Den Duft frisch gebrühten Kaffees in der Nase, füllt er die Zuckerstreuer auf, verschüttet dabei etwas des süÃen Stoffes, kleine, glitzernde Körner überall auf der Arbeitsfläche. Er dreht sich um und will gerade nach einem Lappen auf dem Tresen greifen, als er Kirk bemerkt. Kirk, der ein breites Lächeln im Gesicht hat, ihn belustigt ansieht. Wieso?, fragt er sich, stellt im selben Moment und mit groÃer Verärgerung fest, dass er die ganze Zeit vor sich hin gepfiffen hat. Nicht, dass es ihm peinlich wäre, ein wenig vielleicht, ertappt kommt er sich allerdings vor, als hätte er einem Nachbarn die Ãpfel aus dem Garten geklaut.
âKaffee?â, brummt er daher, stellt seinem Gast umgehend eine Tasse unter die Nase.
âVielen Dankâ, er klingt gut gelaunt, mehr als das, heiter bis sonnig. Sehr sonnig.
âKeine Ursacheâ, der Kaffee ergieÃt sich mit einem Strahl in die Tasse, bildet eine Dampfwolke über dem blauen Porzellan. Während Kirk mit dem SüÃstoff hantiert, wendet sich Luke wieder den Steuern zu, knallt das Zuckerpacket jedoch schon nach wenigen Augenblicken wieder zurück auf die Platte und stemmt die Hände in die Hüften. âWas?â, fährt er Kirk an.
âDie Liebeâ, verkündet dieser mit theatralischer Stimme. âSie macht uns zu Brüdern im Geiste. Die Liebe und die Frauen. Ein tolles Gesprächsthema unter Freunden.â
âHalt die Klappe, Kirkâ, mit dir werde ich mich ganz bestimmt nicht über die Liebe und die Frauen unterhalten. Mit niemandem.
âWieso so griesgrämig?â
âKönnte an deiner Anwesenheit liegen.â
âOder daran, dass eine gewisse Lady nicht hier ist.â
Er will gerade antworten, sein Mund ist schon halb geöffnet, als die Türglocke mit einem leisen Bimmeln einen weiteren Gast ankündigt.
Beide sehen zur Tür und lächeln. Kirk triumphierend, Luke mit gewisser Schüchternheit. Um davon abzulenken, sich selbst ebenso wie Kirk und alle anderen, holt er eine Tasse aus dem Regal und stellt sie auf den Tresen.
âHiâ, ein breites Grinsen im Gesicht begrüÃt sie ihn, stützt sich mit den Ellenbogen auf der Theke ab, lehnt sich über sie hinweg, drückt ihm einen Kuss auf die Lippen.
Ãberrascht fährt er zurück und greift nach der Kanne. âKaffee?â, fragt er, wartet gar keine Antwort ab, sondern gieÃt ihn sofort ein, während Lorelai ihn mit gerunzelter Stirn beobachtet. Nicht nur sie tut es, alle tun es, jeder der Gäste verfolgt das Schauspiel mit wachem Interesse.
âDankeâ, sie greift mit der einen Hand nach der Tasse, die andere nutzt sie, um auf einen der Barhocker zu hüpfen. âUnd?â, säuselt sie zwischen zwei Schlucken und Luke vergräbt seine Hände tief in den Hosentaschen.
âUnd was?â
âUnd, wie geht es dir so? Wie laufen die Geschäfte? Wie findest du das Wetter?â, holt sie aus.
âGutâ, erwidert er knapp. âAlles bestens. Ich, ähm, werde eben Kaffee nachschenken gehenâ, er läuft los, kommt jedoch schnell wieder zurück, nimmt dieses Mal die Kanne mit.
Lorelai nickt, schielt zu Kirk, stöhnt leise, als er ihr zuzwinkert und wendet sich wieder ihrem Kaffee zu. Nippt daran und wartet. Wartet und weià nicht worauf, wartet während Luke leere Teller in die Küche trägt, Tische abwischt, Bestellungen aufnimmt, Essen serviert, keine Minute still steht, keine Sekunde länger als nötig hinter dem Tresen verweilt.
Letztendlich hat sie genug, steht auf und geht schnurstracks in die Küche, in der er eben verschwunden ist. âWas soll das?â
âDu hast nichts in der Küche verlorenâ, packt er sie an den Schultern, schiebt sie zurück in den Laden, doch sie denkt gar nicht daran, dieser Anordnung folge zu leisten.
