Die letzte Hausarbeit ist abgeliefert, die letzte Prüfung geschrieben. Was bleibt ist ein groÃes Loch. Hat sie die letzten zwei Sommer in Europa verbracht, so liegen jetzt drei Monate leerer Ãdnis vor ihr, Tage die sich aneinanderreihen wie leere Blätter. Doch womit sie sie beschriften soll â sie weià es nicht.
Natürlich wird sie nach Stars Hollow fahren, dort Zeit mit ihrer Mutter verbringen, mit Lane. Doch irgendwie erscheint ihr diese Aussicht trostlos. Selbst die zahlreichen Bücher, die sie sich zu lesen vorgenommen hat, haben vieles von ihrer Magie verloren. Wenn sie es nicht besser wüsste, wenn sie nicht viel zu jung dafür wäre, sie würde bei sich selbst einen Anflug von Midlife Crisis diagnostizieren. Denn was könnte es sonst sein? Weshalb sollte sie ihr Leben sonst unerträglich langweilig finden? Womit lieÃe sich dieses Kribbeln, dieses Warten auf Nichts und Alles sonst erklären?
Du solltest ausgehen, geh aus, nimmt sie sich immer wieder vor, warum kannst du nicht einmal ein wenig verrückt sein? Sei ein wenig wie Madeleine und Louise, nicht ganz so extrem, natürlich nicht, aber amüsier dich doch einfach ohne dir Gedanken über die Folgen zu machen. Wie alt bist du, verflucht, dass du deine Abende entweder in der Redaktion der
Yale Daily News oder im Wohnheim vor dem Fernseher verbringst? Alleine auf deinem Bett sitzt und dir die Zeit mit alten russischen Autoren vertreibst? Du bist langweiliger als Wasser, als Luft und Staub, selbst Paris hat mehr gesellschaftliche Kontakte!
Sie atmet tief durch, unwillig, aber sie hat sich vorgenommen es zu tun, also tut sie es. Sie wird auf diese Party gehen. Spaà haben. SpaÃ, es wäre doch gelacht, wenn sie das nicht hinbringen würde, was kann so schwer daran sein? Ein kicherndes Pärchen zieht an ihr vorbei, er streift sie in der Eile, ruft lachend eine Entschuldigung über seine Schulter hinweg und sie seufzt als Antwort. Zieht an ihrem Rock, rückt ihre Jackenärmel zurecht, zählt leise bis drei und beschleunigt ihren Schritt, reiÃt die Tür zu der umfunktionierten Sporthalle auf. HeiÃe Luft und Lärm schlagen ihr entgegen, laute Musik, lautes Stimmengemurmel, eine Kakophonie der Sinneseindrücke. Dennoch geht sie weiter hinein, murmelt leise Entschuldigen als sie sich ihren Weg durch die Menge bahnt, bleibt schlieÃlich vor der Bar stehen. Es läuft doch prima, redet sie sich selbst ein, du bist hier, am Ort des Geschehens, die gröÃte Yale-Party des ganzen Jahres. Du bist hier, also genieÃe es. Sie knöpft ihre Jacke auf, schlüpft heraus, es ist viel zu heià für unnötige Bekleidung. AnschlieÃend geht sie zum Tresen der Bar, lehnt sich dem Thekenmann entgegen.
âEin Wasser, bitteâ, versucht sie gegen das Getöse anzukommen, doch ihr Gegenüber schüttelt nur den Kopf, deutet auf seine Ohren, brüllt ihr etwas Unverständliches entgegen.
âEin Wasserâ, bestellt sie erneut, doch er versteht wieder nicht, lehnt sich ihr entgegen, schreit ein âWas?â in ihr Ohr und sie zuckt ob der Lautstärke zusammen, reibt sich das Ohr. âWasser!â, brüllt sie jetzt förmlich, er nickt, scheint endlich verstanden zu haben, drückt ihr Sekunden später einen Becher in die Hand.
âDankeâ, murmelt sie und kramt eine 5 Dollar Note hervor, stellt fest, dass die Flüssigkeit in dem Becher wohl kaum Wasser sein dürfte, es sei denn man hat ihr Seife beigemischt. Sie lehnt sich wieder über den Tresen. âIch wollte ein Wasser!â, deutet sie auf das Getränk und er zuckt mit den Schultern.
