13.06.2005, 20:23
also, hier kommt nach langer zeit der nächste teil:
Teil 8
Er starrte sie an. Sie hatte die enge Jeans gegen einen weiÃen Minirock ausgetauscht, der seinerseits lange, braun gebrannte Beine freilegte. Anstatt dem Top trug sie noch ein blassgrünes T-Shirt, an dem ein riesiger grüner Schmetterling prankte, der mit Paillettensteinchen verziert worden war.
"Na sieh mal einer an. Sie sind ja schnell." Lilly legte wieder den Kopf schief und sah ihn an. "Und Sie sehen anders aus. Waren Sie bei einem Stylisten?"
Warum erkennst du mich nicht?!, wollte er brüllen. Unsere Eltern kennen sich schon seit der Grundschule, wir kennen uns schon unser Leben lang, wir waren zwei Jahre zusammen, also warum erkennst du mich nicht?!
"Hatte nichts Besseres vor.", antwortete er nur.
"Kommen Sie rein." Sie trat einen Schritt zurück, damit er vorbei gehen konnte. Als er dies tat, wurde er von einem süÃen, angenehmen und betörenden Duft umgeben, der sein Herz schneller schlagen lieÃ.
"Wollen Sie einen Kaffee oder so?"
"Ja, Kaffee ist gut.", erwiderte er und setzte sich an den Küchentresen.
Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen um an den Geschirrschrank über der Arbeitsplatte zu kommen. Sie holte eine grüne und eine blaue Kaffeetasse heraus und drehte sich mit ihnen in der Hand zu ihm um.
"Sagen Sie, wie heiÃen Sie eigentlich? Ist langsam ein bisschen umständlich, die ganze Zeit nur 'Sie' zu sagen."
Er sah sie an. "Chriss."
Die Tassen zerbrachen klirrend auf dem Fliesenboden und gleichzeitig weiteten sich ihre Augen vor Schreck.
"Was?"
"Ich heiÃe Chriss."
Sie wich ein paar Schritte zurück. "Oh mein Gott!"
"Lilly, ich ..." Doch dann brach er ab. Was sollte er schon sagen? 'Hi, Lilly! Wie gehts denn so? Tut mir leid, was ich vor zehn Jahren gemacht habe, aber vielleicht können wir ja Freunde sein?' Sie würde ihn für verrückt erklären.
Zwischen ihnen breitete sich eine unangenehme Stille aus, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Während Lilly die Glasscherben einsammelte, sie wegwarf und sich immer wieder fragte, was er hier zu suchen hatte, wieso sie ihn nicht erkannt hatte, versuchte Chriss gegen die Erkenntnis anzukämpfen, dass er sie noch immer mehr als alles andere auf der Welt liebte.
"Also ...", fing er nach einer Weile an, wurde aber unterbrochen, als jemand polternd die Treppe heruntergestürmt kam.
"Verdammt, Ronny, hör auf hier rumzurennen!", sagte Lilly zu dem Jungen, der nun auf der letzten Treppenstufe stand und die beiden interessiert beobachtete.
Auch Chriss musterte ihn. Er war noch ein Jugendlicher, höchstens siebzehn, hatte dunkelblonde Haare und grüne Augen. War recht groà und sportlich gebaut.
"Hallo.", sagte Chriss zu ihm.
"Hi."
Damit war das BegrüÃungsbedürfnis der beiden vollkommen abgedeckt.
"Was ist?", fragte Lilly.
"Kann ich ..."
"Sag bloà nicht ja!", schrie plötzlich jemand von oben und kam heruntergestürmt. Diesmal war es ein Mädchen.
"Amy, halt die Klappe.", stöhnte Ronny und verdrehte die Augen.
"Was denn? Es ist unfair, wenn du noch um sieben Uhr rausdarfst, aber ich nicht!"
"Du bist vierzehn, Kleine. Ich bin sechzehn. Das ist ein Unterschied. AuÃerdem hast du kein Date. Ich aber schon."
"Du hast kein Date. Du triffst dich nur mit Barbie, damit du mit ihr ins Bett kannst."
"Sie heiÃt nicht Barbie. Sie heiÃt Mona."
"Wenn sie aussieht wie Barbie, dann heiÃt sie auch Barbie."
