sich lieben
und einander verhungern lassen
sich lieben
und wissen
dass man wenig dagegen tun kann
sich lieben
und versuchen
nicht stumpf zu werden
sich lieben
und mit der Zeit
einander töten
und doch sich lieben
mit immer besseren Waffen
Erich Fried
Vier
Atemlos löst sie sich von ihm, grinst ihn an. âIch muss langsam reinâ, haucht sie, lacht über sein enttäuschtes Gesicht. âDu weiÃt doch, Dinner, punkt sieben Uhrâ, sie nestelt an ihrer Jacke und versucht sie wieder in eine halbwegs ordentliche Form zu bringen, gibt schlieÃlich genervt auf, klappt den Sonnenschutz seines Wagens herunter, zieht ihren Lippenstift nach.
Er lehnt sich in seinen Sitz zurück, ist noch ganz benommen von ihren Küssen, wünschte sie könnte bleiben. âWas wäre denn, wenn du tatsächlich zu spät kommst? Nur ein einziges Mal? Fünf winzige Minuten.â
Sie sieht ihn mit gespieltem Tadel an, schlägt die Beine übereinander, richtet sich kerzengerade auf. âDann mein lieber Christopherâ, entgegnet sie mit nasaler Jungfernstimme, âDann würde das Universum implodieren, die Fische würden sich aus den Meeren erheben und in den Süden fliegen, die amerikanische Zivilisation mit all ihren Errungenschaften würde zu Grunde gehen und Metallica eine Platte mit den schönsten Akkordeonmelodien der europäischen Alpenlandschaft herausbringen.â
âAlso ich würde sie kaufenâ, er zuckt mit den Achseln, lässt seine Finger ihren Arm nach oben wandern, sie kichert, liebt das Gefühl, dass seine Berührungen ihr auslösen. Trotzdem schiebt sie seine Hand zu Seite, sie muss wirklich langsam gehen, so gerne sie auch Witze über ihre verknöcherten Eltern und ihre angestaubten Ansichten reiÃt, so wenig hat sie Lust, sich einen Vortrag über das Benehmen einer jungen Dame von Stand anzuhören, nicht schon wieder.
âSehen wir uns heute Abend?â, der Hundeblick, er beherrscht diese Taktik wie keine Zweiter, das schelmische Lächeln dazu, sie kann ihm einfach nichts abschlagen. Dass war schon immer so, seit sie klein waren. Manchmal fragt sie sich, wo der Ãbergang war, wann aus ihrem Freund
ihr Freund wurde, wann sie sich in ihn verliebt hat. Warum er der Einzige ist, bei dem sie sich wirklich wohl fühlt, bei dem sie so sein darf, wie sie wirklich ist. Er versteht sie, fühlt sich in dieser versnobten Welt aus Kristalleuchtern, antiken Möbeln und gerüschten Seidenroben genauso unwohl wie sie.
âNeinâ, leider, sie kann nicht, konnte sich nicht herausreden, wird ihre Eltern zu einem dieser gähnend langweiligen Sinfoniekonzerte begleiten müssen. Bach â oder war es Haydn? Nun, sie würde ihren Abend lieber mit Christopher, denn mit Joseph verbringen. âIch werde nämlich in den Genuà einer Premiere kommen.â
âUh, eine Premiere. Ich sehe dich vor mir, im adretten Seidenkleidchen, die Beine züchtig verschränkt, die Hände brav im Schoà gefaltetâ, neckt er sie, versucht gleichzeitig sie zu einem Abschiedskuss zu bewegen, er kann sich nicht helfen, sie ist einfach zu süÃ, zu schön, begehrenswert, die perfekte Freundin â in jeder Hinsicht.
Sie erwidert den Kuss, legt ihre Arme um seinen Hals. âMach dich nur lustig über mich, mein Lieberâ, verflucht, sie will hier nicht weg, will bleiben, sich ganz dem wohligen Gefühl hingeben, dass seine Lippen auf ihrer Haut hinterlassen. âAber deine Stunde wird auch noch schlagen.â
âFalls du auf den Debütantinnenball anspielst, finde ich das tatsächlich nicht komischâ, er schiebt seine Hand unter ihren Blazer, fährt die perfekt geschwungenen Linien ihres Körpers nach. âAber wenigstens muss ich nicht mit einem Fächer im Kreis herumtanzen und so tun, als wäre ich eine vorbildliche Lady.â
âOhâ, sie stöhnt, verdreht die Augen. Dieser lächerliche Fächertanz, eine weitere Demütigung. Wozu überhaupt das Ganze? Warum hängt man den Debütantinnen nicht einfach Nummern um den Hals, versteigert sie an den Höchstbietenden. Was für ein SpaÃ, hier sehen sie Lorelai Victoria Gilmore, Tochter des Richard Charles Gilmore und der Emily Louise Gilmore, geborene Johnson. Lorelai ist zwar ein wenig ungezähmt, kommt allerdings aus einem guten Stall, mit ein wenig Geduld und Spucke, einer zweireihigen Perlenkette und einem schönen Reifrock wird sie schnell zu einer vorzeigbaren Ehefrau werden. Also greifen sie zu, hier und jetzt, so ein Schnäppchen macht man nicht alle Tage. âIch glaube das werde ich nicht durchstehen.â
âMit ein bisschen Tequilla geht allesâ, er zwinkert ihr verschwörerisch zu, klopft demonstrativ auf seine Jackentasche, den silbernen Flachmann darin, ein Erbstück seines GroÃvaters. Wenigstens etwas, das man tatsächlich gebrauchen kann. Das denkt auch sie sich, klimpert so verführerisch wie möglich mit ihren langen, schwarzen Wimpern, die sich dunkel vom Blau ihrer Augen abgeben, wie der Rahmen eines Gemäldes, er könnte sie stundenlang anschauen. âNa schönâ, er zieht den Flachmann hervor, reicht ihn ihr. âAber wehe dir, wenn ich ihn nicht zurückbekomme.â
Sie drückt ihn einen Kuss auf die Wange, verstaut das silberne Gefäà in ihrer Tasche, wenigstens würde sie das ätzende Konzert nicht nüchtern überstehen müssen. âDanke, mein Held, mein Romeoâ, säuselt sie, will sich gerade durch einen weiteren Kuss erkenntlich zeigen, als ihr Blick auf die Uhr fällt. âVerdammt!â, hektisch reiÃt sie die Wagentür auf, verheddert sich dabei im Gurt, flucht wütend vor sich hin, sie ist zu spät, zwar nur drei Minuten, aber eine Lady ....
â...flucht nichtâ, bemerkt er, hat ihren Gedanken erraten, sie lächelt ihm zu, wirft sich die Tasche über die Schulter, beugt sich ein letztes Mal in den Wagen, ein flüchtiger Kuss. âIch liebe dichâ, murmelt sie, ein letztes Grinsen, dann verschwindet sie im Eilschritt in der Auffahrt ihres Elternhauses, will gar nicht wissen, was sie dort erwartet.
To be continued
ATN: Sodele, that's the beginning vom Kapitel 4 .... wie harmlos doch alles erscheint
AuÃerdem, nach all der Aufregung, ein bisschen easy-going, wird schlieÃlich schnell genug wieder wenger lustig werden