âGlaub ja nicht, dass du mich so einfach los wirstâ, erklärt sie, während sie ihm erneut in die Küche folgt, dort angelangt die Hände in die Hüften stemmt. âAlso?â
âSie wissen esâ, zischt er leise. âSie wissen es alle. Sie beobachten uns.â
âMmhâ, Lorelai sieht nach rechts, sieht nach links. âAber nicht hier. Hier ist niemandâ, sie nimmt seine Hände. âNiemand auÃer uns.â
âWeil hier niemand auÃer den Angestellten sein darfâ, erinnert er sie, sieht Lorelai dabei durchdringend an, beginnt sie, ehe er sich versieht, zu küssen.
â
Das nenne ich einen BegrüÃungskussâ, gurrt sie und schlingt ihre Arme um seinen Hals, presst ihren Körper fest an den seinen, lächelt glücklich. âIch muss jetzt ins Dragonflyâ, sie hebt die Brauen, verzieht den Mund dabei. âSehen wir uns heute Abend?â
âIch habe noch einige Bestellungen zu erledigenâ, erklärt er, erkennt selbst, dass es sich wie eine faule Ausrede anhört, korrigiert sich daher schnell. âAber wie wäre es mit Morgen?â
âFreitagâ, murmelt sie, ihr Gesicht mittlerweile komplett unglücklich verzogen.
âIch könnte doch mitkommenâ, hört er sich selbst sagen, hört, wie sie laut auflacht.
âMitkommen? Freiwillig? In den kleinen Horrorladen?â, sie löst sich von ihm. âDas halte ich offen gestanden für keine sonderlich gute Idee.â
âAber irgendwann wirst du mich ihnen vorstellen müssen.â
âIrgendwann, sicherâ, wiegelt sie ab, verspürt keinerlei Verlangen es jemals zu tun, weià ohnehin schon, wie es enden wird, in einer Katastrophe. âAuÃerdem kennen sie dich doch schon.â
âAls deinen Freund, ja. Aber nicht als
deinen Freundâ, als sie nichts erwidert, fährt er fort, versucht dabei das aufkeimende Gefühl der Verständnislosigkeit zu unterdrücken. âWenn das mit uns eine Zukunft haben soll, führt kein Weg daran vorbei.â
âZukunftâ, wiederholt sie leise. Sie weiÃ, worauf er hinaus will, dass er auf ihre vergangen Beziehungen anspielt, Beziehungen die sie geheim gehalten hat. Aber das war nicht der Grund für ihr Scheitern. War er es? âIn Ordnungâ, stimmt sie schlieÃlich zögernd zu. âAber nicht diesen Freitag. Ich muss sie, ich muss sie erst langsam darauf vorbereiten.â
âWie langsam?â
âDrei, vier Jahre dürften eigentlich genügen.â
âLorelaiâ, scharf klingt es, warnend.
âWochen, ich wollte natürlich Wochen sagenâ, sie drückt ihm einen Kuss auf die Wange. âIch muss jetzt wirklich los.â
Sie gehen gemeinsam zurück ins Diner, sie wendet sich schon zum Gehen, als er sie an der Hand greift und an sich zieht, ihr einen Kuss gibt.
â
Das nenne ich einen Abschiedskussâ, murmelt sie grinsend.
Er zuckt mit den Schultern, deutet mit dem Kinn in den Raum, mehrere Köpfe, die sich hektisch abwenden. âJetzt bist du dran.â
Sie nickt langsam, versteht, was er damit andeuten will. Nimmt sich fest vor, ihren Eltern von ihm zu erzählen. Alles andere, alles andere wäre doch nur kindisch und feige.
***
Nur unscharf nimmt er die Personen war, die das Restaurant betreten, ihre Umrisse, ihre Spiegelung im Glas des Bilderrahmens an der Wand. Doch es reicht, denjenigen, den er erwartet, wird er sofort erkennen. Ein alter Trick, denkt er, lass ihn erst im letzten Moment erkennen, mit wem er es zu tun hat. Die Etikette verbietet es, dann noch zu gehen, vor allem in einem so vornehmen Restaurant wie dem
Robespierre. Ebenso wie sie es verbietet, die Stimmen zu laut zu erheben. Das perfekte Ambiente also, jetzt kann er nur noch hoffen, dass seine Argumente ebenfalls makellos, wirkungsvoll sind. Sie müssten es eigentlich sein, er hat lange genug daran gefeilt, war selbst überrascht, wie logisch sie sind. Logisch und frei von jeglicher Emotion. Fakten, darum geht es, ein Essen unter Geschäftsmännern, nicht mehr. Dass er dabei gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, ein schöner Nebeneffekt.
