Es tut ihm schon wieder leid, dass er so unwirsch zu der Garderobiere war, seinen Unmut an ihr ausgelassen hat. Aber der Tag liegt ihm schwer in den Knochen, die ganze Woche tut es, von Stadt zu Stadt ist er gehetzt, gestern Mailand, heute Paris, morgen Wien, ein fruchtloses Treffen nach dem anderen, alles was er will, ist sich auszuruhen und sei es nur in einem Hotelbett. Aber nein, man schleift ihn zu einem dieser Empfänge, Kontakte pflegen, Small Talk während er beinahe im Stehen einschläft. Ich bin einfach zu alt, denkt er, ertappt sich viel mehr bei diesem Gedanken und schiebt ihn sofort zur Seite. Nein, so einfach wird er es sich nicht machen, so einfach wird er es keinem machen. Nur weil die letzten Tage anstrengend und erfolglos waren, ist er nicht weniger gut. Im Gegenteil, noch nie konnte er auf so viele erfolgreiche Geschäftsabschlüsse verweisen, wie in den letzten Monaten. Also wird er auch diesen Abend überstehen, wird es kurz machen, eine Stunde und er wird sich höflich verabschieden.
Er betritt den Saal, hält überrascht inne, obwohl er niemals hier war, kommt ihm alles merkwürdig vertraut vor. Wenn es nicht so albern wäre, dann, nein â und dennoch, alles, die Blumen, die Tische, die Musik, alles trägt diese eine Handschrift. Mach dich nicht lächerlich, Richard, mahnt er sich selbst und greift nach einem Glas Champagner. Etwas ziellos streift er umher, hält Ausschau, weià selbst nicht nach was, bis er es schlieÃlich gefunden hat.
âWeiÃt du, erst dachte ich, ich bin übermüdet oder verrückt oder gar beides, aber scheinbar erfreue ich mich bester physischer und psychischer Gesundheit.â
Erschrocken fährt sie herum, sieht ihn mit leicht geöffnetem Mund an. âRichard!?! Was machst du denn hier?â
âDasselbe könnte ich dich fragenâ, entgegnet er, hebt die Augenbrauen dabei.
âIm Gegensatz zu dir stehe ich auf der Gästelisteâ, antwortet sie mit einem süffisanten Lächeln.
âWoher willst du das wissen?â
âWeil ich sie gemacht habe.â
âDu hast was?â, er verschluckt sich beinahe am Champagner, sie lacht ihn leise aus.
âDie Gästeliste. Genauso wie ich die Einladungen verschickt habe, die Blumen ausgewählt, das Essen, die Getränke.â
âUnd weswegen?â
âWeil es mein Job ist, deswegen, Richard.â
âOhâ, er nickt, verbirgt seine Verwirrung, beschlieÃt daher schlichtweg das Thema zu wechseln. âMöchtest du tanzen?â
Sie hebt erstaunt die Augenbrauen. âIch denke nicht, dass das einen sehr guten Eindruck machen würde.â
âDu hast Recht. Es würde wirklich kein gutes Licht auf dich werfen, mit einem Mann zu tanzen, der seiner Ex-Frau derart schlechten Unterhalt zahlt, dass sie arbeiten muss.â
Sie lacht. âDas hat nichts mit Geld zu tun, Richard.â
âWeshalb tust du es dann?â
âIchâ, ein Lächeln, sie nippt an ihrem Champagner. âIch weià es nicht. Es hat sich so ergeben. AuÃerdem kann man es nicht wirklich als Arbeit bezeichnen. Ich tue lediglich das, was ich jahrelang getan habe. Ich organisiere gediegene Gesellschaften.â
âGesellschaften?â
âEmpfänge, Soupers, Cocktailpartysâ, führt sie näher aus. âIm Prinzip ersetze ich meinen Kunden nur die Ehefrau, die sie nicht haben.â
âEmilyâ, ruft er aus, gespieltes Entsetzen, sie verdreht die Augen, lacht leise.
âNicht was du denkstâ, sie deutet mit ihrem Glas auf einen älteren Herrn, eine langbeinige Blondine im tief dekolletierten Kleid räkelt sich an seinem Arm. âGeorge Plisee. Der Gastgeber. In den drei Wochen, seit denen ich für ihn tätig bin, ist das die siebte Frau, die er zur Begleiterin hatâ, sie zeigt auf einen weiteren Mann, einige Meter weiter. âMarcel Rozier. Ich habe vor ein paar Monaten für ihn gearbeitet. Ein Firmenjubiläum. Er hatte zwar nicht ganz so viele Begleiterinnen wie Plisee, dafür aber eine umso extravagantere Auswahl.â
âExtravagant?â
âExotisch. Jung. Sehr jung. Verdammt jungâ, erklärt sie.