âDrei Dollarâ, ist alles was er entgegnet, während er ihr den Geldschein aus der Hand reiÃt.
âAberâ¦â, versucht sie zu protestieren, lässt es schlieÃlich, steckt die zwei klebrigen Dollarnoten weg, die sie als Rückgeld erhält. Was sollâs, denkt sie sich, auf einer Party trinkt man ohnehin kein Wasser. Spaà lautet die Parole! Sie nippt am Becher, verzieht das Gesicht ob des bitteren Geschmackes des Biers. Nimmt trotzdem einen zweiten, gröÃeren Schluck, schlendert durch die Menge, lehnt sich gegen die Hallenwand und wartet geduldig auf das Gefühl des Amüsements.
Nach zwanzig Minuten des Wartens beschlieÃt sie der Sache nachzuhelfen, leert den Becher. Der Alkohol steigt ihr schneller zu Kopf als sie jemals vermutet hätte, dennoch geht sie zur Bar, um sich einen zweiten Becher zu ordern.
Angekommen spielt sich wieder dasselbe Szenario ab, ein tauber Thekenmann, der nur hilflos mit den Schultern zuckt und grinsend etwas von âMusikâ und âLautâ schreit. Sie stöhnt, deutet energisch auf ihren Becher, will gerade ihre Bestellung wiederholen, als ihr jemand das leere Gefäà aus der Hand nimmt und durch ein neues, volles ersetzt. Stirnrunzelnd dreht sie sich zur Seite, registriert noch ein Zwinkern, ehe der blondhaarige Gönner in der Menge verschwindet. Perplex starrt sie ihm hinterher, dann folgt sie ihm, prallt gegen ihn als er abrupt abbremst.
âNicht so stürmischâ, sagt er, tut es laut.
âDankeâ, ist alles was sie ihm als Antwort entgegen brüllt.
âIch bin Loganâ, erwidert er nicht minder leise, streckt ihr seine Hand entgegen.
âRoryâ, stellt auch sie sich vor.
âWir sehen uns, Roryâ, er wendet sich zum Gehen, doch sie hält ihn auf.
âWarum hast du das getan?â
âWarum habe ich was getan?â
âDas Bierâ, sie deutet auf den Becher, er grinst.
âGute Kinderstube, ein jeder Gentlemen sollte einer Lady in Not helfen.â
âIch war nicht in Notâ, protestiert sie energisch und sein Grinsen wird noch breiter.
âDen Anschein hast du aber nicht erweckt, holde Maid.â
âHerzlichen Dank, Prinz Eisenherzâ, murmelt sie mit Missmut.
âMöchtest du tanzen?â
âWas?â
âTanzen!?!â, er deutet auf die Tanzfläche, sie schüttelt abwehrend den Kopf. Findet sich doch wenige Minuten später im Getümmel wieder.
âIch tanze nichtâ, will sie erklären, doch er nimmt ihr lediglich den Becher aus der Hand, drückt ihn zusammen mit dem seinen einem hageren Jungen in die Hand, nimmt die ihre.
âJeder tanzt!â, wischt er ihren Einwurf beiseite und legt seine Hände um ihre Hüften, beginnt sich im Takt der Musik zu bewegen, während Rory reichlich unbeholfen versucht mitzuhalten.
âNicht so verkrampftâ, schleudert er ihr entgegen und sie zuckt gekränkt zusammen.
âIch sagte doch ich tanze nichtâ, erklärt sie erneut und macht sich von ihm los, doch er macht keinerlei Anstalten diese Ausrede gelten zu lassen.
âJeder tanztâ, er zieht sie wieder an sich, führt ihre Hüften im Takt der Musik. âSiehst du? Sogar deine Hüften tun es.â
Unweigerlich muss sie lachen und gibt nach, lässt sich von ihm führen, merkt nach einiger Zeit, dass es tatsächlich nicht so schwer ist, wenn man einfach nur vergisst, dass man so etwas wie Würde zu verlieren hat.
***
Sie sitzt im kleinen Salon des Hauses ihrer Schwester, hat ihn sich in den letzten Monaten quasi zu eigen gemacht, so wie sie die ganze Stadt langsam in sich aufgesaugt hat, die Häuser, die StraÃen, die Menschen. Es ist vielleicht nicht das ultimative Glück, das perfekte Leben, aber es kommt ihm Nahe, so Nahe wie selten zuvor. Sie zuckt zusammen, murmelt ein âOuiâ, als Antwort auf das Klopfen und eines der Hausmädchen betritt den Raum, knickst höflich ehe es zu sprechen beginnt.
