Ich bin zwar nicht zufrieden,aber ich habe ja eigentlich nichts zu verlieren und deshalb kommt jetzt auch mein Beitrag...Lang ist er auch nicht...
Das verwunschene Tal
Es ist lange her, dass ich mich sicher gefühlt habe. Ich kann die Tage und Nächte nicht mehr zählen, an denen ich mit einer kleinen Lampe in einer möglichst hellen Ecke gesessen habe. Immer habe ich versucht, der Dunkelheit zu entkommen. Doch mittlerweile gibt es kein Entkommen mehr. Ich kann nicht mehr weglaufen. Letztendlich habe ich nur eine Wahl. Mich zu beugen oder zu sterben. Oder mich weiter zu verstecken. Was ist das noch für ein Leben? Ich weià es doch ganz genau, früher oder später werde ich mich entscheiden müssen. Und ich weià auch, worauf das hinauslaufen wird. Aber etwas in mir sträubt sich noch. Etwas in mir will nicht sterben. Ich kann mir nicht erklären, warum. Was hält mich noch hier? Alles, wofür ich je gekämpft habe, alle meine Träume sind zerstört. Ein Berg aus Schutt und Asche. Ich habe Phil verloren.
Jedes Mal, wenn ich an ihn denke, an sein Lächeln, seinen unglaublichen Optimismus, fange ich an zu begreifen. Aber es tut weh, unglaublich weh. Den Versuch, zu vergessen, habe ich schon lange aufgegeben. Ich kann es einfach nicht. Die Zeit, die vergangen ist, seit ich das letzte Mal so etwas wie Glück empfunden habe, kommt wir ewig vor. Ich weià morgens nie, wie ich diesen Tag jetzt schon wieder überstehen soll und wundere mich jeden Abend wieder aufs Neue, dass ich es geschafft habe. Ich schleppe mich nur noch herum, laufe in eine Richtung ohne jegliches Ziel. Mein Leben hat seine Bedeutung verloren. Phil ist nicht mehr da.
Ich weià nicht, an was ich denken, an was ich noch glauben soll. Ich bin allein, vollkommen allein. Falls es noch jemanden da drauÃen gibt, der genauso denkt, wie ich, dann sollte er lieber gleich aufgeben. Es hat keinen Sinn. Es gibt keine Hoffnung mehr. Nicht mehr für uns.
Ich habe lange gekämpft, nichts unversucht gelassen um dieses Land zu retten. Das Land, das ich so sehr liebe. Doch jetzt habe auch ich keine Kraft mehr. Vielleicht war ich immer die einzige, die eine wirkliche Bedrohung für das Bündnis dargestellt hat. Vielleicht. Aber was kümmert mich, was vielleicht einmal war, Fakt ist doch, dass ich es jetzt nicht mehr bin. Es war ein sehr gut ausgedachter Schachzug gewesen. Innerhalb von einer Sekunde hatte er alles ausgelöscht, wofür ich gekämpft hatte, alles, was mir jemals Hoffnung gegeben hatte und was mich jemals davon abgehalten hatte, nicht zu verzweifeln. Er hatte Phil ausgelöscht.
Ich weiÃ, dass es irgendwo noch jemanden gibt, der an mich glaubt, der immer noch verzweifelt darauf hofft, dass ich alle erlösen werde. Ich war immer diejenige, die den Menschen Hoffnung gebracht hat und sie dazu ermutigt hat, nicht aufzugeben. Aber wie kann ich jemandem Hoffnung geben, wenn ich selber keine mehr habe? Diese Mal werden sie auf mich verzichten müssen, ich kann einfach nicht mehr.
Als ich früher einmal die Hoffnung verloren hatte, das war zu dem Zeitpunkt, als Tjarwan gerade meinen Vater ermorden lassen hatte, hatte Phil meine Hand genommen, mich gegen meinen Protest aufs Pferd gesetzt und war mit mir los geritten. Stundenlang waren wir damals durch die Wälder und über die Wiesen geritten, so lange, bis Phil plötzlich angehalten hatte. Ich weià noch ganz genau, wie ich damals vom Pferd sprang um mir anzuschauen, worauf er zeigte. Ich hatte damals das Gefühl gehabt, dass ich nie wieder richtig glücklich sein würde. Alles war in diesem Moment über mir zusammengebrochen. Ich hatte mich gefragt, wozu das ganze denn überhaupt noch gut sein sollte. So lange, bis ich das Tal erblickte.
In diesem Moment hatte die Sonne geschienen und den Nebel, der das Tal einhüllte in ein groÃes graues Meer verwandelt. Plötzlich konnte ich Vögel zwitschern hören und Blumenfeen um kleine Gänseblümchen tanzen sehen. Noch nie hatte ich etwas so schönes gesehen. Damals hatte ich zum ersten Mal richtig begriffen, wofür es sich überhaupt lohnt zu kämpfen. Auch hatte ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, was ich machen wollte, nachdem dieser hässliche Krieg vorbei war. Wir wären zusammen in ein kleines Häuschen in diesem Tal gezogen und wären glücklich gewesen. Unendlich glücklich. Aber wer will schon unendlich glücklich sein? Wer will schon eine kleine Familie an einem kleinen wunderschönen Ãrtchen gründen und einfach nur leben? Mich hat das nie jemand gefragt. Ich hatte nie die Chance.
Phil hatte mir damals meine Hoffnung wiedergegeben. Doch dieses Mal war er es gewesen, der sie mir weggenommen hatte. Indem er gestorben war, hatte er alles mit sich genommen, wofür ich gelebt hatte. Dieses Mal kann er sie mir nicht wiedergeben. Ich bin die einzige, die das kann. Aber ich bin nicht dazu in der Lage. Ich sehe einfach keinen Sinn mehr in allem, was ich tue. Ich weià nicht, warum ich überhaupt noch lebe. Ich bin 25 Jahre alt und fühle mich wie eine Hundertjährige, die keine Lust mehr hat zu leben. Mein ganzes Leben lang bin ich nur gelaufen. Auf meinem Weg, von dem mich niemand abbringen konnte. Ich bin am Ende angekommen. Ich stehe jetzt hier, im verwunschenen Tal. Dem einst so wunderschönen Tal, das mittlerweile nur noch aus verkohlten Bäumen, Leichen und Asche besteht. Das hier ist der Ort, der mich trotz seiner zerstörten Schönheit am meisten an Phil erinnert. Es ist ein würdiger Ort für mich zum Sterben. Wie im Schlaf stehe ich auf und gehe langsam los. Zur Klippe. Dorthin, wo meine lange Reise enden wird. Und eine neue beginnen.
Ich spüre, wie meine Zehen die Kante ertasten und ein seichter Wind sanft über mein Gesicht streicht. Es gibt nichts zu überlegen, keinen Grund, weshalb ich nicht springen sollte. Ich schlieÃe die Augen und kann ihn vor mir sehen. Phil streicht mir zärtlich mit seiner Hand über meine Wange und küsst mich auf mein Haar, meine Nase, meine Ohrenâ¦
Nur noch ein leises Flüstern schwebt durch die Luft, bis es schlieÃlich vom tiefgrauen Nebel verschluckt wird.
âIch komme.â
:freu: :freu: Mera bharat mahaan hai.:freu: :freu: