Bittersweet Surprise
Rory hetzte die Treppen zum dritten Stock hoch. Etwas auÃer Atem stieà sie eine der beiden Flügeltüren auf und trat an die Anmeldung âRory Gilmore. Ich habe einen Termin zur Vorsorge!â âMiss Gilmore.â Die blonde Arzthelferin schaute zu ihr hinauf âBitte setzen sie sich noch einen Moment ins Wartezimmer. Ich werde sie rufen sobald Dr. Atkin soweit ist!â âDanke!â Rory lächelte die Frau kurz an, bevor sie sich umdrehte und ins Wartezimmer ging.
Sie hatte noch nicht einmal Zeit die Zeitschrift in ihrer Hand aufzuschlagen, als die Arzthelferin in der Tür erschien âMiss Gilmore, sie können in Raum drei gehen!â Wieder bedankte Rory sich. Ihre Jacke über den Arm gelegt und ihre Handtasche in der Hand verlieà sie das Wartezimmer und ging den Flur entlang, bis sie vor Raum drei stand.
Die Tür war einen Spaltweit geöffnet, also trat Rory einfach ein. Der Untersuchungsraum war leer. Rory seufzte. Eigentlich hatte sie auf eine schnelle Abfertigung gehofft. Nach acht Stunden Arbeit, wollte sie eigentlich nur noch nach Hause. Sie legte ihre Jacke und die Handtasche auf einen der beiden Stühle vor dem groÃen Schreibtisch und setzte sich selbst auf den anderen.
Es dauerte fast fünf Minuten bis Dr. Atkin das Zimmer mit seiner typischen lauten BegrüÃung betrat âMiss Gilmore. Wie ich sehe warten sie schon!â âDr. Atkin!â Rory erwiderte die BegrüÃung höflich. Der Arzt schaute noch nicht mal zu ihr. Sein Blick war auf die Akte gerichtet die er in seiner Hand hielt, erst als er auf seinen Ledersessel platz genommen hatte, schaute er zu ihr auf. âRoutine Untersuchung?â âJa!â âGut. Hatten sie in letzter Zeit irgendwelche Beschwerden?â Dr. Atkin schielte sie über den Rand seiner Brille an. âIch muss mich seit ein paar Tagen fast regelmäÃig Ãbergeben!â âIst eine Schwangerschaft ausgeschlossen?â Rory nickte âDa bin ich mir sicher!â âOk, dann werde ich sie jetzt Untersuchen. Sollte ich den Grund dafür nicht finden, machen wir einen Bluttest nur um sicher zugehen das es nichts ernstes ist.â Rory verzog etwas ängstlich das Gesicht. âSie mögen keine Spritzen?â Dr. Atkin deutete Rory an auf dem Untersuchungstisch platz zunehmen. âSagen wir so...â, erwiderte Rory während sie zum Tisch hinüber ging und sich flach auf den Rücken legte â... ich breche mir lieber den Arm!â
Dr. Atkin lachte leise âNa dann hoffen wir mal das es nicht soweit kommt!â Rory schloss die Augen während der Arzt ihren Bauch abtastete.
âKönnten sie sich setzten und den Oberkörper frei machen?â Der Arzt ging zu seinem Schreibtisch und kritzelte ein etwas in die Akte die er vorher mit ins Zimmer gebracht hatte, während Rory tat was ihr gesagt wurde.
Rory zuckte kurz zusammen, als das kalte Stethoskop ihre nackte Haut berührte. âBitte einmal tief durchatmen!â Dr. Atkin wechselte die Position des Stethoskops âUnd noch mal! Gut, das warâs schon. Sie können sich wieder anziehen.â
Rory griff nach ihrer weiÃen Bluse und zog sie über. âIch werfe gleich noch einen Blick in ihren Hals und ihre Ohren, aber im moment sieht es so aus als würden wir an einer Blutuntersuchung nicht vorbei kommen.â Der Arzt warf Rory einen mitfühlenden Blick zu âSo und jetzt bitte Mund auf!â Dr. Atkin drückte Rorys Zunge mit einem ekligen Holzspatel nach unten âNoch mal zu ihrer Ãbelkeit. Wann mussten sie sich zum ersten Mal übergeben? Hatten sie noch andere Symptome?â Rory antwortete sobald der Arzt dieses widerliche Ding aus ihrem Mund entfernt hatte âAm ersten Tag, also Sonntag, war ich sehr müde und mir war schwindlig, aber seit dem geht es mir abgesehen vom Ãbergeben sehr gut.â
Dr. Atkin nickte, während er ihren Kopf zur Seite drehte um einen Blick in ihr linkes Ohr zuwerfen. âUnd wann übergeben sie sich?â âMeistens morgen und Mittags, die letzten zwei Tage eigentlich nur Mittagsâ, antwortete Rory sachlich. Dr. Atkin drehte nach links und warf einen kurzen Blick in ihr rechtes Ohr âOk, warten sie bitte noch einen Moment hier. Michaela wird gleich kommen und die Blutprobe nehmen. Die Ergebnisse dürften spätestens morgen Abend vorliegen.â Rory nickte. Der Arzt schüttelte ihr zum Abschied die Hand. Kurz darauf war sie wieder alleine im Untersuchungsraum.
