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~ Äther ~ [R-16]

So, Kerstin dürfte jetzt X-Millionnen Mails haben und ich werde ihr nie genug danken können und überhaupt.....


Riska

Kein Thema Riska, ich mach das gern. Wieder 2 Teile...

Das monotone Geräusch eines beendeten Anrufs im Ohr, starrt er auf seinen Schreibtisch, legt den Hörer schließlich zurück auf die Gabel und lehnt sich in seinem Ledersessel zurück.
Er is eben weg. Eine sachliche Information, aber eine nützliche? Erwartet sie etwa, dass er sie dafür bezahlt? Nun, er wird es tun, warum nicht, er kann es sich leisten. Doch für die wirklich interessanten Informationen, für die hat er bereits bezahlt.
Anfänglich dachte er, sie sei gekommen, um ihn anzuschnorren, viele tun es, vor allem menschliche Baracken wie sie. Er hat versucht sie abzuwimmeln, welche Neuigkeiten konnte eine Person wie sie schon zu erzählen haben? Doch dann, dann sagte sie etwas, das ihn aufhören lies. Es geht um deine Ex-Verlobte, komm schon, dafür lässt de doch was springen.
1000 Dollar und dreißig Minuten später hatte er alles gewusst. Hatte er das einzig Wichtige aus ihrem Geschwafel absorbiert. Trennung. Sie hat sich tatsächlich von ihm getrennt.
Die Frage ist, was er jetzt mit diesem Wissen anfängt. Ob er überhaupt etwas tun soll. Er hatte seine Rache, doch sie war nicht so befriedigend, wie er sich erhofft hatte. Das anfängliche Hochgefühl, der Geschmack des Triumphes verblasste schnell, war praktisch schon am nächsten Tag verschwunden, und ihm wurde bewusst, dass er eine einzigartige Chance verpasst hatte. Wenn er sich nicht von seiner gekränkten Eitelkeit hätte leiten lassen, von seiner Gier, wenn er es langsam angepackt hätte, wer weiß….
"Verflucht", murmelt er mit zusammengebissenen Zähnen, steht auf und geht zu der großen Glasfront seines Büros. Sie bietet Blick auf das, was er gerne sein Imperium nennt. Nun, mittlerweile sind seine Fabriken natürlich über das ganze Land verteilt, Niederlassungen in 17 verschiedenen Bundesstaaten, ein paar Tochterfirmen im Ausland, allen voran Asien, ein paar Jahre noch, etwas Fortschritt und er wird auch dort zum Marktführer werden. Tiefkühlkost. Es klingt so simpel, überhaupt nicht nach Geld. Aber die Leute kaufen. Sie kaufen Tiefkühlpizzen und gefrorene Steaks, Fertiggerichte für die Mikrowelle, alleine zu Thanks Giving verdient er ein Vermögen mit seinem gefrorenen Festtagsmenu. Er isst sie oft selbst, wenn er spät nach Hause kommt, seine Bediensteten schon weg sind. Er isst sie selbst, weil er sie mag. Was er nicht mag, kommt nicht auf den Markt. Sie warnen ihn oft, nennen es eine sentimentale Vorstellung vom Geschäftsleben, raten ihm eine GmbH zu gründen, die Aktienmehrheiten zu teilen. Niemand leitet eine so große Firma alleine, niemand, zu riskant, völlig veraltet. Aktien, geben sie endlich Aktien heraus, alle tun es.
Nun, er hat es im Endeffekt auch getan. Aber nicht für die Großen, sondern für die Kleinen, die Hobbyaktionäre, diejenigen die ihn groß gemacht haben. 3 Prozent, die restlichen 97 sind fest in seiner Hand, und dort werden sie bleiben. Bleiben bis er den Löffel abgibt.
Und dann? Was ist dann? Sie haben keine Erben, Mr. Farnsworth. Wer soll eine Firma wie diese führen?, fragen sie ihn, seine Rechtsanwälte und Berater. Dann, wenn es soweit ist, dann könnt ihr damit machen, was ihr wollt. Mit dem, was nach der Testamentsvollstreckung noch übrig ist. Er hat vorgesorgt, alles festgelegt, jeder wird seinen gerechten Anteil bekommen. Jeder, der es verdient. Und es ist genügend da, was es zu verteilen gibt. Trotz seiner Vorliebe für Risiken, hat er stets klug gewirtschaftet, ist so sicher an allen kleinen und großen Wirtschaftskrisen vorbeigeschifft. Platz 7 auf der Forbes-Liste, wenn das kein Erfolg ist, für den kleinen Spinner aus Alabama. (Er selbst würde sich niemals so bezeichnen, die Financial Times hat es getan. 1973 war das, als er die ersten tiefgekühlten Desserts auf den Markt brachte, eigentlich war es nur Eiscreme. Eiscreme, Eiscreme isst man in Eisdielen, nicht zuhause, haben sie gehöhnt, diese Idioten, der kleine Spinner aus Alabama will jetzt Eiscreme verkaufen. Der kleine Spinner. Heute nennen sie ihn freilich anderes, heute haben sie Ehrfurcht.)
Platz 7, ein schöner Erfolg. Er fragt sich, ob sie davon weiß. Ob sie weiß, wie erfolgreich er ist. Ob sie sich für ihn freut. Sie. Sie. Sie. Eigentlich ein Glück, dass sie mit ihrer Enkeltochter in Europa ist, es verschafft ihm Zeit. Zeit dieses Mal alles besser zu durchdenken. Aber er hat jetzt bereits drei Wochen darüber nachgedacht und ein Ergebnis, ein Ergebnis ist nicht in Sicht. Ein Ergebnis, das zu ihm passen würde. Gift, sie vergiftet ihn. Schafft es, dass er Barbara, dieser entzückenden Rothaarigen, den Laufpass gegeben hat. Barbara, eine wahre Augenweide, zumindest, seit er ein paar Dollar hat springen lassen, ein wenig Botox hier, ein wenig Silikon dort und schon hatte er eine Schönheit erschaffen. Eine künstliche Schönheit, zugegeben, aber schön. Schön und dankbar. Dankbarkeit macht gefügig, leider macht es nicht intelligent. Nicht das sie dumm ist, aber das Wasser kann sie ihm bei Weitem nicht reichen. Nun, er hat sich ihrer auch nicht wegen ihres Talents für tiefsinnige Gespräche angenommen, sondern wegen anderer Begabungen, eine der Besten, die er jemals im Bett hatte - und es waren viele. Eine Frau nach der anderen, auch jetzt noch, obwohl er nicht mehr der Jüngste ist. Jetzt noch? Nein, nicht seit dem Besuch dieser blöden Nutte. Niemals hätte er ihr zuhören dürfen, niemals.
Sie ist alt, ruft er sich in Erinnerung, nicht viel jünger als du. Also lass es, lass es einfach auf sich beruhen. Vergiss es, was willst du mit ihr? Schon als du sie das letzte Mal gesehen hast, war sie nur noch ein schwaches Abbild, eine verblasste Erinnerung an sie selbst. Trotzdem, trotzdem hast du sie begehrt, es war dir egal. Begehren. Darum geht es. Aber nicht nur das Begehren nach ihrem Körper, es war immer mehr, alles an ihr, alles erschien dir begehrenswert. Er hat sich oft gefragt, wie es ausgegangen wäre, wenn sie ihn geheiratet hätte, wenn sie jetzt seine Frau wäre.
Jetzt ist sie frei, du könntest es herausfinden. Wenn sie dich lässt. Und das wird sie niemals tun, niemals wird sie vergessen können, wie du sie behandelt hast. Es sei denn…., ein Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, erst ganz schwach, wächst sich jedoch schnell zu einem breiten Grinsen aus. Natürlich, denkt er, natürlich. Wieso bist du nicht schon früher darauf gekommen? Manchmal, William, manchmal denkst du einfach viel zu kompliziert.
***

Anvisieren, ausholen, abwerfen, das Geräusch von fliegendem Papier. Ein dumpfes Knistern, als es am Rand des Mülleimers abprallt, auf dem Boden landet, zwischen all den anderen zerknüllten Blättern landet. Sie gibt ein genervtes Grollen von sich. "Dann eben nicht", sagt sie in das leere Zimmer, seufzt und versucht sich wieder auf das leere Blatt Papier vor sich zu konzentrieren. Lieber Dean, Hallo Dean oder nur Dean? Sie setzt den Füller an, lässt ihn quer über das Blatt sausen und wieder zurück, drückt dabei fest auf, malt blaue Spiralen, Schnörkel und Arabeske. Nimmt schließlich auch dieses Blatt und knüllt es zusammen, holt weit aus, wirft wieder daneben.
Okay, konzentrier dich, mahnt sie sich, konzentrier dich. Was willst du ihm schreiben? Willst du ihm überhaupt schreiben? Ja, natürlich, es fällt dir leichter die Dinge beim Namen zu nennen, präzise zu sein, wenn du sie aufschreibst. Also konzentrier dich endlich, verdammt.
Lieber Dean, schreibt sie. Nein, denkt sie. Lieber Dean, wie das klingt, eine billige Phrase. Aber einfach nur Hallo? Als würde sie ihn nicht kennen. Hey? Zu salopp.
Sie schließt die Augen, lehnt sich zurück. Okay, okay, okay. Lassen wir es bei Lieber Dean. Und jetzt? Sie befeuchtet sich die Lippen und setzt den Füller wieder an.
Lieber Dean,
es fällt mir schwer diesen Brief zu schreiben, aber es würde mir noch schwerer fallen….

