Eine Flasche Wein in der einen, eine Tüte voller marokkanisch-chinesisch-türkischer Speisen aus Alâs Pancakeworld in der anderen Hand, benützt sie ihr Knie, um an die Türklingel zu kommen, gerät dabei leicht ins Wanken. Klasse, als wäre sie heute nicht schon lange genug auf dem Boden herumgekrochen. Sie kann noch immer nicht glauben, dass sie es tatsächlich getan hat. Wie dieses Horrorszenario tatsächlich zu ihrem letzten Ausweg werden konnte, sie ist tatsächlich in die Hölle marschiert und hat dem Teufel ihre Seele verkauft. Nach fünfzehn Jahren Unabhängigkeit ist sie freiwillig zurück in den Knast.
Immerhin bekommt sie einen ordentlichen Preis für ihre Würde, ihren Stolz, Rory wird nach Chilton gehen, wird das bekommen was sie verdient. Und sie bekommt im Gegenzug jede Woche eine Dosis des besten Giftes, ein Abend mit ihren Eltern, herrlich. Vielleicht sollte sie sich vor jedem dieser Besuche eine handvoll Valium einwerfen, andererseits, wenn sie diese Demütigungen nüchtern übersteht, dann wird ihr Nichts und Niemand mehr etwas anhaben können, nie wieder.
âWas mich nicht umbringt, macht mich starkâ, sagt sie mit einem breiten Lächeln, als Sookie die Tür öffnet, schiebt sich an ihr vorbei.
âFalls du von Alâs gepanschtem Essen sprichst, es wird dich umbringenâ, sie nimmt Lorelai die Tüte ab, marschiert zielstrebig in die Küche. âAllerdings wird es vorher deine Geschmacksnerven abtöten, deine Magenschleimhäute wegätzen und deine Eingeweide schmerzhaft zusammenkrampfen lassenâ, mit einem leisen Scheppern lässt sie die Tüte in ihrem Mülleimer verschwinden, reibt sich zufrieden die Hände. âIch war gerade dabei ein schönes Risotto zu machen. Der Rotwein wird allerdings nicht dazu passenâ, sie nimmt Lorelai auch die Weinflasche ab, beäugt misstrauisch das Etikett.
âZu Alâs Essen hätte er gepasstâ, wendet sie leicht beleidigt ein. âUnd das Essen hätte wiederum zu meiner Geschichte gepasst. Ich hatte alles perfekt geplant.â
Sookie verschwindet in ihrer Speisekammer, murmelt dabei vor sich hin, kommt schlieÃlich triumphierend wieder heraus. âRiesling. Das ist perfektâ, sie drückt Lorelai die Flasche in die Hand, kramt einen Korkenzieher hervor. âWelche Geschichte?â
âHänsel und Gretl in neuer Besetzungâ, die Flasche öffnet sich mit einem lauten Plopp und sie gieÃt den Wein groÃzügig in die Gläser, trinkt einen tiefen Schluck. âIn den Hauptrollen: Rory und Lorelai Gilmore. Sie wird uns mästen, jeden Freitag wird sie uns mit teuren Shrimps und Kaviar voll stopfen. Und es gibt keinen schönen Holzofen, in dem wir sie verbrennen könnten, wenn man Mal davon absieht, dass meine Mutter nie im Leben auf diesen perfiden
Ist er denn schon heià genug-Trick reinfallen würde, dafür ist sie einfach zu clever. Und sie ist clever, sie hat genau gesehen, dass ich in meiner Situation vermutlich allem zugestimmt hätte. Und das habe ich ja auch. Ich habe zugestimmtâ, sie setzt sich auf einen Stuhl, schlägt ihren Kopf gegen die Tischplatte. âUnd wenn sie nicht gestorben sind, dann essen sie noch heute.â
âIch kenne ein tolles Rezept für Garnelen in Kaviar-Champagnersauce.â Die Arme verschränkt, lehnt sich Sookie an die Kücheplatte, zieht nachdenklich eine Schnute.
Ein Stöhnen, Lorelai hebt ihren Kopf, verdreht Augen. âGenau das wollte ich von dir hörenâ,
âNa ja, zuerst ist es wichtig, dass die Garnelen frisch sind, der Kaviar sow ââ
âSookie!â, fällt sie ihr ins Wort, wirft ihr einen tadelnden Blick zu. Rezepte sind das letzte was sie jetzt gebrauchen kann - obwohl: Mom, Dad, ich hab euch einen schönen Kugelfisch mitgebracht.