âDie haben mir mindesten drei Liter Blut abgezapft!â Rory schloss aufgedreht die Tür hinter sich und ging auf Jess zu der gerade aus dem Flur kam. âKein Arzt würde einem...â âDann eben zwei Liter!â Rory drückte Jess einen kurzen Kuss auf den Mund und ging an ihm vorbei in die Küche.
Jess schaute ihr kurz verwunderte nach, folgte ihr dann aber. âWas hat der Arzt sonst noch gesagt?â Jess beobachtete wie Rory die Kaffeemaschine einrichtete. âIch bin Top Fit. Was es mit der Ãbelkeit auf sich hat, erfahr ich sobald die Ergebnisse von Bluttest da sind. Was spätestens Morgen Abend der Fall sein dürfte.â Rory drückte auf den grünen Knopf an der Kaffeemaschine und atmete erleichtert aus, als diese leise anfing zusummen. Langsam drehte sie sich zu Jess um âWie war dein Tag?â Jess zuckte mit den Schultern âWie immer!â âUnd jetzt bin ich soviel schlauerâ, erwiderte Rory. âWas soll ich dir denn erzählen? Ich bin heute Morgen gegen neun zur Uni gefahren und hab mich mit Ty getroffen, wir haben einen Kaffee getrunken und sind danach in unsere Kurse gegangen. Etwa um halb zwei haben Ty und ich gemeinsam zu Mittag gegessen, danach hab ich meinen letzten Kurs für den Tag besucht. Etwa gegen fünf war ich zu hause und habe angefangen den Essay für nächste Woche zu schreiben. Um sechs hab ich mich gewundert warum du noch nicht zu hause bist und jetzt ist es kurz vor sieben und ich führe einen absolut sinnlosen Monolog!â
Rory schaute Jess mit groÃen Augen an âNichts was du sagst ist sinnlos, immerhin kann ich froh sein das du mir überhaupt etwas erzählst!â Sie griff nach seinem Arm und zog ihn dichter zu sich. âAlso könnte ich dir auch sagen der Himmel ist Rosa und Schweine fliegen an Halloween und du wärst zufrieden?â âGenau!â Jess verdrehte übertrieben die Augen âUnd das konntest du mir nicht früher erzählen?â âUnd es dir einfacher machen?â Rory legte ihre Arme um seinen Nacken âKeine Chance!â
âRory Gilmoreâ âMiss Gilmore, hier spricht Michaela die Arzthelferin aus Dr. Atkins Praxis. Ich wollte sie nur Informieren das ihre Ergebnisse da sind.â Rory legte ihr Sandwich zur Seite und konzentrierte sich voll und ganz auf den Anruf âUnd wie sieht es aus?â âDas kann ich ihnen leider nicht am Telefon mitteilen, aber Dr. Atkin hätte heute Abend um halb fünf Zeit für sie!â Rory unterdrückte eine schnippische Bemerkung über die Tatsache, das wohl niemand das Telefon einer Arztpraxis anzapft und selbst wenn ihre Blutwerte wohl kaum interessant wären âIch weià nicht ob ich das schaffe. Ich arbeite regulär bis fünf!â Kurz herrschte schweigen, schlieÃlich hörte sie wieder Michaelas Stimme âIch trage sie einfach mal für halb fünf ein, sollten sie es nicht schaffen rufen sie kurz an und ich versuche sie irgendwo dazwischenzuquetschen!â âDas hört sich gut an!â Rory machte sich eine kurze Notiz auf die Serviette, die neben ihrem halb aufgegessenen Sandwich lag âDanke!â
Sie klopfte leise gegen den Türrahmen âMr. Brond?â
Die Tür zum Büro ihres Chefs stand immer offen, trotzdem konnte sie sich einfach nicht dazu durchringen ohne Ankündigung einzutreten, wie es viele ihrer Kollegen taten.