"Nein, nein, nein!", dieses Mal ist es der Stift der quer durch den Raum fliegt, der Block der ihm folgt. Genervt über ihre eigene Unfähigkeit fährt sie sich durchs Gesicht, starrt eine Weile an die gegenüberliegende Wand, versucht ihr Gehirn außer Kraft zu setzen, beginnt leise vor sich hinzuzählen.
"Rory?"
Sie schrickt auf, kippt beinahe mit dem Stuhl nach hinten, kann es gerade noch verhindern, indem sie heftig mit den Armen rudert. "Grandma", sagt sie schließlich und steht auf, rückt den Stuhl ordentlich an den Schreibtisch, verschränkt die Arme hinter dem Rücken.
Emily mustert sie, Skepsis spiegelt sich in ihren Augen. "Alles in Ordnung mit dir?"
"Ja", sie nickt, lächelt dabei. "Ja, natürlich. Du hast mich nur ein wenig erschreckt."
"Das wollte ich nicht", zielstrebig geht sie auf den Kleiderschrank zu. "Hast du alles gepackt?"
"Schon gestern Abend", bestätigt Rory, verdreht innerlich die Augen, als ihre Großmutter prüfend die Schranktüren öffnet.
"Gut", sie atmet erleichtert aus, "Das Taxi wird in einer halben Stunde hier sein."
"Ich bin bereit", sie nickt erneut, wartet ungeduldig darauf, dass ihre Großmutter das Zimmer wieder verlässt, doch sie macht keinerlei Anstalten sich vom Fleck zu rühren.
"Freust du dich auf Zuhause?", erkundigt sie sich stattdessen.
"Ja", lautet die Antwort, sie kommt viel zu schnell, sie bermerkt es selbst, fährt daher eilig fort. "Irgendwie. Es ist nicht so, dass ich Europa nicht mag. Im Gegenteil, ich liebe es. Aber Zuhause ist es doch am Schönsten", sie beißt sich auf die Unterlippe, hofft nichts Falsches gesagt zu haben, doch Emily zeigt keinerlei Reaktion.
"Nun, in nicht einmal 24 Stunden wirst du wieder Zuhause sein", erwidert sie lächelnd. Zuhause. Auch sie vermisst es. Aber nicht den Ort, sondern ihn. Sie vermisst ihn, und die Tatsache, dass sie es war, die ihn verlassen hat, macht es nicht leichter. Dennoch, ihre Entscheidung war richtig, das hat sie sich in den letzten Wochen immer wieder eingeredet. Solange, bis sie daran glaubte. Nun, beinahe daran glaubte, denn ein letzter Rest des Zweifels ist noch immer da. Zweifel die, und da ist sie sich sicher, nur von der Gewohnheit herrühren, schließlich lassen sich 34 Jahre nicht so einfach wegwischen. Aber sie wird sich auch an die neue Situation gewöhnen, hat sich fest vorgenommen es zu tun. Und eines Tages, eines Tages wird sie auch wieder einschlafen können, ohne stundenlang die leere Betthälfte neben sich anzustarren, ohne aufzuwachen, weil es beängstigend ruhig ist im Schlafzimmer. Beängstigend. Sie schiebt den Gedanken zur Seite, versucht sich ganz auf Rory zu konzentrieren. "Dennoch hoffe ich, dass die letzten fünf Wochen nicht allzu grausam für dich waren."
"Machst du Witze? Es war toll", das war es, bis auf die Nächte war es einfach toll. "Alleine das Essen. Ich hätte nie gedacht, dass die italienische Küche mehr als nur Pizza und Spagetti zu bieten hat. Oder die Deutsche. Keine Schweinshaxen und kein Sauerkraut und trotzdem bin ich satt geworden. Satt und zufrieden."
"Man muss eben nur die richtigen Lokale kennen, das ist alles."
"Und die richtigen Personen. Wenn ich gewusst hätte, dass Jacques Zutritt zu beinahe allem in Paris hat, dann hätte ich Mom letztes Jahr garantiert dazu überredet, ihm einen Besuch abzustatten. Die private Führung durch die Sorbonne und den Louvre war einfach umwerfend. Wer hätte gedacht, was sie alles im Keller verstecken? Es würde mich nicht wundern, wenn sie eines Tages das Bernsteinzimmer da unten finden."
"Es tut mir leid, dass wir keine Zeit mehr hatten uns den Nachbau anzusehen."
"Ja, Osteuropa ist wirklich etwas zu kurz gekommen", bestätigt Rory, ihre Wangen glühen mittlerweile vor Eifer, ihre schlechte Laune ist verflogen. "Aber der Abstecher nach Stockholm war es eindeutig wert. La Boheme in der Regina war einfach umwerfend. Und die weltgrößte IKEA- Niederlassung gehört eindeutig auf den Reiseplan jedes Europareisenden."
"Ich kann es noch immer nicht fassen, dass du mich tatsächlich in dieses Möbelhaus geschleppt hast. Wieso sollte jemand Gefallen an Möbeln mit seltsamen Namen wie Tromsö, Leksvik oder Mysinge finden?"
"Es ist nicht einfach nur ein Möbelhaus, Grandma. Für viele Menschen ist es eine Religion."
"Und dieses seltsame Essen. Was war das?"
"Köttbular. Mit Pommes frites und Preiselbeersauce. Ein echter IKEA-Klassiker."
"Jedenfalls war es ein kulinarisches Erlebnis, dass ich nicht wiederholen möchte."
"Das sagst du nur, weil du nie Köttbular in Amerika gegessen hast. Im Vergleich dazu haben wir eine Genusssteigerung von 5000 Prozent erfahren", sie grinst fröhlich. "Kein einziger Knorpel, das grenzt an ein Wunder biblischen Ausmaßes."
"Du solltest den Vatikan davon verständigen, ich bin sicher, sie werden umgehend die Heiligsprechung des Küchenchefs in die Wege leiten", entgegnet Emily trocken und wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. "Nun, ich werde der Rezeption bescheid geben, dass sie unser Gepäck abholen können", sie sieht sich prüfend im Zimmer um. "Und du bist wirklich sicher, alles eingepackt zu haben?"
"Yapp", bestätigt sie, korrigiert ihre flapsige Ausdrucksweise, als sie Emilys tadelnden Blick bemerkt. "Selbstverständlich." (Sie weiß es noch nicht, aber in ein paar Monaten wird sie ihrer Großmutter dankbar sein für den nervtötenden Benimmunterricht, dankbar sein, dass sie sich durch das Neun-Gänge Menu in Paris gequält hat, die Funktion und Handhabung jedes einzelnen Besteckteils auf Erden kennt.)
"Hervorragend", ein Nicken, dann geht sie aus dem Zimmer und Rory macht sich daran ihren überquellenden Koffer zu schließen, muss ihr ganzes Gewicht auf den Deckel legen, ehe sie es schafft den Verschluss mit einem leisen Klick einrasten zu lassen.
Anschließend macht sie doch noch eine Runde durch das Zimmer, checkt auch das Badezimmer, will sicher gehen, tatsächlich nichts übersehen zu haben. Bleibt schließlich vor ihrem Block in der Ecke stehen, hebt ihn und den Stift auf, und setzt sich wieder an den Tisch, setzt den Stift an, lässt ihn ohne Unterbrechung über das Papier fliegen.

Dean,

ich bereue nicht, was in dieser Nacht passiert ist, aber wir sollten besprechen, was jetzt aus uns wird. Falls es so etwas wie ein uns überhaupt gibt. Und es wird nur ein uns geben können, wenn du dich von Lindsay trennst. Versteh mich bitte nicht falsch, ich verlange nicht, dass du dich von ihr trennst. Es ist deine Entscheidung, mit wem von uns du zusammen sein willst, aber das kann nun Mal nur eine sein.
Vermutlich hast du in den letzten Wochen sowieso schon darüber nachgedacht. Ich habe es jedenfalls getan, ich habe sogar sehr viel darüber nachgedacht. Egal wie ich es gedreht und gewendet habe, egal wie sehr ich versucht habe mir einzureden, dass es ein dummer Ausrutscher war, dass ich dich nur benützt habe, um endgültig über Jess hinwegzukommen, es stimmt nicht. Alles was stimmt, was ich wirklich will, ist mit dir zusammen zu sein.

