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Halli, hallo....hab den neuen Teil fertig. Ich hoffe, er gefällt euch
âDu wirst sicher merken, dass du eine gewisse Zeit brauchst, bis du dich hier im Haus auskennstâ, sagte Emily, als sie vor Rory einen Flur im oberen Stock entlangging. âEs ist ziemlich groÃ, aber solltest du dich verlaufen, brauchst du nur laut zu rufen und eine unserer Angestellten wird dich holen.â
Rorys Zimmer lag am Ende des Flurs und an der Rückseite des Hauses mit Blick auf den Garten. Ein französisches Bett mit einem weiÃen Bettüberwurf und weià gestrichen Nachkästchen zu beiden Seiten füllten schon einen Teil des Raumes aus. An der Wand neben der Tür befand sich ein ebenfalls weiÃer Kamin, der aber mehr als Zierde schien und nicht benutzt wurde. Unter dem Fenster stand eine Frisierkommode aus Kiefernholz, und daneben war ein groÃer, weicher Sessel mit breiter Lehne.
Emily blieb in der Tür stehen und beobachtete Rorys Gesicht.
âGefällt es dir?â
âEs ist wunderschönâ, antwortete Rory. Aber Grandma, ich sollte dirâ¦â
âIch hatte gehofft, dass es dir gefälltâ, wurde sie jedoch gleich von ihrer GroÃmutter unterbrochen. âEs ist das alte Zimmer deiner Mutter. Dein GroÃvater und ich schlafen am anderen Ende des Flurs.â
Rory hatte ein Ãlgemälde entdeckt, das über dem Kamin hing. Es zeigte eine junges Mädchen, etwa in ihrem Alter, die vor einem Brunnen kniete. Sofort fiel Rory die Ãhnlichkeit auf.
âIst das Mum?â
âErinnerst du dich jetzt?â, fragte Emily behutsam.
Enttäuscht schüttelte Rory den Kopf. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können. An die eigene Mutter muss man sich doch erinnern, wenigstens an irgendetwas. Man kann doch keinen totalen Black-out haben. Und gewiss gab es keinen besseren Schlüssel für ihr Gedächtnis als dieses Porträt.
Emily ging auf Rory zu und schloss sie kurz in die Arme. Ihr Gesicht war gerötet und die Augen glänzten.
âIch kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich wieder zu sehen, Rory. Wenn du hier oben fertig bist, kannst du runterkommen und dich ein wenig mit mir und deinem GroÃvater unterhalten.â
Bevor Rory etwas sagen konnte, war Emily auch schon wieder verschwunden. Rory wandte sich wieder dem Porträt ihrer Mutter zu.
âMutter?â, flüsterte sie. âHabe ich dich so genannt? Oder habe ich Mum gesagt oder Mummy? Vielleicht sogar Mama? Verrückt, dass ich das nicht mehr weiÃ.â
Es gab so viel, das sie nicht mehr wusste. Sie wartete, in der Hoffnung, dass das Porträt doch noch ein Gefühl des Wiedererkennens in ihr wecken würde. SchlieÃlich gab sie es auf und drehte sich zu ihren Sachen um. Eigentlich sollte sie auspacken. Aber sie wollte doch gar nicht hier in Hartford bleiben. Sie wollte weiterziehen, noch mehr über ihre Mum herausfinden.
Sie ging zur Tür und legte ihre Hand auf die Klinke. Es könnte unhöflich wirken, wenn sie zu lang in ihrem Zimmer blieb, und sie wollte bei ihrem ersten Besuch einen guten Eindruck machen. Nur dass es eben nicht der erste war. Warum hatte ihr Vater das nicht gesagt? Sie warf noch einmal einen Blick auf das Porträt. Er hatte ihr auch nie erzählt, wie schön ihre Mum gewesen war. Was war es, das ihn an ihrer Mutter nach all den Jahren immer noch so erschütterte, dass er nicht darüber reden konnte?
Es war sein Fehler. Er lieà nichts raus, wie jemand, der seinen Schmerz für sich behielt und es nicht zulieÃ, dass ihm jemand half, nicht einmal die eigene Tochter, die ihn doch von ganzem Herzen liebte. Wütend wischte sie sich eine Träne ab. Sie würde nicht weinen. Was geschehen war, war geschehen. Sie war jetzt sechzehn â alt genug, selbst Entscheidungen zu treffen. Und es war ihr gutes Recht, ihre Verwandten kennen zu lernen.
Und es ist mir egal, was Dad von meinen GroÃeltern hält, dachte Rory. Ich mag sie.
âRooooory!â drang die Stimme ihrer GroÃmutter von unten herauf. âIst alles okay?â
âIch komme!â
Rory drückte die Zimmertür hinter sich zu und lief die Treppe hinunter. Emily wartete am Fuà der Treppe.
âIch wollte nicht drängelnâ, sagte sie.
