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ähm ... das ist jetzt doppelpost, aber ich hab den neuen teil fertig ^^
viel spaß und ich freu mich auf euer fb!
silbernerschatz
Teil 21
Mit einem Bier in der Hand stand Chriss draußen auf der Veranda und sah in die Nacht. Hinter ihm ertönten Gelächter und laute Gespräche. Er wusste, worüber sie redeten. Und er wollte nicht dabei zusehen, ihre mitleidigen Blicke sehen.
Warum war er bloß nicht zu Hause geblieben? Ach ja, das gehörte sich nicht.
Hannah hatte ihn zu dem jährlichen 'Nachbarschaftsfest' mitgeschleppt. Das sogenannte Nachbarschaftsfest war eine fast schon rituelle Feier, die jedes Jahr im Sommer in einem der Häuser stattfand, bei dem alle Einwohner der kleinen Stadt eingeladen waren. Der Gastgeber wurde jedes Mal ausgelost.
Normalerweise mochte er ja diese Feste. Er genoss es, mit alten Schulfreunden zu plaudern oder sich den Klatsch der älteren Damen anzuhören. Oder einfach nur unter Freunden zu sein.
Normalerweise. Nicht an einem Tag wie diesen. Nicht an Lillys Hochzeitstag.
Es hatte sich etwas geändert. Sicher, er vermisste sie immer noch, liebte sie immer noch. Doch ein anderes Gefühl überwog sie: Wut. Er war wütend. Nicht nur auf sich selbst, sondern auf Lilly.
Er hatte das Gefühl, dass sie ihn ausnutzte. Dass sie ihn belog und ihm Hoffnungen machte, nur um diese dann wieder zu zerstören. Das würde er sich nicht mehr gefallen lassen. Er war schließlich kein Spielzeug.
Notgedrungen musste er wieder zu den Anderen gehen, als er sein Bier ausgetrunken hatte.
"Hey, Chriss!", rief Mirko ihm von der Couch aus zu, wo er sich angeregt mit Hannah unterhalten hatte. "Leiste uns mal ein bisschen Gesellschaft!"
Murrend schnappte er sich noch ein Bier und ließ sich neben Mirko auf die Couch fallen. "Was ist?"
"Mann, du bist eine totale Spaßbremse! Komm, grins dein dummes Grinsen." Mirko kniff Chriss in beide Wangen und zog an ihnen, sodass Chriss nun eine Grimasse schnitt. "Du bist echt hässlich."
"Danke." Chriss schlug die Hände seines Freundes weg und trank sein Bier. "Flirtet ruhig weiter."
Hannah spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. "Wir flirten nicht.", sagte sie.
"Oh. Dann muss ich euch verwechselt haben."
Doch Hannah beharrte auf ihrer Meinung. "Wir flirten nicht. Wir unterhalten uns nur."
Mirko warf ihr unauffällig einen Blick zu und ergänzte: "Genau. Nur weil du schlecht gelaunt bist, musst du das ja nicht an uns auslassen und behaupten, wir flirten." Aber schon im nächsten Moment fragte er Hannah: "Wollen wir flirten?"
Chriss' Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als er den Namen Lilly vernahm. Hinter ihm an der kleinen Bar unterhielten sich die Frau des Bibliothekers und eine andere ältere Frau ausgelassen über Lillys Hochzeit.
"Der junge Mann soll ja ein ganz netter Bursche sein."
Natürlich, dachte Chriss verächtlich. Er ist supernett. Verprügelt andere Leute.
"Ja, und er soll gut aussehen." Er spürte förmlich die Blicke im Nacken, als sie ihn anstarrten. "Unser armer Chriss. Da gibt er sich solche Mühe und behandelt sie so gut und dann heiratet sie einen anderen."
Er knirschte mit den Zähnen. Das konnte ja heiter werden.
"Genau. Sie will sogar nach Liverpool ziehen, zu ihrem Mann."
Seine Hand, die gerade die Bierflasche zu seinem Mund führte oder führen wollte, hielt mitten drin inne. Wie war das? Lilly wollte wegziehen?
"Wirklich?"
"Mhmm. Sie will in den nächsten Tagen nochmal herkommen und ihre Sachen abholen."
"Aber sie hat doch noch die beiden Kinder. Wo kommen die denn hin?"
"Das ist eine gute Frage. Zu ihren Eltern können sie ja nicht, die wohnen in Italien. Vielleicht werden sie ja bei Freunden untergebracht."
"Das arme Mädchen. Sie hat so viele Probleme."
"Ja. Als sie hierhergezogen ist, hat sie wochenlang mit niemandem geredet und ist allen aus dem Weg gegangen. Und sie hatte ständig einen gehetzten Blick und hat sich dauernd umgedreht, als ob sie jemand verfolgen würde."
"Genau!", rief die Bürgermeisterfrau aufgeregt. "Und dann, als sie sich endlich getraut hat, unter die Leute zu gehen, war sie immer so schüchtern und verschlossen, weißt du noch?"
Die andere nickte eifrig. "Aber sie war wirklich sehr nett und höflich. Sie hat mir oft meine Tüten getragen und so. Ein bezauberndes Mädchen."