Rory


Sie liest den Brief nicht mehr durch, sondern steckt ihn sofort in einen Umschlag, klebt ihn zu und steckt ihn in ihre Gesäßtasche. Dann geht sie zum Fenster und öffnet es, wirft einen letzten Blick auf die Silhouette Budapests. Buda und Pest, früher selbstständige Städte, ruft sie sich in Erinnerung, selbstständig bis zur Vereinigung 1872. Jetzt sind sie ein großes Ganzes. Verbunden auf Papier, verbunden durch die zahlreichen Brücken, die sich über die Donau spannen.
***

Das blank polierte Holz des Tisches liegt zwischen ihnen, blank und kahl. Früher ist es ihm nie aufgefallen, er hat es zwar gesehen, aber nicht wirklich wahrgenommen, all die Blumen im Haus, die Gestecke, Sträuße und Kerzen auf dem Tisch, den Schränken und Kommoden, sie sind verschwunden. Was früher wie selbstverständlich da war, ist jetzt verschwunden.
Er ist froh, dass sie diesem Treffen zugestimmt hat, obwohl es beim letzten Mal zu dieser prekären Situation gekommen ist. Nun, sie weiß, dass wir die Formalitäten klären müssen, es ist nicht wirklich ein Zugeständnis an dich, ruft er sich in Erinnerung.
"Also", setzt er an, sieht die dabei nicht an, sondern starrt auf die Notizen vor sich. Knappe, klare Sätze, er hatte Zeit sich alles durch den Kopf gehen zu lassen, sie war schließlich lange genug weg. Es mag egoistisch klingen, aber er hat eine leichte Eifersucht auf seine Enkeltochter verspürt, Europa, sonst waren Emily und er immer zusammen dort, es war "ihr" Kontinent. "Ich denke, ich habe eine zufrieden stellende Lösung für uns beide gefunden."
Er sieht sie an, wartet einen Moment, will ihr die Gelegenheit geben etwas zu sagen, doch sie schweigt, starrt ebenfalls auf die Papiere vor ihm, ein leerer Blick.
"In einem Hotel zu leben, ist auf die lange Sicht keine angemessene Option. Daher werde ich dir das Haus überlassen", er macht erneut eine Pause, doch auch jetzt zeigt sie keinerlei Reaktion, er ist sich nicht einmal sicher, ob sie ihm überhaupt zuhört, ob es sie überhaupt interessiert. "Ich selbst werde vorübergehend in das Poolhaus umsiedeln. Natürlich nur, bis alles endgültig geklärt ist", bis wir wissen, wie es ausgeht, bis unsere Anwälte alles geklärt haben. "Die Leute werden sich noch früh genug die Mäuler zerreißen, wir müssen ihnen also nicht unnötigen Gesprächsstoff liefern. Daher halte ich es nicht für angebracht, unsere gegenwärtige private Situation völlig offen zu legen, sondern die Sache in aller Stille abzuwickeln. In den meisten Fällen wird es sich sowieso vermeiden lassen, dass wir Termine gemeinsam wahrnehmen müssen. Unser Kontakt wird sich also trotz dieses Stillschweigens nur auf das Nötigste beschränken", wieder hält er kurz inne, wieder erntet er nichts als Schweigen. Doch dieses Mal reicht es ihm.
"Emily", sagt er deshalb ungehalten. "Ich würde es sehr begrüßen, wenn du wenigstens zustimmend mit dem Kopf nicken würdest."
Sie richtet sich kerzengerade auf, rückt auf ihrem Stuhl ein Stück zurück. "Falls einer deiner Vorschläge nicht meine Zustimmung erhalten sollte, werde ich rechtzeitig Protest einlegen", entgegnet sie gelassen, klingt zumindest so. "Aber bislang hört sich alles sehr vernünftig an und ist durchaus akzeptabel."
"Durchaus?", hakt er nach.
"Gänzlich", zuckersüß ihre Stimme, ein süffisantes Lächeln.
Für den Bruchteil einer Sekunde würde er am liebsten aufstehen und gehen, beherrscht sich jedoch, räuspert sich, fährt fort. "Wie erfreulich", auch er lächelt, ringt sich ein Lächeln ab. "Dann sollten wir jetzt zum finanziellen Aspekt unserer Trennung kommen. Da wir nach wie vor, zumindest vor dem Gesetz, verheiratet sind, besteht keinerlei Veranlassung für eine getrennte Finanzführung oder gar die Festlegung von Unterhaltszahlungen, zumal es sich steuerlich äußerst negativ auswirken würde. Von daher kannst du wie bislang frei über unsere Konten verfügen. Größere Ausgaben werden wir selbstverständlich absprechen müssen."
"War es das?", erkundigt sie sich. Erkundigt sie sich, noch ehe der unausgesprochene Punkt seines letzten Satzes verklungen ist.
Perplex sieht er sie an, nickt langsam. "Das Wichtigste, ja."
"Sehr schön", sie steht überhastet auf. "Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest."
"Ist das alles, was du dazu sagen hast? Sehr schön?"
"Erwartest du etwa, dass ich dir für deinen Freimut applaudiere?", mich ob deiner bigotten Großzügigkeit dankbar auf die Knie werfe? Du solltest dich reden hören, Richard, du solltest dich reden hören. Jemand sollte so mit dir sprechen.
"Was soll das jetzt, Emily?", fährt er sie an, senkt seine Stimme umgehend, da er keinen Streit provozieren will, nicht schon wieder. "Das sind nun Mal Dinge, die geklärt werden müssen. Was hast du denn erwartet?"
Frag mich das noch ein Mal, Richard Gilmore, ein einziges Mal noch und ich vergesse auch die letzten Reste meiner Erziehung. "Verzeih", sagt sie stattdessen, stützt sich auf dem Tisch ab. "Aber ich bin müde, der Jet Lag macht mir mehr zu schaffen, als ich dachte", es ist keine Lüge. Sie ist wirklich erschöpft, auch wenn es nicht der wahre Grund ist, weshalb sie dieses unselige Gespräch beenden will.

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]

Teil 2...

"Oh, natürlich", auch er steht jetzt auf, schiebt seine Notizen symbolisch in ihre Richtung. "Ich werde sie dir hier lassen, dann kannst du dir alles in Ruhe ansehen."
"Danke", ein leichtes Nicken, dann geht sie so beherrscht wie möglich aus dem Esszimmer, lässt ihn dort zurück.

