01.05.2005, 18:46
Die Geschichte ist mir plötzlich so eingefallen. Zu einer FF hat es nicht gereicht, deswegen ist es nur ein One Shot. Würde mich aber trotzdem über viel FB freuen. Egal ob positives oder negatives.
Don't leave me alone
Er zog die Tür seines Autos auf. Wie so oft war es nicht verschlossen. Wer würde auch schon so ein altes Auto stehlen wollen? An den Seiten war schon teilweise der Lack nicht mehr vollständig zu sehen. Er hatte lange gespart um es sich kaufen zu können. Doch er mochte sein Auto, obwohl es an dieser Situation auch Schuld war. Schuld war, dass er sich jetzt so fühlt. Wäre er nicht in das kleine Dorf zurück gegangen um sein Auto wieder zu holen, wäre er ihr nicht begegnet. Als er sie dann so sah, wusste er das er nicht ohne sie leben konnte. Doch was war jetzt? Jetzt saà er wieder in seinem Auto. Genau wie vor ein paar Monaten, als er ihr seine Liebe gestand. Alles war wie früher. Mit seinen Händen umgriff er das Lenkrad und stützte seinen Kopf darauf. Das gleiche Gefühl der Einsamkeit und Verzweiflung machte sich im ihm breit. Nein. Nein. Nein. Immer wieder schallte das Wort durch sein Kopf. Wie konnten nur 4 Buchstaben, ein kleines Wort ihn so verletzten? Sie sagte es ihm einfach ins Gesicht. Ohne lange darüber nachgedacht zu haben. Er schüttelte seinen Kopf. Er konnte es einfach nicht begreifen. Schon so oft hatte er dieses Wort gehört, gelesen oder selbst gesagt. Doch jetzt hatte es eine ganz andere Bedeutung für ihn. Er richtete sich wieder langsam auf und zog seine schwarze Lederjacke aus. Diese warf er achtlos auf die Rückbank. Aus dem Augenwinkel sah er das seine Jacke etwas bedeckt hatte. Er griff nach hinten und zog unter der Jacke ein Buch hervor. Er schlug es auf und las die ersten Zeilen.
Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe. Unsere Tiefe ist Abgrund. Wir sind die Generation ohne Glück, ohne Heimat und ohne Abschied. Unsere Sonne ist schmal, unsere Liebe grausam und unsere Jugend ist ohne Jugend. Und wir sind die Generation ohne Grenze, ohne Hemmung und Behütung - ausgestoÃen aus dem Laufgitter des Kindseins in eine Welt, die die uns bereitet, die uns darum verachtet.
“Und wie sie mich verachtet”, dachte er und legte das Buch auf den Beifahrersitz. Er zündete den Motor und sofort sprang das Radio dabei an. Es lief ein Lied das gar nicht zu seinen Inneren Gefühlen passte. Aber seine Umwelt passte auch nicht dazu. Zu schön war die Nacht, die sein ganzes Leben veränderte. Sternenklar und der Vollmond hing thronend am Himmel und erhellte so die dunkle Welt. Doch es störte ihn nicht weiter, denn er nahm alles um sich herum nicht mehr war. Immer noch hing er mit den Gedanken ihr und dem Wort nach. Er fuhr ohne Ziel vor Augen los. Wollte einfach nur weg. Er lief weg, so wie er es immer machte. Hatte es auch nie anderes versucht. Sah keinen Sinn darin. So wie in seinem Leben. Auf der Autobahn beschleunigte er sein Tempo. Immer und immer schneller rauschte er über den Highway. Der Adrenalinstoà betäubte wenigstens im Moment seinen Schmerz. Er wusste nicht wo er war, aber das war ihm auch sittlich egal. Ihn interessierte überhaupt nichts mehr. Von weiten sah er schon die Ausfahrt. Obwohl er nicht wusste wohin sie führte steuerte er mit Vollgas auf sie zu. Die Musik ihm Radio raubte ihm den letzten Nerv. Mit der rechten Hand kramte er in einem Stapel CDs. Zog einfach eine raus. Welche es war, war ihm eigentlich egal. “Alles ist besser als dieser Schrott”, dachte er und versuchte die CD in den Player reinzuschieben. Aber irgendwie hatte sich der CD-Player auch gegen ihn verbündet. Wie der Rest der Welt. Immer wieder drückte er auf Play, doch nichts geschah. Er schaute immer abwechselnd auf die Autobahn und den Player. Die Ausfahrt kam nun immer näher und er bog schlieÃlich ab, aber immer noch auf den Player konzentrient. Mit einer Hand lenkte er seinen Wagen, ohne einmal wirklich zu sehen wohin er steuerte. Durch ein lautes Hupen riss er wieder seinen Kopf hoch. Seine Augen wurden immer gröÃer und blickten ihn ein weiÃes, grelles Licht. Noch ein kurzer Schrei, der die Stille in zwei riss.
