Lorelai die Zweite (neuer Versuch, neues Glück)

Teil 16


„Wo warst du?“, zögernd unterbricht sie das Schweigen. Es hat lange gedauert, sie hat die Stille genossen, hat aber auch gemerkt, dass diese Unterhaltung nicht ohne Worte geführt werden kann. Sie sieht ihn an. Er wirkt enttäuscht dass sie die viel sagende Stille unterbrochen hat, erleichtert, dass er es nicht tun musste.
Unsicherheit kommt in ihm auf. Schon tausende Male hat er sich diese Unterhaltung vorgestellt, sie genau durchdacht, geplant. Wollte für jedes Wort den perfekten Platz finden, so dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Wieder und wieder ist er seine Erklärung in Gedanken durchgegangen, hat Argumente gesucht sein Verhalten zu rechtfertigen. Hat welche gefunden, dieselben, überholten Floskeln, die ihm seine Eltern eingetrichtert haben. Dieselben, die in Wirklichkeit nichts taugen, nichts kann es rechtfertigen, ein zweijähriges Kind im Stich zu lassen. Ja, es war ihm bewusst, dass sie in guten Händen war, bei ihren Großeltern behütet wurde, aber doch, doch wusste er dass er fehlte. Nacht für Nacht hat er sich durch seine Alpträume gequält, die Schuldgefühle haben ihn zerfressen. Doch wie ein feiger Hund hat er immer wieder den Schwanz eingezogen und sich abgewendet. Zwei Jahre, 730 Tage, unendlich viele Stunden, Minuten, Sekunden in denen er in Gedanken bei ihr war, sich nach ihr sehnte, und es doch nie geschafft hat, ihr auch körperlich gegenüberzustehen. Und nun, nun ist der Augenblick gekommen. Der Moment, in dem er endlich seine Rede halten kann, muss. Und nun – da er die Chance hat, ihr alles zu erklären, da bleiben ihm die Worte im Hals stecken. Wie Blei liegt seine Zunge in seinem Mund, weigert sich strikt seinen Befehlen zu gehorchen. Er kann seinen Blick nicht von dem zarten Wesen abwenden, sieht vor seinem geistigen Auge, wie sie innerlich zerbricht, wenn er seine Chance nicht nutzt. Da kommt endlich Leben in ihn. Er räuspert sich, ein altes Zeichen um seine Angst zu überspielen, seine Unsicherheit zu verbergen.
„Rory, es“, er bricht ab, überdenkt noch einmal seine Worte. „Rory, es tut mir Leid. Ich weiß, mit einer Entschuldigung kann ich nicht gutmachen was –’’, sie unterbricht ihn. Nimmt ihm die Chance endlich zu sagen, was schon so lange in seiner Seele brennt.
„Nein, Dad. So meinte ich das nicht. Ich will wissen wo du warst, was du getan hast. Ich will mehr über Christopher, den Menschen wissen“ und vor allem was so viel wichtiger war als die eigene Tochter, würde sie am liebsten hinzufügen. Doch sie lässt es, weiß, dass es nicht richtig wäre, dass ihre Anschuldigung egoistisch ist.
Er ist verwirrt, fühlt sich vor dem Kopf gestoßen. Sie will keine Entschuldigung, keine Rechtfertigung, wenn auch nur vorgetäuscht. Sie will Informationen, Auszüge aus seinem Leben, Fakten, Daten. Er ist nicht vorbereitet, fühlt sich wie vor einer unangekündigten Prüfung. Er will ihr nichts über sein Leben erzählen, will nicht dass sie von den Jahren erfährt, in denen er sich Tag für Tag durch das Leben gequält hat. Jeden Morgen wieder die Gewissheit hatte, dass sich seine Alpträume erfüllt hatten, sein Leben zu seinen Alpträumen geworden ist. Von der Zeit, in der er seine Identität verbarg, sich ein anderes Leben kreierte, ein vollkommenes glückliches Leben. Ein Leben, in dem er die Oberhand hatte, in dem er selbst bestimmen konnte, was mit ihm geschieht. Ein Leben, das nur in seiner Außenwelt existierte, über dem der Schatten der Realität wie ein Trauerschleier hing. Er will nicht, dass sie von den Nächten erfährt, in denen seine einzige Zuflucht der Alkohol und der Schoß fremder Frauen war. Und von den Morgen danach, an denen er aufgewacht ist und immer wieder aufs Neue feststellen musste, dass das Mädchen neben ihm nicht sie ist, sondern ein fremdes. Dass ihm keine blauen Augen entgegen strahlten, sondern fahle, abgemagerte, fast noch Kinder neben ihm in den Kissen lagen, die Augen kalt und leer, befreit von jeglichem Gefühl. Mehr als einmal hat er die leicht geröteten Einstiche an den Armen der Mädchen, die Stecknadelgroßen Pupillen inmitten der eingefallenen Gesichter ignoriert, verleugnet. Hat es darauf ankommen lassen, wusste nicht, was er zu verlieren hatte. Brauchte jedoch nicht lange, bis es ihm wieder bewusst wurde. Sie – seine Tochter, ihre Tochter. Die Tochter, die sie mit ihm alleine gelassen hat. Er wurde wütend, wütend auf sie, wütend auf das Mädchen, das nicht sie war. Ließ die Fremde neben ihm seine Wut spüren, wurde beinahe blind vor Wut. Alkohol und Nikotin brachten ihre Wirkung, ließen ihn alles um sich herum vergessen, ließen ihn sich ganz auf seinen zusammengestauchten Zorn konzentrieren. Wurde erst wieder durch die erschrockenen, vor Angst weit aufgerissenen Augen ernüchtert.
Nein. Niemals soll seine Tochter erfahren, was für ein Versager ihr Vater ist. Niemals wieder will er sie enttäuschen, kann nicht ertragen sie noch einmal zu verletzen. Sein Leben lang hat er eine Lüge gelebt. Von Kindesbeinen an wuchs er in eine perfekte, glänzende Lügenwelt. Mit ihm seine Freundin, seine bessere Hälfte, das Mädchen, dass ihn von Anfang an faszinierte. Doch dann, die Schwangerschaft. Mit einem Schlag brach das sorgfältig aufgebaute Lügengerüst zusammen. Und sie hielt es noch nicht einmal für nötig, es mit ihm wieder aufzubauen.
Er ist ein Mann der höheren Gesellschaft, dem Lügenverein schlecht hin – wieso soll er nicht auch jetzt seiner Tochter ein Leben voller netter Lügen schenken?