***

Sie sitzen auf dem Sofa, jede in einer anderen Ecke, umgeben von zahlreichen Pappschachteln mit chinesischem Essen, über den Bildschirm des Fernsehers flimmert Ein Herz und eine Krone, Audrey Hepburn und Gregory Peck, eine Liebe in Rom, ein Traumpaar, so kitschig, das es schon wieder schön ist.
"Ich hoffe, du hast dein Herz in Rom nicht an einen Prinzen verschenkt", murmelt Lorelai und fischt eine Frühlingsrolle aus einem der Kartons.
"Und ich hoffe, du und Luke wart anständig", kontert ihre Tochter mit einem breiten Lächeln.
"Wir haben nichts getan, was Ossy Osborne nicht gutheißen würde."
"Ihr habt geflucht und euch Ameisen hochgezogen?"
"Das - und Hunde. Du hast es vielleicht noch nicht bemerkt, aber wir haben uns Hunde angeschafft."
Sie hebt die Augenbrauen und nickt, schluckt dabei den letzten Bissen ihres Chop Suey herunter. "Daher der Fleck auf dem Wohnzimmerteppich."
"Nein, der stammt vom Kaffeemassaker von vor drei Wochen", suchend sieht sie sich auf dem Tisch um. "Ich bin gestolpert", fügt sie erklärend hinzu, schnappt sich im selben Moment den Karton mit frittiertem Huhn, während Rory mit unverholener Schadenfreude in sich hinein grinst.
"Über einen der Hunde?"
Sie schnalzt mit der Zunge, wackelt abwiegend mit dem Kopf. "Über einen Korb mit Bügelwäsche", gibt sie schließlich zu.
"In dem einer der Hunde schlief?", hakt ihre Tochter nach, grinst noch immer, lässt Lorelai nicht aus den Augen, als sie nach den gebratenen Nudeln greift.
"In dem ungebügelte Wäsche lag", eine Grimasse, ein Stück Huhn, das in ihrem Mund verschwindet. "Daher auch der Begriff Bügelwäsche."
"Wäsche die du waschen musstest, weil die Hunde sie voll gesabbert haben."
"Ich fürchte, das war ich selbst", sie seufzt und eine Weile starren beide kauend auf den Fernseher, Audrey in Caprihosen, ein traumhaftes Bild, traumhafte Beine.
"Und was ist mit den Hunden?", erkundigt sich Rory nach ein paar Szenen.
"Was hast du denn dauernd mit diesen blöden Hunden", stöhnt Lorelai. "Wir mögen keine Hunde, schon vergessen?"
"Warum hast du dir dann welche angeschafft?"
"Das muss an den Ameisen gelegen haben", sie angelt sich ein paar Nudeln aus Rorys Karton, ignoriert ihren missbilligenden Blick. "Schlechter Stoff", erklärt sie stattdessen.
"Oh", nachdenklich schiebt sie ihr Kinn vor. "Fragt sich nur, wie wir sie dann wieder loswerden."
"Keine Angst, das Problem habe ich schon gelöst."
"Tatsächlich?", mit vor Amüsement glitzernden Augen sieht sie ihre Mutter an, diese klopft sich selbst auf die Schulter.
"Ich habe sie Kirk zum Hundesitten gegeben", verkündet sie beschwingt.
"Dann stehen die Chancen wirklich nicht schlecht, dass wir sie los sind."
"Eben. Und falls er sie uns wiedererwarten doch zurückbringt, habe ich einen Notfallplan."
"Davon kann man nie genug haben, vor allem nicht in Notfällen."
"Du sagst es. Und Al hatte schon ewig keinen Mops Süß-Sauer mehr auf der Speisekarte."
"Ich persönlich bevorzuge ja Peking-Spitz."
"Stimmt, die Kruste ist klasse", verträumt schiebt sie sich ein weiteres Stück Huhn in den Mund. "Schön knusprig."
Sie konzentrieren sich wieder auf den Film, essen sich währenddessen durch Al's Speisekarte, bis sie keinen Bissen mehr herunterbringen, sich zufrieden zurücklehnen, die Beine auf dem Tisch, zurücklehnen und wohlig die Augen schließen, dabei leise den Text mitsprechen. Rory als Gregory, Lorelai als Audrey, verzücktes Gestammel, scheues Flirten, lautstarke Debatten. Und dann, natürlich, der erste Kuss. Mit gespitzten Lippen ahmen sie das Geräusch nach, kichern dabei wie kleine, aufgeregte Kinder.

Für einen kurzen Augenblick entsteht eine seltsame Stille, selbst der Ton erscheint ihnen leiser. Kinder, schießt es beiden durch den Kopf. Seit Rory wieder da ist, haben sie sich wie aufgescheuchte Hühner benommen, dieses Mal die Tage doppelt aufgefüllt, weil sie das nachholen wollten, was sie im letzten Jahr vor Semesterbeginn verpasst haben.
Im letzten Jahr, vor einem Jahr erst, da war noch alles anderes. Doch ernsthaft gesprochen haben sie bisher nicht, kein Wort verloren, über diese Veränderungen. Über Kleinigkeiten ja, den neuesten Klatsch, aber nicht über ihren Streit, haben ihn einfach ignoriert.
"Tja", sagt Lorelai, "Tja", murmelt auch Rory, beugt sich nach vorne, beginnt die leeren Kartons ineinander zu stapeln, bringt sie schließlich in die Küche.
Sie legt den Müll auf die Arbeitsplatte, ihr Blick bleibt auf dem Wäschekorb hängen, auf ihrer dunkelblauen Jeans. Sie beißt sich nachdenklich auf die Unterlippe, zieht die Hose hervor, zieht den Brief aus der Gesäßtasche und starrt ihn eine Weile an.
"Alles klar?", Lorelai befördert einen weiteren Stapel leeren Kartons in die Küche.
"Ja, klar doch", der Brief liegt schwer in ihrer Hand, man könnte meinen er wäre aus Blei, dabei ist es doch nur Papier, wie viel kann Papier schon wiegen? "Könntest du mir einen Gefallen tun, Mom?"
"Immer doch", ein wenig Besorgnis schwingt in ihrer Stimme mit, mit gerunzelter Stirn nimmt sie den Brief an sich, den Rory ihr entgegenstreckt. "Ist der für mich?"
"Nein", sie schüttelt den Kopf, vergräbt ihre Hände in den Taschen ihrer dünnen Wollweste. "Er ist, er ist für Dean", nichts, die Augen ihrer Mutter verraten nichts. "Würdest du ihm den Brief bitte geben?"
Sie seufzt, zuckt mit den Schultern, verspricht Rory es zu tun, macht sich schweigend daran die Kartons zu sortieren, verstaut die Reste sorgfältig im Kühlschrank. Zieht zwei Dosen Cola hervor, ehe sie die Tür schließt, wirft eine davon Rory zu und setzt sich an den Küchentisch. Klopft auf die Holzplatte, winkt ihre Tochter zu sich heran.
"Du", beginnt sie, als Rory sich gesetzt hat. "Du und Dean. Was - Wie wird das jetzt weitergehen? Er ist verheiratet. Noch immer."
"Ich weiß", ein Zischen, etwas Cola wirbelt durch die Luft, sie trinkt einen tiefen Schluck.
"Also?", hakt Lorelai nach, merkt wie sich allmählich wieder Zorn und Unverständnis in ihr breit machen. Will es nicht, will kühl und rational bleiben.
"Also werde ich abwarten, was er tut. Wie er sich entschiedet", ihre letzten Worte sind nur ein Flüstern. "Ich liebe ihn."
"Das tut Lindsay auch", zu heftig, schilt sie sich, geh es langsamer an, langsamer.
"Es geht hier aber nicht um mich oder Lindsay, sondern um ihn. Es ist Deans Entscheidung, mit wem er Zusammensein will."
"Und du versucht nicht diese Entscheidung zu beeinflussen. Mit Briefen zum Beispiel?"
"Nein", ruft sie empört aus. "Ich will nur, dass er sich entscheidet. Und genau das habe ich ihm geschrieben."
"Aber du willst, das er sich für dich entscheidet", es ist keine Frage, eine Feststellung.
"Natürlich. Es ist Dean. Mein Dean", sie wollte das es stark klingt, nach Protest, doch das tut es nicht. Zerknirscht hört sie sich an.
"Und wenn er sich trotzdem für Lindsay entscheidet?"
Zögern, sie zögert kaum merklich, ehe sie antwortet. "Dann werde ich das akzeptieren."
"Ganz sicher?"
"Ganz sicher. Ich bin nicht Glenn Close, es wird zu keiner zweiten verhängnisvollen Affäre kommen."
"Gut", sie nippt an ihrer Dose, legt schließlich einen Arm um ihre Tochter. "Schön, dass du wieder da bist", sie lächeln, beide tun es, trinken schweigend ihre Cola, starren dabei durch die offene Tür in Rorys Zimmer.


To be continued…

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Ein toller Teil!

Amneugirigsten macht mich das hier

Zitat: (Sie weiß es noch nicht, aber in ein paar Monaten wird sie ihrer Großmutter dankbar sein für den nervtötenden Benimmunterricht, dankbar sein, dass sie sich durch das Neun-Gänge Menu in Paris gequält hat, die Funktion und Handhabung jedes einzelnen Besteckteils auf Erden kennt.)


Was da woll noch passiert?
Bin gespannt!!

[Bild: audrey.jpg]

Jeder Hippie muss mal Pippi

Also wieder große Klasse Riska, echt!!! Ich bin über begeistert!!! Große Klasse.

Das was young miss gefragt hat, würde mich auch ma stark interessieren, also lass uns net zulange warten. (Bitte noch was neues vor de WE, bin dann ne Woche weg. :heul: )

Also, wieder sehr sehr schön!!! :knuddel:

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]

Danke, danke, danke. Antwort auf die Frage von YM: Die wird es erst in weiter Zukunft geben *G*

Ob ich bis WE was Neues schaffe, weiß ich nicht. Die zwei Teile waren schon vor dem Crash fertig und jetzt muß ich gucken, wie ich mit dem Schreiben voran komme....

