitte jetzt in Ruhe schlafen.“ Sie legte sich ins Bett und schaltete das Licht aus. ,,Und wehe du verlierst bei irgendjemanden ein Wort darüber.“
@Mela:
Mela schrieb:Mir ist erst vorhin in den Sinn gekommen, dass der Prolog nach der eigentlichen FF passiert?Ja genau, ist vielleicht bisschen verwirrend
,,Und? Was hältst du jetzt von Allies Geistergeschichten?“ fragte Dean seinen Sohn als sie in der Dunkelheit vom Strand zurück zum Haus gingen. Es war schon halb eins und eigentlich müsste Josh todmüde sein, da er es nicht gewohnt war so spät noch wach zu sein. Josh hatte zwar von zehn bis Mitternacht geschlafen, aber angesichts des langen, anstrengenden Tages waren zwei Stunden Schlaf eine sehr kurze Zeit. Doch von Müdigkeit war keine Spur zu sehen, er lief munter neben seinem Vater her.
,,Ich weià nicht,“ gab Josh zurück und spielte mit der Taschenlampe in seiner Hand herum. ,,Ich habe da so Schatten gesehen... haben Geister Schatten?“
,,Keine Ahnung, das musst du wohl unsere Expertin Allie fragen,“ meinte Dean und Josh lief die paar Schritte zu Allie zurück, die mit ihrer Mutter hinter ihnen herging.
Eveline hatte sich mit ihren alten Freunde nach dem Fest noch auf die Terrasse zurückgezogen, um Erinnerungen auszutauschen, wie sie es nannte. Sie hatte ihm zwar ausdrücklich gesagt, er solle nachkommen, doch am Haus angekommen, beschloss Dean Josh ins Bett zu bringen und Eveline mit ihren Freunden allein zu lassen. Er wandte sich schon zum Gehen, als plötzlich Logan hinter ihm auftauchte. ,,Hey, warte!“
,,Hm?“ Er drehte sich zu Logan um und fragte sich, was dieser wohl von ihm wollte. Er kannte ihn schlieÃlich kaum.
,,Naja,... wie soll ich sagen?“ Logan kratzte sich am Kopf und schien plötzlich etwas um Worte verlegen. ,,Es geht um Eveline.“
,,Was ist mit ihr?“
Logan blickte von Dean zu Josh und wieder zurück. ,,Naja, sagen wir mal es so: Sie hat ein bisschen zu tief ins Glas geguckt und ich glaube, es wäre besser, wenn sie jetzt zu Bett geht.“
Für einen Moment sah Dean ihn verwirrt an, dann setzte er ein Lächeln auf. ,,Nichts für ungut, aber ich glaube, das kann Eve selber entscheiden.“
,,Naja...“ Wieder ein etwas verlegenes Lächeln. ,,Du weiÃt ja sicherlich wie Eveline ist, wenn sie ein bisschen zu viel getrunken hat...“
Dean nickte, obwohl er seine Frau noch nie wirklich betrunken gesehen hatte. Angeheitert, ja, aber normalerweise kannte Eveline ihre Grenze ganz genau und trank nie zu viel.
,,... sie plaudert dann gerne Sachen aus, die ihr am nächsten Tag ziemlich peinlich sind,“ fuhr Logan fort. ,,Das möchte ich ihr gerne ersparen.“
Dean fragte sich, wieso Logan sich Sorgen um Eveline machte. Er hätte Logan nicht gerade als so einen fürsorglichen Menschen eingeschätzt. ,,Ich bringe Josh nach oben... dann sehe ich nach ihr.“ Dean war es unangenehm, dass sein Sohn mitbekommen musste, wie über seine betrunkene Mutter geredet wurde. Natürlich er war noch so klein, dass er es vermutlich gar nicht richtig verstand, aber trotzdem.
Logan schien darüber sehr erleichtert zu sein. ,,Ich mache mir nur Sorgen um sie.“
,,Na klar.“ Dean nickte, bevor er sich schlieÃlich zusammen mit seinem Sohn entfernte.
Zehn Minuten später, als Josh im Bett lag und er gerade wieder auf dem Weg nach unten war, lief er im Flur Samantha über den Weg.
,,Allie war innerhalb zwei Minuten weg. Sie war wohl müder, als sie einsehen wollte,“ erklärte sie lächelnd. ,,Gehst du auch noch ein bisschen runter?“
,,Nur ganz kurz.“
,,Ich könnte Allies Kindermädchen darum bitten nach Josh zu schauen, dann musst du dir keine Sorgen machen.“
,,Das ist nicht...“, wollte Dean schon abwinken, entschied sich dann aber doch anders. ,,Das wäre nett.“
,,Gut, ich bin gleich wieder zurück,“ sagte Samantha, bevor sie kurz ins Zimmer verschwand. Dean wartete auf sie.