âMiss Gilmore, was verschafft mir die Ehre?â Mr. Brond deutete auf den leeren Stuhl vor seinem Schreibtisch. Rory winkte ab âEs wird nicht lange dauern. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich heute eventuell eine Stunde früher gehen könnte. Ich habe noch einen Arzttermin.â Rory spielte nervös an dem Saum ihres Blazers. âIch hoffe es ist nichts ernstes?â Ein schüchternes Lächeln, spielte um Rorys Mundwinkel âDas denke ich nicht. Es geht nur um die Ergebnisse einer Blutuntersuchung!â Mr. Bronds Blick fiel kurz auf die Papiere auf seinem Schreibtisch âHaben sie noch Ãberstunden zugute?â Sie nickte, als Chef wieder zu ihr aufschaute. Sie verstand selbst nicht ganz wieso, aber in Gegenwart ihres Bosses fühlte sie sich wie an ihrem ersten Tag in Chilton und das obwohl Mr. Brond weder mit Paris, noch Tristan noch irgendeinem anderen einschüchternden Charakter dieser Zeit die geringste Ãhnlichkeit hatte.
âGut, rechnen sie die Stunde einfach auf ihre Ãberstunden an!â âDanke vielmals!â Rory schenkte Mr. Brond ein kurzes Lächeln, bevor sie auf dem Absatz kehrt machte und in Richtung Tür ging. âMiss Gilmore!â
Mitten im Türbogen blieb sie stehen und drehte sich erneut zu ihrem Chef um âBitte, berichten sie mir am Montag wie es um ihre Gesundheit steht!â
Rory konnte nicht anders, als Mr. Bronds freundliche Geste zu erwidern âDas werde ich!â
âJess?â Rory drückte ihr Handy etwas fester gegen ihr Ohr. âRory? Wo bist du?â
âAuf dem Weg zu Dr. Atkin, um die Ergebnisse zu erfahren.â Sie blieb vor dem Haupteingang des Arztgebäudes stehen und beobachtete die Menschen die hinein und hinaus kamen. âWarum hast du nicht einfach angerufen ?â Rory nahm einen groÃes Schluck ihres Kaffees bevor sie antwortete âWeil sie über Telefon keine Auskunft geben! Bist du schon zu Hause?â, fügte sie nach kurzem schweigen hinzu. âIch bin auf dem Weg!â âDann sehen wir uns in etwa einer Stunde.â Sie trank erneut eines Schluck ihres Kaffees. Irgendwann musste sie wirklich mal einen Dankesbrief für den Erfinder der ToGo Cups aufsetzen. âOk. Rory?â âHmm?â âIch liebe dich!â âIch liebe dich auch, Jess! Bye!â âBis dann!â Rory konnte das breite Grinsen das die Herrschaft über sie an sich gerissen hatte nicht unterdrücken. Sie leerte mit einen letzten groÃen Schluck ihren Becher und beforderte ihn ohne umschweife in den Mülleimer keine zwei Meter von ihr entfernt, bevor sie das Gebäude betrat.
Rory fühlte sich nicht wohl als sie die Praxis von Dr. Atkin betrat. Irgendwas stimmte nicht, sie spürte es. Jeder Muskel ihres Körpers verkrampfte sich bei dem Gedanken daran. âMichaela?â âMiss Gilmore! Gerade rechtzeitig. Sie können schon in Raum vier durchgehen!â âDanke!â Rory ging langsam den Flur entlang. Raum vier lag genau neben Raum drei.
Er war kleiner, ohne Untersuchungstisch. Nur ein Waschbecken an der Wand, ein Tisch in der Mitte des Raums und darum vier Stühle. Die kleinen Bilder an den Wänden nicht zu vergessen.
Rory war gerade dabei ihren Blazer abzulegen, als Dr. Atkin den Raum betrat.
âMiss Gilmore.â Er nickte ihr zur BegrüÃung kurz zu. Sie erwiderte die Geste nur mit einem kurzen nicken. Das seltsame Gefühl hatte sie fast völlig eingehüllt.