LG, Riska

PS: Bevor ich' vergesse:
@ Kerstin: [Bild: a010.gif]

Immer doch gern!!!!! Nur wenn du erst nächste Woche postest, muss es im Notfall wer anders machen, weil Kerstin ist [Bild: s030.gif]. *gg* Wink

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]

Sie starrt an die Decke, schmutziges Weiß, durchtränkt von schwarzen und braunen Stockflecken, schmuddelig und alt. Schäbig, wie das ganze Zimmer, schäbig wie sie selbst. So kommt sie sich zumindest vor. Sie richtet sich langsam auf, zieht die dünne Decke fest um ihren nackten Körper und steht auf. Der Linoleumboden fühlt sich kühl unter ihren Fußsohlen an, als sie zu einem der zwei schmalen Fenster geht und den vergilbten Vorhang zur Seite schiebt, hinausspäht. Die Bäume tragen schon wieder dichtes Laub, Blätter in allen Farben, dabei wurde es doch eben erst Sommer.
Innere Unruhe erfasst sie plötzlich, ein unerklärliches Kribbeln, so als hätte sie vergessen etwas Wichtiges zu erledigen. Aber da ist nichts, nichts als dieses ekelhafte Gefühl der Scham. In wie vielen Filmen, fragt sie sich, treffen sich die Geliebten mit dem verheirateten Mann in einem Motel? Wie oft passiert es im tatsächlichen Leben?
Sie dreht sich um, lässt ihren Blick durch den Raum schweifen. Wie oft in diesem Zimmer? In diesem Bett? Für einen kurzen Moment hat sie große Lust hier alles kurz und klein zu schlagen, die Stühle zu zertrümmern, die Vasen zu zerschmettern, die Matratze aus ihren Angeln zu heben, schiebt diese aufkeimende Regung allerdings sofort wieder zur Seite, atmet stattdessen tief ein.
Bildet sie es sich nur ein oder liegt sein Duft tatsächlich noch in der Luft? Nein, beschließt sie, es ist das Aroma hunderter Männer, hunderter Frauen, der Duft von Putzmitteln und Waschpulvern, der sich vermischt. Der Geruch schlechten Gewissens und Schweißes. Der Geruch nach Müdigkeit und Sex. Der Geruch eines ordinären Motelzimmers.
Träge tapst sie in das kleine Badezimmer, lässt die Wanne mit Wasser vollaufen, jedoch nicht, ohne sie vorher mit etwas Seife und einem feuchten Handtuch gesäubert zu haben. Als das Wasser in einem klaren Strahl einläuft, schüttet sie gleich mehrere Packungen der ausgelegten Bademilch hinzu und es bilden sich riesige Berge weißen Schaums. Erst als sich die lockere Schaumdecke bereits über dem Rand erstreckt, dreht sie das Wasser wieder ab und lässt die Bettdecke zu Boden gleiten, gleitet selbst in das heiße Wasser. Sie zuckt zusammen, es ist zu heiß, viel zu heiß, ein Prickeln breitet sich auf ihrer Haut aus. Trotzdem lässt sie ihren Körper gänzlich in der Wanne verschwinden, etwas Wasser schwappt dabei plätschernd auf den gekachelten Boden. Sie lehnt ihren Kopf gegen den kühlen Rand der Wanne und schließt die Augen, presst ein Ohr gegen das Porzellan, lauscht dem unheimlich anmutenden Gluckern des Wassers, das sich mit dem lauten Pochen ihres Herzens vermischt. Taucht schließlich auch ihren Kopf unter Wasser, das Rauschen des Blutes in ihren Ohren gesellt sich zu den anderen Geräuschen.
„Dean“, formen ihre Lippen unter Wasser, es hört sich seltsam an, Luftblasen steigen dabei nach oben. Sie wiederholt die Prozedur, wiederholt sie, bis ihre Lungen brennen, nach Atemluft ächzen, sie hastig aufsteigt und gierig den Sauerstoff einatmet, sich wieder keuchend zurück lehnt. „Dean“, sagt sie erneut, ganz leise nur, trotzdem - das Wort prallt an den schmucklosen Wänden ab, hallt durch den leeren Raum. Dean, denkt sie auch. Ich liebe dich, Dean. Liebe ich dich? Wenn du hier bist, wenn du bei mir bist, dann tue ich es. Bin ich mir sicher es zu tun. Doch sobald du den Raum verlässt, bin ich froh, dass du weg bist. Ebenso, wie ich froh bin, wenn du den Raum betrittst. Froh und glücklich, ausgelassen, kindisch und gierig. Gierig nach deinen Küssen, deinen Berührungen. Geborgen in deinen Armen, einfach so dazuliegen und zu schweigen. Ein Schweigen, das nichts Unangenehmes hat. Im Gegenteil, schweigen zu können und sich dabei wohl zu fühlen, ist das nicht das Höchste?
Sie beginnt nach dem Schaum zu greifen, schiebt ihn nach rechts und links, nimmt ihn auf, pustet ihn von ihrer Handfläche aus in die warme Luft, kleine, weiße Flocken, die zurück in die Wanne sinken. Schweigen. Das ist es. Es ist das Problem. Nein, nicht das Schweigen, nicht zu schweigen. Zu reden, das ist es. Mit ihm zu reden ist das eigentliche Problem. Der Grund, weshalb sie sich beim ersten Mal von ihm getrennt hat. Sie haben geredet ja, über Zwischenthemen, Themen die beide ein wenig interessierten. Doch sobald Dean anfing zu erzählen, begeistert anfing zu erzählen von den Dingen, die ihn interessierten, die ihn beschäftigten, wenn er davon erzählt hat, dann hat sie immer nur mit einem halben Ohr zugehört. Freundlich genickt und gelächelt, hin und wieder ein zustimmendes Brummen von sich gegeben, angestrengt versucht sich für das Thema zu interessieren, doch gelungen ist es ihr nie. So sehr sie sich bemüht hat, sie hat nie wirklichen Zugang dazu gefunden, Zugang zu Dingen wie Sport und Technik.
Und auch Dean, er hat sich bemüht, hat die Bücher gelesen, die sie ihm empfohlen hat, sich die CDs angehört, die sie aufgelegt hat – aber wahres Interesse, wahren Gefallen daran, hat er nie entwickelt. Sie haben beide nahezu krampfhaft versucht es zu tun, aber gelungen ist es ihnen nicht wirklich.
Seltsam, schießt es ihr durch den Kopf. Das was mir bei Dean fehlte, hatte ich bei Jess. Das was mir bei Jess fehlte, hatte ich bei Dean. Verstand und Gefühl. Sie schmunzelt, die gute Jane Austen hat wieder mal Recht behalten. Man bracht beides, nur wenn sowohl Verstand, als auch Gefühl gleichermaßen reagieren, kann es funktionieren.
„Nicht genug“, flüstert sie, dieses Mal so leise, dass es sofort wieder dumpf verklingt. Nicht genug, sich hin und wieder zu sehen. Auf die paar Stunden und Minuten hinzuleben, es reicht nicht. Niemals wird es das tun. Nicht genug, sich mit einem von beiden zufrieden zu geben. Liebe. Es muss doch mehr geben. Mehr als nur Geborgenheit, mehr als bedingungsloses Vertrauen, mehr als fiebrige Küsse, mehr als ein gemeinsames Lachen, gemeinsame Interessen. Irgendwo, irgendwo muss es das alles doch auch zusammen geben, zusammenfließen in einer einzigen Person.
Und wenn nicht? Was wenn nicht, Rory?, mahnt sie sich selbst. Was, wenn du dein Leben lang einer Illusion nachjagen wirst, wenn du eines Tages aufwachst, alt und einsam, aufwachst und feststellst, dass du einfach zuviel erwartet hast von diesem einfachen Wort, von diesen zwei Silben, diesen verfickten fünf Buchstaben. Von der Liebe.
Mit einer Hand fährt sie sich durch das nasse Haar, während sie mit der anderen nach dem Wasserhahn tastet, noch etwas heißes Wasser einlassen will, sie liegt bereits zu lange hier, die ehemals angenehm warme Flüssigkeit hat sich abgekühlt, ihre Haut ist schon ganz verschrumpelt, kleine Falten an ihren Fingern und Zehen. Aber sie will noch nicht aufstehen, will weiter hier liegen, umgeben vom warmen Wasser. Warm, von wegen, sie schaudert, als der Wasserstrahl sich immer kälter in die Wanne ergießt. Ein leerer Boiler, fantastisch. Ein tiefes, missmutiges Gurren entschlüpft ihrer Kehle und sie greift nach einem der Handtücher auf der Ablage, steht währenddessen auf. Der Schaum und einzelne Wassertropfen gleiten langsam ihren Körper hinab, als sie aus der Wanne steigt, das Badetuch um sich wickelt und über den beschlagenen Spiegel streicht.