,,So, jetzt habe ich endlich mal ein bisschen kinderfreie Zeit,“ sagte Samantha und verdrehte ihre Augen. Dabei sah Dean jedoch trotz allem noch das Lächeln, das ihre Augen strahlen lieÃ.
,,Ich hoffe, Allie hat Josh mit den Geistergeschichten nicht allzu viel Angst eingejagt.“
,,Ich glaube nicht. Er weiÃ, dass sie das nicht ganz ernst meint.“
,,Dann weià er mehr als ich.“
,,Wie bitte?“
,,Ich weiÃ, auf den ersten Blick kommt es so rüber, als möchte sie nur andere Kinder ärgern, aber da bin ich mir manchmal nicht so sicher“, seufzte Samantha. ,,Manchmal glaube ich, sie sieht wirklich Geister. Sie sieht zum Beispiel ihren GroÃvater, meinen Vater, der vor einem halben Jahr gestorben ist, abends wenn sie zu Bett geht.“ Sie warf Dean einen Seitenblick zu und lächelte dann. ,,Ich weiÃ, das ist verrückt.“ Sie waren mittlerweile unten angekommen und als sie auf der Terrasse ankamen, sah sich Dean nach seiner Frau um und entdeckte sie schlieÃend zwischen Steve und Rory. Sie war in ein Gespräch mit Steve verwickelt und Dean beschloss sie nicht zu stören. Stattdessen setzte er sich auf die andere Seite des Tisches, Samantha gegenüber. Er sah wie Logan ihm einen Blick zuwarf und eine Kopfbewegung Richtung Eveline machte. Doch Dean konnte am Verhalten seiner Frau nichts ungewöhnliches oder gar schlimmes erkennen, deshalb zuckte er nur die Achseln und setzte sein Gespräch mit Samantha fort.
,,Naja, ich dachte...“ Plötzlich hielt er mitten im Satz inne, weil er die Stimme seiner Frau hörte. Er blickte zu ihr und sah wie sie sich gerade wankend von ihrem Stuhl erhob. In der einen Hand hielt sie ihr Glas, mit der anderen stützte sie sich am Tisch ab. ,,Danke nochmal, Steve. Auf Steve!“ Sie nahm einen Schluck, die anderen taten es ihr gleich. ,,Wirklich schön, euch alle wiederzusehen.“ Sie lallte leicht. ,,Steve und Patricia und Rory und... Nathan, schön, dass du trotz der Sache mit Izzie gekommen bist.“ Sie geriet ins Wanken und drohte hinzufallen, doch als Dean aufspringen wollte, war Logan schon bei ihr und stützte sie ein wenig. Er wollte sie vom Tisch wegziehen, doch Eveline hielt sich eisern an der Tischplatte fest. ,,Ach, ich habe ja noch jemanden vergessen. Auf Logan! Auf Logan und seine über alles alles geliebte Frau! Schön, dass er endlich jemanden gefunden hat, mit dem er sich den Rest seines Lebens vorstellen kann.“ Sie fuchtelte mit ihrem Glas in der Luft herum, um ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen. ,,Schön, dass er endlich treu sein kann und Kinder hat er ja auch noch. Wer hätte das gedacht? Also ich...“ Dean schob Logan zur Seite, nahm seiner Frau das Glas aus der Hand und drehte sie zu sich herum.
,,Hi Schatz! Habe dich ja gar nicht gesehen.“ Eveline drückte ihm einen Kuss auf die Wange. ,,Willst du auch was trinken? Hier ist...“
,,Wir sollten jetzt ins Bett gehen,“ sagte Dean.
,,Habt Ihr gehört? Wir gehen jetzt ins Bett. Ich bin eine gute Ehefrau, ich nehme meine Ehe ernst... anders als andere hier.“ Sie lachte laut auf und als sie sich schlieÃlich immer noch nicht zum Gehen bewegen lieà und auch noch über den Stuhl stolperte, hob Dean sie hoch und verabschiedete sich mit einem ,,Guten Nacht!“ von den anderen. Er versuchte gerade die Haustür zu öffnen, als Logan plötzlich neben ihnen stand und die Türe aufmachte. Als sie das Haus betraten und Dean seine Frau wieder absetzte, warf Logan ihr ihre weiÃe Strickjacke zu, die jedoch auf dem Boden landete. Er machte jedoch keine Anstalten sie wieder aufzuheben, stattdessen baute er sich wütend vor ihr auf. ,,Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du blamierst mich, du blamierst...“
,,Lass sie doch bitte jetzt in Ruhe,“ bat Dean.
