Obwohl er den Mann erst seit fünf Minuten kennt, flöÃt er ihm Angst ein. So lächerlich es ist, er fühlt sich tatsächlich beklommen, gerade so, als wäre er wieder der Gefangene der jeden Moment damit rechnen muss für eine falsche Antwort eine Faust in seinem Gesicht, seinem Magen zu spüren, Blut auf der Zunge zu schmecken, nach Atem zu ringen, während er stechenden Schmerz empfindet, kaltes Pochen in den Schläfen. Die Augen sind es, ein bohrender Blick, missgünstig und verächtlich. Seltsam, denkt er sich, die Farbe, es ist genau dieselbe wie bei ihr und dennoch könnten sie sich nicht mehr unterscheiden. Seine Hände fühlen sich klebrig an, seine Zunge ist es, klebt an seinem Gaumen, ein Kloà hängt in seinem Hals.
âWas verschafft mir die Ehre ihres Besuches, Mr. Gilmore?â, knarrend klingt die Stimme, Eiswürfel in einem Glas.
âIchâ, räuspert er sich, holt tief Luft, ringt sich ein Lächeln ab. Ein Lächeln, das sein Gegenüber jedoch keineswegs zu täuschen vermag. âIch würde sie gerne um die Hand ihrer Tochter bitten, Mr. Johnson.â
Das laute Knallen einer Tür reiÃt ihn aus den Gedanken, lässt ihn aufschrecken wie ein kleines Kind bei einem Gewitter.
âLorelaiâ, hört er Luke rufen, sieht wie er aufspringt, in Richtung Tür hechtet, jedoch davor stehen bleibt, hilflos die Hände hebt, sich der Couchecke zuwendet, die verblüfften Gesichter dort betrachtet. âIch wollte doch nurâ¦â, murmelt er und bricht ab.
Für einen Moment sagt niemand etwas, das Surren des Kühlschranks ist das einzige Geräusch im Zimmer. SchlieÃlich ist Rory es, die zuerst das Wort ergreift.
âIch werde nach ihr sehenâ, sie streicht ihren Rock glatt und steht auf, wirft Luke im Vorbeigehen einen aufmunternden Blick zu. Dieser geht zum Sessel, lässt sich schwerfällig darin fallen. Das schlimmste aller Szenarien ist eingetreten. Natürlich ist es das, du kennst sie doch, schilt er sich, wie konntest du nur so blöd sein. Blöd. Dumm. Total bescheuert.
âBitte?â
Luke zuckt zusammen, er hat die letzten Worte ohne es zu bemerken laut ausgesprochen. âTotal bescheuertâ, wiederholt er mit zusammen gebissenen Zähnen. âIch wusste genau, dass sie so reagieren würde. Und trotzdem habe ich es getan. Und alles nur um bei ihnen Eindruck zu schindenâ, er lacht leise in sich hinein, lacht über sich selbst.
âNunâ, er steht auf, knöpft dabei sein Jackett zu. âDas ist ihnen tatsächlich gelungenâ, ein mildes Lächeln breitet sich auf Richards Gesicht aus. âAllerdings muss ich ihnen Recht geben. Etwas Dümmeres hätten sie wohl kaum tun können, wenn man bedenkt, dass es Lorelai ist, um deren Hand sie mich gebeten haben.â
âAllerdingsâ, seufzt Luke, während er die Hände faltet, seine Stirn gegen sie presst und zu Boden starrt.
âIch denke ich werde mich dann auch von ihnen verabschieden, Mr. Danes.â
âNatürlichâ, er springt auf, ist überrascht als Richard ihm seine Hand entgegenstreckt, ergreift sie dennoch.
âFalls sie Lorelai in Anbetracht der Situation noch dazu bewegen können, ihre Frau zu werden, dann will ich ihnen nicht im Weg stehen.â
âDankeâ, entschlüpft es ihm, es klingt ebenso überrascht wie schrill.
âBehaupten sie hinterher allerdings nicht, ich hätte sie nicht gewarntâ, erwidert Richard und nickt ihm zum Abschied zu, verlässt die kleine Wohnung, wenn man diese Mansarde überhaupt so nennen kann. Behaupten sie allerdings nicht, ich hätte sie nicht gewarnt. Er ärgert sich über diese Worte, waren es doch dieselben, die sein Schwiegervater ihm hinterher rief. Behaupten sie allerdings nicht, ich hätte sie nicht gewarnt. Emily eignet sich nicht für die Ehe, eignet sich für überhaupt nichts, es sei denn dafür sich schwängern zu lassen. Das kann sie! Die Worte eines verbitterten Mannes, dessen Tochter sich gegen alles aufgelehnt hatte, was er für sie geplant hatte. Pläne die schon feststanden ehe sie überhaupt geboren gewesen war. Worte die ihn hatten begreifen lassen, weswegen Emily sich vehement dagegen gesperrt hatte, dass er ihre Eltern jemals traf. Weswegen sie selbst jeden Kontakt zu ihnen abgebrochen hatte. Dennoch hatte er es damals für richtig empfunden Mr. Johnson seine Aufwartung zu machen, ihn offiziell einzubinden, obwohl die Ehe längst beschlossene Sache gewesen war. Natürlich war sie es, schlieÃlich hatten sie ein Kind. SchlieÃlich hatte Emily einen anderen für ihn vor dem Altar stehen lassen. Er würde sie heiraten, obwohl er es insgeheim für das Beste gehalten hätte, es nicht zu tun. Sie hatte etwas Besseres verdient. Ebenso wie sie es nicht verdient hatte, dass ihr Vater so von ihr dachte. Die Art und Weise wie Rupert Johnson über sie gesprochen hatte, das Bild das er von ihr zu haben schien, hatten Richard entsetzt. Es war, als ob sie zwei völlig unterschiedliche Frauen kannten, die nichts miteinander zu tun hatten. Während Emily für ihn mehr als nur schön war, mehr als nur klug, mehr als nur eine gewöhnliche Frau, so war sie für Rupert das genaue Gegenteil, war ihre Schönheit das Einzige was nicht zu bemängeln war, während der Rest ihres Wesens unbedarft und verdorben war. Er hatte es zwar nicht ausgesprochen, aber der Klang seiner Stimme hatte deutlich verraten, dass er Emily für nicht mehr als ein verkommenes Flittchen hielt, dass sich jedem der es nur wollte bereitwillig zur Verfügung stellte.
