liebesglück mit hindernissen
#11

"Verdammt, verdammt, verdammt!", fluchte er und stützte seinen Kopf in
die Hände.
Hannah, die seit zehn Minuten mit allerlei Geschirr herumklimperte, rief
ihm aus der Küche zu: "Fluchen soll Unglück bringen!"
Chriss verdrehte die Augen und lehnte sich zurück. Zu seinem Leidwesen
hatte Hannah weil sie Halbkoreanerin war dieses ewige
Ich-bin-alles-andere-als-eine-Heilige-aber-ich-tue-so-als-wäre-ich-das-Getue
in den Genen und trieb ihn mit solchen Bemerkungen oft in den Wahnsinn.
Er stand auf, stieg die Treppen hoch und betrat das Badezimmer.
Hätte er das Zeug zum Heimwerker, würde er diese gräßlichen, dreckig-grünen Kacheln gegen andere tauschen. Doch als er das letzte Mal versucht hatte
etwas zu reparieren (das war zwei Jahre her), hätte er sich beinahe den
Arm amputiert. Also ließ er lieber die Finger davon.
Er stützte sich am weißen Waschbecken ab und starrte in den Spiegel.
Mann, seh ich mal wieder gut aus, dachte er sich. Seine normalerweise
grau-blau leuchtenden Augen sahen ihm müde entgegen, waren blutunterlaufen und hatten dunkle Augenringe. Die braunen Haare, die er sich hochgegelt hatte, sahen so aus, als wäre er gerade von einem Zehn-Jahre-Winterschlaf erwacht und seine braungebrannte Haut sah irgendwie gelblich aus.
"Toll. Ich sollte mich als bestaussehendsten Typen der Welt bewerben.
Die Welt wäre begeistert von mir.", murmelte er vor sich hin.
Da er sich jämmerlich vorkam, verließ er das Badezimmer und fragte sich
gleichzeitig, was er eigentlich dort zu tun gedacht, dass er da rein gegangen
war.
Nicht genug damit, dass ich aussehe wie jemand, der zusammengeschlagen wurde, dachte er grimmig, jetzt leide ich auch noch an Gedächtnisschwund.
Als er wieder an seinem Schreibtisch Platz nahm und die Formulare anstarrte, als könnten sie die Welt verändern, wusste er plötzlich, was er zu tun hatte.
Eilig schnappte er sich seine Jacke und warf einen kurzen Blick auf die Uhr.
Kurz nach eins. Er hatte noch genug Zeit.
Dann stürmte er die Treppen hinunter, legte einen filmreifen Abgang hin, als er auf den gebohnerten Stufen ausrutschte und fast kopfüber runterfiel, und war an der Küche vorbei auf den Weg nach draußen, doch Hannah fragte ihn:
"Wo willst du denn jetzt noch hin? Es ist ein Uhr mittags. Gleich gibts Essen."
Völlig außer Puste musste er sich erst wieder einkriegen, bevor er antwortete:
"Dahin, wo alles angefangen hat."


Nur ein kurzer teil, aber ich habe gedacht, ich sollte mal wieder was posten.
bitte um kommentare!!
#12

wollt ihr überhaupt noch die nächsten teile haben?
#13

Hi!
Hab mir dein ff durch gelesen. Und ich muss schon sagen, einfach toll!
Schreibst du bald weiter? Biiiiittttteeee!!!!!!

Mein ff "Träume", schau doch mal vorbei
#14

also, ich hoffe, dieser teil gefällt euch!


Teil 4


Etwa eineinhalb Stunden später bog er mit seinem silbergrauen Mercedes Coupé in seine Heimatstadt ein. Nun, besser gesagt war es eine Kleinstadt, die zwar einer Stadt wie Berlin oder München nicht das Wasser reichen
konnte, aber auch nicht als Dorf zu bezeichnen war.
Hin und wieder erkannten ihn ein paar Passanten, die schon ewig hier lebten und mit ihm oder seiner Familie befreundet waren, und er winkte ihnen freundlich zurück.
Er fuhr quer durch die Stadt zum südöstlichen Teil und entdeckte kurz darauf das kleine, blassgelbe Haus seiner Eltern, in dem er die ersten neunzehn Jahre seines Lebens verbracht, etliche Strafen aufgebrummt bekommen und so einige heftige Streitereien mit Hannah gehabt hatte.
Verwundert registrierte er, dass neben dem blaugrünen Volvo seines Vaters noch ein anderes Auto stand, das er noch nie gesehen hatte.
Während er einparkte, einen großen Schluck schwarzen Kaffee aus dem Becher trank, den er in dem kleinen Fach neben der Handremse verstaut hatte, sang Avril Lavigne von ihrem Happy Ending.

