Ich hab wieder die Ehre für Riska zu posten, da sie nicht da ist.
"Zitty?", murmelt er, hat keine Ahnung wo er ist oder wie er hierher
gekommen ist, fühlt sich nur hundeelend, hat das Gefühl sich jeden Moment
übergeben zu müssen.
"Zitty?", es ist keine Frage, gleicht mehr einem empörten Aufschrei. Diese
Stimme, denkt er, öffnet wie elektrisiert die Augen, blinzelt, hätte sich am
liebsten selbst geohrfeigt. Ausgerechnet sie und er in diesem Zustand, ein
Wrack, während sie nicht eleganter wirken könnte. Was macht sie überhaupt
hier? Er weià nicht, ob er es tatsächlich ausgesprochen hat, vielleicht ja,
vielleicht nein, jedenfalls erhält er eine Antwort, ungehalten, leise
Kränkung schwingt mit.
"Wir hatten einen Termin, Richard", fassungslos starrt sie ihn an, die
Fliege verrutscht, das Hemd zerknittert, ganz bleich ist er im Gesicht,
verbreitet den Geruch von Bier und Schnaps, Zigaretten und Moschus. Liegt
hier auf der Wohnzimmercouch und schläft einen Rausch aus, einen Rausch den
er sich offensichtlich nicht alleine angetrunken hat. Zitty, äfft sie
ihn in Gedanken nach, weià nicht, was sie mehr ist, wütend oder angewidert.
Er richtet sich auf, schluckt, der Geschmack des Selbstgebrannten hält sich
hartnäckig in seinem Mund, vermischt sich mit dem von Scham und schlechtem
Gewissen. "Natürlich", räuspert er sich, versucht Haltung zu gewinnen, alles
um ihn herum dreht sich.
"In Anbetracht deiner Verfassung denke ich allerdings, dass es besser wäre
unser Gespräch zu verschieben", entgegnet sie, versucht so teilnahmslos wie
möglich zu klingen.
"Verschieben?", er lehnt sich ein Stück nach Vorne, ein stechender Schmerz
durchfährt seinen Schädel. "Warum?"
"Weil du ganz offensichtlich betrunken bist", abschätzig mustert sie ihn,
tritt ein paar Schritte zurück. "Wie mir scheint, genieÃt du deine neue
Freiheit ausführlich."
"Du siehst das falsch", würgt er mühsam hervor, glaubt unter ihrem Blick
verbrennen zu müssen.
"Ach ja? Ich schätze Zitty wäre da anderer Meinung!"
Ihre Worte bringen ihn unweigerlich zum Grinsen, Zitty und er, niemals, um
Gottes Willen, Emily, wenn du sie kennen würdest, würdest du ganz bestimmt
nicht auf eine derart absurde Idee kommen. AuÃerdem, was geht es dich an? Du
hast dich doch schlieÃlich von mir getrennt. Erwartest du etwa, dass ich den
Rest meiner Tage als Eremit verbringt? Nein, bestimmt nicht. "Ich kann tun
und lassen was ich will", entgegnet er daher, freut sich wie ein kleines
Kind, als ein Anflug von Eifersucht in ihren Augen aufzublitzen scheint.
Ãrgert sich gleichzeitig über diese Freude. Verflucht, Richard, mahnt er
sich, reià dich zusammen.
"Ich denke, ich sollte ein anderes Mal wiederkommen", wechselt sie das
Thema, weicht eine weiteres Stück zurück. Sie muà hier weg, glaubt jeden
Moment die Kontrolle über sich verlieren zu müssen. Tut es, als er nichts
erwidert, lediglich abwinkt, ungerührt, unbeteiligt. "Hervorragend", zischt
sie. "Und bestell deiner neuen Freundin GrüÃe von mir."
Er schiebt seine Unterlippe ein Stück vor, nickt bedächtig. "Das werde ich
tun."
"Du bist wirklich die Taktlosigkeit in Person, Richard Gilmore!"
"Ich?", er steht auf, schwankt ein wenig, greift sich an die Stirn, sammelt
sich so gut es geht. "Wenn ich taktlos bin, dann bist du selbstgerecht!"
"Bitte?", ein überraschtes Keuchen, zu mehr ist sie nicht in der Lage.
"Selbstgerecht, Emily, das ist es, was du bist. Selbstgerecht und arrogant",
seine Stimme wird unweigerlich lauter, er redet sich in Rage, ist wieder an
einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr um Rationalität geht. "Mir
vorzuwerfen, ich wäre Schuld am Scheitern unserer Ehe. Wer hat denn unserer
Ehe für eine dumme kleine Affäre mit diesem Tiefkühlidioten aufs Spiel
gesetzt? Ich habe wenigstens gewartet, bis wir getrennt waren!"
"Gewartet? Das ich nicht lache! Du hast mich doch praktisch vierunddreiÃig
Jahre lang betrogen!", keift sie zurück.
"Gott! Emily!", stöhnt er und macht eine ausladende Geste mit den Händen,
ihre Stimme ist zu laut, echot schmerzhaft in seinem Kopf. "Wie oft soll ich
dir noch sagen, dass Pennilyn und ich nur Freunde sind?"
