Road of Illusions
#11

Zitat:„Keiner wird mehr daran zweifeln, dass ich deine Verlobte bin.“ Ein kurzer schelmischer Blick wanderte über ihr Gesicht, ehe sie sich dem zweiten Bagel widmete.
Das hört sich irgendwie lieb an. Smile
Ich hoffe der Umgang zwischen den Beiden wird mit der Zeit wärmer und vertrauter, das wäre eine tolle Entwicklung der Geschichte.


Ich bin vor allem wirklich gespannt, wann du das Geheimnis um Sophia und Alvaros Vergangenheit lüftest weil ich im Moment noch keinen Plan habe.
Wink wer ist Sara?

Freu mich wie verrückt auf mehr und später auch auf eine Auflösung.
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#12

oh je das wird ja immer spannender hier OO
kriegt man ja so langsam panik ob die zwei überhaupt irgendwann nochmal freundschaft miteinander schließen oder sich am ende vielleicht noch gegenseitig umbringen oO

genial wie du den motelbesitzer eingebaut hast ^^ nur n bisschen mehr beschreibung der personen die den beiden auf ihrem weg begegnen fänd ich ganz toll damit man sich alles bildhafter vorstellen kann...
ansonstn voll toll und so schön lang der teil =)

Freundschaft flieߟt aus vielen Quellen, am reinsten aus dem Respekt
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#13

Hallo,


@a.black.sheep: Danke schön für dein Feedback. Smile Im kommenden Kapitel gibt es wieder ein paar Hinweise, ich fürchte allzu eindeutige, aber kann man nix machen, das Kapitel ist geschrieben Wink Bis zur Erklärung, was vor der Handlung der Geschichte passierte, dauert es aber noch ein paar Kapiteln.


@sweetGilmore: Vielen Dank für dein Feedback sowie den Verbesserungstipp Smile

Freut mich, dass euch die Geschichte bisher gefällt.


Der kommende Teil ist nicht so ereignisreich, aber es war mir wichtig, dass Kapitel 4 und 5 (bisher nur im Kopf, versuche es aber bald zu schreiben) eigenständige Kapitel sind. Einerseits wegen der Handlung, andrerseits auch wegen der Länge.


Liebe Grüße
HobbyWriter



Kapitel 4

Die Sonne warf ihre ersten Strahlen in das kleine Zimmer, als Sophia erwachte. Sie rieb sich gähnend die Augen und warf einen kurzen Blick auf Àlvaro, der noch tief schlief. Langsam erhob sie sich und trat zum Fenster. Ihr Magen krampfte sich bei der Erinnerung an den gestrigen Abend sowie die gestrige Nacht zusammen. Sophia brauchte frische Luft. Das Fenster knarrte, als sie es öffnete. Eine warme Brise kam ihr entgegen, gefolgt von einem Geruch nach Abgasen. Sie blickte auf die Straße hinunter, auf der gerade ein Truck am Motelgebäude vorbei fuhr. Hätte ihr jemand vor einem Jahr erzählt, dass sie heute aus gegebenen Umständen hier stehen würde, hätte sie ihn ausgelacht oder zur Schnecke gemacht.
Doch das war in einem anderen Leben. Sophia atmete tief durch. Sie hatte ihre Pläne immer zielstrebig verfolgt. Zumindest das war von ihrem alten Selbst geblieben. Über die gestrigen Ereignisse konnte sie ein anderes Mal nachdenken. Entschlossen ging sie zurück zum Bett, musterte Àlvaro einen Moment zögernd, ehe sie sanft an seinem Arm rüttelte. „Aufstehen.“, sagte sie nur.
Er blickte sie einen Moment verschlafen und irritiert an, ehe er sich langsam aufsetzte.
„Du sagtest, dass ich heute fahren solle. Wir fahren in zwanzig Minuten los.“ Sophia wurde selbstbewusster, als er ihr nur zu hörte, sie nicht unterbrach. „Unterwegs werden wir dann im nächst besten Diner frühstücken. Es ist sehr gefährlich mit leerem Magen Auto zu fahren.“, sagte sie bestimmt. „Und, Àlvaro?“ Sie schenkte ihm einen unschuldigen Blick. „Du möchtest doch die perfekte Tarnung, nicht wahr? Die perfekte Geschichte?“
Àlvaro wusste nicht was zu erwidern, weshalb er lediglich eine Augenbraue hoch zog.
Über Sophias Gesicht wanderte ein kurzes Lächeln. Sie hob die linke Hand und wies auf ihren nackten Ringfinger. „Dann würde ich vorschlagen, dass wir einen kleinen Umweg durch eine Stadt machen, dort Mittagessen und du mir meinen Verlobungsring kaufst. Es wirkt theatralischer, wenn ich von unserer Verlobung erzähle und dabei stolz die Hand hebe, findest du nicht?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, griff Sophia nach ihrem Rucksack und ging ins Badezimmer.
„Der Ring wurde gestohlen!“, rief Àlvaro ihr noch nach, vernahm aber bald das Rinnen des Wassers in der Dusche. Sie wollte also Machtspielchen, die konnte sie haben.

„Guten Morgen.“, John begrüßte Sophia lächelnd und nickte Àlvaro kaum merklich zu.
Sie erwiderte das Lächeln und reichte dem Besitzer den Zimmerschlüssel. „Herzlichen Dank.“
„Ich hoffe, alles war zu Ihrer Zufriedenheit?“ Erneut galt sein Blick nur der jungen Frau.
Sophia legte ihre Hand auf Àlvaros muskulösen Arm und schenkte ihm den sanftesten Blick, den sie zu spielen fähig war. „Es war perfekt, nicht wahr, mein Schatz?“
Àlvaros Stirn zog sich einen Moment in Falten, ehe er schließlich den Arm um ihre Hüften legte und sie näher an sich zog. Sophia zuckte kurz zusammen, ließ es aber auch geschehen, als seine Lippen kurz ihre Schläfe berührten. „Perfekt.“, stimmte er ihr zu, worauf er von John einen kurzen, tadelnden Blick erntete.
Der Motelbesitzer fuhr sich nachdenklich durch das kurze grauweiße Haar. „Alles Gute.“, sagte er noch, als die beiden das Gebäude verließen. Er hoffte, dass zumindest die junge Frau finden würde, was auch immer sie suchte.

„Er weiß, dass wir nicht verlobt sind. Du hättest nicht so eine Show abziehen müssen.“, meinte Àlvaro, als er seine Sporttasche auf die Rückbank des Autos warf. Sophia legte ihr Gepäck daneben hin. „Das hättest du mir mitteilen können, ehe ich mich lächerlich gemacht habe.“ Sie seufzte genervt und nahm auf dem Fahrersitz Platz.
Àlvaro setzte sich neben sie. „Es war zu amüsant.“
Sophia rollte mit den Augen, startete den Motor und fuhr los. Die Sonne brannte durch das Fenster auf ihre Haut. Der Sommer, der so lange auf sich warten hatte lassen, schien nun doch mit erkenntlichem Elan zu beginnen. Sie hatte jedoch keine entsprechende Kleidung. Überhaupt hatte sie zu wenig Gewand mitgenommen. Ihr entfuhr ein kurzer Seufzer, als sie den Freeway auffuhr.
„Was hast du?“, fragte Àlvaro, obwohl es ihm im Grunde nicht besonders interessierte. Frauen störten sich doch immer an etwas.
Sophia schüttelte den Kopf. „Wir müssen einen Waschsalon finden sowie ein halbwegs günstiges Gewandgeschäft. Ich habe zu wenig und nicht mehr der Temperatur entsprechende Kleidung bei mir.“
Àlvaro lag eine spöttische Bemerkung auf der Zunge, er schluckte sie jedoch hinunter als er den Schweiß auf Sophias Stirn bemerkte. Er kurbelte das Fenster auf seiner Seite kurz hinunter, kurbelte es jedoch angesichts des Lärms und Motorengestanks wieder hoch. „Okay, gleich nach dem Frühstück.“, meinte er. „Aber kauf nur das Notwendigste. Ich habe weder Zeit noch Lust auf eine ausschweifende Shoppingtour. Die kannst du mit deiner besten Freundin machen.“

Sophia warf ihm einen kurzen Blick zu. „Hältst du mich tatsächlich für so jemanden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Selbst in meiner High School Zeit stand Bildung und meine Zukunft für mich an erster Stelle. Aber ich hatte zwei Freundinnen, wenn man sie denn so bezeichnen konnte, die deinem Bild wohl entsprachen.“ Sie trommelte Gedankenverloren mit den Fingern auf dem Lenkrad.
„Was wurde aus ihnen?“
Sophia zuckte mit den Schultern. „Sie schlossen unsere Privatschule mit mittelmäßigen Noten ab und gingen aufs College. Ich traf die beiden nach der High School nur noch einmal.“
Àlvaro zog eine Augenbraue hoch. „Du warst auf einer Privatschule? Mit Schuluniform?“
„Ja, die hatten wir. Bluse, Jackett, ein karierter Rock, ...“, erinnerte sie sich.
„Wie kurz war er?“, unterbrach Àlvaro sie.
„Wie bitte?“ Sophia schüttelte irritiert den Kopf, als sie plötzlich sein amüsiertes Grinsen im Augenwinkel bemerkte. „Du bist ein Idiot. Und zu deiner Enttäuschung muss ich dir sagen, dass der Rock leider fast bis zu den Knien reichte.“
„Warum raubst du mir meine Phantasien?“
„Weil...“, sie hielt irritiert inne. Was bezweckte er mit diesem Verhalten? Es irritierte sie, vor allem, wenn sie sich an den gestrigen Tag erinnerte. „Was hast du dir denn vorgestellt?“ Sie biss sich auf die Unterlippe und bereute die Gegenfrage augenblicklich.