Obwohl die gläserne Fläche sich sofort wieder leicht beschlägt, erkennt sie doch ihr Gesicht darin. Die blauen Augen, ihre gerade geschwungenen Augenbrauen, die schmale, beinahe aristokratisch wirkende Nase, das nasse, schulterlange Haar, das in feuchten Strähnen in ihrem Nacken klebt. Sie erkennt dieses Gesicht. Aber kennt sie es? Kennt sie es noch? Nun, natürlich, die Gesichtzüge, es sind dieselben wie immer, älter vielleicht, schmaler. Aber die Person dahinter, diejenige, die sich in den Augen spiegelt – kennt sie sie? Sie müsste sie kennen, es ist doch sie, Lorelai Leigh Gilmore. Aber sie weiß momentan nicht mehr, wer das eigentlich ist.
Ohne sich eines weitern Blickes zu würdigen, hastet sie zurück in das Schlafzimmer, greift nach ihren Klamotten, zieht sich an, ohne sich abzutrocknen. Der Stoff klebt unangenehm an ihrer feuchten Haut, als sie sich ihre Tasche schnappt, aus dem Raum stürmt, mit nassem Haar über die kleine Parkanlage zu ihrem Wagen sprintet. Sie sitzt schon beinahe darin, als sie plötzlich innehält, ihr diese Belanglosigkeit durch den Kopf schießt. Hat er bezahlt? Hat er das Zimmer bezahlt? Vierzig Dollar die Nacht, ob sie wohl auch Stundenpreise haben? Seufzend steigt sie wieder aus, macht sich auf den Weg zur Rezeption. Er hat nicht. Natürlich nicht. Toms Anruf kam unerwartet, wie hätte er da noch die Zeit haben sollen? Er musste schließlich schnell auf irgendeine der Baustellen.
Nervös kramt sie ihr Portemonnaie hervor, ahnt, dass sie keine vierzig Dollar dabei hat – und so ist es, dreiundzwanzig Dollar siebenundachtzig Cent, zählt sie nach und fühlt wie ihr Blut in die Wangen schießt.
Sie ringt sich ein Lächeln ab, entschuldigt sich bei der alten Dame an der Rezeption, geht in eine kleine Ecke des Raumes und kramt ihr Handy hervor. Wen? Wen rufe ich jetzt an? Mom? Nein, nicht so, nicht von einem Motel aus. Aber wen dann? Wen? Wen? Wen? Dean!?!? Ihn anrufen und eingestehen, dass sie nicht in der Lage ist, dieses verfluchte Zimmer zu zahlen? Eher noch ihre Mutter! Wen dann? Wen? Paris, schießt es ihr durch den Kopf. Natürlich! Paris! Eilig wählt sie die Nummer, hängt sofort verärgert wieder auf… the number you’ve called, is temporarily not available. Lane, ihre nächster Gedanke, natürlich, Lane. Ein weitere Tastendruck, das piepsende Geräusch, als die Nummer gewählt wird. Und wieder nichts, es klingelt, aber niemand geht an das Telefon, die WG ihrer besten Freundin scheint leergefegt zu sein. Ein Handy, denkt sie, zu deinem nächsten Geburtstag werde ich dir eines schenken.
Sie fährt sich mit der Zunge über die Lippen, hängt dabei auf, während die Panik in ihr wächst. Es gibt niemanden mehr, keinen, den sie noch um Hilfe bitten könnte. Keinen, bei dem sie sicher gehen kann, dass es kein Drama nach sich ziehen wird.
Ich hätte die verfluchte Rechnung prellen sollen, aber nein, ich musste ja ehrlich sein. Wen? Wen? Wen? Wen um alles in der Welt kann ich jetzt noch anrufen? Dad? Nein, nicht ihn, er würde es Mom erzählen. Jeder andere, jeder in Stars Hollow – niemals, die Nachricht würde wie ein Feuer die Runde machen. Obwohl? Luke?
Hallo!?!, ruft sie sich in Erinnerung. Luke? Der neue Freund deiner Mutter? Er würde zwar nichts sagen, aber wenn es doch herauskommt, wenn Lorelai erfahren würde, dass er ihr das verschwiegen hat – ein wiederholtes Niemals! Sie kann sich ein leises Lachen nicht verkneifen, als ihr ihre Großeltern durch den Kopf schießen. Natürlich. Richard und Emily Gilmore in einem Motel, eine herrliche Vorstellung.
Die Frau an der Rezeption wird langsam unruhig, ihre Finger trommeln ungeduldig auf dem hölzernen Tresen. „Miss?“, ruft sie laut und ungeduldig, eine erste Warnung.
„Ich“, setzte Rory an, setzt ihr strahlendstes Lächeln auf, geht zurück zum Empfang. „Ähm, ich habe momentan leider nicht genügend Bargeld bei mir.“
„Was ist mit Kreditkarte?“, lautet die barsche Antwort.
„Ich habe leider keine“, gibt sie zerknirscht zu. „Aber eine Bankkarte. Ich habe meine Bankkarte dabei“, fällt ihr ein. „Ich werde nur kurz zum nächsten Automaten gehen und etwas Geld abheben. Ich bin auch sofort wieder da, ehrlich!“
„Nicht ohne ein Pfand, meine Liebe“, die Furchen auf der Stirn der Alten vertiefen sich, es ist klar zu erkennen, dass sie Rory nicht traut.
„Klar. Ein Pfand“, sie kramt ihren Autoschlüssel hervor, legt ihn auf den Tresen. „Mein Wagen. Er steht auf dem Parkplatz, der kleine Italiener.“
„Kay“, brummt die Alte, reißt den Schlüssel an sich. „Aber wenn du in ner halben Stunde nich wieder auftauchst, hast du Pech gehabt.“
Ohne zu zögern stimmt sie zu, rennt geradezu aus dem Motel, es ist ihr peinlich, unendlich peinlich. Im Laufschritt nähert sie sich dem Platz, an dem sie das Ortszentrum vermutet, eine Bank, ein Automat, eine zwanzig Dollarnote auf dem Boden, nur schnell. Keuchend biegt sie um eine Ecke, findet sich im nächsten Moment auf dem Asphalt wieder, reibt sich schmerzerfüllt den Steiß. „Aua“, murmelt sie, sieht auf, erkennt den Grund für ihre Bruchlandung und sämtliches Blut scheint in ihr Gesicht zu strömen, ihre Wangen beginnen zu glühen, während sich der Rest ihres Körpers eisig anfühlt. Ausgerechnet, denkt sie, vermutlich der einzige Polizist im ganzen Ort und ich muss mit ihm zusammenstoßen.
Trotzdem ergreift sie dankbar seine Hand, lässt sich von ihm nach oben ziehen. „Wohin denn so eilig, junge Dame?“, erkundigt sich der uniformierte Mann.
„Ich, ähm, Geld, Geldautomat“, beginnt sie zu stottern. „Ich brauche Geld. Für, für das Zimmer. Im Motel. Es ist, und dann musste er weg und ich, und die Rechnung und“, sie verdreht die Augen, atmet scharf ein. „Tut mir leid“, sagt sie zerknirscht.
„Keine Ursache, über eine so hübsche Lady stolpere ich doch gerne.“ Erleichtert stellt Rory fest, dass er freundlich klingt, ärgert sich über ihre übertriebene Reaktion. Es ist doch völlig egal, ob du gegen einen Polizist oder einen Telefonmast läufst, egal, du hast nichts getan, um Gottes Willen, benimm dich endlich wieder halbwegs normal. „Die nächste rechts“, fährt der Polizist fort und deutet auf eine Straße.
Sie braucht einen Moment, um zu begreifen, wovon er spricht. „Oh, danke“, murmelt sie schließlich, schiebt ihr nasses Haar hinter die Ohren, nickt ihm zu und geht weiter, langsam dieses Mal.
Sie hebt das Geld ab, bezahlt das Zimmer, gibt ein großzügiges Trinkgeld und fährt zurück nach Yale. Dort legt sie sich in ihr Bett, zieht sich die Decke über den Kopf und schließt die Augen. Es muss aufhören, denkt sie, es muss aufhören, sonst läufst du das nächste Mal vor ein fahrendes Auto. Aber was muss aufhören? Er hat es doch getan, er hat sich von Lindsay getrennt, ist zurück zu seinen Eltern gezogen, aber sich gemeinsam in der Öffentlichkeit blicken lassen? In Stars Hollow? Unmöglich.
Dieses Versteckspiel zerrt an ihren Nerven, ihr schlechtes Gewissen ist schon zu einer chronischen Krankheit geworden, die keinen Platz für anderes lässt, alleine die letzte Stunde hat es wieder gezeigt. Scham und Schuld, alles wovon sie sich hat leiten lassen. Sie muss mit Dean reden, sie müssen die Karten endlich offen auf den Tisch legen, alles andere macht keinen Sinn mehr. Sie spürt, wie sie von einer Welle der Erschöpfung und des Selbstmitleids erfasst wird, wie sich der Kloß in ihrem Hals löst, sich löst, während ihr Tränen über das Gesicht laufen.
Irgendwann schläft sie ein, ein traumloser Schlaf, aber als sie wieder aufwacht, fühlt sie sich besser, kann endlich wieder klar denken. Weiß plötzlich ganz genau, was sie zu tun hat.