Langsam kam er wieder zu Bewusstsein, hielt jedoch seine Augen noch geschlossen. Er hörte um sich herum ein monotones piepen und noch duzende andere Geräusche. Er wollte sich bewegen, konnte es aber nicht. Vorsichtig öffnete er seine Augen. Alles war verschwommen. Langsam nahm er einzelne Umrisse war. Das Bild vor seinen Augen wurde immer schärfer. Doch was er da vor sich sah, konnte er kaum glauben. Da saà sie. Sie, die ihm das Wort an den Kopf schmiss. Sie, die ihn nicht wollte, weg schickte. Aus ihrem Leben verbannte. Sie saà einfach da, las in einen Buch. Er liebte es ihr beim Lesen zuzuschauen. Dann bekam sie um sich herum nie etwas mit. Doch als er genauer hinschaute, bemerkte er etwas. “Das Buch kenne ich doch... Das ist doch mein Buch... aus dem Auto... Auto? Was mach ich eigentlich hier? Wo bin ich?” Er schaute sich um, aber ohne seinen Kopf zu bewegen. Nun sah er auch was da immer so piepte. Um ihn herum standen nur Maschinen. Ohne sie wäre er jetzt wahrscheinlich schon tot. An seinem Arm war eine Infusion. Dann kamen auch seine Erinnerungen wieder. Er musste einen Autounfall gehabt haben. Seine Blicke schweiften wieder ab. Da war sie wieder. Doch was machte sie hier? Hier bei ihm? Träumte er das etwa nur? War er schon tot? Er wollte etwas sagen, doch seine Lippen blieben verschlossen. Kämpfte mit sich, über die Kontrolle über seinen Körper. SchlieÃlich gewann er den Kampf. Nur mühsam öffnete er den Mund. “Das... Buch... ist... gut...”, hauchte er ganz leise und nahm bei jedem Wort Luft. Das Mädchen vor ihm fuhr mit dem Kopf schnell hoch und schaute ihn entgeistert an. “Was... Ist?... Schau... Ich etwa so schlimm aus?”, meinte er ganz leise und setzte mit viel Mühe sein Bad Boy Lächeln auf. Sie ging auf ihn zu und setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett. “Nein du siehst gut aus”, log sie und schaute ihm dabei in sein kreidebleiches Gesicht. “Liest du mir aus dem Buch vor?” “Ja klar”, meinte sie und las dort weiter wo sie aufgehört hat. “ Aber wir sind mutig, wir Todtragenden: Wir machen Kinder, wir fahren, wir schlafen...”, weiter kam sie nicht denn er unterbrach sie. “Jede Minute, die war, ist unwiederbringlich. Und unübersehbar jene, die kommt.” “Du hast das Buch wohl schon oft gelesen”, stellte sie fest. “ So oft eigentlich nicht, aber diese Zeile blieb an mir hängen. Ich weià auch nicht warum. Sie hat etwas... Aber jetzt les weiter.” Sie senkte wieder ihren Blick. “.....Und die Liebe, die blutfarbende Liebe, ist in den Nächten. Und sie tut weh, manchmal. Und sie lügt, immer, die Liebe: Aber wir lieben mit allem, was wir haben.” Sie hörte auf zu lesen. “Was ist?”, fragte er und atmete dabei schwer. Doch sie gab ihm keine Antwort. Schaute ihn nur traurig an. SchlieÃlich bekam sie doch ein Wort heraus. “Ich... Ich...” stammelte sie, “es tut mir leid. Ich wollte dich eigentlich nicht wegschicken. Es kam nur so überraschend. Ich wollte nicht das du mich noch einmal so verletzt.” “ Ich hätte dich nicht so überrumpeln sollen. Aber... Ich liebe dich”, sagte er mit einer Stimme die immer leiser wurde. Sie blickte in seine Augen, die nun keinen Glanz mehr besaÃen. Sie waren voller Furcht. Doch sie wusste nicht vor was er Angst hatte. Nur er kannte die Antwort. Irgendwas in ihm sagte ihm, das es bald soweit war. Er streckte seine Hand nach ihrer aus. Mit seiner letzter Kraft griff er nach ihr. Wollte sie noch einmal spüren. Nur noch ein letztes mal. Sie hielt seine Hand während sie weiterlas. “...Und drauÃen, am Stadtrand, steht frostrein und durchsichtig der neue Morgen. Ende” , sie richtete ihren Blick wieder auf ihn. Sein Händedruck wurde immer leichter, seine Augen waren geschlossen. Sie strich ihm vorsichtig über seine Wange. “Hey... Nein!!!”, schrie sie. “Nein!!!! Komm zurück. Das darfst du mir doch nicht antun. Lass mich hier nicht zurück”, schrie sie immer wieder und sank mit ihrem Kopf auf den leblosen Körper und benetzte ihn mit ihren Tränen.
Seid jenem Tag verschwand auch der Glanz ihren markanten blauen Augen. Nur noch Trauer spiegelte sich in ihnen. Zu spät stand sie vor seinem Grab und hatte Tränen im Gesicht. Las immer wieder die Worte, die auf seinem Grab standen: Jede Minute, die war, ist unwiederbringlich. Und unübersehbar jene, die kommt.
Zu spät erkannte sie was sie wollte und flüsterte:” Ich liebe dich auch, Jess.”