Àlvaro lehnte sich entspannt zurück und blickte aus dem Fenster. Der Freeway schien unheimlich leer, Àlvaro konnte in seinem Blickfeld lediglich drei Trucks erkennen. Er wandte sich schließlich wieder an Sophia. „Ich stellte mir lediglich attraktive Mädchen in Uniformen vor, die untertags strebsam lernten und nachts nachholten, was sie vom Leben verpasst hatten.“
Sie ignorierte sein schiefes, zweideutiges Grinsen. „Ich schlief nachts. Wie jeder anständige Mensch. Immerhin musste ich ausgeruht für den nächsten Tag sein, um wieder volle Leistungen erbringen zu können.“
Er lachte auf. „Ach, komm schon, Sophia. Willst du mir ernsthaft weismachen, dass du dich nie auch einfach mal amüsiert hattest? Nicht mal nach deinem Abschluss?“
Auf Sophias Stirn bildete sich eine Falte. „Meine Ziele waren eben höher als die anderer Personen. Mir geht es nicht ab, fast nie dabei gewesen zu sein, wenn andere feierten.“
Àlvaro nickte. „Ach.“, es klang spöttisch.
Sophia ignorierte seine Reaktion. „Was war mit dir?“
„Ich trug keinen Rock.“
Sie rollte mit den Augen. „Wie verbrachtest du deine Freizeit?“
Àlvaro zuckte mit den Schultern. „Ich hatte sehr viele Verpflichtungen.“, antwortete er abweisend.
Sophia nickte. Er verschloss sich erneut vor ihr, sein Gesichtsausdruck spiegelte die gewohnte, kühle Gleichgültigkeit wider. „Wir...“, begann sie zaghaft. „Wir sollten uns eine Geschichte überlegen. Unsere Show wird umso besser gelingen, je ausgefeilter die Hintergrundsgeschichte ist.“
Àlvaro seufzte. „Wir lernten uns über meine jüngere Schwester kennen.“
Sie runzelte die Stirn. „Okay. Wie ist ihr Name? Wir brauchen für den Fall des Falles einen Namen.“
Er warf ihr einen irritierten Blick zu. „Wen wird das interessieren? Das ist Perfektionismus an falscher Stelle.“
Sophia schüttelte den Kopf. „Wenn ich schon lüge und schauspielre, möchte ich es gut machen.“
Àlvaro rollte mit den Augen. „Ihr Name ist Sara.“ Er starrte einen Moment auf seine von der Reise etwas schmutzigen Fingernägel und sah schließlich wieder aus dem Fenster.
„Sara.“ Sophia nickte. Sie ahnte die Bedeutung dieses Namens aufgrund seines verspannten Gesichtsausdrucks. Er hatte ihr keinen beliebigen Namen genannt. Es musste eine Sara in seinem alten Leben gegeben haben. „Ein schöner Name.“, sagte sie leise. Als er nicht reagierte, fuhr sie fort: „Wie lange sind wir schon zusammen? Fünf Jahre? Du machtest mir den Antrag bei unserem letzten Jahrestag, vor zwei Monaten?“
„Von mir aus.“ Àlvaro wies plötzlich auf ein Schild in wenigen Metern. „Da kommt bald die Abfahrt zu einem Diner.“

Das Diner war ähnlich eingerichtet wie das erste. Es erschien wie eine Mischung aus Facetten unterschiedlicher Jahrzehnte. Die viel zu moderne Musik aus dem Radio - die Jukebox schien mehr Zierde als Gebrauchsgegenstand - störte die Zeitreise etwas. Es waren bereits drei Tische besetzt. Auf dem ersten, gleich beim Eingang, saßen zwei Männer um die fünfzig in Jeans und Hemden. Einer trug einen Hut, der wohl an den Wilden Westen erinnern sollte. Zwei Tische weiter am Fenster saßen ein Paar um die dreißig sowie eine ältere Dame mit beinah silbernem Haar, welche ein höchstens dreijähriges Mädchen mit blonden Zöpfen auf dem Schoß sitzen hatte. Auf dem dritten besetzten Tisch, gleich neben der Bar, saß ein älterer, bärtiger Herr in Bauarbeiteranzug, welcher gerade an seiner Zigarette zog, als Àlvaro und Sophia das Gebäude betraten.

Eine etwa vierzigjährige Frau, vermutlich afrikanischer Abstammung, mit aufgestecktem, hellbraun gefärbtem Haar, kam ihnen lächelnd entgegen. „Willkommen. Ein Tisch für zwei oder bevorzugen Sie einen Platz an der Bar?“
Sophia beobachtete, wie Àlvaros Blick zur Theke wanderte, an der eine junge Frau mit derselben roten Schürze, die auch ihre Chefin trug, stand und gerade Kaffee in eine Tasse schenkte. „Ein Tisch wäre besser, danke.“, antwortete Sophia.
Die Chefin - Lucy, wie auf ihrem Namensschild zu lesen war - führte sie lächelnd zu dem Tisch neben der vierköpfigen Familie. „Keisha wird Sie gleich bedienen.“ Sie reichte ihnen die Menükarten und verschwand mit einem weiteren Lächeln zu dem Mann in Bauarbeiteranzug, mit dem sie sich einige Minuten unterhielt.
Sophias Magen begann zu knurren als sie die Beschreibung der unterschiedlichen Frühstückmenüs durchlas. Sie sah hoch und wollte gerade etwas zu Àlvaro sagen, als plötzlich eine helle Stimme neben ihnen erklang.
„Wisst ihr schon, was ihr trinken möchtet?“ Keisha lächelte die beiden fröhlich an. Sophia entging der Blick nicht, den Àlvaro der jungen Frau schenkte. Sie musterte die Kellnerin genauer. Keishas Haut hatte einen strahlenden Olivebraunton, ihre langen dunkelbraunen Locken waren zu einem lockeren Zopf gebunden. Ihre weiblichen Rundungen kamen trotz Schürze und legerer Kleidung - weites Shirt und Dreivierteljeans - darunter gut zur Geltung.
„Was kannst du denn empfehlen?“ Àlvaro schenkte Keisha einen tiefen Blick.
„Nun“, Die Kellnerin überlegte einen Moment. „Wir haben den besten Kaffee hier in der Gegend.“
Àlvaro nickte. „Dann sollte ich diesen wohl probieren.“ Er schenkte ihr ein warmes Lächeln.
Keisha wandte sich an Sophia. Diese runzelte kurz die Stirn, ehe sich ein spitzbübisches Grinsen über ihr Gesicht legte. „Ich vertraue meinem Verlobten bei seiner Auswahl.“, sagte sie und warf einen Blick auf ihr Gegenüber. Àlvaros Lächeln erstarb augenblicklich. „Nur, könnte ich meinen Kaffee bitte koffeinfrei haben?“ Als Keisha darauf lächelnd nickte, fügte sie noch hinzu: „Àlvaro, Liebster, was meinst du? Teilen wir uns noch einen Erdbeermilkshake? Das haben wir schon so lange nicht mehr.“
Àlvaro schenkte ihr einen finsteren Blick. „Nein, heute nicht.“
„Männer, einmal sind sie davon begeistert, dann wieder nicht. Versteh sie einer.“ Sophia schenkte Keisha ein viel sagendes Lächeln. „Na schön, wenn mein Schatz sich sträubt, dann nehme ich zusätzlich zu meinem Kaffee bitte noch ein Glas frisch gepressten Orangensaft.“

Als Keisha wieder zur Theke gegangen war, raunte Àlvaro seinem Gegenüber zu: „Was zur Hölle sollte das?“
Sophia erhob sich lächelnd und nahm neben ihm auf der schmalen Bank Platz. „Ich vermisse dich da drüben einfach zu sehr.“, sagte sie lauter als notwendig.
Àlvaro rollte mit den Augen. „Setz dich sofort wieder hinüber!“
Sie schüttelte den Kopf und raunte ihm zu: „Du wolltest letzte Nacht abhauen, weil du die Sorge hattest, ich könnte unsere Tarnung auffliegen lassen. Dann gefährdest du dieselbe mit deinen lächerlichen Flirtversuchen.“
„Der Grund, warum ich letzte Nacht...,“ Er hielt inne und schüttelte den Kopf. „Welche Flirtversuche?“
Sophia lachte leise. „Komm schon. Du hast die Kleine fast mit den Blicken ausgezogen. Gehört sich das für einen glücklichen Verlobten?“
Àlvaro stöhnte auf. „Du übertreibst maßlos.“
„Ich wette, du wärst anderer Meinung hätte ich mich so verhalten.“
Àlvaro wollte etwas erwidern, als plötzlich Keisha mit einem Tablett zurückkam. Während sie die Getränke auf dem Tisch abstellte, schmiegte sich Sophia an Àlvaros Schulter, wobei dieser sich deutlich versteifte.
„Ihr seid ein schönes Paar.“, kam es lächelnd von der Kellnerin, nachdem sie die Bestellung für das Essen aufgenommen hatte.

Als sie zur Theke zurückgegangen war, schob Àlvaro Sophia von sich. „Du bist eine ausgesprochene Nervensäge.“
Sie schenkte ihm ein spöttisches Grinsen. „Ich bemühe mich doch nur meinen Part glaubwürdig zu spielen.“
Er schüttelte den Kopf. „Das war nicht glaubwürdig, das war albern und übertrieben.“
Sophia zuckte mit den Schultern. „So verhalten sich nun mal überglücklich Verlobte.“
„Ach?“ Er musterte sie eingehend. „Warst du denn schon mal verlobt?“
„Davon halte ich nichts. Aber ich bin eine sehr gute Beobachterin. Und was ist mit dir, warst du schon mal verlobt?“
„Nein, meine Beziehungen waren großteils lockerer Natur.“, antwortete er und bemerkte Sophias gekräuselte Stirn. „Es gab zwei ernsthaftere Beziehungen, aber es reichte nicht für Hochzeitspläne. Warum hältst du nichts von Verlobungen?“
„Wenn man sich liebt, benötigt man keinen Schmuck und kein Papier, die das beweisen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Staat und Religion wollen uns mit dieser Institutionalisierung von Liebe lediglich kontrollieren. An einer Ehe ist nichts Romantisches.“
Àlvaro hob eine Augenbraue. „Was du nicht sagst.“