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*ausmeinemversteckherauskriech* Sorry, sorry, sorry, dass ihr so lange warten musstet... Und der neue Teil... urteilt nicht voreilig, wartet ab...
FB wäre trotzdem ganz nett... Big Grin

Marie

Also Marie, ich hab die zwar schon gesagt, was ich denke, aber ich muss es nochmal loswerden: es ist großartig geschrieben und ich find es klasse geschrieben!!!!
Und trotzdem find ich, dass Chris imo ein kleines Arsch ist....mal sehen obs so bleibt oder net...*gg*

Bin wirklich gespannt, was abgeht!!! Mach schnell weiter.

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]

Wow, du hast die Gefühle von Chris echt gut beschrieben. Man konnte sich gut in ihn hereinversetzten und mit ihm fühlen!! Wundervoll geschrieben. Ein wirklich klasse Teil! Top

Danke für das FB! Ist schon witzig zu sehen, dass die Meinungen über Chris schon jetzt geteilt sind... Big Grin

by the way: Maroon5 rlz Big Grin

Marie

Yeah! Cool Big Grin

Ui .... na ich hoff Chris erzählt Rory keine Lügen, das geht doch bloß ins Auge! Ansonsten hat sich das Warten gelohnt!!!! Und ich bin noch immer gespannt, was er genau vorhat, sprich wie sehr er sich im Endeffekt wieder in Rorys Leben eingliedern will. Bietet auf jedne Fall noch jede menge Potential!!!!

Riska

Danke für dein Feedback, Riska!
Lügen und Intrigen...wirds dadurch nicht erst interessant? Big Grin
Ja, ich hatte einmal den glücklichen Einfall, mit dem man auch nachträglich noch etwas anfangen kann!
Fragt sich nur ob ihr das dann mögt... hopefully!

Marie

Hatten wir die Diskussion nicht schon gestern im AITF-Thread ... alles was sadistisch, intrigant und gemein ist, finden wir klasse Big Grin Wink

Riska

Genau Big Grin Sonst wären wir alle ja nicht Emily und Elisabeth Anhänger Wink

Marie

ich nehm an der Teil war wieder super.
(ich muss mir deine ff ausdrucken, weil ich grade keine Zeit hab.)

Tut mir leid, dass ich so lang kein fb geschrieben hab, aber du weißt ja eh warum...

Wegen dem Stuttgarter: du bist keine Wienerin Big Grin ich auch nicht, aber auf mich triffts zu und ich bin stolz darauf :lach:

Das Leben ist nichts anderes, als die endlose Probe einer Vorstellung, die niemals stattfindet
Grüße an meine liebe Kaffeebohne!


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