Sorgfältig lässt er die Schnürsenkel durch die einzelnen Ãsen des halb angezogenen Schuhs gleiten, schnürt sie so fest, dass das Leder sich schmerzhaft in sein Fleisch gräbt. Durch den dünnen Stoff seines rauen Baumwollhemdes kann er ihre Finger spüren, die sanfte Bewegung mit der sie seine Muskeln massiert, aufhört, ihre Arme um ihn schlingt, ihren Kopf an seinem Rücken vergräbt. Ihn zu seinem Ohr schiebt, als wolle sie etwas sagen, es jedoch lässt, und sich damit zufrieden gibt seine Haut auf ihrer zu spüren.
Er weià warum sie nichts sagt, es gibt nichts mehr zu sagen. Sie haben bereits alles gesagt was es zu sagen gab, geredet, analysiert, diskutiert bis es nichts mehr zu diskutieren gab.
Er hätte nicht erwartet, dass sie so rational reagieren würde. Gefühle sind keine Argumente für sie, sie lässt sie auÃen vor, streift sie ab, schlieÃt sie weg. Anfänglich hielt er es für eine äuÃerst verquere Art von Logik, jetzt ist er ihr dankbar. Er hat von anderen gehört, wie ihre Frauen und Freundinnen reagiert haben. Gekreische, Beschimpfungen, Entzug, Verweigerung, Erpressung. Nicht Emily, sie lässt ihm seinen Willen, nicht kampflos, aber ohne ihm das Gefühl zu geben, ihn zu erdrücken. Sie versucht ihn nicht mit süÃen Worten am Gehen zu hindern, sondern mit kühlem Verstand. Aber sein Entschluss steht fest, darauf hat selbst sie keinen Einfluss, es fällt ihm schwer es in Worte zu fassen, aber er muss es tun, er will diesen Krieg führen, ihre Beweiskraft kann daran nichts ändern.
Noch vor einer Stunde war sie vor ihm auf und abgewandert, die Silhouette ihres Körpers hatte sich unter dem beinahe durchsichtigen Stoff ihres Hemdes abgezeichnet, ihr langes Haar war zersaust von seinen Berührungen, ihre Wangen glühten und dennoch hatte sie unglaublich würdevoll auf ihn gewirkt, jeder ihrer Blicke herausfordernd, leidenschaftlich. Mit der Zähigkeit und Ausdauer eines Bluthundes hatte jedes seiner Argumente zerlegt, widerlegt, ihm das Gefühl gegeben, der Angeklagte vor einem Gericht zu sein. Hatte noch in diesem letzten Moment versucht, ihn umzustimmen, redete bis zur Erschöpfung, lies sich schlieÃlich neben ihn fallen, fuhr ihm lächelnd über das Gesicht, hauchte âIch liebe dich, Dummkopfâ, und küsste ihn. So war es immer. Eine kurze Pause, ein Waffenstillstand, sie übersprang die Frontlinie und schlief mit dem Feind. Kehrte wieder zurück, schoss weiter, als wäre nichts geschehen. Dieses Mal hatte es keine Umkehr gegeben, sie waren am Ende der Sackgasse angelangt.
âSoll das ein Argument sein?â, fragte er, lies seine Finger ihre Hüften hinab gleiten, während sie näher an ihn heranrückte. âNeinâ, flüsterte sie in sein Ohr. âEs ist die Wahrheitâ, sie erstickte seine Antwort mit einem weiteren Kuss, schob sich vorsichtig auf seinen SchoÃ, unterdrückte ein Stöhnen, als er in sie eindrang. âDie Wahrheitâ, sagte sie erneut, sah ihm dabei tief in die Augen, schmiegte ihren Körper an seinen und begann sich beinahe bedächtig langsam zu bewegen. Kein Wort mehr, stumm haben sie sich geliebt, jeden Aufschrei mit fiebrigen Küssen unterdrückt, als wäre es das letzte Mal.
Es war das letzte Mal, Richard stülpt sein Hosenbein über den Schuh, richtet sich auf, sie hält still. Er greift nach ihrer Hand, drückt sie kurz, steht auf und sie löst sich widerstandslos von ihm, zieht, ohne den Blick von ihm zu wenden, die Decke enger um sich. Monatelang hat sie auf ihn eingeredet, versucht ihm klarzumachen wie unsinnig sein Handeln ist. Selbst als der Einberufungsbefehl kam, selbst als er schon im Camp war, hat sie ihn noch am Telefon mit ihren Argumentationen bombardiert. Alles was sie erreicht hat, ist ein letztes Treffen, drei Stunden in einem schäbigen Motel, wo sie sich ein letztes Mal verzweifelt gegen seine Entscheidung aufgebäumte. Ihre Schlussrede hielt, obwohl sie genau wusste, dass es schon lange zu spät war. Sie hat an seinen Verstand appelliert, es hat nichts genutzt und jetzt würde sie sich am liebsten vor ihm auf die Knie werfen, ihn festhalten, schreien, ihm drohen, mit den Fäusten auf ihn einschlagen, aber sie ist wie betäubt. Bleib, denkt sie, bitte. Nur noch eine Stunde, eine halbe, fünf Minuten, für immer.
Er öffnet die Tür, ein kühler Windhauch fegt in das Zimmer, sie springt auf, rennt ihm entgegen, er fängt sie auf, küsst sie mit durchdringender Intensität. Versucht sich die Formen ihres Körpers, den Duft ihrer Haut, die Geschmeidigkeit ihrer Lippen, jedes Detail, tief ins Gedächtnis zu graben, bedauert es, als sie sich ihm entzieht. Sie legt beide Hände auf seine Wangen, presst ihre Stirn an seine.
âPass auf dich aufâ, sagt sie mit fester Stimme. âIch brauche dich noch.â Er nickt und sie lässt ihr Hände langsam fallen, nimmt seine und drückt sie auf ihren Bauch. âWir brauchen dich noch.â
Er blinzelt verständnislos, begreift nur langsam, will etwas sagen, doch sie ist schneller. âGehâ, sie lacht, obwohl sie am liebsten heulen würde. âSonst kommst du noch zu spät.â
Er drückt ihr einen Kuss auf die Stirn, geht, schlieÃt die Tür hinter sich, eilt die StraÃe hinab. Er entfernt sich, sie rührt sich nicht. Sie steht da, wie ein Soldat, während sie innerlich zusammenfällt. Die Luft brennt in ihren Lungen, die Tränen in ihren Augen. Sie wischt sie ärgerlich beiseite, nimmt verschwommen das Bett wahr.
Langsam greift sie nach der Decke, die noch warm ist, legt sie sorgfältig zusammen. Schüttelt die Kopfkissen aus und streicht sie glatt. Zieht das Betttuch zurecht. Als sie fertig ist, betrachtet sie ihr Werk, presst die Zähne aufeinander, reiÃt mit einer Handbewegung die Wäsche vom Bett und schreit, sinkt auf den Boden. Sie schlingt ihre Arme um ihren Körper, krallt ihre Fingernägel in ihre Schenkel bis feine Rinnsale aus Blut ihre Beine herabsickern, bis sie irgendwann ihren Kopf auf das kühle Linoleum legt und in einen traumlosen Schlaf fällt aus dem Lorelai Gilmore sie wecken wird.
To be continued
ATN: So, kurz und schmerzlos: Das Ende von Kapitel Eins. Zwei folgtâ¦â¦â¦I'm on a run, Baby... schneller schlafen klappt irgendwie, bin heut um sechs aufgewacht und war hellwach, hatte also drei Stunden Extrazeit *GG*. Riska