Das weitere Frühstück verlief sehr schweigsam, bis Sophia die ältere Dame mit dem kleinen Mädchen am Nebentisch plötzlich bewusster auffiel. Die Kleine saß auf dem Schoß der Älteren, ihre Arme umschlangen deren Hals, sie küsste ihre Großmutter - wie Sophia zumindest annahm - strahlend auf die Wange. Ein schwerer Druck erfasste Sophias Herz. Die Erinnerung kam wie aus dem Nichts. „Das, das könnte ich gewesen sein in diesem Alter.“, sagte sie leise.
Àlvaro folgte ihrem Blick. „Du trugst Zöpfe?“
Sophia schüttelte den Kopf. „Sie musste mich viel zu früh verlassen.“ Sie spürte die aufkeimenden Tränen, unterdrückte sie jedoch erfolgreich. Nicht noch einmal sollte Àlvaro sie so sehen. Sie zuckte nicht zusammen, als sie seine Hand für einen kurzen Moment auf ihrer spürte. „Das müssen sie immer. Die Menschen, die uns viel bedeuten.“ Er seufzte leise.
Sophia und Àlvaro sahen sich in die Augen und spürten zum ersten Mal seit ihrer Begegnung so etwas wie Verbundenheit. „Wir hatten eine Nachbarin - wir nannten sie Grandma, da unsere leibliche Großmutter schon vor unserer Geburt verstorben war - die öfters auf uns aufpasste, uns lustige und abenteuerliche Geschichten erzählte, stets für uns da war.“
„Was war geschehen? Erkrankte eure Nachbarin?“
Àlvaro schüttelte den Kopf. „Grandma war es nicht, die mich verließ. Sie wohnt heute in einem Altersheim.“
Sophia musterte ihn einen Moment irritiert, bis sie es plötzlich erkannte. „Du hattest eine Schwester.“, flüsterte sie. „Sara.“ Sie erschrak vor der Mischung aus Schmerz und Wut, die sich plötzlich in seinen Augen spiegelte.
„Meine Mutter sprach nie wieder über sie, brachte es nicht übers Herz.“ Sophia beobachtete, wie Àlvaros Hände sich zu Fäusten ballten. „Als könnte man es so ungeschehen machen.“
Sie runzelte unsicher die Stirn. „Mir“, begann sie zögernd. „mir wurde einmal gesagt, es sei wichtig, sich an die schönen Momente - etwa eure Zeit bei Grandma - zu erinnern. Mir selbst half dies zwar nur bedingt, aber...“ Sophia hielt inne, als sie sah, wie Àlvaro sich erneut verschloss, seine Miene sich wieder verhärtete. „Ich weiß, ich bin keine gute Trösterin. Das war ich nie. Ich fühle mich immer etwas hilflos in solchen Situationen und sage wahrscheinlich genau das Falsche.“ Sie biss sich unsicher auf die Unterlippe.
Àlvaro musterte sie eingehend. „Ich benötige weder dein Mitleid noch deinen Trost.“ Wieder der eiskalte Ton. Sophia begann zu frösteln. Sie erhob sich schnell. „Entschuldige mich kurz.“

Àlvaro sah ihr seufzend nach. Sophia hatte es nett gemeint, doch er ertrug diese Art Freundlichkeiten einfach nicht mehr. Sie alle hatten versucht ihn zu trösten, als könnten sie damit etwas verändern. Dann hatten sie ihn verachtet für das, was er getan hatte.
Es war Àlvaro egal, was sie über ihn dachten. Das einzige, das zählte, und sich wie eine scharfe Klinge in sein Herz bohrte, war die Tatsache, dass ihn auch Sara dafür verachtet hätte.

Sophia lehnte sich gegen die kühle, geflieste Mauer des Sanitärraums und starrte auf den gegenüberliegenden Spiegel knapp über dem Waschbecken. Es war ungerecht gewesen, als sie ihr vorgeworfen hatten, sie sei gefühllos. Niemand hatte vermutlich mehr gefühlt als sie. Doch nun wünschte sie sich nichts sehnlicher als nicht mehr fühlen zu können.

Àlvaro betrachtete sie nachdenklich, als sie zurückkam. Die leeren Teller waren bereits abgeräumt. Vor ihm stand, wie zum Hohn, ein Erdbeermilkshake mit zwei Strohhalmen.
Sophias Stirn kräuselte sich. Sie wollte sich schon gegenüber von ihm setzen, als sie Àlvaros ungeduldige Handbewegung bemerkte. Seufzend rutschte sie neben ihn.
Àlvaro schob den hohen Becher etwas näher zu ihr, sah kurz zur Theke, ehe er den Arm um ihren Körper legte, Sophias Unwillen ignorierend, und sie näher zu sich zog. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie seinen heißen Atem auf ihrem Nacken spürte.
Àlvaro sprach leise, aber dennoch verständlich. „Ich möchte nicht über sie sprechen.“
Sophia nickte und wich seinem Blick aus.
„Aber“, er hob ihr Kinn und beugte sich etwas näher zu ihr, so dass sie ihn ansehen musste. „dein Ratschlag war gut.“ Er seufzte. „Danke“ Es war ihm anzusehen, wie schwer es ihm gefallen war, diese Worte auszusprechen.
Sophia vergrößerte den Abstand zwischen ihnen wieder.
„Möchtest du über deinen Verlust sprechen?“ Es kam so überraschen wie zögernd.
Sie runzelte die Stirn und betrachtete Àlvaro irritiert. Seine Augen hatten einen sanften Ausdruck angenommen. Sophia schüttelte langsam den Kopf. Man hatte ihr gesagt, es würde leichter werden, doch das war es niemals geworden. Selbiges traf wohl auch auf einen anderen Verlust zu, welcher noch längst nicht so lange zurück lag.

Sie spielte einen Moment nachdenklich mit einem der Strohhalme, ehe sie das Thema wechselte. „Dir ist klar, dass du das Zeug alleine trinken wirst müssen?“
Àlvaro ging nur allzu dankbar auf den Themenwechsel ein. „Wie bitte?“ Er wies auf das hellrosa Getränk. „Du wolltest es doch?“
Sophia schüttelte den Kopf. „Das sagte ich doch nur, weil ich wusste, du würdest ablehnen.“ Sie hob den rechten Zeigefinger. „Allein dein dämliches Flirten hat uns das eingebrockt.“
„Ich habe nicht...“, er hielt inne. „Du wolltest es zuvor bestellen, also trinkst du es nun auch.“
„Und du bestelltest es während ich auf der Toilette war.“
Àlvaro seufzte. „Okay, dann trinken wir es eben gemeinsam.“ Er griff unschlüssig nach einem der Strohhalme.
Sophias Stirn kräuselte sich. „Aber nicht zugleich. Das wäre albern. Abwechselnd.“, entschied sie.
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#14

Zitat:„Der Ring wurde gestohlen!“, rief Àlvaro ihr noch nach
Zitat:„Okay, dann trinken wir es eben gemeinsam.“ Er griff unschlüssig nach einem der Strohhalme.
Sophias Stirn kräuselte sich. „Aber nicht zugleich. Das wäre albern. Abwechselnd.“, entschied sie.
einfach süß die beiden Big Grin

eigentlich habe ich nichts mehr zu sagen außer: ich will mehr davon :p
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#15

Hallo

Danke schön Big Grin

Ich hab zur Zeit leider viel Stress auf der Uni, werd aber versuchen, bald weiterzuschreiben Smile

Liebe Grüße
Hobby Writer
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#16

Kapitel 5

Sein Leben hatte an einem kühlen Frühlingsabend geendet. Der Himmel war kurz davor gewesen in ein sanftes blau zu tauchen, ein frischer Wind hatte durch die Straßen gefegt. Das war die Kulisse gewesen. Der erste Akt hatte mit einem Flüstern begonnen, welches zu einem Ohrenbetäubenden Lärm heranwuchs. Der starke Regen des zweiten Akts hatte in einer tödlichen Flut geendet. Sirenen waren ertönt. Sein Begleiter hatte den dritten Akt schließlich mit einer einzigen Bewegung beendet und es ihm überlassen, wie das Stück enden würde. Schmerz, Wut und Hass waren der Verzweiflung gewichen, diese schließlich einer Mauer aus
Kälte. In diesem Moment hatte Àlvaros Leben begonnen.

Àlvaro startete den Motor, wie er es auch damals gemacht hatte. Nur diesmal war er nicht alleine. Sophia war bei ihm, spielte dieses kranke Spiel mit, von dem sie beide wussten, dass es früher oder später würde enden müssen. Àlvaro würde sie entweder beide retten oder beide ins Verderben ziehen. Und dann würde es keine weiteren Akte mehr geben.

Sophias Leben hatte aufgrund mehrer Ereignisse eine dramatische Wende genommen, die ihren Ursprung womöglich bereits in Sophias Kindheit hatte. Die Wellen waren immer höher geworden, ehe sie die junge Frau gnadenlos erfasst und in eine scheinbar unendliche Tiefe gerissen hatten. Das ohnehin stets nur zaghaft pochende Herz zerschmettert am Meeresgrund.

Sophia würde später versuchen herauszufinden, wie es zu der Wende kam. Womöglich waren es die wenigen Sätze im Diner gewesen. Die Erkenntnis nicht ganz alleine vor einem tiefen, ungewissen Abgrund zu stehen. Womöglich war es aber auch die immer größer werdende geografische Entfernung von dem alten Leben gewesen.

Der neue Akt begann langsam und lautlos. Vor der Kulisse eines beinahe kitschigen Sommertags mit wolkenlosen Himmel und brennender Sonne regte sich etwas in den beiden Menschen. War es bei Sophia der lang gehegte Wunsch zumindest für eine kurze Zeit zu vergessen, war es bei Àlvaro wohl mehr das plötzliche Verlangen die letzten Tage vor dem Unvermeidlichen zu leben. Denn während Sophia nicht wusste, was am Ende der Straße auf sie warten würde, schien Àlvaro es plötzlich vor seinem inneren Auge zu sehen.

Irgendwann unter der sommerlichen Glut begannen die beiden tatsächlich Sophia und Àlvaro zu werden.