Dr. Atkin schien Rorys Anspannung zu bemerken und fing sofort an âAlso, generell sind ihre Blutwerte, wie ihr körperlicher Zustand Top. Es gibt nur zwei kleine Abweichungen. Die erste ist ein leichter Eisenmangel, was durchaus ein Grund für ihre Müdigkeit seien könnte und die zweite...â Der Arzt nahm auf dem Stuhl neben Rory platz â... ist die Anwesenheit von dem Hormon HCG!â Rory schaute den Arzt überfordert an âUnd das heiÃt?â Dr. Atkin räusperte sich kurz âMiss Gilmore, sie sind Schwanger!â Es war kaum zu übersehen wie die Farbe aus Rorys Gesicht wich âWie bitte? Das kann nicht sein! Ich hatte erst letzte Woche meine Periode!â Rory wäre am liebsten aufgesprungen und hinaus gerannt, aber stattdessen blieb sie still sitzen und wartete auf eine Antwort des Arztes. âDas schlieÃt eine Schwangerschaft nicht aus. Es gibt immer wieder Frauen die in den ersten Monaten ihre Periode bekommen. Warum das so ist, ist noch nicht ganz geklärt, allerdings stellt es keine Gefahr für den Embryo da.â
Rory schloss die Augen und atmete tief durch. SchlieÃlich schaute sie den Arzt direkt an âWie weit bin ich?â Dr. Atkin zuckte mit den Schultern âGenau kann ich ihnen das leider nicht sagen, dazu fehlen weitere Untersuchungen aber ich schätze, da die Ãbelkeit erst eingesetzt hat in im Regelfall nur in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten Auftritt, würde ich sagen sie liegen irgendwo zwischen der dritten und fünften Woche. Wie gesagt ich kann mich auch verschätzen. Sie könnten auch durchaus einige Wochen weiter sein.â Rory erwiderte nichts. Ihr Blick war starr auf ihre Hände gerichtet. Es fühlte sich an als würde jemand versuchen sie zu erdrücken, sie einengen, einquetschen.
âSie sollten spätestens am Montag einen Facharzt aufsuchen. Der kann ihnen genauere Angaben machen, einen Geburtstermin errechnen und sie mit allen Informationen versorgen, die sie brauchen.â
âGibt es irgendetwas das ich beachten sollte?â Sie schaute nicht auf. Ihre Hände waren das einzige was sie noch klar sehen konnte.
âDas übliche. Kein Alkohol, kein Nikotin und kein Koffein, allerdings würde ich ihnen empfehlen, sollten sie Nikotin oder viel Koffein zu sich nehmen, nicht von heute auf Morgen aufzuhören. Schränken sie sich lieber langsam, Tag für Tag ein bisschen ein.â
âHieà es nicht immer man sollte diese Dinge sofort seien lassen?â Bei der Erwähnung von Koffein konnte Rory nicht anders als ihren Blick wieder zu heben. âJa und sie können es auch nach wie vor tun. Aber inzwischen hat eine Studie aufgedeckt das es für den Embryo eine unmenschliche Zumutung ist ihm von einer Sekunde auf die andere die Stoffe zu entziehen die sich bereits seit der ersten Zelle in seinem Organismus befinden. Es ist noch nicht ganz klar inwiefern das alles mit der Fehlgeburtenrate zusammenhängt, aber ich persönlich bin ein Freund des langsamen Entzugs. Wie schon gesagt wie sie es handhaben ist ihre Sache. Am besten sie lassen sich noch von ihrem Frauenarzt oder ihrer Frauenärztin beraten.â
Sie erwiderte Jess Umarmung nur halbherzig. Sie hatte die Arztpraxis schon vor einer dreiviertel Stunde mit einem Rezept für ein Eisenpräparat und dem Termin zur Untersuchung beim Frauenarzt verlassen, trotzdem war die Benommenheit noch nicht von ihr abgefallen. Das alles war zu viel. Eine Schwangerschaft. Jetzt.
Und vor allem Jess. Rorys Gedanken drehten sich nur um diesen einen Punkt. Jess. Wie sollte sie es ihm sagen? Wann sollte sie es ihm sagen? Sollte sie es ihm überhaupt sagen?
Ihr Magen revoltierte schon, wenn sie nur daran dachte wie er reagieren könnte.
Das konnte das Ende sein! Oder der Anfang, ein Anfang für etwas neues, gröÃeres, besseres.