You were everything, everything that I wanted
We were meant to be, supposed to be, but we lost it
All of our memories, so close to me, just fade away
All this times you were pretending
So much for my happy ending

"He, Avril, wie wärs, wenn wir uns mal treffen würden? Ein Duett von uns würde alle umhauen. Ich hab da auch so einiges zum Thema Happy End zu sagen.", sagte er, als säße Avril mit ihm in seinem Auto.
Dann war das Lied zu Ende und wurde von einem wesentlich ruhigeren abgelöst. Nachdenklich die Stirn runzelnd überlegte er, was das für ein Lied war, die Melodie kam ihm bekannt vor.
Er gab jedoch auf und wollte gerade das Radio ausschalten, als seine Hand wie erstarrt Halt machte.
Endless love!, schoss es ihm durch den Kopf. Lillys Lieblingslied. Das Lied zu dem sie so oft getanzt hatten, eng umschlungen und vollkommen glücklich ...

My love, there's only you in my life
The only thing that's right

My first love, you're every breath that I take
You're every step I make
And I, I want to share all my life, oh, with you
No one else will do

And your eyes, they tell me how much you care
Oh yes, you will always be my endless love
Two hearts, two hearts that beat as one

Our lives have just begun
Forever, I'll hold you close in my arms
I can't resist your charms

And love, I'd play the pool for you
I'm sure, you know I don't mind
Oh, you, you mean the world to me
Oh, I know, I found in you my endless love

Oh, and I, I'd play the fool for you
I'm sure, you know I don't mind
And you, you'll be the only one

Oh, no one can deny
Oh, this love I have inside
I give it all to you
My love, my love, my endless love


Völlig bewegungslos saß er da, die eine Hand umschloss krampfhaft den Kaffeebecher, die andere war immer noch ein paar Millimeter von Radio entfernt.
Er konnte nichts unternehmen, bis das Lied schließlich zu Ende war. Erst dann war er fähig dazu, das Radio und somit seine Gedanken auszuschalten.
Da ihm dann endlich einfiel wo er war, und was er hier wollte, schaltete er den Motor ab und öffnete die Autotür. Allerdings war er nicht ganz bei der Sache, verhakte sich mit der Jacke am Sicherheitsgurt und goss den Kiesweg mit seinem Kaffee.
Wüste Verwünschungen gegen alle Welt ausschimpfend warf er den leeren Becher einfach zurück ins Auto, knallte die Autotür lautstark zu und stapfte zur Tür.
Er öffnete die Tür mit seinem Schlüssel und rief: "Dad? Kim?"
Weil er Stimmen aus dem Wohnzimmer gehört hatte, verließ er schließlich den Flur und ging nach links ins Wohnzimmer, in dem er schließlich wie versteinert stehenblieb, als er sah, mit wem sein Vater und seine Stiefmutter, Hannahs Mutter, zusammensaßen ...


bitte um fb!!!
#15

Hi!

Sorry, dass ich mich so spät melde.

Die letzten Teile waren echt gut. Bin gespannt wie es weiter geht!
#16

so geht's weiter ...