âMadame, un visiteur pour vous est là .â
âMerci, Antoinetteâ, sagt sie mit leichter Verwunderung in der Stimme und legt ihr Buch zur Seite, sie erwartet niemanden. âPrier lui dâentrer, sâil vous plaît.â
âBien entendu, Madameâ, das Mädchen knickst erneut und verschwindet wieder, kehrt wenige Minuten später mit dem unerwarteten Gast zurück.
âEmilyâ, begrüÃt er sie mit einem Nicken, sie hält die Luft an, wartet bis Antoinette den Raum verlassen hat, bevor sie zu einer Antwort ansetzt.
âWas willst du hier?â, erkundigt sie sich kühl.
âDich sehen, was sonstâ, ein unglückliches Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab.
âUnd deswegen bist du den ganzen Weg hierher geflogen?â, schnippisch klingt es, trotzig. â3000 Meilen nur um mich zu sehen?â
âNun, da du nicht einmal für Lorelais Hochzeit nach Connecticut gekommen bistâ¦â
Der Rest des Satzes schwirrt an ihr vorbei, während jede Farbe aus ihrem Gesicht weicht, eine Hand sich um ihren Hals legt, eisig und schmerzhaft. âEmily?â, reiÃt er sie aus der Starre. âIst alles in Ordnung?â
âNatürlichâ, ein gekünsteltes Lachen. âAllerdings hast
du die weite Reise völlig umsonst unternommen.â
âEmily, bitte, gib nur fünf Minutenâ, versucht er sich nicht von ihrer abweisenden Art aus dem Konzept bringen zu lassen. âFünf Minuten um endlich einen klaren Tisch zu machen.â
âIch dachte, dass hätten wir schon bei unserem letzten Gespräch getan. Ebenso, wie ich dachte, ich hätte dir unmissverständlich klar gemacht, dass ich dich nie wieder sehen will.â
âWas immer ich getan habe, es tut mir aufrichtig leid.â
âWas immer du getan hast? Was immer du getan hast?â, zischt sie und steht auf. âDu hast mich belogen, du hast meine Familie kaputt gemacht. Wegen deines urplötzlichen Drangs alles wieder auszugraben, spricht meine Tochter nicht mehr mit mir. Das hast du getan, William. Und dafür gibt es keine Entschuldigungâ, sie bemerkt, dass sie die Fassung verliert, sie schon längst verloren hat, immer nur an eines denken kann, daran das ihre Tochter geheiratet hat. Geheiratet hat ohne sie auch nur mit einer Silbe darüber zu informieren. Nicht einmal Rory hat es getan, nicht einmal Richard.
âIch habe es aus Liebe get ââ, weiter kommt er nicht, ungehalten fällt sie ihm ins Wort.
âGott, William, hör auf! Hör endlich auf damit. Wie kannst du nur behaupten, woher nimmst du nur diese unglaubliche Unverfrorenheit zu behaupten, dass du mich liebst, wenn du immer wieder alles was mir wichtig ist zerstörst? Niemals, hörst du, niemals werde ich irgendetwas anderes für dich empfinden als Degout. Niemals habe ich etwas anderes für dich empfunden!â
Er zuckt zusammen, gerade so als ob ihre Worte Kanonenkugeln wären. âDann sollte ich Richard wohl dafür danken, dass er unsere Hochzeit hat platzen lassenâ, würgt er hervor und wendet sich zum Gehen.
âWarteâ, hört sie sich selbst sagen und er hält inne. âEs tut mir leid, ich wollte nichtâ¦â, setzt sie an, es tut ihr leid, er kann nichts dafür, sie war es, die als Mutter versagt hat, nicht er.
âWas? Mir sagen, dass du mich selbst dann nicht geliebt hast, als du beinahe meine Frau geworden wärst?â
âSo war es nicht gemeintâ, sagt sie leise. âIch war wütend, ich â ich habe dich nicht gehasst. Genau sowenig wie ich dich geliebt habe. Und du wusstest das auch, du wusstest, dass ich dich nicht liebe.â
Ein Schnauben, abfällig und verständnislos.