âAlles ok mit dir?â Jess schaute sie besorgt an. Sie setzte ein überzeugendes Lächeln auf âJa, ich bin nur Müde und das liegt an Eisenmangel.â Rory hielt eine kleine Plastiktüte aus der Drogerie hoch âIn ein paar Tagen ist alles wieder beim altenâ, log sie, ohne im Moment zu realisieren was sie tat. Das war also nicht der Moment um es ihm zu sagen.
Jess betrachtete Rory erst skeptisch, doch erwiderte nach kurzen ihr Lächeln. âGut zu wissen!â Rory nickte zufrieden âIch geh ins Bett, ich will noch etwas lesen!â Sie drückte Jess einen Kuss auf die Wange âGute Nacht!â
Er wollte ihr noch etwas nach rufen, entschied sich dann aber es nur bei einem Gute Nacht zu belassen.
Sie betrachtete ihr Spiegelbild. Sie hatte sich nicht übergeben, trotzdem zeichneten sich dicke schwarze Ränder unter ihren Augen ab.
Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zu gemacht, konnte einfach keine Ruhe finden. Sie spritzte sich zum wiederholten mal etwas kaltes Wasser ins Gesicht.
âRory, bist du so weit?â Sie hörte Jessâ Stimme durch die geschlossene Badezimmertür. âNoch fünf Minuten!â Schweigen. Sie hörte wie Jess sich vom Badezimmer entfernte. Jess.
Ihr Jess. Der Vater ihres Babys.
Rory griff nach dem Abdeckstift auf der Ablage unter dem Spiegel. Vorsichtig trug sie etwas davon unter ihren Augen auf und verteilte es gleichmäÃig, nur gerade soviel das die Ränder sich etwas mehr ihrem eher blassen Teint anglichen.
Zufrieden betrachtete sie das Ergebnis. Das was jetzt noch sichtbar war, konnte sie getrost auf den Eisenmangel schieben.
Sie trat ein paar Schritte zurück und richtete ihren Blick im Spiegel auf ihren Bauch.
Kein Bauch. Nichts zusehen. Das würde sich ändern. Bald. Sehr bald.
Langsam schob sie den Saum ihres Shirts nach oben. Ihre freie Hand glitt langsam über ihren Unterleib. âHi Babyâ, flüsterte sie leise, während ein etwas ungläubiges Lächeln sich in ihrem Gesicht ausbreitete.
Schwanger, von Jess Mariano.
Zum ersten Mal, seit sie die Praxis verlassen hatte, schien die ganze Situation ihren Schrecken zu verlieren, oder zumindest ein bisschen davon.
Rory zog ihr Shirt wieder zu recht und vergewisserte sich mit einem letzten Blick in den Spiegel, dass sie so das Haus verlassen konnte.
Schwache Augenringe, ok damit lässt sich leben, ein einfacher Pferdeschwanz, unauffälliges Make - Up, bestens.
âJess, wir können losâ, rief sie im selben Moment durch die Wohnung, in dem sie die Badezimmertür öffnete.
Immer wieder warf er ihr einen kurzen Seitenblick zu. Irgendwas stimmte nicht. Er wusste es. Dachte sie allen ernstes er hätte nicht gemerkt wie sie sich in der letzten Nacht von einer zur andern Seite gedreht hatte? Wie sie immer wieder aufgestanden war? Sich hingesetzt und wieder hingelegt hatte?
Wenn sie dachte sie hätte als einzige kein Auge zu getan, war sie schief gewickelt.
Aber sie würde es ihm erzählen, sobald sie so weit war? Immerhin es ging nicht um ihn, sondern um Rory Gilmore. Ein Mädchen, mittlerweile wohl eher eine Frau, die nie gelernt hatte, lange etwas für sich zu behalten.
âWillst du zuerst zu deiner Mum oder ins Lukes?â âWie groà sind die Chancen meine Mum im Lukes anzutreffen?â Sie lächelte ihn von der Seite an. âOk, dann ins Lukes!â Jess erwiderte ihren Blick kurz, bevor er ihn wieder auf die StraÃe richtete.
Es dauerte keine weiteren fünf Minuten bis der weiÃe Pavillon vor ihnen auftauchte und direkt dahinter Lukes.
Rory sah schon aus einiger Entfernung den Kinderwagen, direkt neben der Treppe. Die Chancen ihre Mum im Lukes zu treffen? Neunundneunzig zu Hundert.