Teil 5

Kim stieß einen Freudenschrei aus, kam auf ihn zugerannt und drückte ihn an sich. Er aber war so damit beschäftigt, die anderen zwei Personen anzustarren, dass ihm gar nicht erst einfiel, ihre Umarmung zu erwidern.
"Chriss! Na, das ist ja eine schöne Überraschung. Sieh mal, wen wir hier haben!", plapperte Kim schon drauf los.
"Tag.", sagte er höflich, obwohl er gar nicht höflich sein wollte. Er war hierher gekommen, weil er gedacht hatte, dies wäre er einzige Ort gewesen, an dem er nicht an Lilly erinnert wurde (was natürlich schwachsinnig war, denn schließlich waren sie hier aufgewachsen), aber er hätte es wissen müssen. Sein Vater und Kim waren schon lange Zeit mit Lillys Mutter befreundet, also warum sollten sie sie nicht einladen?
"Hallo, Chriss.", antworteten Verena, Lillys Mutter und ihr Mann Jimmy.
Es wäre besser und leichter für ihn gewesen, wenn sie ihn angeschrien oder ihm Vorwürfe gemacht hätten. Seit Lilly damals abgehauen war, hatte er sie nicht mehr gesehen. Er war Schuld daran, dass Lilly, ohne jemandem Bescheid zu sagen, die Stadt verlassen hatte, was war so schwer daran, ihm wenigstens diesen Gefallen zu tun und sauer auf ihn zu sein? Doch stattdessen behandelten sie ihn wie immer. Als wäre er noch mit Lilly zusammen.
"Steh nicht so einsam da und setz dich!", forderte sein Vater ihn auf und wies auf den leeren Platz auf dem Sofa.
Obwohl sich alles in seinem Körper dagegen sträubte, ließ er sich gehorsam in das weiche Leder fallen.
"Möchtest du Kaffee haben, Schätzchen?"
Als Chriss bei diesem Kosenamen zusammenzuckte, mussten Verena, Jimmy und sein Vater grinsen.
"Ja."
"Wie trinkst du ihn?"
"Schwarz wie die Nacht.", antwortete er und spielte nervös mit seinen Fingern.
"Ha, also schon ein junger Mann geworden, wie, mein Junge?", fragte diesmal sein Vater und achtete gar nicht darauf, dass Chriss sich sichtlich unwohl fühlte.
"Ich bin 25, Dad."
"Weiß ich doch. Also, wie lange ist es schon her, als wir dich das letzte Mal gesehen haben?"
"Keine Ahnung. Zehn Monate."
"Donnerwetter!", meinte Jimmy. "Wo wir schon beim Thema Kinder sind, wie geht's eigentlich Lilly?"
Chriss blieb fast das Herz stehen, als er ihren Namen hörte.
"Nun, sie ist sehr beschäftigt mit ihrer Arbeit.", antwortete Verena. "Sie ist, vor einem Jahr denke ich, nach England geflogen um dort ihr Studium zu beenden und bei ihrem Freund wohnen zu können. Wie hieß der doch gleich?
Ryan oder so was. Jedenfalls schien er mir ein anständiger Junge zu sein. Sie hat mir ein paar Fotos geschickt."
Sie kramte in ihrer Tasche herum und holte schließlich einen dicken Packen Fotos heraus.
"Danke.", sagte Chriss abwesend, als Kim mit seinem Kaffee aus der Küche kam und ihn vor ihn auf den Tisch stellte. Während er Verenas Worte, vor allem 'bei ihrem Freund', verarbeitete, nahm er einen großen Schluck und verschluckte sich.
"Gott, Kim! Willst du mich umbringen?", keuchte er zwischen zwei Hustenanfälen. "Mit dem Zeug könntest du Tote aufwecken!"
"Ich glaube, er muss noch viel lernen.", sagte diese zu ihrem Mann, während sie neben Chriss stand und sich köstlich amüsierte.
"Jap. Er ist noch ein halber Mann.", stimmte er ihr zu und teilte ihren Spaß.
"Nur zu. Beschneidet mich, steckt mir Nadeln durch den ganzen Körper und lasst mich Büffel jagen."
"Ich sehe, du bist noch immer ganz schön humorvoll.", sagte Kim ein wenig ironisch und ließ sich neben ihren Mann auf das Sofa fallen.
"Ist er das?", fragte Jimmy und hielt Verena ein Foto hin.
"Ja. Ich sollte Lilly noch mal nach seinem Namen fragen."
"Ich finde, er sieht arrogant aus.", murmelte er. "So selbstverliebt."
"Er ist nur extrem selbstbewusst."
"Das ist doch dasselbe."
Während Verena und Jimmy in eine kleine Diskussion verfielen, ob 'arrogant', 'selbstverliebt' und 'extrem selbstbewusst' nun dasselbe war oder nicht, sahen Chriss' Vater und Kim besorgt zu ihm hin. Sie ahnten, dass er immer noch nicht über Lilly hinweg war und auch, dass er sich die Schuld an ihrem Verschwinden gab.
"Weißt du Chriss", meinte Kim, als sie sich die Fotos ansah. "Neben Ryan siehst du ziemlich mitgenommen aus. Du bist doch ein hüscher Junge, also warum lässt du dir die Bartstoppeln da? Das sieht wirklich schrecklich aus. Sowas passt nicht zu dir."