,,Ich habe dir vor über einer halben Stunde gesagt, nimm sie mit nach oben, sie benimmt sich unausstehlich, aber du...“
,,Gute Nacht!“ Dean legte seinen Arm um Eveline und drängte sich an Logan vorbei zur Treppe.
,,Tut mir leid,“ sagte Eveline, als sie schlieÃlich im Bett lag.
,,Was denn?“
,,Dass ich getrunken habe und...“
,,Hey, wir sind im Urlaub.“ Dean strich ihr übers Haar und als seine Hand weiter zu ihrem Gesicht wanderte, spürte er, dass ihre Wangen nass waren.
,,Bin ich wirklich unausstehlich?“ wollte Eveline von ihm wissen.
,,Ach, Quatsch.“
,,Ich weiÃ, ich sollte nicht so viel trinken.“ Sie schluchzte. ,,Wenn ich trinke, dann bin ich wohl wirklich unausstehlich, so wie Logan sagt. Aber ich musste heute einfach trinken, weiÃt du?“ Sie sah ihn mit glasigen, tränengefüllten Augen an. ,,Ich hatte doch einfach nur Angst, darum habe ich getrunken.“
,,Angst?“ wollte Dean wissen. ,,Wovor?“
,,Einfach nur Angst, verstehst du?“ Ihre Fingernägel gruben sich in den Stoff seines Hemdes und sie zog ihn zu sich herab. ,,Angst, Angst, Angst...“ Sie flüsterte das Wort immer wieder vor sich her. ,,Halt mich bitte einfach nur fest.“ Sie kuschelte sich an ihn, ihre Tränen durchweichten sein Hemd, doch er tat das, worum sie ihn gebeten hatte: Er hielt sie in seinen Arm fest. Ohne ein weiteres Wort, ohne eine weitere Frage. Er hatte schlieÃlich schon lange aufgegeben irgendetwas aus ihr heraus zu bekommen.
***
,,Guten Morgen!“
Jess öffnete verschlafen die Augen und sah wie seine Freundin gerade das Zimmer durchquerte. Er war wohl beim Lesen auf dem Sessel eingeschlafen, sein Buch lag neben ihm auf dem Boden. ,,Wie spät ist es?“
,,Ungefähr halb zwei.“
,,Alles in Ordnung bei dir?“
,,Es geht.“ Patricia hob ihre Schultern. ,,Ich gehe noch kurz duschen,“ fuhr sie fort, während sie aus ihrer Strickjacke schlüpfte. Auf dem Weg ins Bad lieà sie sowohl die Jacke als auch ihr Kleid achtlos zu Boden fallen.
,,Hast du noch Zigaretten,“ rief Jess ihr nach. Er hatte vergessen vorher, als sie in der Stadt gewesen waren, Zigaretten zu kaufen und hatte dann keine Lust mehr gehabt nochmal loszufahren.
,,In meiner Jacke, aber du weiÃt doch, dass du hier drinnen nicht rauchen sollst,“ kam Patricias Antwort und eine Sekunde später hörte er das Wasser rauschen.
Gähnend stand er auf und hob Patricias Jacke auf. Einen Moment fragte er sich, wieso sie überhaupt eine Handtasche benutzte, wenn sie sowieso alle wichtigen Dinge, wie ihr Handy und ihre Zigaretten immer in ihren Jacken-bzw Hosentasche verstaut hatte. Aber er sollte eigentlich gar nicht darüber nachdenken. Fast alle Frauen trugen Handtaschen und wenn sich seine Freundin auf einmal einbildete das auch machen zu müssen, sollte ihm das egal sein. Er griff in die linke Tasche der Jacke, in der er allerdings nur einen weiÃen Umschlag fand. Er wusste, dass er es nicht tun sollte, trotzdem öffnete er das Kuvert, das bereits aufgerissen war und als er den Inhalt hervor zog, fühlte er sich plötzlich ein paar Jahre in die Vergangenheit zurück gesetzt. Er hielt Fotos in der Hand. Fotos von einem Mädchen. Fotos von einem Mädchen, das die Kerzen auf seinem Geburtstagskuchen ausblieÃ, auf einem anderen steckte es in einer Schuluniform und lächelte mit einer groÃen Zahnlücke in die Kamera. Auf dem dritten und letzten Bild war sie in einem Prinzessinenkleid und Krone auf einer Bühne zu sehen. Die dunkelbraunen, widerspenstigen Locken erinnerten ihn an Patricia. Er wusste sofort wer das Mädchen war, trotzdem drehte er die Fotos um und las: June, August 2014, auf dem zweiten June, März 2015 und auf dem dritten Bild: June bei einer Schulaufführung im Februar 2015. Er biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich in seinem Verdacht, dass Junes Vater einer der Männer war, die hier waren, bestätigt. Als er hörte, wie das Wasser im Bad abgestellt wurde, steckte er die Bilder schnell wieder in den Umschlag und diesen zurück in ihre Jacke und holte stattdessen die Zigaretten hervor. Er zündete sich eine Zigarette an und stellte sich ans Fenster, einen Arm am Fensterbrett aufgestützt, so als würde er schon die ganze Zeit hier stehen und rauchen. Er hörte wie die Badezimmertüre geöffnet wurde, bewegte sich jedoch keinen Zentimeter. Erst als Patricia hinter ihm stand, ihm die Zigarette aus der Hand nahm, um einen Zug zu nehmen und sie schlieÃlich in einem Blumentopf, der auf dem Fensterbrett stand, ausdrückte, drehte er sich zu ihr um.