Jess hatte den Wagen noch nicht mal richtig zum halten gebracht, da hatte Rory bereits den Sicherheitsgurt gelöst und die Tür des Wagens aufgestoÃen .
Jess schüttelte nur belustigt den Kopf, als er Rory nach schaute, während sie aus dem Wagen sprang und die Stufen zur Tür hinauf rannte.
âMommy!â âBaby!â Jess kam gerade rechtzeitig ins Diner um die letzten Sekunden der übertriebenen BegrüÃung mitzuerleben.
Die beiden Gilmores standen in der Mitte des Diners, alle Blicke waren auf sie gerichtet. Immer wieder fielen sie sich um den Hals, lachten, schauten sich um.
Als hätten sie sich Jahre lang nicht gesehen.
âIhr vertreibt mir noch die Gäste!â Luke kam mit zwei groÃen Tellern in den Händen aus der Küche. âDaddy Luke!â Rory stürmte auf Luke zu und umarmte ihn, bevor er die Gelegenheit hatte die Teller abzustellen.
Jess schmunzelte, als er sah wie Luke bei Rorys Ausruf fast die Teller fallen lieÃ.
Daddy Luke. Luke hasste es schon wenn er Onkel Luke sagte und jetzt Daddy Luke?
Lorelai schien den selben Gedanken gehabt zuhaben, denn sie warf ihrem Ehemann einen belustigten Blick zu, bevor sie erst leise dann lauter anfing zu lachen. âDein Blick!â Sie zeigte mit dem Finger auf Luke, der sie nur verständnislos anschaute. Es dauerte nicht lange bis auch Rory anfing zu lachen, allerdings mit etwas mehr Selbstbeherrschung als ihre Mutter.
Wie hatte Luke mal gesagt? Sie ist Lorelai sehr ähnlich, nur mit einem gröÃeren Hang zur Realität. So etwas in der Art muss es wohl gewesen sein.
Sie warf einen Blick über ihre Schulter, um sich zu vergewissern das die beiden Männer wirklich auf der Couch saÃen, bevor sie zu ihrer Mutter in die Küche trat.
âMum, ich muss dir was erzählen.â âWas denn, Honey?â Lorelai legte den kleinen Messlöffel zur Seite und schaltete die Kaffeemaschine an. Rory wartete erst gar nicht darauf das ihre Mutter sich zu ihr umdrehte âIch bin Schwanger!â
Lorelais Hände landete mit einem leisen klatschen auf der Arbeitsplatte. Sie blinzelte ein paar mal und wendete sich schlieÃlich zu ihrer Tochter âDu bist Schwanger?â âNicht so laut!â Rory trat ein paar Schritte näher zu Lorelai âIch hab es Jess noch nicht erzählt.â Lorelais Augen weiteten sich âRory!â âIch weiÃâ, seufzte Rory. Sie stützte sich mit einer Hand am Küchentisch ab und lieà sich langsam auf einen der Stühle sinken âIch hab Angst.â
Lorelai schwieg. Ihr Baby würde ein Baby bekommen.
Rory stützte ihren Kopf in ihre Hände. Sie schaute ihrer Mutter nicht an, wollte in ihrem Blick nicht lesen das es ein Fehler war. Wenn ihre Mutter schon so reagierte, was würden dann erst Emily und Richard sagen?
Sie spürte eine Hand auf ihrem Kopf, langsam schaute sie auf. Ihre Mutter stand direkt neben ihr und strich ihr zart übers Haar. Sie hatte gar nicht gemerkt das Lorelai sich bewegt hatte.
âIch hatte auch Angstâ, sagte sie leise. Vorsichtig zog sie Rory vom Stuhl und drückte sie an sich âAls ich mit dir Schwanger war und selbst bei Lucan, obwohl ich verheiratet war, obwohl ich wusste das Luke Kinder wollte. Die Angst ist immer da. Du darfst dich nur nicht von ihr einschüchtern lassen und der erste schritt wäre es Jess zu erzählen.â
Rory löste sich von ihrer Mutter und schaute sie mit glasigen Augen an âIch kann nicht!â Sie atmete tief ein âIch weià nicht wie. Wir haben nie darüber geredet. Ich weià noch nicht einmal ob er überhaupt jemals Kinder will!â âDann musst du es herausfinden!â Lorelai streichelte aufmunternd über Rorys Arm âRede mit ihm! Wiederhole nicht seine Fehler und schweig es aus!â Lorelai küsste ihre Tochter auf den Scheitel âSag ihm du willst einen Spaziergang machen und frag ob er mitgehen will. Es fällt dir vielleicht leichter, wenn du neben ihm und nicht direkt vor ihm steht und die frische Luft...â, fügte Lorelai mit einem Zwinkern hinzu â... tut Schwangeren generell gut!â âFrische Luft tut generell jedem gutâ, erwiderte Rory mit einem schwachen Lächeln, aber sie nickte.