"He, Moment mal, Kinder. Ich habe nie gesagt, dass Ronny heute noch rausdarf.", mischte sich Lilly ein.
"Ja, weil ich dich nicht gefragt habe."
"Dann tu's doch."
"Kann ich mich heute noch mit Mona treffen?"
"Es ist sieben Uhr."
"Na und? Es ist Samstag."
"Schreibst du nicht am Montag eine Arbeit, Ronny?", fragte Amy mit zuckersüÃer Stimme.
"Amy.", warnte Ronny seine Schwester. Sie schienen Chriss völlig vergessen zu haben.
"So?" Lilly hob eine Augenbraue. "Dann solltest du lieber lernen, sonst bekommst du bei einer weiteren 5 vier Wochen Hausarrest."
"Das ist unfair!", protestierte Ronny.
"Dafür gehen wir heute zusammen essen.", schlug sie vor, seinen Protest ignorierend. "Wohin wollt ihr?"
"ChickenWorld!"
"Junkie's!"
"Okay. Ich hab's gewusst. Amy, hol die Zettel."
Während Amy ins Wohnzimmer verschwand, fragte Chriss: "Was für Zettel?"
Lilly wandte sich ihm zu. Sie schien jetzt wieder völlig beruhigt, im Vergleich zu vorhin, als er seinen Namen genannt hatte. Aber das lag daran, dass sie in den vergangenen Jahren gelernt hatte, nie ihre wahren Geföhle zu zeigen und niemandem sofort zu vertrauen. Das Schicksal hatte sie nämlich eines bessseren belehrt.
"Das haben sie öfter. Wenn sie sich nicht entscheiden können, wohin wir gehen, nehmen wir immer unsere Zettel. Da haben wir alle Restaurants und so weiter aufgeschrieben, die wir in Ordnung finden. Es wird so gespielt
wie Flaschendrehen. Nur dass wir hier einen Stift nehmen und aussuchen, wo wir essen."
"Aha.", sagte er, verwirrt von dieser Logik.
Sekunden später kam Amy wieder zurück, ein Packen Zettel in der Hand.
Rituell verteilten sie die Zettel in Kreisform auf dem Küchentisch, holten einen Bleistift aus einer Schublade und beugten sich vor, als Lilly den Stift in die Mitte legte und ihn drehte.
Selbst er lehnte sich gespannt nach vorne.
Lilly nickte zufrieden, als der Stift mit der Spitze auf 'Don Giovanni' zeigte.
"Schön, dann kann ich ja mal wieder mit Paco plaudern. Also. Zieht euch was Schickes an. In einer Stunde gehen wir."
Nachdem Amy und Ronny motzend nach oben gegangen waren, stand Chriss auf. "Lilly."
Sie drehte sich zu ihm um. "Ja?"
"Kann ich dich was fragen?" Sie nickte.
Er sah zu Boden. "Habe ich dich wirklich so sehr verletzt?"
Als er sie wieder ansah, sah er den Schmerz, die Trauer in ihren Augen. "Tut mir leid, das hätte ich nicht fragen sollen."
"Ja.", antwortete sie. Und er wusste, was sie damit meinte.
"Das wollte ich nie. Ich wollte dir nie wehtun."
"Ich weiÃ."
Wieder breitete sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen aus, die gleichzeitig voller Spannung war.
"Ich sollte gehen. Hannah wartet sicher schon."
"Chriss!", rief sie ihm nach, als er schon an der Tür war. Er drehte sich zu ihr um.
"Du hast doch gehört, wir wollen gleich Essen gehen. Hättest du Lust, mitzukommen?"
Verlüfft starrte er sie an. Hatte sie ihn das wirklich gefragt?
Dieselbe Frage stellte sich auch Lilly. Was war nur in sie gefahren, dass sie diesen jungen Mann, der ihr Leben zerstört hatte, zu fragen, ob er mit ihr Essen gehen würde? Aber wollte sie das denn nicht? Hatte sie nicht, als er seinen Namen genannt hatte, wieder dieses Kribbeln gespürt? Hatte sie ihn nicht die letzten zehn Jahre schrecklich vermisst? Sich gewünscht, dass alles nur ein Traum, sie immer noch mit ihm zusammen war?
Er nickte. "Klar."
Sie nickte ebenfalls. "Gut. Ok. Ãhm ... du müsstest noch kurz warten. Ich muss mich umziehen."