âWie jung?â
âDer achtzehnte Geburtstag dürfte bei keiner in allzu weiter Vergangenheit liegen.â
Er schüttelt mit einem leisen Zischen den Kopf, sein Blick bleibt an einem kleinen, gedrungenen Mann kleben. âWas ist mit ihm?â, erkundigt er sich.
âJean Lacostèe. Verheiratet mit dem rosa Farbknäuel am Buffet. Und das seit dreiundvierzig Jahren.â
âWie langweilig.â
âDie Stricher von Montmartre würden dir da eindeutig widersprechen.â
âGott!â
âOh, das ist nichts im Vergleich zu Albert Poulac.â
Er folgt ihrem Blick, der auf einem attraktiven Mittvierziger im eleganten Seidenanzug hängen bleibt. âWas ist mit ihm?â
âEr hat vergangenen Sommer geheiratet.â
âUnd?â
âIn Dänemark. Seinen zwanzigjährigen Stiefsohn.â
âDu machst Witze.â
âGanz und gar nicht.â
âDann muss ich dich ernsthaft darum bitten, nicht mehr in diesen Kreisen zu verkehren, Emily.â
âWeswegen?â
âDu weiÃt, was man über schlechte Gesellschaft sagt.â
âAus Lorelai ist doch trotzdem etwas gewordenâ, die bisherige Beschwingtheit ist verflogen. Als hätte sie sich plötzlich daran erinnert wer sie ist. Wer er ist.
âEmilyâ, er legt seine Hand beschwichtigend auf ihren Unterarm. âSie ââ
âWie war die Hochzeit?â
âLass uns tanzenâ, lenkt er ab, sie öffnet den Mund, um etwas zu erwidern, doch er ist schneller. âBitteâ, er drückt ihre Hand, sie seufzt, lässt sich von ihm auf das Parkett führen. Er zieht sie an sich, sie beginnen sich langsam im Takt der Musik zu bewegen.
âIch hatte ganz vergessen, was für ein guter Tänzer du bistâ, sagt sie nach einer Weile.
âNun, es ist schlieÃlich eine ganze Weile her, seit wir miteinander getanzt habenâ, entgegnet er lächelnd.
Sie sagt nichts, löst sich von ihm, das Lied ist zu Ende. âIch sollte mich besser wieder um meine eigentliche Aufgabe hier kümmernâ, sie dreht sich um, will gerade weggehen, als er sie aufhält.
âEmily?â
âRichard?â
âIch hoffe, das mit dem Tanzen ist das Einzige, was du vergessen hast.â
Sie lächelt ohne es zu merken. Es ist nicht ihr gewöhnliches Lächeln. Es muss eines sein, das jahrelang überlebt hat. Es kommt aus der Zeit, als sie noch keine Vergangenheit hatte.
***
Es ist schon spät, weit nach Mitternacht, ein kühler Wind pfeift über die menschenleeren Treppen. Sein Atem geht schwer, die letzten Stufen erklimmt er nur mit Mühe. Sie steht schon oben, versucht ihn nicht auszulachen, ihre Augen glitzern dennoch voll unverholenem Spott. SchlieÃlich ist auch er oben angelangt, sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen, doch er kommt ihr zuvor. âWage es, Emily. Wage es und ich werde dich die Böschung hinunter stoÃen.â
Sie hebt abwehrend die Hände. âIch wollte dich nur auf den schönen Blick hinweisen.â
âSicher dochâ, er schenkt ihr einen zweifelnden Blick, muss sich wieder beeilen ihr hinterher zu kommen, als sie mit zügigen Schritten die kleine Steigung auf dem Weg zur Sacre-Coeur nimmt.
âWie kannst du in diesen Schuhen nur so schnell sein?â, ruft er ihr hinterher und sie dreht sich ihm im Laufen zu.
