14.06.2011, 00:19
23 Zwerge schrieb:Mal eine Frage an diejenigen, die solche Erlebnisse schon hattet: Habt ihr bei der Polizei eine Anzeige gestellt?
Ja. Aber erst vor ein paar Monaten, also 6 Jahre nach der letzten begangenen Tat.
Keine Ahnung, was mit der Anzeige passiert. Moment bin ich mir sogar unsicher, ob überhaupt etwas passiert.
Trotzdem rate ich jedem, zur Polizei zu gehen, wenn einem so etwas widerfährt. Oder sagen wir, ich rate es denen, denen es noch nicht passiert ist. Mit so etwas kann man immer wieder konfrontiert werden. Das Wichtigste ist, dass man rechtzeitig reagiert. Ich habe mich erst nach 6 Jahren getraut.
Besser wäre es gewesen, wenn ich es früher getan hätte.
@melitta/Kathi
Und so jemand unterrichtet Psychologie? Tut mir echt leid, aber für dieses Verhalten habe ich mal gar kein Verständnis. Ich weiÃ, dass mag allgemein schwer sein, sich in die Situation eines Missbrauchsopfers hineinzuversetzen, vor allem für Väter ist das sehr schwer. Die können nur eins denken: Jemand hat meine Tochter angefasst - das muss bestraft werden! Aber denjenigen, denen so etwas widerfährt, die sind meist tief traumatisiert. Und wenn man so richtig traumatisiert ist, dann ist es überhaupt nicht ratsam, mit der Ursache des Traumas so krass konfrontiert zu werden wie bei einer Anzeige. Ganz im Gegenteil. So etwas kann den seelischen Zustand des Opfers erheblich verschlimmern. Sie müssen erstmal verinnerlichen, dass sie keinen Grund haben, sich zu schämen und dass sie nicht schuld sind. Und Distanz zu dem Geschehenen schaffen. So etwas mag für viele schwer verständlich sein, ist aber der allgemeine Normalzustand eines Missbrauchsopfers. Diese Scham und diese Schuldgefühle. Leider.
Mein Vater hätte es auch am liebsten gehabt, dass ich den Exfreund meiner Mutter auf der Stelle anzeige. Er hätte mich womöglich auch dazu gedrängt, aber wir waren dann wegen Ãbertragung des Sorgerechts beim Jugendamt und der Typ dort hat mitbekommen, was passiert ist. Er hat meinem Vater gesagt, dass ich allein entscheide, wenn ich so weit bin. Das ist jetzt 6 Jahre her und eigentlich hatte ich nicht vor, ihn wirklich noch anzuzeigen. Aber ich habe eine Freundin, der ähnliches mit ihrem leiblichen Vater widerfahren ist und die hat ihn angezeigt. Ihr wurde nicht geglaubt, stattdessen hat man ihr unterstellt, dass sie nur auf das Geld aus gewesen wäre (das macht mich jetzt noch total wütend)
Ich hatte dann mal einen ziemlich krassen Traum, der in mir zum ersten Mal den Gedanken ausgelöst hat:
Hey, ich hab doch gar keine Garantie, dass der Ex meiner Mum das nicht wieder macht.
Daraufhin habe ich ihn endlich angezeigt. Für mich war es der richtige Zeitpunkt. Hätte ich es früher gemacht, hätte es mich vermutlich psychisch runtergerissen. Weil da hockt man dann so beim Polizisten, erzählt alles bis ins kleinste Detail und realisiert zum ersten mal seit einer gefühlten Ewigkeit: Hey, das ist mir ja wirklich passiert. War ein echt komisches Gefühl.
@Knuffi + melitta
Also ich kenne männliche Missbrauchsopfer bzw. habe davon gehört. Einer, das ist der Ex von einer guten Freundin, wurde von seiner älteren Cousine sexuell missbraucht. Und der andere wurde im Laufe seiner Kindheit von einem erwachsenen Mann vergewaltigt.
Es ist schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, wie sehr wir Frauen darunter zu leiden haben, aber Männer haben es da tatsächlich noch erheblich schwerer. Denn sie gelten als das stärkere Geschlecht, dürfen keine Schwächen zeigen, müssen stark sein. Und so über Gefühle reden, Gefühle zeigen, das können die wenigsten.
Aber es ist allgemein so, ob nun Frau oder Mann, dass so etwas einen richtig zerstören kann.
Ich verstehe auch nicht, warum es so etwas in unserer Gesellschaft geben muss. Wie so viele Dinge, deren Existenz mir völlig schleierhaft ist.
Würde ich mitbekommen, dass meine Geschwister in solche Situationen hineingeraten - ich würde vor Wut ausrasten.
Ãberhaupt finde ich es allgemein mehr als unverständlich, wie man kleinen Kindern so etwas antun kann. Dass man nicht einen Moment innehält, das Kind ansieht und an sich selbst denken muss, wie man als Kind gewesen ist. Und ob man das damals gewollt hätte. Mir ist ja längst bekannt, dass es eine Vielzahl an Menschen gibt, denen es an Einfühlsvermögen fehlt ... aber zu so etwas müsste doch jeder imstande sein.
Life is to express, not to impress.