Ohne ein weiteres Wort verschwand sie ebenfalls nach oben.
Während er sich wieder an den Küchentresen setzte, kam Ronny runter.
"Hi.", fing diesmal Ronny an.
"Hi."
"Woher kennst du Lilly?"
"War früher mit ihr befreundet."
"Und was machst du beruflich? Du siehst aus wie ein SpieÃer."
Er warf Ronny einen warnenden Blick zu. "Ich bin Polizist."
"Ah. Welches Dezernat?"
"In Stuttgart war ich im Eigentums-, Strafdelikts- und Drogendezernat. Hier fange ich am Montag an. Mache dasselbe."
"Cool. Hast du schon mal was von den gesammelten Drogen geschnorrt?"
"Nee. Aber ich habe mir mal für ein paar Stunden eine Spritztour mit einem Lambourghini aus der Polizeigarage erlaubt."
Ronnys Augen weiteten sich. "Du hast ein Auto geklaut? Einen Lambourghini? Oh Mann, das ist echt krass."
Chriss grinste. "Das hat schon jeder in unserem Revier gemacht."
"Haben sie euch nicht erwischt?"
"Konnten niemandem was anhängen. AuÃerdem war er bei mir nach vier Stunden wieder da."
"Ich glaube, ich werde auch Polizist. Wenn ihr da so heiÃe Kisten in der Garage stehen habt ..."
"Du solltest erst einmal die zehnte Klasse schaffen." Amy hüpfte die letzte Stufe hinunter.
Sie trug ein rot-schwarzes, mit Blumen verziertes Kleid.
"WeiÃt du, du solltest öfter mal so rumlaufen. Dann bräuchte ich mich nicht so für dich schämen.", meinte Ronny, nachdem er sie lange betrachtet hatte.
"Und du solltest dich umoperieren lassen. Damit dich keiner mehr erkennt. Du weiÃt ja gar nicht, was ich alles durchmachen muss, seitdem wir in der Stadt zusammen erwischt wurden.", konterte Amy gekonnt.
"Wow, das war gut.", sagte Chriss beeindruckt. Das sollte er vielleicht mal bei Hannah ausprobieren, wenn sie ihn mal wieder nervte.
"Was war gut?", fragte Lilly und kam die Treppe heruntergeschlendert. Sie hatte sich in ihrem Zimmer gesagt, dass das kein Date war, schlieÃlich waren Amy und Ronny noch dabei. Und auÃerdem waren sie und Chriss ja eigentlich ihr Leben lang befreundet gewesen. Es war also nur ein rein freundschaftliches Treffen. Er war zwar nicht mehr ihr Freund, aber er war ihr bester Freund. Und es gab ja nichts daran auszusetzen, mit dem besten Freund Essen zu gehen. Nun war sie wieder fast ganz die alte Lilly. Aber nur fast.
Denn sie bemerkte Chriss' Blick, der ihr bis unter die Haut ging. Und wieder spürte sie dasselbe Kribbeln, das sie schon vor zehn Jahren gefühlt hatte, als sie noch zusammen waren.
Sie sah in seine Augen, sah das, was sie früher immer das 'Chriss-Phänomen' genannt hatte. Denn jedesmal, nachdem sie sich geküsst hatten oder wenn er mal wieder besonders gut drauf gewesen war, waren sie tiefblau geworden. Hatte er stattdessen schlechte Laune, irgendetwas auf dem Herzen oder war traurig, hatte das Grau dominiert. Und wenn er
nachdenklich war, oder einfach nur ruhig, waren sie ganz normal blaugrau gewesen. Sie hatte immer in seinen Augen seine Gefühle ablesen können, wenn er es ihr nicht hatte sagen wollen. Und diesmal waren sie so dunkelblau, dass man es auch von weitem als Schwarz hätte deuten können.
Und sie fragte sich, ob das Kleid nicht zu gewagt war. Es war aus beigem Chiffonstoff und reichte ihr bis über den halben Oberschenkel. Ihre FüÃe stecken in hellbraunen Wildlederstiefeln, mit einem fünf oder sechs Zentimeter hohen Absatz.
Sie hatte sich nur wenig geschminkt, doch trotzdem hatte sie es geschafft, ihre ohnehin unglaublichen Augen noch mehr zu betonen. Sie strahlten ihn förmlich an.