Rory atmete ein paar mal tief durch. Sie würde es ihm sagen, jetzt, gleich. Sobald ihre Hände aufhörten zu zittern und sie sich dazu durchringen konnte die Küche zu verlassen.
âGeh schon!â Lorelai schob ihre Tochter in den Flur und schaute sie vielsagend an, dann rief sie âHey Lukey, kannst du mal kommen, irgendwas stimmt mit der Kaffeemaschine nicht! Ich hab dir doch gesagt, wenn du sie kaufst ist sie mit Sicherheit Frauenfeindlich, genau wie dein Truck!â
âMuss das jetzt sein?â âIch will meinen Kaffffeeeeâ, quengelte Lorelai. Sie und Rory beobachteten vom Durchgang zum Wohnzimmer aus, wie Luke seinen Neffen vielsagend anschaute und sich letztendlich erhob.
Rory blieb im Türrahmen stehen, bis Lorelai und Luke in der Küche waren, erst dann ging sie langsam auf die Couch zu. Dicht dahinter blieb sie stehen âJess, ich geh noch etwas Spazieren.â
Jess drehte sich auf dem Sofa zu seiner Freundin um âSoll ich mitkommen?â
Rory nickte nur. Gemeinsam verlieÃen sie das Haus durch die Vordertür.
Als sie schon ein paar Meter vom Haus entfernt waren, fiel Rory ein das sie gar keine Jacke mitgenommen hatte, allerdings brauchte sie die auch nicht. Es war warm. Ende Mai, erinnerte Rory sich selbst. In Stars Hollow, spürte man mehr von dem nahenden Sommer als in New York. Es gab keine Hochhäuser die die Stadt in einem permanenten Schatten hüllten und verhinderten das sich die Gebäude, StraÃen und Gehwege aufwärmten.
Schweigend gingen die Beiden nebeneinander her und Rory suchte nach wie vor verzweifelt nach einem passenden Anfang. Schweigen, sie schwiegen seit gestern Abend fast nur noch.
Rory schlang ihre Arme um sich. Warum hatte sie solche Angst? Das schlimmste was er tun könnte...
Eine Berührung lieà sie aus ihren Gedanken fahren. Jess war nicht mehr neben ihr. Langsam drehte sie sich um. Sie hatte gar nicht realisiert wo sie waren, erst jetzt fiel ihr Blick auf den See und die Brücke.
Jess hatte sie am Oberarm gepackt und machte jetzt anstallten sich zu setzen. Rory tat es ihm gleich. Gehen oder auf der Brücke sitzen, wo war der Unterschied?
âWir waren lange nicht mehr hier.â âStimmtâ, antwortete Rory mit einem schmalen Lächeln, während sie ihren Blick fest auf ihre FüÃe gerichtet hatte, die nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche baumelten.
Wieder Schweigen. Jess wusste nicht worauf das hinaus laufen würde. Warum schwieg sie? Warum redete sie nicht mit ihm?
Er hatte seinen Kopf zu ihr gewandt und beobachtete wie sie nervös auf ihrer Unterlippe herumbiss.
Wie gerne hätte er sie einfach in den Arm genommen, gedrückt, ihr gesagt das alles in Ordnung kommt, obwohl er gar nicht wusste was nicht stimmte. Aber vielleicht wäre das der gröÃte Fehler gewesen, genau das was sie nicht wollte. Vielleicht war er selbst das Problem.
âRory?â Jess schaute sie an, als sie ihren Kopf nicht hob sprach redete er weiter âWas ist los? Und sag mir nicht, das alles in Ordnung ist. Irgendwas stimmt nicht!â
Er sah wie Rorys Brustkorb sich etwas weiter hob, als normal. Langsam drehte sie ihren Kopf und sah ihm direkt in die Augen âDu hast Recht. Etwas stimmt nicht. Die Blutuntersuchung hat nicht nur den Eisenmangel aufgedeckt. Jess,...â
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 04.09.2005, 19:41 von
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