"Davon spreche ich doch nicht!", schreit sie. "Ich spreche von deiner
Arbeit", Tränen steigen in ihre Augen und sie wird noch wütender, zornig
über ihre eigene Schwäche. "Verdammt. Tag ein, Tag aus hast du in dieser
Firma verbracht. Selbst wenn du nicht im Büro warst, hast du gearbeitet. Ich
habe schon vor langer Zeit gelernt meine Ansprüche zurückzustellen, aber ich
kann nicht mehr. Ich will, dass mein Mann sich wenigstens hin und wieder
Zeit für mich nimmt. Ich habe dich nicht geheiratet, um so zu leben", ihre
Stimme wird heiser, droht ganz weg zu brechen. "Ich kann die Momente
abzählen in denen du mir aus einer Laune der Natur heraus gezeigt hast, dass
ich mehr für dich bin als das perfekte Frauchen, das du herumreichen kannst.
In denen du mir gezeigt hast, dass ich mehr wert bin. Ich kann einfach nicht
mehr, Richard. Ich kann nicht mehr nur ein ganzes Jahr auf die vier, fünf
Wochen hinleben, in denen du Urlaub hast. Es tut mir leid, aber das ist
einfach zu wenig." Es hat eine Weile funktioniert, lange genug, dieses
seltsame Arrangement, das sie getroffen haben. In Hartford sind sie förmlich
Geschäftspartner, jeder tut was er will, begleitet den anderen zu den
wichtigen Anlässen, die Terminkalender beider sind voll, es bleibt kein
Platz für Romantik. Nur manchmal, wenn auch selten, nehmen sie sich die
Zeit, schaffen sie einen jener Momente, in denen alles andere plötzlich
still steht, in denen sie auch hier einfach nur ein Liebespaar sind. Aber es
sind die Urlaube, die wenigen Wochen im Jahr, in denen es wirklich nur sie
beide gibt. 35 lausige Tage, die die restlichen 330 auffangen müssen, 35
Tage als Entschädigung für ein erbärmliches Jahr. "Und wenn das in deinen
Augen selbstgerecht und arrogant ist, bitte, dann bin ich es eben."
"Was hast du denn erwartet?", er versteht sie nicht. Hat sie nicht von
Anfang an gewusst, wie ernst er seinen Beruf nimmt? Hat er sie nicht
gewarnt, hat er ihr nicht gesagt, dass er viel Zeit im Büro verbringen wird?
Wie kann sie seine Arbeit nur als Entschuldigung vorschieben? Wie billig es
ihm doch erscheint, grotesk. Er hat nicht für sich selbst gearbeitet, für
sie, für Lorelai, seine Familie, wollte wiedergutmachen, was er zerstört
hat. Hat dafür gesorgt, dass sie alles bekamen, was sie nur wollten, doch
keiner von beiden war es genug. Er hat sein Möglichstes getan, sie glücklich
zu machen, doch scheinbar war es nicht genug. "Sag es mir, Emily. Was hast
du erwartet?"
"Was ich -?", sie gibt auf, sie hat keine Lust mehr ihre Zeit länger zu
verschwenden. Denn ist es das nicht? Eine Zeitverschwendung. Sie war nicht
wirklich hierher gekommen, um die Formalitäten zu klären, sondern weil sie
gehofft hatte, ein vernünftiges Gespräch mit ihm führen zu können, gehofft
hatte, alles würde sich klären. Weil sie seit diesem furchtbaren Streit im
Dragonfly an nichts anderes mehr hatte denken können, als an ihn, sein
Gesicht, als sie ihm Williams Namen an den Kopf geschleudert hatte. Es noch
im selben Moment bereut hatte. Bis vor wenigen Augenblicken hat es ihr leid
getan, schämte sie sich ausgerechnet diese Karte ausgespielt zu haben. Sie
ausgespielt zu haben, weil sie ihn treffen wollte, weil sie genau gewusst
hatte, dass es tiefe Kratzer in seinem Stolz hinterlassen hatte, genau
gewusst hatte, dass es ihm weh tun würde. Aber jetzt - anstelle eines
vernünftigen Gesprächspartners hat sie einen völlig benebelten Mann
vorgefunden, ein Mann der sich ungeachtet der Situation dem MüÃiggang
hingab. Ihn schien es überhaupt nicht zu stören, dass sie weg ist, ihn
verlassen hat. Er macht einfach weiter, eine Maschine, ein Roboter. Sie hat
sich in den letzten Monaten oft gefragt, wo der Mann geblieben ist, in den
sie sich verliebt hat. Wo die Frau geblieben ist, die sich in ihn verliebt
hat.
Was hast du denn erwartet? Nichts, Richard. Da gibt es nichts mehr.
Ich bin kein junges Mädchen mehr, das sich noch in der Illusion wiegt, es
würde sich irgendwann ändern. Denn das wird es nicht. Sie spricht es nicht
aus, lässt ihn ohne ein weiteres Wort stehen und geht hinaus. Sie braucht
frische Luft, eine Sekunde länger in diesem Haus und sie würde ersticken.
Kaum hat sich die Tür hinter ihr geschlossen, spürt sie wie der kalte
Nachtwind sie umweht und bereut es in ihrer Wut nicht ihren Mantel
mitgenommen zu haben. Dennoch geht sie zielstrebig über den Hof, atmet die
eisige Luft tief ein, Luft die viel zu kalt für diese Jahreszeit ist, stellt
sich vor, wie sich eisige Kristalle in ihrer Lunge bilden. Kleine Blumen aus
Schnee und Eis. Innere Schönheit, denkt sie bitter und zieht ihr dünnes
Jackett um sich. Was hast du denn erwartet? Sie weià nicht was sie
erwartet hat. Mehr. Sie hat mehr erwartet, von ihm, von sich selbst. Nicht
viel mehr und doch alles.
To be continued
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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]