Ronny pfiff begeistert durch die Zähne. "Hey, wenn du jünger als ich wärst, würde ich mit dir ausgehen."
"Und wer sagt, dass ich das machen würde?"
"Ich."
Lilly schüttelte den Kopf. "Ok, wir können losgehen."
Chriss stand auf. "Ist es weit?"
"In der Stadt." Sie musste zu ihm aufsehen. "Aber hallo, du bist ja ein ganz GroÃer geworden.", sagte sie, denn ihre Augen befanden sich trotz ihrer Absätze unterhalb seiner Nasenspitze.
"Vielleicht bist du einfach nur geschrumpft."
"Wie groà bist du?"
"1,84."
"Oh. Neun Zentimeter."
"Was?"
"Nichts. Lasst uns gehen." Wortlos schlüpfte sie an ihm vorbei zur Tür.
"Du hast mich zugeparkt.", sagte sie schmollend, als sie seinen Wagen hinter ihrem stehen sah.
"Ich wusste nicht, dass man hier noch woanders parken kann."
"Du hast mich zugeparkt.", wiederholte sie.
"Tut mir furchtbar leid.", antwortete er nicht gerade überzeugend.
"Idiot."
"Wenn ich dich zugeparkt habe, können wir ja einfach meinen Wagen nehmen."
"Du willst mir doch nur zeigen, wie toll deiner ist. Und um mir das zu beweisen musst du mich zuparken, weil du sonst keine Chance hättest, mich da reinzukriegen. Ich wette, während der Fahrt kaust du mir ein Ohr ab, was dein Wagen doch alles kann oder so."
"Oder so."
Er schloss die Tür auf und stieg ein.
"Hier liegt ein Kaffeebecher rum.", meldete sich Ronny von hinten, während Lilly sich zu Chriss nach vorne setzte.
"War mein Kaffee von heute Mittag. Schmeiss ihn einfach auf den Boden."
Dann war es still im Auto. Niemand sagte etwas. Und doch war die Stille im Auto anders als die, die in Lillys Haus geherrscht hatte. Denn hier entfachten wieder alte und unvergessene Gefühle.
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Teil 8
Er starrte sie an. Sie hatte die enge Jeans gegen einen weiÃen Minirock ausgetauscht, der seinerseits lange, braun gebrannte Beine freilegte. Anstatt dem Top trug sie noch ein blassgrünes T-Shirt, an dem ein riesiger grüner Schmetterling prankte, der mit Paillettensteinchen verziert worden war.
"Na sieh mal einer an. Sie sind ja schnell." Lilly legte wieder den Kopf schief und sah ihn an. "Und Sie sehen anders aus. Waren Sie bei einem Stylisten?"
Warum erkennst du mich nicht?!, wollte er brüllen. Unsere Eltern kennen sich schon seit der Grundschule, wir kennen uns schon unser Leben lang, wir waren zwei Jahre zusammen, also warum erkennst du mich nicht?!
"Hatte nichts Besseres vor.", antwortete er nur.
"Kommen Sie rein." Sie trat einen Schritt zurück, damit er vorbei gehen konnte. Als er dies tat, wurde er von einem süÃen, angenehmen und betörenden Duft umgeben, der sein Herz schneller schlagen lieÃ.
"Wollen Sie einen Kaffee oder so?"
"Ja, Kaffee ist gut.", erwiderte er und setzte sich an den Küchentresen.
Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen um an den Geschirrschrank über der Arbeitsplatte zu kommen. Sie holte eine grüne und eine blaue Kaffeetasse heraus und drehte sich mit ihnen in der Hand zu ihm um.
"Sagen Sie, wie heiÃen Sie eigentlich? Ist langsam ein bisschen umständlich, die ganze Zeit nur 'Sie' zu sagen."
Er sah sie an. "Chriss."
Die Tassen zerbrachen klirrend auf dem Fliesenboden und gleichzeitig weiteten sich ihre Augen vor Schreck.
"Was?"
"Ich heiÃe Chriss."
Sie wich ein paar Schritte zurück. "Oh mein Gott!"
"Lilly, ich ..." Doch dann brach er ab. Was sollte er schon sagen? 'Hi, Lilly! Wie gehts denn so? Tut mir leid, was ich vor zehn Jahren gemacht habe, aber vielleicht können wir ja Freunde sein?' Sie würde ihn für verrückt erklären.