Er konzentriert sich wieder auf die Spiegelung des Eingangs, eine Frau betritt das Restaurant, ihr eng anliegendes, schwarzes Kleid betont jede ihrer wohlgeformten Kurven. Eine Sieben, bewertet er sie, vielleicht auch eine Siebeneinhalb, schwer zu sagen, dafür hat er sie nicht deutlich genug gesehen. Er spielt für einen Moment mit dem Gedanken sich umzudrehen, sie genauer zu mustern, sich die Wartezeit so zu verkürzen, zu versüÃen, doch dazu besteht kein Anlass mehr, das Warten hat ein Ende, er ist da.
William Farnsworth beugt sich ein Stück nach vorne, verengt die Augen zu einem Schlitz, um der Reflexion stärkere Konturen zu verleihen. Eine der Hostessen kümmert sich um seinen Gast, nimmt ihm den Mantel ab, weist mit einem freundlichen Lächeln auf den Tisch. Er nähert sich energischen Schrittes und Farnsworth richtet sich auf, verleiht seinen Gesichtszügen ein lockeres bis bestimmtes Aussehen, Pokerface, elegant und eloquent. Alles alte Tricks, alt und bewährt, sonst hätten sie schlieÃlich nicht Jahrhunderte überlebt.
Ein letztes tiefes Durchatmen, ehe er aufsteht, sich dabei die Krawatte glatt streicht, seinem Gegenüber die Hand reicht.
âRichardâ, ruft er freudig aus, ein breites Lächeln auf den Lippen, während das Gesicht des BegrüÃten für den Bruchteil einer Sekunde fassungslos erschlafft. âWie schön dich zu sehen! Setz dichâ, er deutet auf den gegenüberliegenden Stuhl. âWie lange ist es jetzt her?â, fährt er im unverfänglichen Plauderton fort.
Er hat Mühe die Haltung zu bewahren, ruft sich dennoch mit aller Kraft zur Contenance und nimmt Platz, weiÃ, dass er unmöglich gehen kann. Es sind zu viele wichtige Leute da, andere Kunden. Er kann es sich schlichtweg nicht erlauben, einen wichtigen Mann wie William Farnsworth offen zu brüskieren, würde sich und der Firma damit tief ins Fleisch schneiden. âEs ist eine ganze Weile herâ, entgegnete er also ebenfalls so unverfänglich wie möglich.
âSchade eigentlichâ, William greift nach der Speisekarte und öffnet sie. âDabei haben wir uns früher eigentlich immer sehr gut verstanden.â
Bevor du meine Verlobte heiraten wolltest, bevor du dich an meine Ehefrau herangemacht hast. âSeltsam, wie sich manche Kontakte einfach verflüchtigenâ, entgegnet er, ballt unter dem Tisch seine rechte Hand zu einer Faust, hat sich trotzdem wieder halbwegs gefangen.
Ein Anheben der Augenbrauen ist die einzige Antwort, die er erhält. Beide geben jetzt vor sich auf die Karte zu konzentrieren, umschleichen sich jedoch in Wahrheit wie zwei tollwütige Hunde, misstrauisch und wachsam, die gebleckten Zähne hinter einem Lächeln versteckt.
Man bestellt das Menu, stöÃt mit dem Aperitif an â ein Sherry für William, ein Martini für Richard -, plaudert über den Wandel der Fleischqualität in den letzten Jahren und breitet schlieÃlich sorgfältig die Servietten über den SchoÃ, als die Vorspeise serviert wird.
Sie essen also, das Gespräch dreht sich weiter über Belanglosigkeiten, dem ersten Gang folgt eine Diskussion über die Situation des Aktienmarktes, dem Zweiten ein Austausch ihrer Meinungen über die Lage der amerikanischen Wirtschaft.
Alle Themen werden von William initiiert, Richard lässt ihn gewähren, ahnt, das alles nur das Vorspiel ist, ein Manöver, um zum eigentlichen Thema zu gelangen.