Er schüttelt nachdenklich den Kopf, als er seinen Wagen aufschlieÃt. Seltsam, wie sich alles wiederholt. Auch wenn er nie an Lorelais Intelligenz oder ihren sonstigen Eigenschaften, seien sie moralisch oder menschlich, gezweifelt hatte, so hatte sie ihn doch enttäuscht, mehr als er sich jemals eingestanden hatte. Natürlich war sie jetzt eine erfolgreiche Unternehmerin, aber vor zwanzig Jahren, vor zwanzig Jahren hatte sich die Enttäuschung gleichsam einem Messer durch seinen Körper gebohrt. Und hätte er nicht selbst auch ein uneheliches Kind gezeugt gehabt, so hätte er Lorelai wohl auf die StraÃe gesetzte, hätte sie ebenso behandelt, wie Rupert Johnson es mit Emily getan hatte. Und das obwohl Emilys Vater sie wegen eines viel geringeren Vergehens mit Bannung bestraft hatte. Für ihn hatte es genügt, dass sie nicht gewillt gewesen war James Browning zu heiraten. Als sie dann auch noch schwanger geworden war, musste sich sein ganzes Bild von ihr komplettiert haben. Natürlich war es nicht ganz falsch. Emily war keine Heilige, sie hatte das getan, was ein gut erzogenes Mädchen wohl niemals tun würde, sie hatte mit ihm geschlafen ehe sie verheiratet gewesen waren. Aber sie hatte es nicht getan, weil sie für jeden zu haben gewesen wäre, sondern weil sie ihn geliebt hatte. Liebe. In letzter Zeit hat er sich immer öfter dabei ertappt, wie er sich fragt, was wohl aus ihm geworden wäre, wenn er Pennilyn nicht verlassen hätte, wenn er sie geheiratet hätte. Er fragt, sich ob er dann wohl auch nach Vietnam gegangen wäre, ob er sich als Ehemann ebenso entschieden hätte. Und die Antwort ist immer wieder dieselbe: er hätte es nicht getan. Er wäre geblieben. Und das obwohl er Pennilyn nie so geliebt hatte, wie Emily. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes sein High School Sweetheart gewesen, eine süÃe, kleine Romanze, der erst Kuss, das erste Mal. Alles völlig unbedarft, unbeschwert. Und dann hatte er Emily kennen gelernt. Emily, die so anders war als Pennilyn. Penny hatte ihm immer offen und ehrlich gesagt was sie dachte, was sie fühlte. Emily hingegen hatte sich stets hinter einer Maske versteckt. Eine Sekunde zuvor hatte sie sich noch an ihn geschmiegt, seine Lippen zärtlich mit den ihren berührt, während sie sich in der nächsten von ihm gelöst hatte, ihn plötzlich mit einem ernsten, beinahe emotionslosen Blick bedacht hatte und von ihm verlangte, dass er Pennilyn verlies. Er war nie wirklich schlau aus ihr geworden, hatte nie gelernt wirklich jeden ihrer Blicke zu deuten. Erst mit der Zeit hatte sie sich wenigstens in seinem Beisein fallen lassen. Doch auch dann nur, wenn sie sich unbeobachtet gefühlt hatte. Nur wenn sie alleine waren, dann war sie ganz sie selbst gewesen. Die Frau in die er mehr als nur verliebt war, die er mehr als nur begehrte. Die Frau die er bewunderte, die Frau die er liebte. Und er tut es noch immer. Natürlich nicht mehr so, wie man eine Ehefrau liebt, aber dennoch ist da noch immer so etwas wie Liebe. SchlieÃlich könnte er auch niemals damit aufhören Lorelai oder Rory zu lieben.
Lorelai, er seufzt. Seufzt und hofft, dass sie sich schnell wieder beruhigen wird. Natürlich ist Luke nicht der ideale Schwiegersohn, aber er scheint seine Tochter zu lieben. Weswegen sonst hätte er diesen furchtbaren Abend inszenieren sollen? Und Liebe erscheint ihm noch immer die beste Grundlage für eine Ehe zu sein.
To be continued