Rory nahm sich vor, einen Gang zurückzuhalten. âWildes Huhnâ nannte Sherry sie, und Sherry und ihr Vater waren mittlerweile an Kinder im Haus gewöhnt. Hier war eine Sechzehnjährige vielleicht mit einem zugelaufenen Hund zu vergleichen. Man will nett zu ihm sein, aber manchmal ist er doch ein wenig lästig. Wenn er Glück hat, schlieÃt man ihn ins Herz, falls er sich anständig benimmt.
Emily und Rory setzten sich auf die groÃe Couch im Wohnzimmer und ein paar Minuten später kam Richard aus seinem Arbeitszimmer und setzte sich zu ihnen. Eine Angestellte richtete Getränke.
âSieht Rory nicht aus wie ihre Mutter?â, fragte Richard an seine Frau gewandt.
âJa, ich hätte sie überall erkannt. Wie aus dem Gesicht geschnittenâ, erwiderte Emily.
Rory lächelte verlegen. Auf der einen Seite war sie stolz darauf, so hübsch auszusehen wie ihre Mum, auf der anderen Seite war es ihr unangenehm, mit einem Menschen verglichen zu werden, dem sie so nahe stand und von dem sie dennoch gar nichts wusste.
Richard schien Rorys Unbehagen zu spüren und wechselte schnell das Thema.
âSag mal, Rory, wie gefällt es dir hier?â
âOh, es ist wunderschön. Ein tolles Haus, eine wunderbare Gegend, aber wenn ich ehrlich sein darf, würde ich gerne heute noch abreisen.â
Emily öffnete erstaunt den Mund, brachte aber kein Wort heraus. Richard schien um einiges gefasster. Er beugte sich vor und sah Rory fragend an.
âAber du bist doch gerade erst angekommen. Willst du wirklich heute noch zurück nach Boston?â
Rory schüttelte den Kopf.
âEhrlich gesagt will ich nicht nach Boston, sondern nach Stars Hollow.â
Man konnte hören, wie Emily die Luft zwischen ihren Zähnen einsog. Mit Stars Hollow verband sie offenbar nichts Gutes.
âStars Hollow? Was willst du denn dort?â, fragte Richard weiter.
âMum hat doch dort die letzten Monate gelebt. Ich würde zu gern mehr über diesen Ort erfahren und auch wie Mum dort so gelebt hat.â
âAber Roryâ, mischte sich nun Emily wieder in das Gespräch ein, âwir können doch bestimmt an einem Nachmittag einmal nach Stars Hollow fahren.â
âDas ist ein nettes Angebot, Grandma, aber ich habe mich schon vorher erkundigt und bereits ein Hotel gebucht. Ich will dort leben. Vielleicht finde ich heraus, warum Mum ausgerechnet diesen Ort ausgewählt hat, um sich dort ein Leben aufzubauen.â
âDu willst in einem Hotel wohnen? Aber Rory, wir haben hier ein wunderschönes Zimmer fürâ¦â
âIch weiÃ, Grandma, und ich bin euch für eure Gastfreundschaft wirklich dankbar, aber trotzdem würde ich gerne so bald wie möglich weiterfahren.â
âNa, dann werden wir dich nicht aufhaltenâ, meinte Richard und lächelte seine Enkelin an.
âDanke Grandpa, aberâ¦â sie machte eine Pause.
âWas ist?â
âIch hatte gehofft, dass ihr mir vielleicht erzählen könnt, wie Mum gestorben ist.â
Emily blickte unsicher zu ihrem Mann, doch der nickte nur leicht.
âAlso gutâ, begann Emily, âin der Nähe von Stars Hollow gibt es einen See. Deine Mum ist dort gerne mit dir hingefahren, zum Schwimmen oder zum Picknicken. Ihr seid bestimmt mehrmals die Woche dort gewesen. Eines Tages warst du aber bei deinem Vater und es war abgemacht, dass ihr deine Mutter am See trefft. Ihr wolltet mit einem kleinen Boot rausfahren. Dein Vater und du habt euch aber verspätet, also ist deine Mum schon alleine eine Runde gefahren. Sie hat die Zeit und das Wetter übersehen. Ein Sturm ist aufgezogen. Sie hatte keine Chance.â
Emily wischte sich mit einem Taschentuch die Tränen weg.
âDein Vater stand mit dir am Strand und konnte nichts machen. Er verflucht sich bis heute, dass er sich verspätet hat. Er wusste, dass ein Sturm aufziehen würde. Deine Mutter nichtâ, setzte Richard die Erzählung fort.
Stille trat ein. Emily schluchzte leise vor sich hin und Richard drehte nachdenklich sein Glas zwischen den Händen.
âTut mir leid. Ich hätte nicht verlangen dürfen, dass ihr darüber redet. Wenn nur Dad mit mir darüber gesprochen hätte.â
âGib ihm keine Schuld, Rory. Das tut er schon seit 10 Jahrenâ, sagte Richard leise.
What happened?
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