"Ich habe eine Vier-Stunden-Fahrt von Stuttgart hinter mir. Was erwartest du? Ich bin doch kein Model, das selbst nach einer heißen Nummer im Bett noch genauso aussieht, wie auf den Fotos.", antwortete Chriss genervt.
"Wäre aber besser. Vielleicht würdest du dann mehr mit Frauen ausgehen.", spaßte Jimmy.
"Ich bin schon ein großer Junge, Jimmy. Du musst mich nicht mehr verkuppeln."
Mit einem herausfordernden Grinsen beugte sich Jimmy näher zu ihm hin und raunte: "Beweis es mir!"
Chriss beugte sich ebenfalls nach vorne und streckte Jimmy die Hand hin. "In einer Woche hab ich eine an der Stange."
"Eine Woche? Pah! Das würde sogar der Papst schneller schaffen. In drei Tagen."
"Schön, in drei Tagen.", antwortete Chriss und schlug ein.
Verdammt, fluchte er im selben Augenblick. Was habe ich mir da eingebrockt!
Das musste wohl wieder sein Stolz gewesen sein, der ihn dazu gebracht hatte, Jimmy beweisen zu wollen, dass er nicht verklemmt war und seine Dates selber regeln konnte.
Zufrieden lehnte Jimmy sich wieder zurück.
"Es ist ziemlich unfair, Wetten abzuschließen, ob man es schafft, ein Mädchen rumzukriegen oder nicht.", sagte Kim.
"Er hat mich dazu angestiftet!", beschwerte sich Chriss und deutete auf Jimmy, als wäre dieser ein Schwerverbrecher.
"Du hättest ja nicht annehmen müssen. Du bist keine 15 mehr, Chriss, wo man immer cool und unberechenbar sein muss. Du musst uns nichts vormachen."
Zusätzlich zu seinem angeknacksten Stolz bekam er auch noch Schuldgefühle, als er Kim zuhörte. Und das zentnerschweren Gewicht, das schon seit zehn Jahren, seit Lilly ihn verlassen hatte, auf seinem Herzen lastete, wurde noch um einige Kilo schwerer. Er hatte nie mit jemandem über seine Gefühle, seine Ängste und seine Gedanken geredet. Nie hatte er jemandem sagen können, wie sehr er Lilly geliebt hatte, wie er sich gefühlt hatte, als sie gegangen war. Und nach und nach, je mehr Jahre vergingen, machte sich das Bedürfnis in ihm breit, doch mit jemandem darüber zu reden.
Aber die einzige Person, die ihm wirklich zugehört, ihn verstanden, und ihm auch das Gefühl gegeben hatte, verstanden zu werden, war Lilly gewesen. Sie hatte ihn immer aufmerksam angesehen, während er ihr von seinen Problemen
erzählt hatte, und immer war sie da gewesen, wenn er sie gebraucht hatte. Kein einziges Mal hatte sie ihm zu verstehen gegeben, dass sie es komisch fand, dass er sich häufiger bei ihr aussprach, als sie sich bei ihm. Und mit seiner großen Liebe war auch seine beste Freundin verschwunden ...
"Chriss?"
Die Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. "Was?"
"Ich habe dich gefragt, ob du noch bis zum Abendessen bleiben willst."
"Oh ... äh ... nein, ich muss langsam los.", stotterte er.
"Schon?", fragte Kim. "Nun, dann grüß mir meine Hannah. Und sag ihr, sie soll sich mal wieder hier blicken lassen."
"Klar.", antwortete er und stand auf.
"War schön, dich wieder zu sehen.", sagte Verena und umarmte ihn. Zu überrascht wegen dieser vertrauensvollen Geste erwiderte er sie nicht.
"Ja, finde ich auch.", antwortete er nur.
"Denk an die Wette.", grinste Jimmy und gab ihm einen Handschlag.
"Kommt drauf an, um wieviel du wettest."
"Fünfzehn Euro, dass du es nicht schaffst."
"Zwanzig. Und ich schaff's in weniger als drei Tagen."
"Abgemacht." Sie schlugen noch einmal ein, um ihre Wette zu besiegeln.
Kim schüttelte den Kopf. "Das arme Mädchen."
Es dauerte noch weitere zehn Minuten, bis Chriss endlich wieder im Auto saß. Und genau das tat er auch. Er saß in seinem Auto, fuhr aber nicht weg. Er starrte bloß vor sich hin.
"Ich bin froh, dass er wieder da ist.", sagte Kim im Haus zu Verena, während sie ihn vom Fenster aus beobachteten.
"Ich weiß."
"Was glaubst du, hat Lilly ihn schon gesehen?"
Verena zuckte mit den Schultern. "Ich denke nicht."
Sie sahen, wie er schließlich abfuhr und aus der Ausfahrt bog.
"Ich frage mich gerade, wie sie wohl reagiert, wenn sie ihn sieht.", dachte Verena diesmal laut.
"Sie wird wahrscheinlich nicht sehr glücklich darüber sein."
"Hast du auch das Gefühl, er gibt sich die Schuld dafür?"
"Ja. Irgendwann wird er entweder mit jemandem darüber reden müssen, oder er wird daran zerfallen."
"Ich hoffe, er tut das, was gut für ihn ist."
"Das wird er. Da bin ich mir sicher."