âTschuldigungâ, mit leichter Zerknirschung wendet Sookie sich einem riesigen Topf auf dem Herd zu, hebt den Deckel und eine riesige Wolke aus Dampf steigt an die Decke, erfüllt den Raum mit dem Duft von Basilikum und Oregano, gedämpften Pilzen und Tomaten. âAlso wirst du deine Eltern in Zukunft wohl öfter sehen?â
âUnd mit ihnen telefonieren. Einmal die Woche, denn â und ich zitiereâ, sie nimmt einen Schluck Wein, prostet Sookie mit abgespreiztem kleinem Finger zu. âWenn wir schon finanziell an deinem Leben beteiligt sind, dann wollen wir es auch aktiv sein.â
Manchmal versteht sie Lorelai nicht, Menschen ändern sich, als Teenager hatte sie auch nie ein sonderlich gutes Verhältnis zu ihren Eltern, aber mittlerweile â Lorelai sollte einfach abwarten und nicht schon vorher den Teufel an die Wand malen. âIst doch ein netter Gedanke.â
âJa, und Hitlers einziger Wunsch war es, dass die gesamte Menschheit friedlich und sorgenfrei in seinem dritten Reich zusammenlebt.â
Sookie kneift die Augen zusammen, schüttelt nach einer kleinen Pause den Kopf. âDas denke ich eher nicht.â
âUnd ich denke nicht, dass meine Mutter diese Idee hatte, weil sie einfach nur Zeit mit uns verbringen will. Sie will die Kontrolleâ, sie hat sie bereits. Die Kontrolle über jeden verfluchten Freitag bis an das Ende ihrer Tage. Und das ist erst der Anfang. Bald werden Teekränzchen hinzukommen, Wohltätigkeitsbasare, der Frauenverein. Sie weià zwar noch nicht, wie es dazu kommen wird, aber es wird dazu kommen.
âDann gib sie ihr einfach nichtâ, groÃzügig verteilt sie Salz über das Risotto, murmelt ihm dabei aufmunternd zu, während Lorelai ihr mittlerweile leeres Weinglas wieder auffüllt.
âDu kennst sie nicht Sookie, sie ist, meine Mutter ist â Gott, ich weià auch nicht. Wir kommen einfach nicht miteinander aus, es geht nicht, frag Darwin. Hätte der uns gekannt, dann hätte er uns ein ganzes Kapitel in seiner Theorie vom Ãberleben gewidmet. Manche Menschen harmonieren einfach nicht, basta.â
âAber daran könnte sich doch jetzt etwas ändern.â
âEher werde ich Michel heiratenâ, entgegnet sie trotzig, sieht Sookie mit vorgeschobener Unterlippe an.
âMan sollte niemals nie sagen.â
âUnd du solltest dich mit dem Kochen beeilen, ich bin am verhungern.â
âTatsächlich? Immerhin hast du in den letzten fünf Minuten einen halben Liter Trauben verdrückt.â
âImmerhin ein Vorteil, sie haben einen tollen Weinkeller.â
âSiehst du.â
âUnd das Essen ist für gewöhnlich auch gut. Die Freitage könnten also durchaus amüsant werden. Ich muss nur noch eine Möglichkeit finden, wie ich meine Eltern davon abbringe auch daran teilzunehmen.â
âGib ihnen einfach eine Chance.â
âDie gebe ich ihnen dreimal im Jahr, seit fünfzehn Jahren. Und davor täglich. Sie wollen keine Chancen, er will das Wall Street Journal und sie will mich knechten.â
âSolange sie dabei keinen Ring mit seltsamen Schriftzeichen am Finger hat, hast du doch gute Chancen das ganze zu überleben.â
âSo genau habe ich mir ihre Ringe noch nie angesehen, sie hat einfach zu viele davonâ, nachdenklich lässt sie den Wein im Glas kreisen. âDas heiÃt, als Kind habe ich immer damit gespielt. Sie hat diesen einen Smaragdring, ein tiefgrüner Stein, wenn man ihn gegen die Sonne hält hat er immer so schön geglitzert. Ich hab ihn mir an den Finder gesteckt und mir vorgestellt ich wäre eine Prinzessin, dazu das Diadem und die Ketten, ein paar hochhackige Schuhe und eines ihrer Kleider. Sie hat ein wunderschönes blaues Seidenkleid mit einer Bordüre aus Spitze und aufgenähten Perlen. Ich hab einfach toll ausgesehen.â
âWowh, ich hab mir immer Gardinen umgehängt, wenn ich mich verkleidet habe. Und eine Kette aus Makkaroni. Eine Krone aus Pappe hatte ich auch. Ich hab sie mit Alufolie beklebt und mit dem roten Nagellack meiner Mutter verziert.â
âUh, den roten Nagellack meiner Mutter habe ich auf einen weiÃen Teppich verschüttet. Ich habe zwar versucht das Ganze zu vertuschen, indem ich den Fleck mit Nagellackentferner bearbeitet habe, der Erfolg war allerdings, dass es den Teppich weggeätzt hatâ, sie erinnert sich noch genau daran, sie hat geheult wie ein Schlosshund, weil es immer nur schlimmer wurde. Egal was sie mit dem Fleck angestellt hat, er wurde immer gröÃer und hässlicher. Seltsamerweise erinnert sie sich nicht mehr an die Reaktion ihrer Mutter, könnte nicht einmal mehr sagen, in welchem Zimmer es passiert ist. Erinnert sich nur noch an das Bild der zähen, roten Flüssigkeit auf dem weiÃen Untergrund, Brombeersauce über Sahne, ihre Wut auf den Fleck, ihr schlechtes Gewissen und ihre Bestürzung. Und merkwürdigerweise, so denkt sie, spielt Angst in ihrer Erinnerung keine Rolle. âWeiÃt du, irgendwie ist es komisch. Ich erinnere mich nur an solche Sachen. Situationen in denen ich alleine war. Oder in denen nur meine Eltern vorkommen, aber ich nicht.â
âWie meinst du das?â, hakt Sookie nach, versucht dabei nicht allzu anteilnehmend zu klingen, weià das Lorelai es hasst, wenn jemand sie bemitleidet.