âWie kannst du mit diesen langen Beinen nur so langsam sein?â, kontert sie, bleibt schlieÃlich vor den Stufen der Kirche stehen. âVoiláâ, sie deutet auf das Bauwerk. âDie Sacre-Couer. Zwischen 1876 und 1919 von Abadie erbaut. Der Stil: Romanisch-byzantinisch, daher die weiÃen Steine. Die Hauptkuppel hat die Höhe von 83 Metern. Und der Blick über Paris ist einfach atemberaubendâ, sie deutet auf die Stadt. Paris liegt im Dunkeln. Nun, nicht ganz. Natürlich nicht, tausende von StraÃenlaternen, erleuchteter Fenster und blinkender Reklametafeln erhellen die Stadt. Sie geht zu der schmalen Brüstung, deutet auf das Stadtbild. âSiehst du die breite StraÃe rechts von uns? Die Champs-Elysees. Links davon, hinter der Seine, das ist der Eifelturm. Der Tour Montparnasse, der Jardin du Luxemburg, Notre Dame, der Place de la Bastilleâ, erklärt sie die kleinen und gröÃeren Punkte. Er folgt ihrem Blick, achtet dabei mehr auf sie, als auf die Stadt. Sie sieht gut aus, glücklich. Es scheint, als sei sie ohne ihn besser dran, als hätte er sie gefangen gehalten. Er versucht nicht zu auffällig zu starren, mustert sie nur verstohlen. Sie trägt ein einfaches Ensemble, hochgeschlossen, ungewöhnlich für sie, feine Wolle, die Farben von Herbstblättern ziehen sich durch das grobmaschige Gewebe. Der Kastanienton darin gleicht sich genau mit dem ihrer Haare, sie passen zu ihr, diese Farben. Zum ersten Mal fragt er sich, wieso sie nicht schon früher gegangen ist. Weshalb sie blieb, bei ihm.
âKlingt so, als ob du öfter hier wärst.â
Sie zuckt mit den Schultern. âHin und wieder. Ja. Ich mag es hier. Es ist so ruhig und dennoch ist man in der Stadt. Am Rande zwar, aber sie liegt einem zu FüÃen. Es hat etwas Magisches an sichâ, sie lacht über ihre eigene Wortwahl.
âWenn das so ist, sollten wir diesen Ort noch eine Weile genieÃenâ, entgegnet er. âAuÃerdem hat mir der Aufstieg mehr zugesetzt, als ich jemals zugeben würde.â
âGerneâ, sie nickt, deutet mit dem Kinn auf eine der Bänke.
âWarteâ, hindert er sie daran Platz zu nehmen, schlüpft aus seinem Mantel, breitet ihn über die Fläche aus Stein. âMadame.â
âMerci, Monsieurâ, sie nimmt Platz, streicht ihr Kleid dabei glatt.
Auch er setzt sich, richtet seinen Blick wieder auf die Stadt. âWeiÃt du, was ich mich frage?â
âWas?â, erkundigt sie sich.
âWas man sich hier so über mich erzählt.â
âWie meinst du das?â, fragend sieht sie ihn an.
âNun, ich weià alles über Marcel Roziers thailändische Mätressen oder Albert Poulacs Ehe mit dem Sohn seiner Ex-Frau. Aber ich habe keine Ahnung, was man sich so über mich erzählt.â
âDu bist kein Franzose, Richard. Du lebst nicht in Paris. Es wird selten über Ausländer getratscht.â
âEs gibt also überhaupt nichts. Kein einziges Gerücht, das über Richard Charles Gilmore kursiert??â
âNunâ, nachdenklich befeuchte sie ihre Lippen. âMan erzählt sich natürlich, dass er seiner Ex-Frau sowenig Unterhalt zahlt, dass sie sich gezwungen sieht, zu arbeiten.â
âDavon habe ich auch schon gehörtâ, bestätigt er grinsend, beide tun es, jeder für sich. âUnd das ist alles?â
âEr soll ein hervorragender Tänzer seinâ, fährt sie fort. âAuÃerdem treibt er sich nachts angeblich gerne in Montmartre herum.â
âDasselbe habe ich von seiner Ex-Frau gehört.â
âTatsächlich?â, mit gespieltem Entsetzen hebt sie die Augenbrauen. âMan sollte meinen in ihrem Alter wisse sie, dass sich so etwas für eine allein stehende Frau nicht gehört. Man könnte auf falsche Gedanken kommen.â
âNicht wenn Jean Lacostèe in der Stadt weilt. Die männlichen prostituées dürften alle occupée sein.â
Ihre Kinnlade klappt ein kleines Stück nach unten. âDu bist unmöglichâ, erklärt sie.
âHat sie denn Rendevouz?â, ignoriert er ihren Einwand.
Sie zögert, einen kurzen Augenblick nur, dann antwortet sie. âHin und wieder, ja.â
âUnd?â
âWas meinst du?â
âIch weià nichtâ, ein Blinzeln, der Blick schweift wieder in die Ferne. âEinfach nur so.â
âManchmal ist es ganz schön, wenn man zum Essen ausgeführt wirdâ, gibt sie ehrlich zu. âWenn man gesagt bekommt, wie reizend man aussieht, wie charmant man doch sei, wie unterhaltsam. Es ist gut für das Ego. Aber mehr â Nein. Es gefällt mir Single zu sein. Es freiwillig zu sein.â
âMir geht es genauso. Nicht, dass ich es sonderlich schätze, wenn mir jemand sagt, dass ich reizend aussehe - aber ein gutes Abendessen in angenehmer Gesellschaftâ, ein Seufzen.