Währenddessen kam Chriss gerade an der Stadtgrenze an, als er plötzlich scharf nach rechts abbog, wieder zurückfuhr und ein protestierendes Hupen seitens der nachfolgenden Autofahrer auslöste.
"Ihr könnt mich auch mal.", murmelte er und steuerte an sein Ziel zu, felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Er musste endlich etwas dagegen tun. Er musste von seiner Vergangenheit, von seinen Erinnerungen, von Lilly wegkommen. Oder es wenigstens versuchen. Er musste wissen, was er dachte. Was er fühlte. Ob er Lilly wirklich noch liebte, wie er die ganze Zeit glaute. Und er wusste, was zu tun war ...
#17

ein neuer teil ...


Teil 6


Die frische Luft, das entfernte Plätschern des Baches ließ ihn zögern. Er stand vor der riesigen Allee, an der zu beiden Seiten große Bäume entlangführten. Unsicher blickte er sich noch einmal um, als ob er sich davon überzeugen wollte, dass keiner ihm gefolgt war. Sein Auto hatte er ein paar Meter hinter ihm geparkt.
Er hatte nur einen Gedanken: Er wollte durch diese Allee gehen, ohne an etwas, an sie, denken zu müssen. Doch kaum hatte er die Hälfte des Weges zurückgelegt, stürzten die Erinnerungen auf ihn ein. Er glaubte, in dem
Wäldchen links neben ihm den Feuerschein von Kerzen gesehen und Stimmen gehört zu haben, wo er und Lilly einmal zusammen gepicknickt hatten, doch das war alles eine Sinnestäuschung.
Den Rest der Allee legte er fast rennend zurück.
Schließlich blieb er stehen, weil er sein Ziel erreicht hatte. Das unberührte Stückchen Natur, das Lilly und ihn verbunden hatte. Weil es ihrer beider Lieblingsplatz gewesen war. Schon von seinem Standpunkt aus sah er in
einiger Entfernung die großen Gebäude, wie zum Beispiel seine alte Schule. Dann fiel sein Blick auf den Bach. Er war nicht sehr breit, jedoch tiefer, als er aussah. Über ihm verlief eine kleine Holzbrücke. Als er das große Loch sah, das
die Brücke schmückte und das fast so breit war wie die Brücke selbst, musste er unwillkürlich lächeln. Schon vor zehn Jahren hatte es dieses Loch gegeben. Und anscheinend hatte sich keiner die Mühe gemacht, das zu reparieren.
Als er plötzlich ein fröhliches Lachen und Bellen hörte, drehte er sich um. Auf der nahegelegenen Wiese, voller Blumen, Schmetterlingen, Blütenpollen und Sonnenstrahlen sah er eine junge Frau, die gerade mit zwei Hunden, der eine schwarz, der andere braun, im kniehohen Gras Fangen spielte.
Sie steckte in einer engen Jeans, die ihre schlanke Figur und Beine betonte, und in einem hellblauen Top, das sie am Nacken zusammengebunden hatte. Das lange braune, gelockte Haar flatterte im Wind, umspielte ein wunderschönes Gesicht. Und als er dieses ebenso bezaubernde Lachen hörte, spürte er gleichzeitig eine angenehme Wärme in sich aufsteigen.
So glücklich hatte er Lilly auch einmal gemacht. So glücklich, dass sie jedesmal strahlend auf ihn zugekommen war. Ohne dass er Witze hatte reißen oder sich wie ein Idiot hatte aufführen müssen.
Die Unbekannte lief auf der Wiese herum, ihr Gesicht hatte sie den Hunden zugewandt. Schließlich holten die Hunde sie ein und sprangen an ihr hoch. Wieder lachte sie vergnügt auf.
Er wandte sich wieder der Brücke zu. Sollte ja niemand denken, dass er ein Spanner war.
Plötzlich wurde alles um ihn herum still. Hinter sich hörte er Stimmen, und als er sich umdrehte, kamen ein Junge und ein Mädchen in seine Richtung gelaufen, die Lilly und ihm erschreckend ähnlich sahen. Er riss entsetzt die Augen auf, als er bemerkte, dass das tatsächlich Lilly und er waren, die da auf ihn zukamen. Nur waren sie eigentlich schon längst erwachsen und keine Jugendlichen mehr.