Den Duft frisch gebrühten Kaffees in der Nase, füllt er die Zuckerstreuer auf, verschüttet dabei etwas des süßen Stoffes, kleine, glitzernde Körner überall auf der Arbeitsfläche. Er dreht sich um und will gerade nach einem Lappen auf dem Tresen greifen, als er Kirk bemerkt. Kirk, der ein breites Lächeln im Gesicht hat, ihn belustigt ansieht. Wieso?, fragt er sich, stellt im selben Moment und mit großer Verärgerung fest, dass er die ganze Zeit vor sich hin gepfiffen hat. Nicht, dass es ihm peinlich wäre, ein wenig vielleicht, ertappt kommt er sich allerdings vor, als hätte er einem Nachbarn die Äpfel aus dem Garten geklaut.
„Kaffee?“, brummt er daher, stellt seinem Gast umgehend eine Tasse unter die Nase.
„Vielen Dank“, er klingt gut gelaunt, mehr als das, heiter bis sonnig. Sehr sonnig.
„Keine Ursache“, der Kaffee ergießt sich mit einem Strahl in die Tasse, bildet eine Dampfwolke über dem blauen Porzellan. Während Kirk mit dem Süßstoff hantiert, wendet sich Luke wieder den Steuern zu, knallt das Zuckerpacket jedoch schon nach wenigen Augenblicken wieder zurück auf die Platte und stemmt die Hände in die Hüften. „Was?“, fährt er Kirk an.
„Die Liebe“, verkündet dieser mit theatralischer Stimme. „Sie macht uns zu Brüdern im Geiste. Die Liebe und die Frauen. Ein tolles Gesprächsthema unter Freunden.“
„Halt die Klappe, Kirk“, mit dir werde ich mich ganz bestimmt nicht über die Liebe und die Frauen unterhalten. Mit niemandem.
„Wieso so griesgrämig?“
„Könnte an deiner Anwesenheit liegen.“
„Oder daran, dass eine gewisse Lady nicht hier ist.“
Er will gerade antworten, sein Mund ist schon halb geöffnet, als die Türglocke mit einem leisen Bimmeln einen weiteren Gast ankündigt.
Beide sehen zur Tür und lächeln. Kirk triumphierend, Luke mit gewisser Schüchternheit. Um davon abzulenken, sich selbst ebenso wie Kirk und alle anderen, holt er eine Tasse aus dem Regal und stellt sie auf den Tresen.
„Hi“, ein breites Grinsen im Gesicht begrüßt sie ihn, stützt sich mit den Ellenbogen auf der Theke ab, lehnt sich über sie hinweg, drückt ihm einen Kuss auf die Lippen.
Überrascht fährt er zurück und greift nach der Kanne. „Kaffee?“, fragt er, wartet gar keine Antwort ab, sondern gießt ihn sofort ein, während Lorelai ihn mit gerunzelter Stirn beobachtet. Nicht nur sie tut es, alle tun es, jeder der Gäste verfolgt das Schauspiel mit wachem Interesse.
„Danke“, sie greift mit der einen Hand nach der Tasse, die andere nutzt sie, um auf einen der Barhocker zu hüpfen. „Und?“, säuselt sie zwischen zwei Schlucken und Luke vergräbt seine Hände tief in den Hosentaschen.
„Und was?“
„Und, wie geht es dir so? Wie laufen die Geschäfte? Wie findest du das Wetter?“, holt sie aus.
„Gut“, erwidert er knapp. „Alles bestens. Ich, ähm, werde eben Kaffee nachschenken gehen“, er läuft los, kommt jedoch schnell wieder zurück, nimmt dieses Mal die Kanne mit.
Lorelai nickt, schielt zu Kirk, stöhnt leise, als er ihr zuzwinkert und wendet sich wieder ihrem Kaffee zu. Nippt daran und wartet. Wartet und weiß nicht worauf, wartet während Luke leere Teller in die Küche trägt, Tische abwischt, Bestellungen aufnimmt, Essen serviert, keine Minute still steht, keine Sekunde länger als nötig hinter dem Tresen verweilt.
Letztendlich hat sie genug, steht auf und geht schnurstracks in die Küche, in der er eben verschwunden ist. „Was soll das?“
„Du hast nichts in der Küche verloren“, packt er sie an den Schultern, schiebt sie zurück in den Laden, doch sie denkt gar nicht daran, dieser Anordnung folge zu leisten.
„Glaub ja nicht, dass du mich so einfach los wirst“, erklärt sie, während sie ihm erneut in die Küche folgt, dort angelangt die Hände in die Hüften stemmt. „Also?“
„Sie wissen es“, zischt er leise. „Sie wissen es alle. Sie beobachten uns.“
„Mmh“, Lorelai sieht nach rechts, sieht nach links. „Aber nicht hier. Hier ist niemand“, sie nimmt seine Hände. „Niemand außer uns.“
„Weil hier niemand außer den Angestellten sein darf“, erinnert er sie, sieht Lorelai dabei durchdringend an, beginnt sie, ehe er sich versieht, zu küssen.
„Das nenne ich einen Begrüßungskuss“, gurrt sie und schlingt ihre Arme um seinen Hals, presst ihren Körper fest an den seinen, lächelt glücklich. „Ich muss jetzt ins Dragonfly“, sie hebt die Brauen, verzieht den Mund dabei. „Sehen wir uns heute Abend?“
„Ich habe noch einige Bestellungen zu erledigen“, erklärt er, erkennt selbst, dass es sich wie eine faule Ausrede anhört, korrigiert sich daher schnell. „Aber wie wäre es mit Morgen?“
„Freitag“, murmelt sie, ihr Gesicht mittlerweile komplett unglücklich verzogen.
„Ich könnte doch mitkommen“, hört er sich selbst sagen, hört, wie sie laut auflacht.
„Mitkommen? Freiwillig? In den kleinen Horrorladen?“, sie löst sich von ihm. „Das halte ich offen gestanden für keine sonderlich gute Idee.“
„Aber irgendwann wirst du mich ihnen vorstellen müssen.“
„Irgendwann, sicher“, wiegelt sie ab, verspürt keinerlei Verlangen es jemals zu tun, weiß ohnehin schon, wie es enden wird, in einer Katastrophe. „Außerdem kennen sie dich doch schon.“
„Als deinen Freund, ja. Aber nicht als deinen Freund“, als sie nichts erwidert, fährt er fort, versucht dabei das aufkeimende Gefühl der Verständnislosigkeit zu unterdrücken. „Wenn das mit uns eine Zukunft haben soll, führt kein Weg daran vorbei.“
„Zukunft“, wiederholt sie leise. Sie weiß, worauf er hinaus will, dass er auf ihre vergangen Beziehungen anspielt, Beziehungen die sie geheim gehalten hat. Aber das war nicht der Grund für ihr Scheitern. War er es? „In Ordnung“, stimmt sie schließlich zögernd zu. „Aber nicht diesen Freitag. Ich muss sie, ich muss sie erst langsam darauf vorbereiten.“
„Wie langsam?“
„Drei, vier Jahre dürften eigentlich genügen.“
„Lorelai“, scharf klingt es, warnend.
„Wochen, ich wollte natürlich Wochen sagen“, sie drückt ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich muss jetzt wirklich los.“
Sie gehen gemeinsam zurück ins Diner, sie wendet sich schon zum Gehen, als er sie an der Hand greift und an sich zieht, ihr einen Kuss gibt.
„Das nenne ich einen Abschiedskuss“, murmelt sie grinsend.
Er zuckt mit den Schultern, deutet mit dem Kinn in den Raum, mehrere Köpfe, die sich hektisch abwenden. „Jetzt bist du dran.“
Sie nickt langsam, versteht, was er damit andeuten will. Nimmt sich fest vor, ihren Eltern von ihm zu erzählen. Alles andere, alles andere wäre doch nur kindisch und feige.