Beim abschlieÃenden Brandy, sind sie endlich auch beim Grund des Treffens angelangt, hat William einen geschickten Bogen geschlagen. âVor allem für eine groÃe Firma, wie die Peco wird es immer schwieriger sich zu behaupten. Die laufenden Kosten verschlingen ein Vermögenâ, erklärt er, was Richard ohnehin schon weiÃ. âMan muss sehen, wo und wie man einsparen kann. Vor allem die Versicherungen, bei meinen jetzigen Konditionen. Ich zahle und zahle. Horrende Summen. Doch falls tatsächlich etwas passieren sollte, sehe ich alt aus. Eigenbeteiligungen in Höhe von siebenstelligen Beträgen, wer kann sich das heute noch leisten?â
Er wird hellhörig, lauscht mit erwachtem Interesse Williams Ausführungen über (wahrlich lachhafte) Policen und Beiträge, beginnt den Grund für dieses Treffen zu erahnen.
âDaherâ, schlieÃt sein Gegenüber schlieÃlich, âDaher denke ich darüber nach, die Versicherungsgesellschaft zu wechselnâ, er greift nach seinem Drink, prostet Richard zu. âInteresse?â, erkundigt er sich so beiläufig wie möglich, nippt genüsslich am Brandy. Stellt vergnügt fest, dass Richards Augen mehr als ânurâ Interesse zeigen.
âIch fürchte, ich werde dir nicht weiterhelfen könnenâ, lehnt er dennoch ab. So verlockend dieses Angebot ist, welche Gewinne die Firma damit auch einfahren können, welches Ansehen gewinnen, niemals. Keine Geschäfte mit diesem Kerl, niemals.
William ist nicht überrascht, er hat mit dieser Antwort gerechnet. âRichardâ, sagt er, sagt es beschwörend, ein Ton, als wären sie die besten Freunde. âEs handelt sich um ein Geschäft. Ein gewinnbringendes Geschäft für beide Seiten. Ich profitiere davon, du profitierst davon. Es ist eine Interaktion, bei der unsere, nun sagen wir, privaten Differenzen keinerlei Rolle spielen sollten.â
Natürlich nicht, denkt er. Geschäft ist Geschäft. Emotionen haben nichts am Handlungstisch verloren. Dennoch, in diesem Fall. âIch fühle mich geschmeichelt, William. Annehmen kann ich dieses Angebot trotzdem nicht.â
âWeil du glaubst, sie würde es dir verübelnâ, bringt er es auf den Punkt und glaubt ein kurzes Aufzucken der Mundwinkel zu erkennen.
âEmily hat damit nichts zu tunâ, kühl klingt es, eisig.
âDann verstehe ich nicht, weshalb du ablehnst. Wir sind beide Geschäftsmänner. Hervorragende Geschäftsmänner. Wir wissen, dass man gewisse Dinge trennen muss. Sie trennen muss, um erfolgreich zu sein.â
Er atmet tief durch, kann es nicht von der Hand weisen. Er selbst hat, ungeachtet seiner persönlichen Abneigung, wieder mit Floyd kooperiert, musste es tun. Hat es getan, obwohl ihm die privaten Folgen von Anfang an klar waren. Vielleicht nicht in diesem AusmaÃ, nein, natürlich nicht, aber Geschäft ist nun mal Geschäft. Und ein Kunde wie William Farnsworth ein unvorstellbar gutes, wenn nicht gar das beste Geschäft, das er jemals an Land gezogen hat. âWarumâ, hakt er misstrauisch nach. âWarum kommst du ausgerechnet zu mir?â
âEine gute Frageâ, eine sehr gute sogar, er hat lange überlegt, ehe ihm die passende Antwort dazu einfiel. âIch halte nichts von den neumodischen Methoden. Grünschnäbel, frisch von der Universität, die glauben mir weismachen zu können, sie wüssten mehr als ich. Sie können es nicht, weil sie keine Ahnung haben. Ich brauche jemanden mit viel Erfahrung, einen fairen Verhandlungspartner, dem ich vertrauen kannâ, zufrieden sieht er Richard an, seine Worte zeigen ihre Wirkung â und sie waren nicht einmal gelogen.
Er lässt den Brandy in seinem Glas kreisen, lässt sich alles durch den Kopf gehen. Eine echte Herausforderung derartige Verträge auszuarbeiten, es ist verlockend, sehr verlockend sogar. Es gibt keinen Grund abzulehnen, keinen rationalen. âLass mir die notwenigen Unterlagen zukommen.â
âDas werde ichâ, sie prosten sich zu, leeren ihre Gläser in einem Zug. Beide sind zufrieden, können es sein. Der eine vielleicht ein wenig mehr, als der andere.
To be continued.
ATN: Für alle Daheimgebliebenen
Riska