âAber ich hatte es mir fest vorgenommen, William. Ich wollte es, ich wollte dich lieben. Und ich hätte gelernt dich zu lieben.â
âAber niemals so, wie du ihn geliebt hast", murmelt er und starrt verbissen auf die schwere Eichentür.
âIst es nicht egal, wie wir lieben? Kommt es nicht einfach nur darauf an, dass wir es tun?â
Ein leises Schnauben, er dreht sich um und sieht sie an. âDas sagst ausgerechnet du, diejenige, die ihr Leben damit verbracht hat so zu tun, als würde sie niemanden lieben.â
âDas ist nicht wahrâ, sagt sie leise. âIch habe mich bemüht. Aber immer, wenn ich es getan habe, dann habe ich alles verloren. Meinen Studienplatz, meinen Ruf. Meinen Mann, meine Tochter. Egal was ich getan habe, egal wieso, ich habe verloren.â
âDenkst du nicht, es wäre dann langsam an der Zeit zu gewinnen, Emily?â
Sie schüttelt den Kopf, kaum merklich tut sie es, langsam und bedächtig. âVielleicht. Ich weià es nicht.â
Obwohl er noch immer das Verlangen hat zu gehen, tut er es nicht, bleibt stattdessen, legt seine Arme um sie. Sie will sich ihm entziehen, tut es nicht. Obwohl es William ist, es ist eine Berührung. Und er, er drückt ihren Kopf sanft gegen seine Schulter, gestattet es ihr zu weinen, obwohl sie es beide nicht mögen, wenn sie Schwäche zeigt.
***
Ihre Hände ruhen in seinem Nacken, ihr Mund auf dem seinen, gierige Küsse mit dem Aroma von Bier und Sehnsucht. Wie weit muss man gehen, um Spaà zu haben, fragt sie sich, als sich seine Hand ihren Weg unter ihr T-Shirt bahnt, während seine Lippen langsam ihren Hals hinabwandern. Wieso macht es dir SpaÃ? Sie rückt von ihm weg, er sieht sie verblüfft an. âWas hast du denn?â, erkundigt er sich sichtlich irritiert.
âIchâ, setzt sie an, streicht sich das Haar hinters Ohr. âIch muss nach Hause.â
âJetzt?â
âSchon vor einer Stunde.â
âUnd weswegen?â
âWeil ich nicht auf diese Party gegangen bin, um mich von einem Kerl abschleppen zu lassen, den ich gerade Mal drei Stunden kenneâ, blafft sie ihn an, ärgert sich jedoch mehr über sich selbst denn über ihn.
âWer wollte denn ein wenige âfrische Luftâ schnappen?â, er zieht eine nicht weniger verärgerte Grimasse und steht auf.
âIchâ, schnaubt sie und zieht ihr T-Shirt zurecht. âUnd wenn ich sage, ich will frische Luft schnappen, dann ist das gewiss kein geheimer Code für âSteck mir deine Zunge in den Hals und geh mir an die Wäscheâ.â
âDu spinnst ja.â
âUnd wenn schonâ, sie greift nach ihrer Jacke, die über der Lehne der Parkbank hängt, bückt sich und hebt auch ihre Handtasche auf, die vergessen auf dem weiÃen Kiesweg liegt. Ohne ein weiteres Wort schlägt sie den Weg zu ihrem Wohnheim ein, merkt, dass er ihr folgt.
âWarteâ, ruft er ihr hinterher. âIch begleite dich.â
âWeswegen?â, fragt sie ihn entgeistert.
âWeswegen nicht?â
âWeswegen?â, wiederholt sie die Frage mit Nachdruck, er zuckt beinahe entschuldigend mit den Schultern.
âIch sagte doch, ich habe eine sehr gute Erziehung genossen.â
Sie stöhnt, nickt aber dennoch zustimmend. âNa schönâ, willigt sie ein. âAber ich werde dich ganz bestimmt nicht auf eine Tasse Kaffee hereinbitten.â
âIch trinke ohnehin nur Teeâ, kontert er gelassen, ignoriert den bösen Blick, den sie ihm zuwirft, beeilt sich stattdessen Schritt mit ihr zu halten. Verrückt, denkt er, die Kleine ist völlig verrückt. Und zweifelsohne ausgesprochen süÃ.
To be continued
ATN: Trotz schwächelnder Lesermoralâ¦.
Riska PS: Wer etwas an meinem Französische zu bemängeln hat, meldet sich bei Dummerle *G*