Er betrachtete die Hinweisschilder auf dem Freeway. Sein Gesicht hellte sich plötzlich auf. Er warf Sophia einen Seiteblick zu. Diese hatte den Blick scheinbar starr auf das Auto vor ihnen, einem alten dunkelblauen Volvo, gerichtet.
„Wir nähern uns einer Stadt.“, sagte er zögernd.
Sie betrachtete ihn mit gekräuselter Stirn. „Großartig. Du weißt schon, dass wir bereits an mehreren Städten vorbeikamen?“
„Ja, aber nun werden wir auch halten.“ Àlvaro beachtete die anderen Autofahrer kaum, als er die Spur wechselte, worauf mit einer lauten Hupe reagiert wurde.
„Warum gerade hier?“, fragte Sophia.
Àlvaro zog eine Augenbraue hoch. „Hier ist es genauso gut wie überall anders.“ Er fuhr die Abfahrt hinunter und folgte dem Wegweiser zu einer Pension. „Ich mache dir einen Vorschlag.“, sagte er langsam, als er das Auto wenige Meter vor dem gesuchten Gebäude parkte. Àlvaro musterte Sophias irritierte Miene einen Moment, ehe er schließlich fort fuhr: „Du hattest Recht, wir benötigen einen Waschsalon, Kleidung und womöglich noch anderes. Zudem denke ich, dass du einiges nachzuholen hast.“
„Wie bitte?“ Sophia verschränkte die Arme vor der Brust.
Àlvaro schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. „Wir gehen einkaufen, abends in ein Restaurant und amüsieren uns danach ein wenig.“
„Genialer Plan.“ Ihr sarkastischer Unterton war nicht zu überhören. „Und wo?“ Sie strich sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Sara verbrachte hier kurz nach Weihnachten ein Wochenende.“ Àlvaro wich Sophias Blick aus. „Bei einer Freundin vom College. Sara erzählte mir von einer Salsa Bar, die hier angeblich jeder kennt. Candela. Wir fragen einfach danach.“
Sophia seufzte. „Ich bin komplett erschöpft von der Hitze. Das ist ein freies Land“, sie hielt einen Moment inne. „zumindest mehr oder weniger, bedenke man die Kontrolle der Regierung über die Menschen. Du kannst nach dem Einkauf machen, was immer du möchtest.“ Sie biss sich unschlüssig auf die Unterlippe. „Zudem interessiert es in dieser Bar wohl kaum jemanden, wer wir sind. Du darfst dich also ohne jegliche Einschränkungen amüsieren.“ Das Ende des Satzes war von einem bissigen Unterton begleitet. Sophia gurtete sich ab und stieg aus dem Auto.
Nachdem er es ihr gleichgemacht und danach die Autotür geschlossen hatte, sah er sich nachdenklich um, als suche er ein Zeichen aus naher Vergangenheit. Doch da waren nur der kleine Parkplatz mit drei weiteren Autos, einige Bäume, eine leere Straße sowie die pastellgelbe Pension mit den weißen Lettern. Àlvaro seufzte kaum hörbar, und zündete sich eine Zigarette an, worauf Sophia mit einem Augenrollen reagierte.
„Du weißt, dass uns das noch beide umbringen wird?“
„Ich dachte, dir sei alles egal?“
Sophia stieg nachdenklich von einem Fuß auf den anderen. „Ich möchte auf würdigere Weise sterben.“
Àlvaro betrachtete sie belustigt. „Als trampendes Oper eines Serienmörders?“
Das brachte sie schließlich zum Schweigen.

Er blickte sich noch einmal in der unheimlich ruhigen Gegend um, ehe er schließlich seine Sporttasche von der Rückbank holte. Sophia griff nach ihrem Rucksack, ohne Àlvaro eines Blickes zu würdigen. Die beiden kamen zugleich bei der Eingangstür der Pension an. Àlvaro öffnete die helle Holztür und machte eine einladende Geste. „Nach dir.“
Sophia ignorierte den undefinierbaren Unterton und trat durch die Tür. Ihre Augen wanderten über die drei dunkelgelben Sofas vor den pastellgelb bestrichenen Wänden, welche durch schreiend bunte Bilder - mit jeweils dunkelgelben Rahmen - geziert wurden. Sophias Augen weiteten sich, als sie die Frau in gelbem Trägerkleid an der Rezeptionstheke entdeckte. Diese war vermutlich Mitte oder vielleicht Ende fünfzig. Ihr pastellblondes Haar war zu einem lockeren Knoten gebunden. „Wohl die Chefin persönlich oder eine Mitarbeiterin in Ganzkörperuniform.“, zischte Sophia Àlvaro leise zu, was diesen ein kurzes Schmunzeln abrang.

Die Frau sah lächelnd von ihrem Zettelstoß, auf dessen obersten Blatt sie etwas notiert hatte, hoch, als sich die beiden näherten. Die rot geschminkten Lippen bildeten ein strahlendes Lächeln. „Willkommen im Sunshine. Nennen Sie mich Susan.“
Àlvaro erwiderte ihr Lächeln. „Meine Verlobte“, er warf Sophia, welche angesichts des Meeres an gelb fassungslos den Blick schweifen ließ, einen kurzen, strengen Blick zu. „und ich würden heute gerne in ihrer“, er suchte nach dem richtigen Adjektiv und verzichtete schließlich darauf. „Pension nächtigen.“ Er schenkte Susan einen perfekten hilflosen Blick. „Ein Teil unserer Wertsachen, Kreditkarten und leider auch Sophias“, er schenkte dieser einen kurzen Blick. „Verlobungsring wurden uns letzte Nacht in einem düsteren Motel gestohlen. Zum Glück haben wir noch Bargeld und meinen Führerschein.“
Susan griff sich auf die Brust und schenkte den beiden einen mitleidigen Blick. „Das ist ja furchtbar. Nein, so etwas wird Ihnen hier sicherlich nicht passieren. Wir sind eine rechtschaffene Stadt.“ Sie nickte überzeugt und schenkte Àlvaro ein weiteres Lächeln. „Sie können natürlich bar bezahlen. Normalerweise verlangen wir pro Nacht achtzig Dollar, doch bei so einem netten jungen Paar scheinen mir sechzig ausreichend.“
„Das ist sehr nett von Ihnen.“, sagte Sophia und mühte sich um einen möglichst unschuldigen Gesichtsaudruck.
Susan bedachte sie mit einem warmherzigen Blick, ehe sie sich wieder an Àlvaro wandte. „Könnten Sie mir lediglich ihren Führerschein zeigen. Aus rein formalen Gründen versteht sich.“
„Aber selbstverständlich.“ Àlvaro zog ohne zu Zögern eine Karte aus der Hosentasche und reichte sie seinem Gegenüber. Sophia beobachtete dies mit einem irritierten Blick.
Susan besah den Führerschein kurz und tippte etwas in ihren Computer. „Würden Sie mir noch Ihren Namen nennen?“ Sie schenkte Sophia einen kurzen Blick, widmete sich schließlich wieder der Tastatur.
„Sophia Miller.“ Sophia räusperte sich leise.
Susan nickte leicht, tippte weitere Buchstaben auf der Tastatur und meinte schließlich mit einem breiten Lächeln: „Danke, das genügt. Wir vertrauen hier noch auf die Menschen und spielen das alberne Kontrollspiel anderer Pensionen und Hotels nicht mit.“ Sie schüttelte den Kopf. „Was ist das nur für eine Welt? Sie nennen uns naiv, aber wir wurden von unseren Gästen noch niemals betrogen. Alles sehr anständige Menschen.“ Ihre Lippen bildeten ein erneutes Lächeln, als sie Àlvaro und Sophia betrachtete. „Sie sind ein sehr schönes Paar.“ Susan griff nach einem Schlüssel mit goldenem Sonnenanhänger und der Zahl „17“, welchen sie Àlvaro reichte. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.“

Sophia beobachtete Àlvaro als er die hellbraune Pensionszimmertür schloss und ließ sich nachdenklich auf das weiche Doppelbett sinken. „Was, wenn wir einmal nicht an nette ältere Männer und Frauen auf Pott geraten? Dieses unheimliche Glück wird nicht ewig andauern.“
Àlvaro ließ seine Sporttasche achtlos auf den Boden fallen und setzte sich neben Sophia, den gewohnten Köperabstand zwischen ihnen einhaltend. „Darüber machen wir uns Gedanken, wenn es soweit ist.“ Er schenkte Sophia einen belustigten Blick. „Pott?“
Diese zuckte mit den Achseln. „Niemand kann ohne Drogeneinfluss so viel lächeln und diese Masse an gelb verkraften.“
„Bezüglich letzteren stimme ich dir zu.“ Er dankte innerlich für das spärliche Gelb in dem Pensionszimmer, welches lediglich auf drei Bildern an den Wänden sowie den Gästehandtüchern zu finden war. „Was aber ersteres betrifft, scheint es wohl eher ein Problem deinerseits zu geben. Lächeln gehört eindeutig nicht zu deinen Stärken.“
„Ach, zu deinen wohl schon, Sonnenschein?“ Sophia musterte Àlvaro spöttisch.
„Ich konnte es zumindest einmal“, er hielt inne. „Sagen wir hin und wieder. Aber ich bezweifle, dass du jemals viel zum Lächeln hattest, wenn du dein gesamtes Leben hinter Büchern verbracht hast.“
Sophias Stirn kräuselte sich. „Nur weil ich andere Prioritäten hatte, bedeutet das nicht, dass ich niemals Freude an Dingen hatte!“
Àlvaro musterte sie provozierend. „Den Minuten mit Tolstoi zwischen den Lernpausen?“
„Ich habe, unter anderem, „Krieg und Frieden“ tatsächlich mehrmals gelesen. Aber ich saß nicht durchgehend hinter Büchern. Ich gönnte mir zwischendurch etwa auch mal einen guten Film.“
Er nickte. „Etwas schwer Verdauliches und Hochphilosophisches vermutlich, das normale Menschen nicht verstehen können.
„Schließe nicht von dir auf andere.“ Sie funkelte ihn wütend an. „Es ist nichts Falsches daran sich nicht ständig niedrigen Bedürfnissen hinzugeben und kostbare Zeit zu verschwenden.“ Sophia atmete tief durch, sie zitterte vor Wut, zugleich ärgerte sie sich aber, dass sie sich von Àlvaro so leicht provozieren ließ. Es konnte ihr doch egal sein, was er von ihr dachte. „Immerhin bin ich nicht zu einer Kleinkriminellen geworden. Das war doch wohl kaum dein Führerschein, den du Susan zeigtest...“
Ein schiefes Grinsen spiegelte sich auf seinem Gesicht. „Würde ich besser aussehen, hätte ich sie vielleicht auf andere Art überzeugen können.“
Sophia rollte mit den Augen. „Nicht jede Frau lässt sich von einem attraktiven Mann beeindrucken.“
Àlvaro zog eine Augenbraue hoch. „Du findest mich also attraktiv.“
„Das habe ich nicht gesagt!“ Sie bettete ihren Kopf mit einem genervten Seufzen auf dem weichen Kissen. „Was, wenn der Besitzer bereits eine Anzeige aufgegeben hat?“
„Hat er nicht.“
„Woher willst du das wissen?“
Àlvaro wich ihrem Blick aus. „Ich weiß es eben.“
Sophias Stirn kräuselte sich, sie stellte jedoch keine weiteren Fragen. Die Gedanken einige Momente schweifend entfuhr ihr plötzlich: „Und ich habe mich durchaus schon ein paar Mal amüsiert. Ich hatte drei“, sie hielt inne. „zwei Beziehungen“, korrigierte sie, den Stich in ihrem Herzen ignorierend. „und war einmal auf Springbreak.“
Àlvaros Kopf fuhr augenblicklich zu ihr herum. Er musterte sie belustigt und rückte näher. „DU warst auf Springbreak?“
Sie nickte triumphierend. „In Flordia. Wir waren zu viert. Eine Freundin und ich knutschten abends in einer Bar.“
Àlvaros Augen weiteten sich überrascht. Er ließ sich in das weiche Kissen sinken und betrachtete Sophia genauer. Diese fühlte sich unter seinem Blick zunehmend unwohler. Sie legte die Arme schützend um ihren Körper.
„Wie sah sie aus?“, fragte er plötzlich.
Sophia fuhr wütend hoch. „Ich bin nicht für die Befriedigung deiner kranken Phantasien zuständig!“
Er musterte sie belustigt. „Ich habe dich in einer dunklen, verregneten Nacht auf einer einsamen Straße aufgelesen und mitgenommen. Du hast dich bisher nicht einmal am Sprit beteiligt. Denkst du nicht, ich hätte ein kleines Zeichen der Dankbarkeit verdient?“
Sophia erhob sich wütend und fischte ihre Geldbörse aus dem Rucksack. Sie warf ihm achtlos zehn Dollar auf seine Bettseite. „Und nachts ist es immer dunkel!“
Àlvaro setzte sich auf. „Na, komm schon, Sophia“, er steckte den Geldschein in die Gesäßtasche seiner Jeans. „blieb es bei Küssen?“ Er grinste und blickte sie herausfordernd an.
Sophia stemmte die Arme in die Hüften. „Es blieb sogar bei nur einem einzigen Kuss!“
„Ist wohl mit Männern doch ein wenig besser, was?“
„Sag’s du mir.“ Sie schenkte ihm einen letzten, vernichtenden, Blick, ehe sie nach ihrem Rucksack griff und im Badezimmer verschwand. Kurz darauf war das Drehen eines Schlüssels zu vernehmen.
Àlvaro grinste. „Hattest du Angst ich würde dir nachkommen?“, rief er ihr nach.