Zwischen ihnen breitete sich eine unangenehme Stille aus, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Während Lilly die Glasscherben einsammelte, sie wegwarf und sich immer wieder fragte, was er hier zu suchen hatte, wieso sie ihn nicht erkannt hatte, versuchte Chriss gegen die Erkenntnis anzukämpfen, dass er sie noch immer mehr als alles andere auf der Welt liebte.
"Also ...", fing er nach einer Weile an, wurde aber unterbrochen, als jemand polternd die Treppe heruntergestürmt kam.
"Verdammt, Ronny, hör auf hier rumzurennen!", sagte Lilly zu dem Jungen, der nun auf der letzten Treppenstufe stand und die beiden interessiert beobachtete.
Auch Chriss musterte ihn. Er war noch ein Jugendlicher, höchstens siebzehn, hatte dunkelblonde Haare und grüne Augen. War recht groà und sportlich gebaut.
"Hallo.", sagte Chriss zu ihm.
"Hi."
Damit war das BegrüÃungsbedürfnis der beiden vollkommen abgedeckt.
"Was ist?", fragte Lilly.
"Kann ich ..."
"Sag bloà nicht ja!", schrie plötzlich jemand von oben und kam heruntergestürmt. Diesmal war es ein Mädchen.
"Amy, halt die Klappe.", stöhnte Ronny und verdrehte die Augen.
"Was denn? Es ist unfair, wenn du noch um sieben Uhr rausdarfst, aber ich nicht!"
"Du bist vierzehn, Kleine. Ich bin sechzehn. Das ist ein Unterschied. AuÃerdem hast du kein Date. Ich aber schon."
"Du hast kein Date. Du triffst dich nur mit Barbie, damit du mit ihr ins Bett kannst."
"Sie heiÃt nicht Barbie. Sie heiÃt Mona."
"Wenn sie aussieht wie Barbie, dann heiÃt sie auch Barbie."
"He, Moment mal, Kinder. Ich habe nie gesagt, dass Ronny heute noch rausdarf.", mischte sich Lilly ein.
"Ja, weil ich dich nicht gefragt habe."
"Dann tu's doch."
"Kann ich mich heute noch mit Mona treffen?"
"Es ist sieben Uhr."
"Na und? Es ist Samstag."
"Schreibst du nicht am Montag eine Arbeit, Ronny?", fragte Amy mit zuckersüÃer Stimme.
"Amy.", warnte Ronny seine Schwester. Sie schienen Chriss völlig vergessen zu haben.
"So?" Lilly hob eine Augenbraue. "Dann solltest du lieber lernen, sonst bekommst du bei einer weiteren 5 vier Wochen Hausarrest."
"Das ist unfair!", protestierte Ronny.
"Dafür gehen wir heute zusammen essen.", schlug sie vor, seinen Protest ignorierend. "Wohin wollt ihr?"
"ChickenWorld!"
"Junkie's!"
"Okay. Ich hab's gewusst. Amy, hol die Zettel."
Während Amy ins Wohnzimmer verschwand, fragte Chriss: "Was für Zettel?"
Lilly wandte sich ihm zu. Sie schien jetzt wieder völlig beruhigt, im Vergleich zu vorhin, als er seinen Namen genannt hatte. Aber das lag daran, dass sie in den vergangenen Jahren gelernt hatte, nie ihre wahren Geföhle zu zeigen und niemandem sofort zu vertrauen. Das Schicksal hatte sie nämlich eines bessseren belehrt.
"Das haben sie öfter. Wenn sie sich nicht entscheiden können, wohin wir gehen, nehmen wir immer unsere Zettel. Da haben wir alle Restaurants und so weiter aufgeschrieben, die wir in Ordnung finden. Es wird so gespielt
wie Flaschendrehen. Nur dass wir hier einen Stift nehmen und aussuchen, wo wir essen."
"Aha.", sagte er, verwirrt von dieser Logik.
Sekunden später kam Amy wieder zurück, ein Packen Zettel in der Hand.
Rituell verteilten sie die Zettel in Kreisform auf dem Küchentisch, holten einen Bleistift aus einer Schublade und beugten sich vor, als Lilly den Stift in die Mitte legte und ihn drehte.