Sie gingen an ihm vorbei auf die Brücke zu, und während sein jugendlicher Verschnitt mit einem großen Schritt das Loch überging, blieb das Ebenbild von Lilly am Rande der Brücke stehen.
"Na los, Lilly. Komm schon.", sagte der Junge.
Jetzt, da er ihren Namen hörte, wusste er, dass das nicht bloß irgendein Junge und irgendein Mädchen waren. Er erinnerte sich, dasselbe, was sich gerade vor seinen Augen abspielte, schon mal mit Lilly erlebt zu haben.
Lilly schüttelte den Kopf. "Nein."
"Warum nicht? Hey, das ist nur ein kleines Loch. Da kannst du locker drüber weg laufen."
"Ich habe Angst."
"Brauchst du nicht. Ich bin da. Und wenn du doch reinfallen solltest, springe ich dir hinterher und rette dich. Also komm." Chriss kam an das andere Ende des Loches und streckte seiner Freundin die Hand hin. Doch diese traute
sich immer noch nicht und schüttelte abermals den Kopf.
Er ließ die Hand wieder sinken. "Ok. Was muss ich tun, damit du doch rüberspringst?"
"Können wir nicht einen anderen Weg nehmen?"
"Süße, wir kommen jeden Tag hier vorbei. Das Loch gibt's zwar erst seit einer Woche, aber du hast es immer geschafft, hier drüber zu springen. Und heute wirst du es wieder schaffen."
Zögernd ging Lilly einen Schritt auf das Loch zu und sah hinein. Das Wasser floss gemächlich unter der Brücke durch. Aber falls sie hineinfallen sollte ...
"Komm schon, Süße. Ich weiß, dass du das schaffen wirst. Ich lade dich auch zu einem Eis ein."
Sie holte einmal tief Luft, griff nach Chriss' Hand und sprang schließlich über das Loch. Und wie es schon seit einer Woche war, landete sie stolpernd in Chriss' Arme. Sie drückte ihr Gesicht gegen seine Schultern.
Er lachte. "Na siehst du. War doch gar nicht so schlimm..." Er gab ihr einen Kuss auf ihren Scheitel und zog sie mit sich weiter, Richtung Zuhause ...
"Alles in Ordnung mit Ihnen?"
Eine weibliche Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Es war ihm so echt vorgekommen. So wirklich. Gar nicht wie ein Traum. Aber es war einer. Er war schließlich keine 15 mehr ... Und er war nicht mehr glücklich, nicht mehr mit Lilly zusammen.
Er sah den Störenfried an. Es war die Frau gewesen, die mit den Hunden gespielt hatte. Besagte Tiere schnüffelten gerade begeistert an ihm herum.
"Jaja, alles klar. Ich war nur in Gedanken."
Sie legte den Kopf schief und sah ihn belustigt aus atemberaubend blauen Augen an. "Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Hatten wohl nicht genug Schlaf, nicht wahr?" Er nickte bloß, zu sehr in dieses Blau versunken. Natürlich hatte er schon oft blaue Augen gesehen, er hatte auch welche. Aber noch nie waren sie so ... so intensiv blau gewesen. Hatten ihn so stark in den Bann gezogen. Und keine von denen, die er schon gesehen hatte, hatten dieses fast schon geheimnisvolle Funkeln gehabt.
"Sind Sie krank? Oder brauchen Sie vielleicht Hilfe? Wissen Sie, meine Freunde sagen immer, ich kann genauso gut zuhören, wie ich viel reden kann. Und ich rede sehr viel, glauben Sie mir."
Er zuckte mit den Schultern. "Weiß nicht."
"Na, ich schreib Ihnen einfach meine Adresse auf. Sie können ja dann mal vorbei kommen, wenn Sie wollen."
Bevor er reagieren konnte, hatte sie schon einen Zettel und einen Stift aus ihrer Gürteltasche geholt und ihre Adresse draufgeschrieben.
Paradiesgasse 18. Er kannte diese Straße. Dort, wo er zur Zeit wohnte, gab es auch eine Straße mit diesem Namen.
Er verprach sich, mal vorbeizuschauen und zu sehen, ob die Straße den Namen Paradies verdient hatte.
"Danke. Ich werde mich melden."
Noch immer war er mit den Gedanken woanders. Wäre das nicht so gewesen, hätte er bemerkt, dass er vor ihr stand, und mit ihr redete.
Lilly. Seine Lilly ...


