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Lorelei flitzte durchs Hotel, als wär der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her. Mal war sie in der Küche, mal im Büro bei Mia, mal hinter dem Conciergetresen, wo sie eigentlich hingehörte, aber nirgendwo lange.
Rory, die gerade laufen lernte versuchte hinter ihrer Mutter herzutapsen, aber jedesmal wenn sie ein wenig des endlos langen Weges zwischen Küche und Büro oder Büro und ihrem Gartenhäuschen oder Gartenhäuschen und Conciergetresen zurückgelegt hatte stürmte ihre Mutter wieder an ihr vorbei und sie musste wieder umdrehen.
Voll konzentriert nicht hinzufallen hatte Rory ihre Zunge zwischen die Lippen geklemmt und starrte auf den Boden vor sich. Bis sich ihr ein Hindernis in den Weg stellte. Zwei FüÃe in schwarzen Pumps und Seidenstrumpfhosen.
Langsam lieà Rory ihren Blick an den Beinen nach oben wandern. Als sie ihren Kopf in den Nacken legte um festzustellen, wer sie daran hinderte zu ihrer geliebten Mama zu kommen verlor sie das Gleichgewicht und landete auf ihrem Hintern. Wegen der dicken Pampers tat es nicht weh, also nutze sie ihre Position um sich die Dame genauer anzugucken. Dann brabbelte sie irgendwas vor sich hin, was vermutlich keiner auÃer ihr verstehen konnte.
Die Dame in den schwarzen Pumps sah nach unten und lächelte ein bei ihr seltenes Lächeln. "Hallo Rory!"
Rory strahlte zurück: "Mamamamamama!"
Emily hob Rory auf ihren Arm. "Ja, wo ist denn die Mama?"
"Mamamamamama!" machte Rory und blickte sich um. Von hier oben konnte man schlieÃlich alles viel besser sehen.
"Mamamamamama!" machte Rory wieder und streckte ihre kleinen Ãrmchen Richtung Lorelei aus, die gerade aus dem Büro trat.
Lorelei und Emily blickten sich an. Da war also der Teufel, vor dem Lorelei den ganzen Tag versucht hatte weg zu laufen: der Besuch ihrer Eltern. Inzwischen schon der dritte, seit sie mit Rory von zu Hause weggegangen war. Sie straffte die Schultern und trat ihren Eltern entgegen.
"Hallo Mum, Dad." Sie nahm Rory, die verzweifelt versuchte zu ihr zu gelangen, von Emilys Arm und hielt sie fest.
"Hallo Lorelei." antwortete ihre Mutter und ihr Vater nickte.
"Ãhm, wie war die Fahrt?"
"Gut, wenig Verkehr." antwortete diesmal ihr Vater.
"Kann ich euch... äh, kann ich euch etwas anbieten?"
"Einen Kaffee, wenn du hast."
"Natürlich!" Kaffee war genau das, was sie jetzt auch brauchte. Sie geleitete ihre Eltern in das Restaurant und gab dem Kellner einen Wink ihnen Kaffee und Kuchen zu bringen. Mit Mia ging das in Ordnung. Diese wuÃte, dass Loreleis Eltern sich angesagt hatten und übernahm solange den Concierge-Dienst.
"Und, wie geht es dir?"
"Gut Mum, danke der Nachfrage. Und bei euch? Gibt es was neues?"
"Nein, alles bestens."
Bei der Stimmung die am Tisch herrschte befürchtete Lorelei, dass aus den Blumen bald Eisblumen werden würden. Ihre Eltern würden ihr nie verzeihen, dass sie abgehauen war und das lieÃen sie sie auch spüren. Ihr war nur nicht ganz klar, warum sie dann hier auftauchen mussten!
"Ich hoffe Rory geht es auch gut."
"Ja, wie man sieht, ihr geht es blendend!"
"Bist du dir da so sicher, Kind?" Emily lächelte ein süÃ-saures Lächeln. "SchlieÃlich läuft Rory ohne dich im Hotel herum, woher willst du das also so genau wissen?"
"Sie läuft nicht ohne mich herum, sondern mit mir. Und ihr geht es prächtig! Das sehe ich, schlieÃlich kenne ich sie, sie ist meine Tochter!"
"Das dachte ich auch mal. Bist du dir sicher, dass sie nicht schwanger ist?" fragte Emily und die Lautstärke ihrer Stimme hob sich dabei leicht.
"Emily!" mahnte Richard sanft.
Eine heftige Erwiderung von Lorelei wurde durch die Ankunft von Kaffee und Kuchen verhindert. Das gab Lorelei die Minute Zeit, die sie brauchte um sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Dies hier sollte nur ein kurzer Besuch werden und dann würde sie ihre Eltern wieder für ein paar Monate nicht sehen, also wollte sie das ganze schnell und schmerzlos über die Bühne bringen. Und für den Notfall hatte sie mit Mia ein Zeichen vereinbart. Wenn sie es gar nicht mehr aushielt sollte sie ihre Serviette fallen lassen. Der Kellner würde Mia bescheid geben und sie würde den Gepäckträger schicken um Lorelei wieder an die Arbeit zu holen, weswegen sich ihre Eltern dann leider verabschieden müssten.
Von wenigen Worten unterbrochen tranken die drei ihren Kaffee während Rory von Lorelei mit Kuchen gefüttert wurde.
"Denkst du nicht, sie ist für so viel SüÃkram noch etwas zu klein?" fragte ihre Mutter irgendwann mit in Falten gelegter Stirn.
"Nein, es scheint ihr zu schmecken."
"Nicht alles was Kinder mögen ist auch gut für sie."
Lorelei sah den Blick nicht, den ihre Eltern ihr dabei unabhängig voneinander zuwarfen. Der Blick bestand aus einer Mischung aus Enttäuschung, Trauer, Verzweifelung, Entschuldigung und Wut. Aber sein Hauptbestandteil war wohl Sehnsucht. Sehnsucht nach ihrer Tochter. Sehnsucht nach ihrer Enkelin. Sehnsucht nach einer Eltern-Kind-Beziehung, die es bei ihnen nie gegeben hatte.
Nachdem Rory noch ein Stück Kuchen bekommen hatte, verlangte sie vom Schoà herunter zu kommen. Lorelei setzte sie ab und blickte auf. Sie bemerkte nur, wie ihre Eltern jetzt Rory mit einem liebevoll-amüsierten Blick bedachten, als diese zwischen ihren GroÃeltern stand und die Handtasche, die von Emilys Stuhl baumelte, anschubste um sie zum schwingen zu bringen.
Als sie den Kaffee beendet hatten entstand eine peinliche Stille. Dann stand ihr Vater auf. "Du musst sicher noch arbeiten und wir wollen dich nicht weiter aufhalten. Danke für den Kaffee und den Kuchen."
"Gern geschehen."
Ihre Mutter erhob sich ebenfalls und auch Lorelei stand auf. Sie nahm Rory auf den Arm und begleitete ihre Eltern zur Tür. Nachdem sie ins Auto eingestiegen waren, hob ihre Mutter noch kurz die Hand zum Gruà und Rory winkte voller Begeisterung zurück. Dann fuhren sie ab.
Lorelei stand noch ein paar Minuten in der Tür und sah dem davon fahrendem Auto nach, bevor sie Rory an sich drückte und zurück ins Hotel ging.
"Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" (Kant)
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