Selbst er lehnte sich gespannt nach vorne.
Lilly nickte zufrieden, als der Stift mit der Spitze auf 'Don Giovanni' zeigte.
"Schön, dann kann ich ja mal wieder mit Paco plaudern. Also. Zieht euch was Schickes an. In einer Stunde gehen wir."
Nachdem Amy und Ronny motzend nach oben gegangen waren, stand Chriss auf. "Lilly."
Sie drehte sich zu ihm um. "Ja?"
"Kann ich dich was fragen?" Sie nickte.
Er sah zu Boden. "Habe ich dich wirklich so sehr verletzt?"
Als er sie wieder ansah, sah er den Schmerz, die Trauer in ihren Augen. "Tut mir leid, das hätte ich nicht fragen sollen."
"Ja.", antwortete sie. Und er wusste, was sie damit meinte.
"Das wollte ich nie. Ich wollte dir nie wehtun."
"Ich weiÃ."
Wieder breitete sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen aus, die gleichzeitig voller Spannung war.
"Ich sollte gehen. Hannah wartet sicher schon."
"Chriss!", rief sie ihm nach, als er schon an der Tür war. Er drehte sich zu ihr um.
"Du hast doch gehört, wir wollen gleich Essen gehen. Hättest du Lust, mitzukommen?"
Verlüfft starrte er sie an. Hatte sie ihn das wirklich gefragt?
Dieselbe Frage stellte sich auch Lilly. Was war nur in sie gefahren, dass sie diesen jungen Mann, der ihr Leben zerstört hatte, zu fragen, ob er mit ihr Essen gehen würde? Aber wollte sie das denn nicht? Hatte sie nicht, als er seinen Namen genannt hatte, wieder dieses Kribbeln gespürt? Hatte sie ihn nicht die letzten zehn Jahre schrecklich vermisst? Sich gewünscht, dass alles nur ein Traum, sie immer noch mit ihm zusammen war?
Er nickte. "Klar."
Sie nickte ebenfalls. "Gut. Ok. Ãhm ... du müsstest noch kurz warten. Ich muss mich umziehen."
Ohne ein weiteres Wort verschwand sie ebenfalls nach oben.
Während er sich wieder an den Küchentresen setzte, kam Ronny runter.
"Hi.", fing diesmal Ronny an.
"Hi."
"Woher kennst du Lilly?"
"War früher mit ihr befreundet."
"Und was machst du beruflich? Du siehst aus wie ein SpieÃer."
Er warf Ronny einen warnenden Blick zu. "Ich bin Polizist."
"Ah. Welches Dezernat?"
"In Stuttgart war ich im Eigentums-, Strafdelikts- und Drogendezernat. Hier fange ich am Montag an. Mache dasselbe."
"Cool. Hast du schon mal was von den gesammelten Drogen geschnorrt?"
"Nee. Aber ich habe mir mal für ein paar Stunden eine Spritztour mit einem Lambourghini aus der Polizeigarage erlaubt."
Ronnys Augen weiteten sich. "Du hast ein Auto geklaut? Einen Lambourghini? Oh Mann, das ist echt krass."
Chriss grinste. "Das hat schon jeder in unserem Revier gemacht."
"Haben sie euch nicht erwischt?"
"Konnten niemandem was anhängen. AuÃerdem war er bei mir nach vier Stunden wieder da."
"Ich glaube, ich werde auch Polizist. Wenn ihr da so heiÃe Kisten in der Garage stehen habt ..."
"Du solltest erst einmal die zehnte Klasse schaffen." Amy hüpfte die letzte Stufe hinunter.
Sie trug ein rot-schwarzes, mit Blumen verziertes Kleid.
"WeiÃt du, du solltest öfter mal so rumlaufen. Dann bräuchte ich mich nicht so für dich schämen.", meinte Ronny, nachdem er sie lange betrachtet hatte.
"Und du solltest dich umoperieren lassen. Damit dich keiner mehr erkennt. Du weiÃt ja gar nicht, was ich alles durchmachen muss, seitdem wir in der Stadt zusammen erwischt wurden.", konterte Amy gekonnt.
"Wow, das war gut.", sagte Chriss beeindruckt. Das sollte er vielleicht mal bei Hannah ausprobieren, wenn sie ihn mal wieder nervte.