Also, ich finde, mir ist der Teil am Bach nicht so ganz gelungen, ich habe mir das ein bisschen anders vorgestellt.
Wie findet ihr ihn?
#18

Hy silberschnatz:hi:

also ich habe gerade deine FF gelsen und find sie überaus gut, sie ist so fesselnd geschrieben,an manchen stellen so spannend das ich es gar nicht abwarten konnte weiter zu lesen, du kannst das echt gut.
also ein dickes kompliment an deien schreibstil, supie supie
freu mich schon auf den nächsten teilTop :freu: Smile

lg salzstange
#19

der neue teil ist relativ kurz, aber ich habe ihn etwas abgekürzt, weil er sonst zu lang gewesen wäre.
also, los gehts:


Teil 7

Wieder zu Hause beschloss er, die Unbekannte schon heute zu besuchen. Aber erst musste er sich mal frisch machen, sich rasieren, und was Ordentliches anziehen. Er sah aus wie der letzte Dreck. Also kämpfte er sich aus seinem zerknitterten Hemd und ging ins Badezimmer.
Er lehnte seine Stirn an die gräßlichen, kühlen Kacheln, während das heiße Wasser auf seinen Rücken herabprasselte und seine Anspannung mitnahm. Im Stillen dankte er den Erfinder der Dusche. Er wüsste nicht, wie er ohne sie
leben sollte.
Als er nach der Dusche in den Spiegel sah, fand er, dass er wesentlich besser aussah, als zuvor. Selbst die dunklen Augenringe waren verblasst und er hatte wieder eine Gesichtsfarbe, die einigermaßen normal aussah.
Er drückte sich eine ordentliche Portion Rasierschaum in die Hand und schmierte sich damit sein Kinn voll, griff nach seinem Rasierer und machte sich daran, seine Stoppeln wegzurasieren.
Bevor er wieder in sein Zimmer zurückging, gelte er sich allerdings noch einmal die Haare. Dann zog er sich eine saubere Jeans und ein sauberes, blaues Hemd an. Gerade hatte er den letzten Knopf zugemacht, als Hannah - wie immer ohne zu klopfen - sein Zimmer betrat.
"Du solltest dir mal angewöhnen, anzuklopfen. Das ist unhöflich. Was willst du zum Beispiel machen, wenn ich gerade mit einer Blondine im Bett beschäftigt bin?", fragte er.
"Das wird so schnell nicht passieren. Dafür musst du erst einmal mit einer Blondine reden."
Hannah lehnte sich an den Türrahmen und betrachtete ihren großen Bruder. Er sah jetzt wirklich besser aus als vorher. "Siehst du, du kannst auch gut aussehen."
Er verdrehte die Augen. "Nicht du auch noch."
"Doch, das stimmt. Du siehst aus wie James Dean."
Bei diesen Worten sah er sie aus zusammengekniffenen Augen an. "James Dean ist tot, Hannah."
"Ich meine nur, dass du so aussiehst wie James Dean, wenn er noch leben würde."
"Wenn er noch leben würde, wäre er 74."
"Ja, aber er lebt nicht mehr. Er ist mit 24 Jahren gestorben, also wissen wir nur, wie er mit 24 aussah, und ich finde, du siehst so aus wie James Dean mit 24."