"Ich finde, dieser Junge, den sie heiratet, passt gar nicht zu ihr. Er ist irgendwie total eingebildet. Unser Chriss dagegen ... er ist auch ein wirklich netter und höflicher Kerl. Er würde viel besser zu ihr passen."
Chriss stand auf und ging auf die beiden zu. Aber anstatt sie anzufahren, sie sollen endlich aufhören, über Lilly und ihn zu tratschen, griff er an ihnen vorbei und nahm sich noch eine neue Flasche Bier.
"Aber Chriss.", sagten sie gleichzeitig und legten ihm ihre Hände auf den Arm. "Trink doch nicht so viel. Du kriegst noch Kopfschmerzen davon."
"Dann nehm ich eine Aspirin."
"Du hast doch kein Alkoholproblem, oder? Du hast heute schon drei Flaschen getrunken. Weißt du, mein Mann kann dir gerne ..."
"Nein, ich bin kein Alkoholiker.", stieß er aus zusammengebissenen Zähnen hervor, um seine Wut zu unterdrücken. "Das ist ne Party. Soll ich da Wasser trinken?" Er löste seinen Arm aus ihren Griffen und setzte sich wieder hin.
"Nerven sie dich?" Mirko grinste fröhlich. "Och, du tust mir leid. Soll ich sie verhaften?"
"Tu mir den Gefallen und halt die Klappe." Chriss kniff sich genervt in die Nasenwurzel und schloss die Augen.
Hannah beugte sich besorgt über ihn. "Ist alles in Ordnung? Vielleicht solltest du nicht so viel trinken."
"Ich bin kein Alkoholiker!", fauchte Chriss wütend.
"Sieh mal, was Lilly aus dem armen Chriss macht.", hörte er sie wieder reden.
Haltet endlich die Klappe, dachte er und leerte die Flasche in einem Zug bis zur Hälfte.
"Hey, wenn du so weitermachst, liegst du morgen flach.", bemerkte Mirko und nahm sich die Flasche. "Du solltest mal besser runterkommen."
"Ich sitze, oder nicht?"
Selbst Mirko verdrehte jetzt die Augen. "Mach dich mal locker, Chriss. Das meinen die beiden doch nichtt ernst. Du kennst sie. Sie schwatzen eben gerne über andere Leute."
Chriss grummelte weiter, riss ihm die Flasche aus der Hand und trank auch den Rest mit einem Schluck aus.
"Chriss!" Hannah konnte ihn gerade noch davor bewahren, vor ein Auto zu laufen.
"Was denn?", fragte dieser fröhlich.
Auch Mirko, der Chriss auf der anderen Seite stützte, war sichtlich genervt. "Hör auf, so rumzuzappeln, du Idiot. Ich sagte doch, du sollst nicht so viel trinken."
"Das waren doch nur ein paar Flaschen." Mit zusammengekniffenen Augen hob er seine Hand und zählte an seinen Fingern ab. "Ich glaube, das waren ... fünf."
"Nach fünf Bieren hast du dich an ne Blonde rangemacht, Chriss. Du hast mindestens zehn Flaschen intus."
"Zehn? Ich mag die Zahl."
"Dann heirate sie aber lauf gefälligst nicht auf die Straße!"
"Tu ich doch nicht." Chriss drehte sich um. "Ich laufe doch auf dem Gehweg. Ist das verboten?"
"Chriss, sei einfach ruhig." Mitleidig drückte Hannah ihn. "Wir sind gleich da."
"Warum sind wir denn gegangen? Es war gerade so lustig. Ist was passiert?"
"Ja." Noch einmal verdrehte Mirko die Augen. "Du wolltest dich gerade beim Tabledance ausziehen."
"Ist das schlimm?"
Weder Mirko noch Hannah antworteten ihm, doch das hinterte Chriss nicht daran, den ganzen restlichen Weg wie ein Wasserfall zu reden und noch einmal vor ein Auto laufen zu wollen.
Hannah schloss auf. "Pass auf, Chriss. Gleich kommen Treppen."
"Ich kann laufen!", protestierte dieser, schlug sich auf die Brust und kippte fast um.
"Ja, das sieht man."
Während sie ihn unter größtem Körpereinsatz die Treppen hochschleppten, plauderte Chriss immer weiter und sagte ihnen, er fände das Wetter schön.
"Natürlich, Chriss. Das finden wir auch."
Doch kaum hatten sie ihn aufs Bett verfrachtet, verschwand seine gute Laune und das fröhlich-süße Grinsen eines Betrunkenen.
"Chriss?" Hannah setzte sich besorgt neben ihn aufs Bett. "Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich nicht gut?"
"Ich will nicht, dass sie ihn heiratet.", murmelte er. Hannah hatte Mühe, ihn zu verstehen. "Ich will nicht, dass sie mit ihm zusammen ist."
"Warum nicht?"
"Ich will es einfach nicht."
Damit war er eingeschlafen.
Hannah sah Mirko an. Sie dachten beide dasselbe: Dass es schon längst zu spät war, um die Hochzeit aufzuhalten.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.10.2005, 20:38 von
silbernerschatz.)