,,Hey, du bist ja schon fertig.“
,,Oh ja,“ gab sie zurück. Sie trug ihren roten Morgenmantel aus Seide, eins der wenigen Dinge aus ihrer Vergangenheit. ,,Ich dachte, ich sollte mich bedanken... du weiÃt schon...“ Sie war noch nie gut in Gefühlsdingen gewesen, deshalb fragte Jess nicht weiter nach und lieà sich von ihr küssen. Ihre Hände griffen nach seinen, legten sie auf die nackte Haut unter dem Stoff, doch plötzlich schossen Jess wieder die Bilder in den Kopf und er schob Patricia von sich.
,,Ich habe die Bilder gesehen,“ sagte er, ohne um den heiÃen Brei herum zu reden.
,,Welche Bilder?“ fragte Patricia, doch als er sie nur durchdringend ansah, schien sie zu verstehen. ,,Was? Du gehst an meine privaten Sachen?“
,,Ich habe die Zigaretten gesucht.“
,,Aha, die Zigaretten gesucht?! Und dabei sind ganz zufällig die Fotos heraus gefallen?“
,,Verdammt, vielleicht solltest du einfach endlich mal ehrlich zu mir sein,“ rief Jess und seine Stimme war lauter als beabsichtigt.
,,Was denn? Du weiÃt doch von June... und das nicht erst seit gestern.,“ gab Patricia mit lauter Stimme zurück, während sie sich von ihm abwandte und den Gürtel ihres Morgenmantel enger zog. ,,Ich wollte einfach nur ein bisschen Spaà mit dir haben und früher hätte dir das gefallen. Früher hast du auch nicht aus jeder kleinen Mücke einen Elefanten gemacht.“
,,Kleine Mücke? Es geht um deine Tochter. Und um den Vater, der hier wohl irgendwo herumschwirrt. Ich finde, ich habe ein Recht zu erfahren, wer es ist.“ Er atmete tief durch und wiederholte die Frage, die er ihr am Tag schon gestellt hat. ,,Ist es Nath-?“
Wütend fuhr sie im ins Wort. ,,Es ist nicht Nathan, zum hunderttausendsten Mal!“
,,Wer dann?“ Er ging einen Schritt auf sie zu und griff nach ihrer Hand. ,,Ich sage es niemanden, ich verspreche es. Es ist doch nur wichtig für-“
,,Es ist Logan,“ fuhr sie ihm erneut ins Wort und schüttelte seine Hand ab. ,,Bist du jetzt zufrieden?“
,,Logan?“ wiederholte Jess ungläubig. ,,Der blonde, aufgeblasene...“
,,Genau. Ich denke, sie hat es gut bei ihm. Seine Frau scheint nett zu sein.“
,,Und wieso hat er sie nicht mitgebracht?“
,,Er wollte wohl Ãrger vermeiden, ist wohl auch besser so.“ Patricia zog den Morgenmantel aus und schlüpfte in eins seiner alten Metallica-T-Shirts, die sie immer benutzte.
,,Wie kannst du nur so...“ Jess schüttelte den Kopf und sprach den Satz nicht zu Ende.
,,Kalt sein?“ Vollendete Patricia seinen Satz. ,,Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nichts für dieses Kind fühle? Es war eine Nacht, eine Nacht mit diesem Idioten, die ich wohl immer bereuen werde, aber trotzdem... soll ich Schuldgefühle haben? Ich wusste, dass ich das Kind nicht will, also habe ich es Logan überlassen. Und es scheint ihr ja auch gut zu gehen. Also lass mich bitte jetzt in Ruhe schlafen.“ Sie legte sich ins Bett und schaltete das Licht aus. ,,Und wehe du verlierst bei irgendjemanden ein Wort darüber.“
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