Nachdem sie ihre Kleidung gewaschen und in die Pension zurückgebracht hatten, gingen Sophia und Àlvaro durch die belebte Einkaufsstraße. „Nur das Nötigste.“, erinnerte er sie nochmals, als sie ein günstiges Modegeschäft beraten.
Sophia rollte mit den Augen. „So eine bin ich nicht!“ Sie beobachtete drei jugendliche Mädchen, welche begeistert quietschend und mit einem Berg voller Kleidung bepackt zu den Umkleidekabinen rannten. Sophia zog eine Augenbraue hoch. „Da läuft unsere Zukunft. Sollen wir uns sicherheitshalber gleich von der nächsten Brücke stürzen?“
„Lass sie doch jung sein.“ Àlvaro musterte sie belustigt. „Vielleicht solltest du das auch mal probieren?“
„Dümmlich in der Öffentlichkeit quietschen?“
„Vielleicht auch das. Nein, such dir ein paar Sachen, die dir gefallen und sei es nur, um sie im Kabinenspiegel an dir zu betrachten.“
Eine Falte bildete sich auf Sophias Stirn. „War’s das schon oder gibt es noch eine Pointe?“
Àlvaro erwiderte ihren Blick. „Hast du schon wieder Angst Zeit zu verschwenden?“
Sie rollte mit den Augen. „Okay, ich werde es versuchen, Wenn du danach aufhörst über meine frühere Lebensweise zu spotten.“
„Und du musst heute mit mir essen und danach in diese Bar gehen.“
Sophia seufzte. „Einverstanden.“
Àlvaro nickte triumphierend. „Was hältst davon, wenn wir uns in einer Stunde in dem Cafe gegenüber treffen?“ Er wies mit der Hand Richtung Ausgang. „Ich werde mich etwas in der Straße umsehen.“
„Du gehst?“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Von mir aus.“, fügte sie in möglichst desinteressiertem Tonfall hinzu.
Er trat näher. „Was denn, möchtest du, dass ich dir Gesellschaft leiste und dich in der Umkleidekabine bewundere?“ Seine Augen funkelten amüsiert.
Sophia blickte ihn wütend an. „Nein! Wir sehen uns dann in einer Stunde.“ Sie ging zu den ersten Kleiderständern ohne Àlvaro eines letzten Blickes zu würdigen.

Sophia hatte sich zögernd für zwei schwarze Shirts entschieden. Sie blickte sich unsicher um und fühlte sich zunehmend unwohler. Neben all den gestylten jungen Frauen musste sie wie eine verwelkte Blume, die jedoch niemals geblüht hatte, wirken. Wie eine zum frühen Sterben verurteilte Raupe. Sophia kräuselte die Stirn als sie das Lächeln einer auf sie zukommenden jungen Verkäuferin bemerkte. Sie verspürte den Wunsch wegzulaufen, ehe die Frau noch versuchen würde, ihr die gesamte Ware aufzuschwatzen. Doch diese war schneller. „Hallo, ich bin Anjali. Du siehst aus als könntest du Hilfe benötigen.“
Sophia musterte ihr Gegenüber misstrauisch. Anjalis Mandelaugen waren von einer silbernen Brille umrahmt, ihr langes Haar war zu einem künstlerischen Zopf geflochten. Der rote Lippenstift und dazu passende Nagellack bildete einen hübschen Kontrast zur hellbraunen Haut. Ihr Lächeln schien herzlich und ehrlich, dennoch war sie vermutlich nur eine manipulative Verkäuferin. „Nein, danke.“
Anjali musterte Sophia. „Mir geht es nicht darum, um jeden Preis etwas zu verkaufen. Ich arbeite neben dem Studium und eigne mich vermutlich aufgrund meiner Ehrlichkeit nicht als Verkäuferin. Mein Ziel ist es meine Kundinnen glücklich zu sehen.“ Ihr Blick blieb an Sophias weitem Shirt hängen. „Weißt du, dass du eine tolle Figur hast?“
Ihr Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Über solche Dinge denke ich nicht nach. Es gibt Wichtigeres. Aber dem gängigen medialen Ideal entspreche ich wohl nicht.“
Anjali runzelte die Stirn. „Zum Glück.“ Sie lächelte. „Natürlich gibt es Wichtigeres. So ziemlich alles ist wichtiger. Aber denkst du nicht, dass es dir ein besseres Gefühl geben würde, Kleidung zu tragen, die dein Aussehen etwas mehr zur Geltung bringt? Einfach nur für dich selbst. Veränderungen tun manchmal sehr gut. Außer natürlich du fühlst dich wirklich wohl so wie du gekleidet bist.“
„Und was würdest du mir empfehlen?“, fragte Sophia und bereute es sogleich.
Anjali nahm ihr entschieden die Shirts aus der Hand. „Die vergessen wir mal.“ Sie legte sie zurück an ihren Platz und betrachtete Sophia nachdenklich. „Machen wir es so. Wir schauen gemeinsam durch das Geschäft. Ich mache dir ein paar Vorschläge und du nimmst sie an, wenn sie dir gefallen?“
Sophia seufzte genervt, nickte aber schließlich.
„Was sagst du dazu?“ Anjali hielt ein rotes Spaghettiträgertop hoch.
Sophias Augen weiteten sich. „Das sieht an mir sicherlich unmöglich aus.“
Anjali lächelte. „Probier es doch, ehe du urteilst.“ Sie griff nach weiteren in den Farben blau, violett und schwarz. Der kleine Stoß wurde rasch höher, als Anjali noch drei figurbetonte Shirts, zwei Röcke und eine Cargohose mit teilweise abzippbaren Hosenbeinen entdeckte. Ihr Tempo war rasch, ihre Laune stieg von Kleidungsstück zu Kleidungsstück. Sophia ging unschlüssig hinter ihr her, als Anjali plötzlich begeistert aufjuchzte. „DAS ist es! Das ist wie für dich gemacht!“
Sophia trat unsicher neben sie und starrte auf das beerenfarbene ärmellose Kleid. „Darin sehe ich gewiss aus wie ein Würstchen.“
Anjali machte eine abweisende Handbewegung. „Du wirst hinreißend aussehen! Es betont alles, was betont werden muss. Ein toller Schnitt!“
„Warum kaufst du es dann nicht selbst?“
„Ich habe schon zwei davon zuhause.“ Anjali lachte.
Sophia seufzte. „Das Kleid hat weder Ärmel noch Träger. Wird es nicht ständig hinunter rutschen? Was trägt man darunter?“
Ein vergnügtes Grinsen spielte sich auf Anjalis Gesicht. „Dafür hast du mich. Komm mit. Und ja, es hält.“ Anjali führte Sophia zu einem Ständer mit BHs. Sie reichte ihr zwei. „Bei denen kann man die Träger abnehmen.“
„Ich werde halbnackt sein!“, protestierte Sophia.
„Das Kleid reicht dir doch mindestens bis knapp über die Knie.“ Anjali lachte. Sie zog Sophia weiter zu einem Ständer mit roter Spitzenunterwäsche. „Toll, nicht?“
„Ich weiß nicht recht...“
Anjali zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Deinem Freund würdest du darin sicherlich gefallen.“
Sophia musterte sie irritiert. „Wem?“
Ihr Gegenüber schmunzelte. „Ich sah dich vorhin mit ihm. Wow.“ Sie legte ihre Hand sanft auf Sophias Arm. „Du hast wirklich Glück. Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.“
Vor Sophias innerem Auge erschien plötzlich die Erinnerung an den peinlichen Vorfall im Motelzimmer. Àlvaros Blick auf ihren nur durch das Handtuch bedeckten Körper. Sie fragte sich einen Moment, wie er wohl beim Anblick dieser Spitzenwäsche reagieren würde, schalt sich jedoch zugleich für diesen Gedanken. Was war nur in sie gefahren? „Nein, das wäre ganz und gar unpassend.“
Anjali zuckte mit den Schultern und führte sie zu einer Umkleidekabine.