***

Nur unscharf nimmt er die Personen war, die das Restaurant betreten, ihre Umrisse, ihre Spiegelung im Glas des Bilderrahmens an der Wand. Doch es reicht, denjenigen, den er erwartet, wird er sofort erkennen. Ein alter Trick, denkt er, lass ihn erst im letzten Moment erkennen, mit wem er es zu tun hat. Die Etikette verbietet es, dann noch zu gehen, vor allem in einem so vornehmen Restaurant wie dem Robespierre. Ebenso wie sie es verbietet, die Stimmen zu laut zu erheben. Das perfekte Ambiente also, jetzt kann er nur noch hoffen, dass seine Argumente ebenfalls makellos, wirkungsvoll sind. Sie müssten es eigentlich sein, er hat lange genug daran gefeilt, war selbst überrascht, wie logisch sie sind. Logisch und frei von jeglicher Emotion. Fakten, darum geht es, ein Essen unter Geschäftsmännern, nicht mehr. Dass er dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, ein schöner Nebeneffekt.
Er konzentriert sich wieder auf die Spiegelung des Eingangs, eine Frau betritt das Restaurant, ihr eng anliegendes, schwarzes Kleid betont jede ihrer wohlgeformten Kurven. Eine Sieben, bewertet er sie, vielleicht auch eine Siebeneinhalb, schwer zu sagen, dafür hat er sie nicht deutlich genug gesehen. Er spielt für einen Moment mit dem Gedanken sich umzudrehen, sie genauer zu mustern, sich die Wartezeit so zu verkürzen, zu versüßen, doch dazu besteht kein Anlass mehr, das Warten hat ein Ende, er ist da.
William Farnsworth beugt sich ein Stück nach vorne, verengt die Augen zu einem Schlitz, um der Reflexion stärkere Konturen zu verleihen. Eine der Hostessen kümmert sich um seinen Gast, nimmt ihm den Mantel ab, weist mit einem freundlichen Lächeln auf den Tisch. Er nähert sich energischen Schrittes und Farnsworth richtet sich auf, verleiht seinen Gesichtszügen ein lockeres bis bestimmtes Aussehen, Pokerface, elegant und eloquent. Alles alte Tricks, alt und bewährt, sonst hätten sie schließlich nicht Jahrhunderte überlebt.
Ein letztes tiefes Durchatmen, ehe er aufsteht, sich dabei die Krawatte glatt streicht, seinem Gegenüber die Hand reicht.
„Richard“, ruft er freudig aus, ein breites Lächeln auf den Lippen, während das Gesicht des Begrüßten für den Bruchteil einer Sekunde fassungslos erschlafft. „Wie schön dich zu sehen! Setz dich“, er deutet auf den gegenüberliegenden Stuhl. „Wie lange ist es jetzt her?“, fährt er im unverfänglichen Plauderton fort.
Er hat Mühe die Haltung zu bewahren, ruft sich dennoch mit aller Kraft zur Contenance und nimmt Platz, weiß, dass er unmöglich gehen kann. Es sind zu viele wichtige Leute da, andere Kunden. Er kann es sich schlichtweg nicht erlauben, einen wichtigen Mann wie William Farnsworth offen zu brüskieren, würde sich und der Firma damit tief ins Fleisch schneiden. „Es ist eine ganze Weile her“, entgegnete er also ebenfalls so unverfänglich wie möglich.
„Schade eigentlich“, William greift nach der Speisekarte und öffnet sie. „Dabei haben wir uns früher eigentlich immer sehr gut verstanden.“
Bevor du meine Verlobte heiraten wolltest, bevor du dich an meine Ehefrau herangemacht hast. „Seltsam, wie sich manche Kontakte einfach verflüchtigen“, entgegnet er, ballt unter dem Tisch seine rechte Hand zu einer Faust, hat sich trotzdem wieder halbwegs gefangen.
Ein Anheben der Augenbrauen ist die einzige Antwort, die er erhält. Beide geben jetzt vor sich auf die Karte zu konzentrieren, umschleichen sich jedoch in Wahrheit wie zwei tollwütige Hunde, misstrauisch und wachsam, die gebleckten Zähne hinter einem Lächeln versteckt.
Man bestellt das Menu, stößt mit dem Aperitif an – ein Sherry für William, ein Martini für Richard -, plaudert über den Wandel der Fleischqualität in den letzten Jahren und breitet schließlich sorgfältig die Servietten über den Schoß, als die Vorspeise serviert wird.
Sie essen also, das Gespräch dreht sich weiter über Belanglosigkeiten, dem ersten Gang folgt eine Diskussion über die Situation des Aktienmarktes, dem Zweiten ein Austausch ihrer Meinungen über die Lage der amerikanischen Wirtschaft.
Alle Themen werden von William initiiert, Richard lässt ihn gewähren, ahnt, das alles nur das Vorspiel ist, ein Manöver, um zum eigentlichen Thema zu gelangen.
Beim abschließenden Brandy, sind sie endlich auch beim Grund des Treffens angelangt, hat William einen geschickten Bogen geschlagen. „Vor allem für eine große Firma, wie die Peco wird es immer schwieriger sich zu behaupten. Die laufenden Kosten verschlingen ein Vermögen“, erklärt er, was Richard ohnehin schon weiß. „Man muss sehen, wo und wie man einsparen kann. Vor allem die Versicherungen, bei meinen jetzigen Konditionen. Ich zahle und zahle. Horrende Summen. Doch falls tatsächlich etwas passieren sollte, sehe ich alt aus. Eigenbeteiligungen in Höhe von siebenstelligen Beträgen, wer kann sich das heute noch leisten?“
Er wird hellhörig, lauscht mit erwachtem Interesse Williams Ausführungen über (wahrlich lachhafte) Policen und Beiträge, beginnt den Grund für dieses Treffen zu erahnen.
„Daher“, schließt sein Gegenüber schließlich, „Daher denke ich darüber nach, die Versicherungsgesellschaft zu wechseln“, er greift nach seinem Drink, prostet Richard zu. „Interesse?“, erkundigt er sich so beiläufig wie möglich, nippt genüsslich am Brandy. Stellt vergnügt fest, dass Richards Augen mehr als „nur“ Interesse zeigen.
„Ich fürchte, ich werde dir nicht weiterhelfen können“, lehnt er dennoch ab. So verlockend dieses Angebot ist, welche Gewinne die Firma damit auch einfahren können, welches Ansehen gewinnen, niemals. Keine Geschäfte mit diesem Kerl, niemals.
William ist nicht überrascht, er hat mit dieser Antwort gerechnet. „Richard“, sagt er, sagt es beschwörend, ein Ton, als wären sie die besten Freunde. „Es handelt sich um ein Geschäft. Ein gewinnbringendes Geschäft für beide Seiten. Ich profitiere davon, du profitierst davon. Es ist eine Interaktion, bei der unsere, nun sagen wir, privaten Differenzen keinerlei Rolle spielen sollten.“
Natürlich nicht, denkt er. Geschäft ist Geschäft. Emotionen haben nichts am Handlungstisch verloren. Dennoch, in diesem Fall. „Ich fühle mich geschmeichelt, William. Annehmen kann ich dieses Angebot trotzdem nicht.“
„Weil du glaubst, sie würde es dir verübeln“, bringt er es auf den Punkt und glaubt ein kurzes Aufzucken der Mundwinkel zu erkennen.
„Emily hat damit nichts zu tun“, kühl klingt es, eisig.
„Dann verstehe ich nicht, weshalb du ablehnst. Wir sind beide Geschäftsmänner. Hervorragende Geschäftsmänner. Wir wissen, dass man gewisse Dinge trennen muss. Sie trennen muss, um erfolgreich zu sein.“
Er atmet tief durch, kann es nicht von der Hand weisen. Er selbst hat, ungeachtet seiner persönlichen Abneigung, wieder mit Floyd kooperiert, musste es tun. Hat es getan, obwohl ihm die privaten Folgen von Anfang an klar waren. Vielleicht nicht in diesem Ausmaß, nein, natürlich nicht, aber Geschäft ist nun mal Geschäft. Und ein Kunde wie William Farnsworth ein unvorstellbar gutes, wenn nicht gar das beste Geschäft, das er jemals an Land gezogen hat. „Warum“, hakt er misstrauisch nach. „Warum kommst du ausgerechnet zu mir?“
„Eine gute Frage“, eine sehr gute sogar, er hat lange überlegt, ehe ihm die passende Antwort dazu einfiel. „Ich halte nichts von den neumodischen Methoden. Grünschnäbel, frisch von der Universität, die glauben mir weismachen zu können, sie wüssten mehr als ich. Sie können es nicht, weil sie keine Ahnung haben. Ich brauche jemanden mit viel Erfahrung, einen fairen Verhandlungspartner, dem ich vertrauen kann“, zufrieden sieht er Richard an, seine Worte zeigen ihre Wirkung – und sie waren nicht einmal gelogen.
Er lässt den Brandy in seinem Glas kreisen, lässt sich alles durch den Kopf gehen. Eine echte Herausforderung derartige Verträge auszuarbeiten, es ist verlockend, sehr verlockend sogar. Es gibt keinen Grund abzulehnen, keinen rationalen. „Lass mir die notwenigen Unterlagen zukommen.“
„Das werde ich“, sie prosten sich zu, leeren ihre Gläser in einem Zug. Beide sind zufrieden, können es sein. Der eine vielleicht ein wenig mehr, als der andere.

To be continued.

ATN: Für alle DaheimgebliebenenWink Riska

Yeah, das lese ich wenn ich wieda zuhaus bin, musste aber trotzdem meinen Senf dazu geben. Wink
Bin sehr gespannt, nur hier kann ich den PC net so lang belegen. Wink

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~Emily&Lorelai~All in the Family| Jünger des Emilynismus| It's me![/SIZE]
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