âSo als hätte ich sie beobachtet, heimlichâ, sie verdreht die Augen, lacht kurz auf. âAuch wenn mir kein vernünftiger Grund einfällt, weshalb ich das hätte tun sollen.â
âBeobachtet?â
âNa ja, wenn sie nach Hause gekommen sind. Wie mein Dad ihr aus dem Mantel hilft, dabei etwas zu ihr sagt, wie sie lächelt. Ich hab mir immer gedacht, so ist es bei mir bestimmt auch, wenn ich erwachsen bin. Und es war keine schlimme Vorstellung, verstehst du? Mehr ein schöner Gedankeâ, Lorelai schluckt, schüttelt den Kopf dabei, langsam und nachdenklich. âEs ist doch wirklich verrückt. So wenig ich mit meiner Mutter auskomme, so wenig ich von ihrem Lebensstil, ihrer ganzen Art halte, so sehr beneide ich sie darum, dass sie und Dad, dass sie -â, sie bricht ab, lächelt Sookie an, lacht über sich selbst. âGott, dieser Wein hat es wirklich in sich, ich fange schon an zu phantasieren.â
âWer hätte nicht gerne jemanden, der ihm aus dem Mantel hilft?â
âNicht meinen Dad, glaub mir.â
âAber auch dein Dad ist ein Mann. Jedes kleine Mädchen träumt doch von seinem Prinzen, davon mit ihm auf einem Schloss zu leben, den ganzen Tag schöne Kleider zu tragen und abends für ihn zu kochen. Fasan in Burgundersauce, Seebarsch in einer schönen Kräutermarinade, Soufflees und Parfaits, Kaviarherzen auf Toast.â
âDen Prinzen bekochen?â, sie rümpft belustigt die Nase, hat alle Mühen sich ein Lachen zu verkneifen. âDavon hast du geträumt?â
âMmmhâ, entgegnet Sookie mit strahlenden Augen und beginnt das Essen auf den Tellern anzurichten, garniert alles mit frischen Basilikumblättern, ehe sie sie auf den Tisch stellt.
Grinsend schiebt sich Lorelai eine Gabel Risotto in den Mund, kaut bedächtig darauf herum. âAlso den Teil mit dem Kochen hast du perfekt drauf.â
âDankeâ, ihre Wangen nehmen eine rötliche Färbung an. âWas sagt eigentlich Rory dazu?â, erkundigt sie sich, nachdem sie einige Minuten schweigend gegessen haben.
Mit leichter Ãberraschung blickt Lorelai auf. âWozu?â
âNa, zu dem Deal mit deinen Eltern.â
âSie weià es nichtâ, entgegnet sie knapp. âUnd sie soll es auch nicht erfahrenâ, Lorelai will nicht, dass ihre Tochter das Gefühl bekommt, ihr eine finanzielle Last zu sein. Alles was ihr jetzt noch fehlt, ist eine vernünftige Begründung für die wöchentlichen Abendessen. Und einen Weg, wie sie Rory die Schnapsidee ausreden kann, doch nicht nach Chilton zu gehen, auf der Stars Hollow High zu bleiben. Ein Junge, ihre kleines Mädchen will ihre Zukunft für einen Kerl aufs Spiel setzen. Es sieht ihr so gar nicht ähnlich und dennoch kann sie es verstehen. Sie hätte für Christopher vermutlich dasselbe getan, hätte überhaupt alles für ihn getan. Weshalb sollte Rory also anders sein, wo sie sich doch sonst so ähnlich waren?
To be continued
PS: Das Orm hat mich verlassen - hab also beschlossen es einfach zu posten, denn irgendwie .... besser krieg ich's einfach nimmer hin.....
Riska