Mit zwei Einkaufstaschen des Kleidungsgeschäfts sowie einer kleineren eines Drogeriemarktes in den Händen betrat Sophia eine halbe Stunde später das Cafe. Sie fand Àlvaro im Garten an einem Tisch sitzend und Zeitung lesend vor. Vor ihm stand ein halbausgetrunkenes Glas Cola. „Hey.“ Sophia betrachtete ihn unsicher.
Àlvaro schob seine Sonnenbrille einen Moment hoch und warf einen überraschten Blick auf die Einkaufstaschen. „Ich hoffe, du hast nicht dein gesamtes Bargeld ausgegeben.“
Sophia setzte sich seufzend. „Es ist noch genügend über.“
Er nickte. „Wir können morgen Geld abheben, kurz vor der Abfahrt. In der Nähe ist ein Geldautomat.“
„Hast du auch etwas gekauft?“
Àlvaro nickte und wies auf die Einkaufstasche zu seinen Füßen. „Aber offenbar nicht dieselbe Menge wie du. Bist wohl doch ein typisches Mädchen.“
„Und du wohl keins.“
Àlvaro grinste. „Isst du gerne italienisch?“
Sophia nickte. „Ja.“
„Ich entdeckte ein italienisches Restaurant in der Nähe. Es ist gleich neben der Bar, in der es Sara so gefiel. Ich würde vorschlagen, wir trinken eine Kleinigkeit und ruhen uns dann etwas im Pensionszimmer aus, ehe wir uns amüsieren. Das wird eine lange Nacht.“ Er lehnte sich im Sitz zurück und widmete sich wieder seiner Zeitung.
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#17

Ich liebe Roadmovies und ich liebe deine FF! Und ich finde es großartig, über diesen weibliche GG-Charakter eine Story zu machen.. Ich bin gespannt, wer er ist.. Da tappe ich noch im Dunkeln!

Aber wirklich sehr gut geschrieben! Und schön lange Kapitel! :-)

Weiter so!
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#18

Hallo,

Vielen Dank für dein Feedback Smile Freut mich, dass dir die Geschichte so gefällt.

Ich ließ ja in dem quasi-Vorwort ("Über die Geschichte") offen, ob nur einer oder beide Hauptcharaktere aus GG stammen. Vll. sage ich vor einem der kommenden Kapiteln mehr dazu Wink

LG und noch einen schönen Tag
HobbyWriter
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#19

Hallo,

Das neue Kapitel ist da. Smile

Ich hoffe, es gefällt euch. Ich würde mich sehr über Feedbacks freuen.

LG HobbyWriter


Kapitel 6

Àlvaro zappte gelangweilt durch die zehn Fernsehkanäle der Pension, ehe er das Gerät ganz abschaltete. Was versprach er sich von diesem Abend eigentlich? Sara war gegangen, sie würde niemals wiederkehren. Sie würde nicht plötzlich von der Tanzfläche auf ihn zukommen. Ihn nicht sanft auf den Arm boxen, wenn er sie mit einer fiesen Neckerei begrüßte. Sie würde nichts schlagfertig erwidern. Ihr lautes Lachen würde nicht die Musik übertönen. Sie würde mit keiner Haarsträhne spielen, während sie von ihrem Aufenthalt schwärmte. Denn sie war nicht hier. Nichts in der Bar würde Àlvaro an Sara erinnern. Er presste die Augen einen Moment zusammen und atmete tief durch. Was hatte sie nur getan? Was hatte er nur getan? Es war alles seine Schuld. Er war es, der an ihrer Stelle sein sollte.

Sophia stand unschlüssig vor dem Badezimmerspiegel, einen Handtuchturban auf dem Kopf, eine Wimpertusche in der Hand. War das die Vorbereitung für einen amüsanten Abend? Sie dachte an ihn, an den sie nicht mehr denken hatte wollen. Er hatte es geliebt, wenn sie Wimperntusche trug. Es würde ihre Augen betonen. Wie würde er wohl reagieren, würde er sie hier sehen, im Nebenzimmer ein beinahe Fremder. Er würde sie dumm und leichtsinnig schimpfen. Immerhin war sie doch die stets korrekte Elitestudentin. Vielleicht war sie niemals sie selbst gewesen. Hatte ihr Inneres stets sorgsam verborgen. Vielleicht sollte sie diesem Abend tatsächlich eine Chance geben. Nicht um allen zu beweisen, dass sie nicht in die stereotype Schublade passte, die man für sie gebaut hatte. Sondern um es sich selbst zu beweisen. Diesen Abend wollte sie Sophia sein. Entschlossen begann sie ihre Augen und schließlich Lippen zu schminken, ehe sie ihr Haar föhnte und schließlich in das beerenfarbene Kleid schlüpfte. Sie besah sich im Spiegel und empfand sich als verkleidet. Hatte sie ihre alte Maske nun nicht lediglich durch eine neue ersetzt?

Aus dem Spiegel mühte sich das Gesicht einer Frau um ein Lächeln. Sie trug Lidschatten passend zur Augenfarbe, Wimperntusche und einen beerenfarbenen Lippenstift. Die unteren Augenlider zierte ein dünner schwarzer Strich, welcher die Augen größer erschienen ließ. Das glänzende Haar fiel ihr offen bis fast zur Taille. Sie blies sich eine kürzere Strähne aus dem Gesicht und atmete tief durch, ehe sie ihre Hand zögern auf die Türschnalle legte.

Àlvaro erhob sich, als er das Öffnen der Badezimmertür vernahm. Sophia trat, den Blick auf ihre Zehenspitzen gerichtet, aus dem Raum. Sie seufzte leise und hob unsicher den Kopf. Er würde sich gewiss über sie lustig machen. Ihre Augen begegneten Àlvaros. Seine Miene schien leicht angespannt, war aber nicht zu deuten. Er musterte sie einen Moment von oben bis unten, ehe er sich abwendend meinte: „Bist du fertig? Können wir gehen?“ Der Tonfall schien gewohnt gleichgültig. Sophia nickte. „Klar.“ Ein Gefühl von Enttäuschung machte sich für einen Moment in ihrem Herzen breit. Was hatte sie erwartet? War ihre Seele bereits so angegriffen, dass sie auf Komplimente und Bewunderung angewiesen war? Sophia mühte sich um ein Lächeln. „Ich hole nur meine Tasche.“ Sie griff nach ihrer Geldbörse und steckte sie in die erschreckend winzige Tasche, welche ihr Anjali kurz vor der Kassa als absolutes Muss eingeredet hatte.
Àlvaro beobachtete sie amüsiert. „Was? Das darf sich schon Tasche nennen? Ich dachte das wäre ein größeres Brillenetui.“
Sophia grinste. „Erschreckend nicht?“

Sie saßen an einem von drei Blumentöpfen umgebenen Tisch im Restaurantgarten. Wenige Meter neben ihnen spielte eine Band traditionelle italienische Musik. Sophia sah Stirn runzelnd auf die Flamme der Kerze, ehe sie den Kopf hob und Àlvaros Blick begegnete.
„Ganz schön kitschig, was?“
Sophia nickte. „Soll die Gäste wohl von ihrem unperfekten Leben ablenken.“ Sie beobachtete Kopf schüttelnd das Paar am Nebentisch, welches sich wortlos anhimmelte und gegenseitig mit Pasta fütterte. „Die sind ja schlimmer als Susi und Strolchi.“
Àlvaro grinste. „Du gehört wohl nicht gerade zu den Romantikern.“
Sophia hob ihre Augenbrauen. „Du wirkst auch nicht gerade wie einer, der seiner Freundin regelmäßig Blumen schenkt.“
„Nur, wenn ich etwas angestellt habe.“
„Wie diese Tankstellen-Männer?“
„Tankstellen-Männer? Eine neue Spezies?“
Sophia nippte an ihrem Wasser und drehte ein paar Spaghetti auf der Gabel. „Genau genommen, eine sehr alte. Das sind Männer, die ihren Frauen nach dem Seitensprung schnell mal aus schlechtem Gewissen ein paar billige Blumen von der Tankstelle kaufen, ehe sie nachhause kommen.“
Àlvaro kaute an einem Stück Pizza und betrachtete sein Gegenüber amüsiert. „Und was schenken betrügende Frauen ihren Männern?“
Sophia zuckte mit den Schultern. „Wenn Frauen fremdgehen hat dies tendenziell tiefere Gründe als den puren Geschlechtsakt.“
„Nein, wirklich? Woher hast du das denn? Der Cosmopolitan?“ Àlvaro zog belustig eine Augenbraue hoch.
Sie schüttelte den Kopf. „Sie gehen eher fremd, wenn die Partner ihnen nicht geben können, was sie brauchen.“
„Einen multiplen Orgasmus?“
„Du bist ein Idiot.“ Sophia kräuselte die Stirn. Sie blickte erneut zu dem Paar am Nebentisch, welches nun Händchen hielt. Der große Stein am Ring der Frau blitzte auf. Sophia seufzte leise und wandte sich wieder an Àlvaro. „Meine beste Freundin verlobte sich am Tag vor der Collegeabschlussfeier. Sie war mit ihrem Partner erst seit wenigen Monaten wieder zusammen, aber sie kannten sich schon ein paar Jahre, seit sie 17 gewesen waren. Ab dem Tag der Verlobung war ich fast völlig abgeschrieben. Sie schwebte in eigenen Welten, bekam gar nicht mit, wie es in meinem Leben zunehmend bergab ging.“ Sophia zuckte mit den Schultern. „Vermutlich war es nicht einmal böse gemeint, ich war ihr wahrscheinlich immer noch wichtig, aber ich fühlte mich im Stich gelassen. Als sich unsere Wege im Herbst nach dem College trennten, verloren wir zunehmend den Kontakt, weil die geographische Entfernung immer größer wurde. Trotz allem hatte ich niemals zuvor und niemals danach wieder so eine gute Freundin gefunden.“ Sie seufzte leise und schrak zurück als sie Àlvaros Handfläche auf ihrem Handrücken spürte. Dennoch entzog sie ihm die Hand nicht.
„Ruf sie an. Vielleicht kannst du eine Zeit lang zu ihr.“, meinte er leise.
Sophia schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, dazu ist es zu spät. Sie würde das alles nicht verstehen. Zudem möchte ich ihr nicht zur Last fallen. Sie hat genug mit ihrem Job und Kind zu tun. Wahrscheinlich hat sie sich längst einen neuen Freundeskreis aufgebaut. Sie hat immer schnell Freunde gefunden. Im Gegensatz zu mir.“ Sie hielt kurz inne. „Meine Zukunft, sollte ich denn eine haben, liegt irgendwo am Ende des Freeways. Ich werde nicht mehr zurück blicken. Es zumindest versuchen.“
Àlvaro zog seine Hand langsam von Sophias. „Das ist auch mein Plan.“
„Gut.“, Sophia nickte. „Vielleicht schaffen wir es ja gemeinsam. Zumindest für eine gewisse Zeit.“
Er hob sein Glas Wein. „Auf einen gelungenen Abend.“
Sie lächelte schwach und hob ihres, um mit ihm anzustoßen.