âAbendessen?â, hakt sie vorsichtig nach, neugierig.
Er sieht sie an, sie erwidert den Blick. Kurz nur, aber es reicht, um die Antwort in seinen Augen zu lesen. Mit leichter Bestürzung senkt sie den Kopf, starrt auf das Kopfsteinpflaster. âUnd du?â
âNeinâ, ruft sie aus. âNeinâ, wiederholt sie mit Nachdruck. âIch ââ, sie fährt sich über die Stirn. âIch weià nicht. Das - daran habe ich bislang nicht gedacht. Ich meine - ein Kuss, vielleicht, ja. Aber -â, heftig schüttelt sie den Kopf. âNein.â
âDu solltest es vielleicht tunâ, sie runzelt verwirrt die Stirn und er erklärt sich. âWir sind einander zu nichts mehr verpflichtet.â
âIch weiÃâ, sagt sie leise. âDennoch, es käme mir seltsam vor.â
Trotz William Farnsworth, er glaubt ihr. So wie ihre Antwort aufrichtig gemeint war. âMan gewöhnt sich an alles. Also denk darüber nach, bitte.â
âEine seltsame Bitte ist das, Richard.â
âVermutlich, ja. Aber tu es einfach. Denk darüber nach. Nicht nur darüber, sondern auch darüber wieder eine Beziehung zu führen. Ich für meinen Teil möchte nicht eines Tages aufwachen und feststellen müssen, dass ich alleine bin. Den Rest meines Lebens alleine verbringen werde. Genauso wenig, wie ich möchte, dass es dir so geht.â
âAlso bist du ernsthaft auf der Suche?â
âNein. Ja. Ich habe Verabredungen. Und falls eines Tages die Richtige dabei sein sollte, so werde ich nicht Nein sagenâ, er versucht ihren Gesichtsausruck zu deuten, doch der Wind hat einzelne Strähnen über ihre Wange geweht, eine Flut von braunem Haar, die ihm die Sicht versperrt. âWürdest du es denn tun?â
âDarüber habe ich offen gestanden nie nachgedacht. Aber vermutlich nicht, nein. Wenn ich tatsächlich das Gefühl haben sollte, einem Mann begegnet zu sein, der mehr für mich ist, als nur ein charmanter Begleiter â weshalb nicht.â
âGutâ, er atmet mit leichter Erleichterung aus. âEs ist schön.â
Wieder sieht sie ihn fragend an, wieder erklärt er sich. âMit jemandem zu reden. Mit jemandem zu reden, ohne sich breit erklären zu müssen. Jemandem der einen gut genug kennt, um zu wissen, was man meint, auch wenn man keine groÃen Worte macht.â
âDas ist esâ, ein Lächeln auf ihren Lippen, die Augen bleiben dabei merkwürdig leblos. âWürdest du mir einen Gefallen tun, Richard?â
âNatürlich.â
âFalls du, falls du jemanden findest, mit dem du-â
Er unterbricht sie, führt den Satz zu Ende. âDann werde ich dich rechtzeitig darüber informieren.â
âGut, denn ich möchte es nicht von", ein leises Schlingern in der Stimme. âBekannten erfahren", lügt sie. âNicht noch einmalâ, sie schluckt eine Träne herunter. âGlaubst du, sie wird wieder mit mir reden?â, fragt sie ihn leise. âIch meine nicht heute oder morgen oder in einem Jahr. Aber irgendwann. Glaubst du, sie wird es tun?â
Für einen Moment fühlt er sich versucht zu lügen. Lässt es jedoch. âIch weià es nichtâ, gibt er also offen zu.