"Was war gut?", fragte Lilly und kam die Treppe heruntergeschlendert. Sie hatte sich in ihrem Zimmer gesagt, dass das kein Date war, schlieÃlich waren Amy und Ronny noch dabei. Und auÃerdem waren sie und Chriss ja eigentlich ihr Leben lang befreundet gewesen. Es war also nur ein rein freundschaftliches Treffen. Er war zwar nicht mehr ihr Freund, aber er war ihr bester Freund. Und es gab ja nichts daran auszusetzen, mit dem besten Freund Essen zu gehen. Nun war sie wieder fast ganz die alte Lilly. Aber nur fast.
Denn sie bemerkte Chriss' Blick, der ihr bis unter die Haut ging. Und wieder spürte sie dasselbe Kribbeln, das sie schon vor zehn Jahren gefühlt hatte, als sie noch zusammen waren.
Sie sah in seine Augen, sah das, was sie früher immer das 'Chriss-Phänomen' genannt hatte. Denn jedesmal, nachdem sie sich geküsst hatten oder wenn er mal wieder besonders gut drauf gewesen war, waren sie tiefblau geworden. Hatte er stattdessen schlechte Laune, irgendetwas auf dem Herzen oder war traurig, hatte das Grau dominiert. Und wenn er
nachdenklich war, oder einfach nur ruhig, waren sie ganz normal blaugrau gewesen. Sie hatte immer in seinen Augen seine Gefühle ablesen können, wenn er es ihr nicht hatte sagen wollen. Und diesmal waren sie so dunkelblau, dass man es auch von weitem als Schwarz hätte deuten können.
Und sie fragte sich, ob das Kleid nicht zu gewagt war. Es war aus beigem Chiffonstoff und reichte ihr bis über den halben Oberschenkel. Ihre FüÃe stecken in hellbraunen Wildlederstiefeln, mit einem fünf oder sechs Zentimeter hohen Absatz.
Sie hatte sich nur wenig geschminkt, doch trotzdem hatte sie es geschafft, ihre ohnehin unglaublichen Augen noch mehr zu betonen. Sie strahlten ihn förmlich an.
Ronny pfiff begeistert durch die Zähne. "Hey, wenn du jünger als ich wärst, würde ich mit dir ausgehen."
"Und wer sagt, dass ich das machen würde?"
"Ich."
Lilly schüttelte den Kopf. "Ok, wir können losgehen."
Chriss stand auf. "Ist es weit?"
"In der Stadt." Sie musste zu ihm aufsehen. "Aber hallo, du bist ja ein ganz GroÃer geworden.", sagte sie, denn ihre Augen befanden sich trotz ihrer Absätze unterhalb seiner Nasenspitze.
"Vielleicht bist du einfach nur geschrumpft."
"Wie groà bist du?"
"1,84."
"Oh. Neun Zentimeter."
"Was?"
"Nichts. Lasst uns gehen." Wortlos schlüpfte sie an ihm vorbei zur Tür.
"Du hast mich zugeparkt.", sagte sie schmollend, als sie seinen Wagen hinter ihrem stehen sah.
"Ich wusste nicht, dass man hier noch woanders parken kann."
"Du hast mich zugeparkt.", wiederholte sie.
"Tut mir furchtbar leid.", antwortete er nicht gerade überzeugend.
"Idiot."
"Wenn ich dich zugeparkt habe, können wir ja einfach meinen Wagen nehmen."
"Du willst mir doch nur zeigen, wie toll deiner ist. Und um mir das zu beweisen musst du mich zuparken, weil du sonst keine Chance hättest, mich da reinzukriegen. Ich wette, während der Fahrt kaust du mir ein Ohr ab, was dein Wagen doch alles kann oder so."
"Oder so."
Er schloss die Tür auf und stieg ein.
"Hier liegt ein Kaffeebecher rum.", meldete sich Ronny von hinten, während Lilly sich zu Chriss nach vorne setzte.
"War mein Kaffee von heute Mittag. Schmeiss ihn einfach auf den Boden."
Dann war es still im Auto. Niemand sagte etwas. Und doch war die Stille im Auto anders als die, die in Lillys Haus geherrscht hatte. Denn hier entfachten wieder alte und unvergessene Gefühle.
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