Aus der Bar ertönten schnelle lateinamerikanische Rhythmen. Sophia verzog keine Miene, als ihr beim Betreten des Gebäudes eine Rauchwolke entgegen strömte. Sie sah sich unsicher um. Auf der Tanzfläche tanzten sechs Paare. Die Körper der Frauen und Männer schienen dabei in ständiger Berührung miteinander. Sie wurden während dessen von vier an der Bar sitzenden Personen beobachtet. Rund um die Bartheke standen mehrere Tische, die meisten davon bereits besetzt. Àlvaro führte Sophia vorbei an lachenden Gruppen zu einer kleinen Sitznische mit direkter Sicht auf die Tanzfläche. Sie setzte sich auf die kleine Bank, er ihr gegenüber auf einen Stuhl.
Sie schlugen die Getränkekarten auf und lasen sich durch die sieben bunten Seiten.
„Was wirst du nehmen?“, fragte Sophia.
„Ich werde mit einem Bier beginnen.“
Sophia runzelte die Stirn und las einige der ihr fremden Namen nochmals. „Vielleicht wäre es besser, wenn ich nur ein Soda trinke.“ Sie blickte unschlüssig auf die geschwungenen Buchstaben, gab sich schließlich einen Ruck. „Nein, ich werde einen Cosmopolitan probieren.“ Sie nickte entschlossen.

Nachdem sie die Getränke bestellt und bekommen hatten, betrachtete Sophia die Wände des Lokals, auf welchen Schwarzweiß-Fotos von Kuba, wie die Titel an den Rändern beschrieben, hingen. „Ich war noch nie in einem lateinamerikanischen Abendlokal.“, erzählte sie fasziniert und nippte an ihrem Glas. Sie verzog kurz den Mund, als die Flüssigkeit ihre Lippen berührte, was ihrem Gegenüber ein leichtes Lächeln abrang.
„Gefällt es dir hier?“, fragte Àlvaro.
Sophia nickte. „Diese Erinnerung an andere Zeiten.“, sie wies auf die Bilder und nippte ein weiteres Mal an ihrem Glas. „Die Musik.“ Sie blickte auf die Tanzfläche. „Meine Mutter rümpfte stets die Nase über diese Tänze, beschimpfte sie als ordinär.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber diese tanzenden Paare dort... es ist, als würden sie ein Bild zeichnen. Es ist pure Kunst.“ Sie leerte den Rest des Glases und deutete einer vorbei gehenden Kellnerin, dass sie ein weiteres wollte.
Àlvaro lächelte. „Und Leidenschaft.“, fügte er hinzu. „Ein Lebensgefühl.“
Sophia nickte. „Ich wusste und ahnte nicht, wie sehr mir dies alles gefallen würde.“
„Sophia.“ Àlvaro zögerte. „Hast du Lust mit mir zu tanzen?“
„Was?“ Sie kräuselte die Stirn, ihr Hals wurde trocken. „Ich kann das nicht. Ich wäre wie eine Ente zwischen Schwänen. Wie ein tollpatschiger Elefant zwischen anmutigenden...“
„Elefanten sind nicht tollpatschig.“, unterbrach er sie. „Ich tanze normalerweise auch nur sehr selten. Wir wären also beide Elefanten.“ Plötzlich verschwand jeglicher Glanz aus seinen Augen. „Sara, sie tanzte gerne und immer, wenn sich ihr die Gelegenheit dazu bot.“ Er leerte den Rest seines Bieres.
Sophia lächelte. „Sie hätte sich gewiss über mich kaputt gelacht, hätte sie mich jemals tanzen gesehen.“
Àlvaro schüttelte den Kopf. „Sara lachte andere niemals aus. Sie hätte dich gewiss sehr gemocht.“
Sophia zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich nicht. Aber das ist okay. Ich gelte nicht gerade als umgänglich und unkompliziert.“
„Du und nicht unkompliziert? Das schockiert mich nun zutiefst.“ Der ironische Unterton war nicht zu überhören.
Sie kräuselte die Lippen. „Die Menschen, die es wert sind, wissen mich zu schätzen.“
Àlvaro nickte. „Ich habe die Trägheit mancher Männer nie verstanden. Mit komplizierteren Frauen ist das Leben doch viel spannender. Sie sind eine Herausforderung.“
„Ach.“ Sophia warf ihm einen belustigten Blick zu. „Und du wirst gerne herausgefordert?“ Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, wobei sie von Àlvaro beobachtet wurde. Von seinem erneut nicht zu deutendem Blick verunsichert, fragte sie: „Wie war Sara so? War sie kompliziert?“
„Nein.“ Seine Augen fixierten das leere Bierglas. „Nur sehr selten. Etwa wenn es um die letzte Rippe einer Schokoladentafel ging. Diese musste stets ihr gehören.“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
Sophia lachte. „Natürlich, das war ihr gutes Recht.“
„Hast du Geschwister?“, fragte er plötzlich.
„Nein.“ Sophia seufzte. „Es hätte meine Kindheit aber vermutlich erträglicher gemacht.“
Àlvaro betrachtete sie nachdenklich. „War es so furchtbar?“
Sie seufzte leise. „Die meiste Zeit zumindest.“ Sie zögerte. „Ich...ich habe dich viel über Sara gefragt. Wenn es dir unangenehm ist, musst du es mir sagen.“
Er drehte sein Glas nachdenklich in den Händen. „Eigentlich tat es gut über sie zu sprechen. Über das Positive...“
Sophia lächelte leicht. „Dann erzähle mir mehr über sie. Wie gefielen ihr diese nostalgischen Fotografien? Was studierte sie?“

Sophia nippte gerade an ihrem sechsten Cosmopolitan, Àlvaro an seinem fünften Bier, als eine junge Frau plötzlich vor ihrem Tisch stand. „Hey.“ Sie schenkte Àlvaro ein breites Lächeln, ignorierte Sophia jedoch vollkommen. Diese betrachtete die Fremde genauer. Sie trug ein Top mit tiefem Ausschnitt und einen kurzen Rock, die rotbraunen Locken bedeckten ihre Schultern.
Àlvaro musterte sie ebenso, murmelte jedoch nur einen gleichgültigen Gruß.
„Tanzen wir?“ Die junge Frau strich sich eine Locke aus der Stirn.
„Ich bin nicht alleine hier.“ Er wies auf Sophia.
Die Frau schenkte dieser nur einen kurzen Blick. „Deine Freundin?“
„Meine Verlobte.“
Sie sah von Àlvaro zu Sophia und zuckte schließlich mit den Schultern, ehe sie sich abwandte und wortlos zu einem anderen Tisch ging.
„Du hättest mit ihr tanzen können.“ Sophia nippte an ihrem Glas und musterte ihr Gegenüber eingehend. „Wie du selbst sagtest: Hier interessiert sich niemand dafür, wer wir sind. Du hättest sie nicht belügen müssen.“
„Ich habe gerade keine Lust zu tanzen. Zudem ist sie nicht mein Typ.“
Sie schüttelte den Kopf. „Und wer ist dein Typ? Die Kleine aus dem Diner?“
„Eher. Oder zickige Blondinen.“
„Paris Hilton?“
Àlvaro hob eine Augenbraue. „Mit ein paar Kilos mehr vielleicht.“
Sophia leerte den Rest ihres Glases.
Er beobachtete sie grinsend. „Es scheint dir ja doch zu schmecken.“
Sie schenkte ihm ein Lächeln, welches breiter wurde, als ein neues Lied begann. Ihr Blick wanderte zur Tanzfläche, schließlich zu Àlvaro. „Tanzt du mit mir?“
Dieser seufzte. „Ich habe noch genauso wenig Lust wie vor zwei Minuten.“
Sophia zog einen Schmollmond. „Aber ich liebe dieses Lied.“ Ihre Stimme überschlug sich bei der Hälfte des Satzes.
Àlvaro musterte sie amüsiert. „Vielleicht wäre es nun an der Zeit nur mehr Soda zu trinken.“
„Ich dachte, ich solle mich amüsieren?“
Er erhob sich seufzend. „Also schön. Aber wir hören sofort auf, sollte dir schlecht werden. Die Jeans ist neu. Ich habe keine Lust ein Souvenir dieses Abends heraus waschen zu müssen.“
Sie stand vergnügt auf. „Natürlich, Sir.“
Àlvaro führte sie an den Rand der Tanzfläche, legte einen Arm um ihre Hüften und ergriff mit der Hand des anderen Arms die ihre. Sophia wich nur kurz zurück, als seine Finger geradezu auf ihrer Haut zu brennen schienen. Er zog sie etwas näher, so dass sie seinen Atem auf ihrem Nacken fühlen konnte. Sie fröstelte kurz. „Hör einfach nur auf den Rhythmus und lass dich führen.“ Er wollte sie mit seinen Schritten ziehen, sie stolperte jedoch zur Seite. „Mit Emanzen zu tanzen ist ein echter Horror“, meinte er seufzend.
Sophia lachte und verstand selbst nicht warum. Sie versuchte ihren Körper zu entspannen und ihre Bewegungen mit Àlvaros und dem Rhythmus in Einklang zu bringen. Plötzlich spürte sie wie ihr Herz schneller schlug und sich der Raum langsam zu drehen begann. Sie bekam zwar nur vage mit, wie Àlvaro sie stützte und zurück zum Tisch begleitete, protestierte jedoch heftig: „Das Lied ist noch nicht zu Ende!“ Sie ließ sich schließlich neben ihn auf die Bank ziehen.
„Für dich schon, princesa.“ Àlvaro strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn und bestellte ein Glas Wasser für sie, welches er ihr schließlich vor die Lippen hielt. „Trink das.“
Sie stieß es weg, so dass die Hälfte auf seinem Hosenbein landete. „Was ist das?“
Er stieß einen unverständlichen Fluch aus. „Das ist Gift, Sophia. Ich habe bis heute damit gewartet.“
Sophia trank das Wasser schließlich schluckweise. „Mir ist schlecht.“, murmelte sie danach.
Àlvaro betrachtete sie mitleidlos. „Wenn man nichts verträgt, trinkt man auch nicht diese Mengen Alkohol in diesem Tempo.“, rügte er sie.
„Sag mir nicht, was ich tun soll! Du bist nicht mein Vater!“ Sie erhob sich auf wackligen Beinen.
„Wohin willst du?“
Sophia rollte mit den Augen. „Zum Sanitärraum. Gestattet?“
Àlvaro betrachtete sie Stirn runzelnd. „Soll ich mitkommen?“
„Wozu? Willst du zusehen?“
Er seufzte genervt. „Mach doch, was du willst.“
Sophia zuckte mit den Schultern und wankte zu den sichtbar angeschrieben Sanitärräumen.