âIch vermisse sie, Richard. Ihr sinnloses Gerede von Schuhen und Ambossen. Ihren Gesichtsausdruck, wenn etwas serviert wurde, das sie nicht gerne isst. Ihr Lachenâ, sie sieht ihn an. âAuch wenn ich nicht behaupten kann, dass sie sonderlich viel gelacht hat. Zumindest nicht in meiner Gegenwartâ, ihr Blick wandert zurück auf die Stadt. âAls sie ein kleines Mädchen war, da habe ich mir immer vorgestellt, wie sie wohl als erwachsene Frau sein würde. So war es nicht. Nicht annähernd. Und jetzt, jetzt hat sie ein eigenes Hotel. Sie ist verheiratet. Mit Luke. Ein Mann ohne High School Abschluss, der ein Diner führt. Fehlt nur noch, dass sie Kinder bekommen. Kleine, schlecht rasierte Bauarbeiter.â
Erneut schwankt er zwischen Wahrheit und Lüge, entschlieÃt sich dieses Mal für die letztere Variante. âEr ist ein netter Kerl. Vielleicht nicht gerade Prinz Charming, aber dennoch ein netter Kerl.â
Sie seufzt. âVermutlich. Ja, ganz sicher. Und sie liebt ihn, oder? Wir haben sie nicht dazu erzogen einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt.â
âWir haben von ihr verlangt, dass sie Christopher heiratet.â
âSie hat ihn geliebt, Richard. Lorelai hat ihn geliebt. Sehr lange sogar. Bis sie sich dazu entschlossen hat, diesen Luke zu lieben.â
âUnd was ist mit diesem Max? Was ist mit Jason?â
âHätte sie einen von ihnen wirklich geliebt, dann hätte sie ihn geheiratet.â
âSo einfach ist das in deinen Augen?â
âFür dich denn nicht? Hältst du Liebe nicht für den einzigen Grund, weswegen wir ââ sie bricht ab. âErzähl mir von ihr.â
âWas willst du denn wissen?â
âAllesâ, erklärt sie. âRory. Sie redet nie über Lorelai. Ich habe keine Ahnung wie es ihr geht, was sie tut. Nichts, ich weià nichts über meine Tochter.â
Ihre Schultern berühren sich beinahe, keine Handbreit trennt sie, während er mit leiser Stimme spricht. Sie unterbricht ihn nicht, hört schweigend zu, saugt seine Worte in sich auf, während sie in Gedanken ein imaginäres Bild spannt. Eine billige Kopie der wahren Geschehnisse. Doch so billig sie ist, so tröstlich zugleich. Der Schmerz bleibt jedoch weiterhin bestehen. Er schlieÃt, sieht sie an. Ihr Haar flattert leicht im Wind, ihre Lider sind gesenkt.
âEs ist spätâ, sagt sie und steht auf.
âNatürlichâ, auch er erhebt sich, nimmt seinen Mantel und schlüpft hinein. âDarf ich dich nach Hause begleiten?â, er bietet ihr seinen Arm an, sie nimmt ihn mit einem Lächeln.
Langsam steigen sie die Treppen nach unten, winken auf einer der HauptstraÃen ein Taxi herbei. So viel sie zuvor gesprochen haben, so schweigsam sind sie jetzt. âWarten sie bitte einen Augenblickâ, weist Richard den Fahrer an, als sie angekommen sind und steigt aus, geht um den Wagen, öffnet ihr galant die Tür. âMadame.â
âMerciâ, sie kramt ihren Schlüssel hervor, während sie zur Tür gehen.
âGute Nachtâ, sie reicht ihm die Hand, ein warmer Händedruck.
âGute Nachtâ, sagt auch er, wartet, bis sie halb in der Tür verschwunden ist, ehe er zurück zum Wagen geht.
âRichardâ, er fährt herum, sieht sie erstaunt an.
âEmily?â
Sie geht auf ihn zu, spielt nervös mit dem Schlüssel in ihren Händen. âWasâ, setzt sie an. âWas, wenn es William wäre?â
âWenn er was wäre?â
âDer Mann. Der Mann mit dem ich mich treffe. Hin und wieder. Nicht der Einzige. Aber der Einzige, derâ, sie seufzt. âDer Einzige bei dem ich mir vorstellen könnte-â, sie bricht endgültig ab, hat Angst zu weit gegangen zu sein.
Er presst die Lippen aufeinander. âIch würde mich für dich freuenâ, er sieht die Zweifel in ihrem Gesicht und geht das letzte Stück auf sie zu und nimmt ihre Hände, drückt sie fest, während er ihre Wange küsst. âSehr sogarâ, bekräftigt er seine Antwort und sie atmet erleichtert aus.
âDankeâ, ein Lächeln, sie widersteht der Versuchung ihn zu umarmen, dreht sich stattdessen eilig um und verschwindet in dem alten Gebäude, kehrt dieses Mal nicht zurück. Er zieht seinen Mantel enger um sich, merkt mit einem Mal wie müde er doch ist. Erinnert sich erschrocken, wie spät es ist. Drei Stunden nur noch, dann wird sein Flug nach Wien gehen.
To be continued