Völlig verwirrt von Hannahs Redefluss schüttelte er nur den Kopf und wandte sich ab.
"Warum hast du dich schick gemacht?", fragte sie.
"Ich habe mich nicht schick gemacht."
"Oh, nein? Dann muss ich mich wohl getäuscht haben. Muss an meinen Augen liegen.", sagte sie ironisch.
Er sah auf den Boden. "Ich geh nur kurz raus. Luft schnappen.", log er.
Er konnte ihr nicht sagen, dass er eine Frau besuchen ging. Das klang von ihm schwachsinnig. Hannah würde das als Scherz ansehen, nach all den Jahren, die er noch nicht einmal an eine andere Frau außer Lilly gedacht hatte.
"Und dafür musst du dich umziehen?" Hannah hob skeptisch eine Augenbraue.
"Seit wann darfst du mich über meine Angelegenheiten durchlöchern, aber ich dich nicht?"
"Du fragst mich ja nie was."
Er stöhnte genervt auf und ging an ihr vorbei die Treppe hinunter.
"Du willst jetzt wirklich noch weg?"
"Ich bin 25, es ist erst kurz vor sieben, hell, als wäre es mittag und ich kann gut auf mich selbst aufpassen, Schwesterherz."
"Schön. Viel Spaß bei deinem Spaziergang."

Als er den Wegweiser mit der Aufschrift 'Paradiesgasse' sah, drosselte er das Tempo und lehnte sich weiter nach vorne, um die Hausnummern zu erkennen.
Das Haus, zu dem er wollte, stand etwas abseits der anderen Häuser. Es war ziemlich groß und hatte strahlend weiße Wände. Die Veranda war von einem Balkon überdacht, an dessen Geländer sich rote Rosen und Efeu rankten.
Es sah aus wie in einem Märchen. Oder in einem Paradies.
Er parkte seinen Wagen in der Auffahrt hinter einem silbernen Jeep Cherokee und stieg aus. Richtig schön hier, dachte er.
Es roch so nach ... Er wusste nicht, wie er diese Düfte, die er einatmete, die ihn irgendwie beruhigten, beschreiben sollte.
Mit einem beschwingenden Gefühl, als stünde er unter Drogen, stieg er die fünf Treppenstufen zur Tür hinauf. Mechanisch drückte er auf die Klingel und warf einen Blick auf das Namesschild.
C. Brandner & A. & R. Seifert.
Er runzelte die Stirn. Brandner? Lillys Nachname war auch Brandner gewesen. Aber er kannte keine C. Brandner.
Gerade hörte er Schritte, als es ihm siedend heiß einfiel:
Lilly war nur der Spitzname für Carolina gewesen! Er stand hier vor Lillys Haus, hatte heute sogar schon mit ihr gesprochen, ohne es zu merken!
"Oh, verdammt!"
Er wollte schnell verschwinden, hatte sich schon umgedreht und war eine Stufe runtergegangen, als sich die Tür mit einem Ruck öffnete. Ein weiteres Mal drehte er sich zur Tür um.
Dann stand er vor ihr.
#20

hi!

deine geschichte ist echt gut! sie ist total spannend! vorallem jetzt! wo er vor Lily steht! wie er sich wohl verhält?!?
bin schon gespannd! also weiter schreiben! bitte!!!Smile

LG


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