Zehn Minuten später stand sie vor einem der Spiegel über den Waschbecken und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Sie starrte auf das Spiegelbild mit den geschwollenen Augen, der zerlaufenen Schminke und den blassen Wangen. Sophia wandte sich angewidert ab. Dieser Abend hätte nicht in diese Richtung gehen dürfen. Der Tag war doch zuerst so gut verlaufen, sie hatte Hoffnung geschöpft und ihre Schmerzen für wenige Stunden vergessen können. Àlvaro hätte ohne sie ausgehen sollen. Sie begann zu zittern und schreckte zusammen, als plötzlich die Tür geöffnet wurde.
Eine junge Frau betrat den Raum und blieb zögernd vor Sophia stehen. „Alles okay?“, fragte sie. „Kann ich dir helfen?“
Sophia fixierte ihr Spiegelbild. „Ich kann mich so nicht hinaus wagen.“
Die Fremde nickte leicht. „Dabei kann ich vielleicht wirklich helfen.“ Sie öffnete den Zippverschluss ihrer Tasche und kramte darin. Reichte Sophia schließlich Abschminktücher und Make-Up.
„Danke.“ Sophia ergriff zitternd die Utensilien. „Damit löst sich wohl nur mein geringstes Problem, aber immerhin.“ Sie mühte sich um ein leichtes Lächeln.

Als sie zurückkam, war Àlvaro in ein Gespräch mit zwei Männern und einer Frau vom Nebentisch vertieft. Sie zögerte, als er sie nicht bemerkte, setzte sich aber schließlich neben ihn auf die Bank.
„... eine geniale Idee Obamas.“, sagte Àlvaro gerade. Er wandte sich zu Sophia und musterte sie eingehend. „Geht es dir ein wenig besser?“, fragte er.
Sie nickte leicht. „Können wir kurz miteinander sprechen?“ Sie schenkte den Personen des Nebentisches ein höfliches Lächeln.
Sophia und Àlvaro standen auf und entfernten sich ein paar Schritte. „Es tut mir leid.“, sagte die junge Frau. „Ich trinke zu selten und vertrage deshalb wirklich nichts“
Àlvaro schenkte ihr einen gleichgültigen Blick. „Was soll’s? Passiert jedem Mal, dass er zu viel erwischt.“
„Mir bisher nur damals in Florida.“
Er grinste. „Die legendäre Springbreak-Reise.“
Sophia lächelte kurz. „Genau.“ Sie zögerte. „Hör mal, ich bin müde. Ich werde zurück zur Pension gehen. Klopf mich dann einfach wach.“
Àlvaro musterte sie nachdenklich. Auf Sophias Stirn hatte sich eine leichte Falte gebildet, ihre Augen glänzten. „Bist du sicher?“
Sie nickte langsam. „Es ist besser, wenn ich bald zu Bett gehe. Das gilt jedoch nicht für dich. Deine Schwester liebte diese Bar. Vielleicht findest du ja auch eine tanzwillige, nicht betrunkene Frau.“ Sie mühte sich um ein Lächeln.
„Weißt du überhaupt noch den Weg?“, fragte Àlvaro.
„Ich habe einen guten Orientierungssinn.“

Der kühle Wind berührte ihre Schulten. Sophia fröstelte. Sie legte die Arme um ihren Körper und ging die Straße hinunter. Nun konnte es nicht mehr soweit sein. Sie fühlte sich noch immer benebelt vom Alkohol, sank schließlich erschöpft auf eine Steinbank. Lediglich für einen Moment, wie sie sich selbst gedanklich versprach. Ihre Lider wurden schwerer und gaben schließlich nach.
Der leichte Druck von etwas Schwerem und Kühlem auf ihren Schultern, ließ sie erwachen. Sophia nahm als erstes die schwarze Lederjacke um ihren Oberkörper wahr. Sie hob den Kopf und blickte in Àlvaros Augen. „Habe ich so lange geschlafen?“ Sophia musterte ihn verwirrt.
Er schüttelte den Kopf. „Ich dachte, es wäre besser dir nachzugehen, damit du auch sicher in der Pension ankommst.“
Sophia kräuselte die Stirn. „Du hast dich um mich gesorgt?“
Àlvaro machte eine abweisende Handbewegung. „In dieser Situation hätte ich mich um jeden gesorgt. Du magst dich vielleicht ein wenig besser fühlen, aber du kannst ja noch nicht einmal gerade gehen.“
„Ich bin so furchtbar müde.“ Sie gähnte. „Kann ich nicht hier schlafen? Nur ein bisschen?“
Àlvaro seufzte. „Nein, du gehst jetzt.“ Er half ihr hoch und stützte sie mit beiden Armen.

„Ich habe deinen Abend verdorben.“ Sophia lehnte sich gegen die Pensionszimmertür, die Àlvaro gerade geschlossen hatte. Er betrachtete sie eingehend. Sophias Augen glänzten, ihre Wangen waren leicht gerötet. Stirn und Lippen gekräuselt.
„Es war ein schöner Abend.“, sagte er und schenkte ihr ein kurzes Lächeln. Sophia machte einen Schritt nach vorn und stolperte dabei fast über den Zimmerteppich. Àlvaro fing sie auf.
„Ich möchte nur noch schlafen.“, flüsterte sie.
Er führte sie zu ihrer Bettseite und half ihr sich hinzusetzen. „Hilf mir mit dem Kleid.“, sagte sie gähnend.
Àlvaro starrte sie ungläubig an. „Wie bitte?“
Sophia blickte hilflos auf ihren Körper. „Das Kleid. Ich kann nicht in meinem neuen Kleid schlafen.“ Ihre Stimme überschlug sich.
Er lachte. „Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen. Dein Kleid wird es überleben.“
„Nein! Bitte hilf mir!“ Sie blickte ihn flehend an.
Àlvaro sah genervt auf sie hinab. „Nüchtern kann ich dich besser leiden.“, stöhnte er, griff aber schließlich zögernd nach dem Stoff ihres Kleides.
„Nun mach schon. Oder hast du etwa noch nie eine Frau ausgezogen?“
Àlvaro hob eine Augenbraue. „Nicht unter diesen Umständen.“ Er schob das Kleid langsam über Sophias Kopf. Sein Blick verharrte einen Moment auf ihrem Körper, ehe Àlvaro sich abwandte und das Kleidungsstück über den Stuhl hängte, welcher nahe dem Bett stand. „Die Unterwäsche behältst du aber an.“, entschied er. „Nun deck dich zu und schlaf endlich!“ Er drehte sich erst wieder um, als er das Rascheln der Bettdecke vernahm. Sophia lag in der Mitte des Doppelbettes zu einem Embryo zusammengerollt. „Àlvaro.“, sagte sie mit brüchiger Stimme.
Der Angesprochene seufzte. „Was ist? Möchtest du eine Gute-Nacht Geschichte hören?“ Er näherte sich langsam.
Sie deutete auf seine Bettseite. „Komm her, nur eine Minute.“
Àlvaro setzte sich zögernd. „Ich stoppe aber die Zeit.“
Sophia musterte ihn unsicher. „Ich bin nur eine zusätzliche Last für dich. Das war ich schon immer und für jeden.“ Eine einzelne Träne rann über ihre Wange. „Vielleicht ist es besser, du fährst ohne mich weiter. Oder du nimmst den rotbraunen Lockenkopf oder die orientalische Jessica Rabbit vom Diner mit.“
Er sank seufzend in die weiche Matratze und drehte sich zu ihr. „Du bist keine Last. Ich finde dich mittlerweile sogar relativ amüsant.“
„Amüsant?“ Sophia kräuselte die Stirn. „Du bereust also nicht mich mitgenommen zu haben?“ Ihr Kopf schmerzte, ihre eigene Stimme hörte sich plötzlich wie die einer Fremden an.
Àlvaro strich eine Träne von ihrer Wange, wobei Sophia zusammenzuckte. „Weißt du, ich bereue sehr, sehr viele Dinge in meinem Leben. Dich mitgenommen zu haben gehört jedoch nicht dazu.“
Sie rückte näher. „Ich bin abstoßend.“, meinte sie scheinbar zusammenhangslos bei dem Gedanken an ihr Spiegelbild im Sanitärraum der Bar.
„Das bist du nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Du hast lediglich zu viel getrunken. Da neigt man dazu, Dinge vollkommen verzerrt zu sehen.“
Sophia lächelte. „Du bist so lieb.“, sagte sie. Ihre Hand fuhr durch sein kurzes Haar. Die junge Frau rutschte noch ein Stück näher, so dass ihr geschwächter Körper beinahe den Àlvaros berührte. Sophias Herzschlag beschleunigte sich, sie begann zu zittern, als sie die Distanz noch etwas verringerte. Eine scheinbar fremde Frau streifte schließlich die Bettdecke ab.
Von Àlvaro ging etwas Faszinierendes aus. Die Nähe zu ihm schien einerseits verlockend, andrerseits auch bedrohend. Es war Hitze und Kälte zugleich, welche Sophia erfasste.
Àlvaro betrachtete sie eingehend. Er wusste, dass er sie nun eigentlich stoppen und vom Bett aufstehen müsste, konnte sich jedoch nicht dazu überwinden. Ein schlechtes Gewissen begann an ihm zu nagen, als Sophia ihre Lippen auf seine presste. Àlvaro genoss ihren heißen Atem, die Weichheit ihrer Haut. Er zog Sophia näher an sich. Eine seiner Hände wanderte zu ihrem Gesäß, die andere zum Verschluss ihres BHs. Plötzlich hielt Àlvaro inne und stieß die junge Frau grob von sich. „Verdammt, ich kann das nicht, Sophia! Was ist plötzlich in dich gefahren? Du bist noch immer vollkommen vom Alkohol benebelt! Du weißt ja gar nicht, mit wem du dich hier einlässt!“ Ihr Anblick ließ ihn schließlich verstummen. Sophias Augen waren gerötet. Sie hatte die Arme, auf denen die Druckstellen seiner Finger noch sichtbar waren, zitternd um ihren Körper geschlungen.
„Verdammt!“ Er erhob sich, ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen, zog seine Lederjacke über und verließ das Pensionszimmer.
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#20

Oh! Ich lieeeebe dieses Kapitel! Ich mag die Art, wie du schreibst wirklich unheimlich gerne! Du schreibst fesselnd, logisch, beschreibend, anrührend.. Lebhaft.. Wirklich toll!

Ich freue mich schon wieder auf das neue Kapitel (deine Kapitel sind immer so schön lang! :-) ).
Liebe Grüße
maybe
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